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Woran erkenne ich Rechtsextreme?

Christopher Egenberger

/ 10 Minuten zu lesen

Neonazis tragen Glatze, Bomberjacke und Springerstiefel? Diese Gleichung stimmt schon lange nicht mehr, wenn sie denn je richtig war. Ob Kleidung, Musik, Codes oder Symbole: Die Szene hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Ein Überblick von Christopher Egenberger.

Nur noch "Klassiker" der Neonaziszene? Rechtsextreme Skinheads bei einem Aufmarsch in Dessau 2005. (© H. Kulick)

Neonazis tragen Glatze, Bomberjacke und Springerstiefel? Diese Gleichung stimmt schon lange nicht mehr, wenn sie denn je richtig war. Denn die wirklich gefährlichen Rechtsextremen, die geschulten Kader, haben sich schon immer hinter einer eher biederen Fassade versteckt. In den letzten Jahren gab es in der neonazistischen Jugendszene nun eine Entwicklung, in deren Zuge Rechtsextremismus in verschiedene Jugendkulturen Einzug gehalten hat und ein Erkennen von Neonazismus zunehmend erschwert wird.

Die politische Einstellung eines Menschen ist nur selten an Äußerlichkeiten zu erkennen. Obwohl gerade Jugendliche oftmals dazu tendieren, ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Subkultur durch das Tragen gewisser Kleidungsstücke oder Accessoires kenntlich zu machen, sind derartige Erscheinungen doch nur bedingt aussagekräftig. Skinheads mit Springerstiefeln und Bomberjacke haben schon immer lediglich einen Teil des neonazistischen Spektrums ausgemacht. Da es aber leicht war, auf sie zu zeigen, konnten sich andere Rechtsextreme derweil hinter einer bürgerlichen Fassade verstecken. In den letzten Jahren ist die rechte Szene zudem vermehrt in andere jugendkulturellen Subkulturen vorgedrungen. Diese Entwicklung, auf die noch näher eingegangen werden muss, macht es immer schwieriger, Neonazis an optischen Merkmalen auszumachen.

Anspielungen auf die germanisch-heidnische und nationalsozialistische Vergangenheit

Natürlich gibt es weiterhin den "klassischen" rechten Dresscode, der relativ einfach an den sogenannten szenetypischen Erkennungsmerkmalen zu identifizieren ist. Bestimmte Kleidungsmarken und besonders einschlägige Musikgruppen weisen auf eine rechtsextreme Gesinnung hin, sowie Anspielungen auf das Dritte Reich oder die germanisch-heidnische Vergangenheit. Die Darstellung von Elementen der nordischen Mythologie ist für die extreme Rechte ein wesentlicher Bestandteil der Identitätsstiftung. Darin spiegelt sich die Sehnsucht nach einer romantisch verklärten, unverfälschten Kultur, sowie die Ablehnung des Christentums als einem "jüdischen Kulturelement".

Viele rechtsextreme Gruppierungen praktizieren Kulthandlungen wie Sonnenwendfeiern, "Ostara-Feste" oder Osterwasserschöpfen. Der Eventcharakter solcher Veranstaltungen soll gezielt Jugendliche ansprechen. Diverse germanische oder heidnische Begrifflichkeiten dienen als Namen für Kleidungsmarken oder rechte Musikgruppen. Runen oder Symbole wie die Schwarze Sonne dienen als Schmuckelemente auf Flyern, CD-Covern oder Aufnähern. Von besonderer Bedeutung ist das (stilisierte) Keltenkreuz, das weltweit als Symbol für das gemeinsame kulturelle Erbe und die Vormachtstellung der weißen Rasse steht. Dieses White-Power-Zeichen findet in der Szene beinahe unbegrenzte Verwendung. Eine Ähnliche Bedeutung und Verbreitung wie das Keltenkreuz hat auch die White-Power-Faust.

Verweise auf das Dritte Reich bergen immer die Gefahr, aufgrund der Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen strafrechtlich belangt zu werden. Deshalb werden derartige Zeichen oder Schriftzüge oftmals verfremdet oder lediglich angedeutet. Eine weitere Möglichkeit sind Zahlencodes, die eine der bedeutendsten Kreationen rechtsextremer Symbolik darstellen. Mit Zahlencodes ist es Rechtsextremisten möglich, gleichzeitig Provokation, Angriff und Subversivität auszudrücken. Zum einen richtet sich die Symbolik an die eigene Gruppe, schafft ein Wiedererkennungszeichen im öffentlichen Raum und stärkt dadurch die Gruppenidentität. Zum anderen soll auch direkt der politische Gegner angesprochen und provoziert werden

Zahlencodes und Akronyme

Die verwendeten Ziffern bezeichnen die Platzierung des Buchstaben im Alphabet. Die bekanntesten und nach wie vor am häufigsten verwendeten Zahlencodes sind die "18" (für Adolf Hitler) und die "88" (für "Heil Hitler"). Letztere kann durch "H8" ersetzt werden, womit noch ein Wortspiel in den Zahlencode integriert wird. Ausgesprochen entspricht "H8" dem englischen Wort "hate". Fast ebenso häufig wird der Code "14" oder "14 Words" verwendet, nach einer rassistischen Losung des amerikanischen Rechtsextremisten David Lane ("We must secure the existence of our race and a future for white children"). Weiterhin stehen die "28" als Kürzel für die verbotene Blood&Honour-Division Deutschland, "13/47" für "mit deutschen Gruß", die "74" für "Großdeutschland und die "19/8" für "Sieg Heil". Hinter der Zahlenkombination "168:1" steckt ein Hinweis auf den Sprengstoffanschlag in Oklahom/USA im Jahr 1995, bei dem der rechtsextreme Täter 168 Menschen tötete.

Neben Zahlencodes gibt es noch diverse Abkürzungen oder Akronyme wie beispielsweise "WAR/WAW", das für "White Aryan Restistance" bzw. das deutsche Pendant "Weißer Arischer Widerstand" steht. "RaHoWa" steht für "Racial Holy War", also heiliger Rassenkrieg, und findet als weltweit gängiger Schlachtruf Gebrauch als Wandsprüherei, Grußformel oder T-Shirt-Aufdruck. Populär gemacht wurde RaHoWa in den 90er Jahren durch eine gleichnamige US-amerikanische neonazistische Heavy-Metal-Band. "ZOG" wird als Abkürzung für "Zionist Occupied Government" gebraucht und bedeutet übersetzt "zionistisch besetzte Regierung". In ZOG findet die eingebildete "jüdische Weltverschwörung" ihren Ausdruck.

Kleidungsmarken

Generell ist Kleidung für Jugendliche das neben Musik wichtigste Mittel, die eigene Identität, die Zugehörigkeit bzw. den Zugehörigkeitswunsch zu einer politischen Strömung oder jugendkulturellen Szene auszudrücken. Die Kleidung verrät viel über das jeweilige Selbstbild. Mit den angezogenen Kleidern sollen vor allem andere Jugendliche, aber auch Erwachsene, provoziert werden. Doch viele der Bekleidungsmarken, die das Image haben, vorwiegend von rechten Jugendlichen getragen zu werden, haben diesen Ruf zu Unrecht. Viele Marken leiten ihre Beliebtheit aus der englischen Skinheadkultur ab und werden daher auch von linksorientierten oder unpolitischen Skins getragen, wie etwa Ben Sherman, Fred Perry oder Doc Martens. Diese Unternehmen versuchen sich u.a. mit Antirassismuskampagnen von dem rechten Image zu befreien. Tatsächlich haben sich viele Rechtsextreme daraufhin von diesen Marken abgewandt, im Falle von Lonsdale wurde mit Consdaple sogar eine rechte Gegenmarke gegründet.

Ein Mythos ist auch die angeblichen Bedeutungen von Schnürsenkelfarben, nach dem weiße Schnürsenkel für eine rechte und rote für eine linke Gesinnung stehen. Auch wenn dies in manchen Regionen noch stimmen kann, gibt es doch Blood&Honour-Skins, die bewusst rote Schnürsenkel tragen. Gleichzeitig gibt es viele nicht-rassistische Skinheads, die zu schwarzen Springerstiefeln weisse Schnürsenkel tragen, um symbolisch auf die Ursprünge des Skinhead-Kultes hinzuweisen: "Black and White - Unite". Schlussendlich ist es nicht möglich, etwas zweifelsfrei aus der Schnürsenkelfarbe herauszulesen. Gleiches gilt auch für bestimmte Haarfrisuren. Kurze Haare bedeuten Vorteile in einer Schlägerei – der Gegner kann nicht in die Haare greifen – und sind daher in der Skinhead- und Hooliganszene verbreitet, aber weitaus mehr Menschen tragen eine Glatze aus rein ästhetischen Gründen. Eine Gleichung "kurze Haare = rechte Gesinnung" ist wenig sinnvoll.

Der militärische Kontext der Bomberjacke signalisiert Militanz. Dies macht sie in verschiedenen Subkulturen beliebt, wie etwa bei Hooligans, Autonomen oder im Gangsterrap. Die qualitativ hochwertigen Jacken von Alpha Industries, das u.a. für das US-Militär produziert, sind zusätzlich aufgrund des dem verbotenen Zivilabzeichen der SA ähnelnden Markenlogos in rechtsextremen Kreisen verbreitet. Die Beliebtheit hat aber abgenommen, seitdem sich die Szene vermehrt unauffällig kleidet. Durch den Wandel der Mode, hin zu einem mehr sportlichen als martialischen Erscheinungsbild, erreichen bestimmte Sportmarken einen hohen Stellenwert und Verbreitungsgrad in der rechten Szene.

New Balance oder Helly Hanson sind dennoch ganz gewöhnliche Sportartikelhersteller, die natürlich auch außerhalb der rechtsextremen Szene getragen werden. Ihre Beliebtheit resultiert einzig aus der Tatsache, dass ihre Initialen in rechten Kreisen uminterpretiert werden. Dann steht das aufgenähte "N" für "National(sozialist)" und "HH" für "Heil Hitler". Auch New Balance hat sich mittlerweile aber von ihrem rechtsextremen Kundenkreis distanziert.

Etwas eindeutiger ist der Fall daher bei Markennamen und Symboliken, die bewusst Aggressivität zum Ausdruck bringen und daher in der Neonazi- wie auch der Rocker- oder Hooliganszene verbreitet sind. Dies sind unter Anderem die Marken Dobermann, Pit Bull, Troublemaker, Streetwear oder Pro Violence. Während bei der Frankfurter Firma Pit Bull aber ein gewisser Wert darauf gelegt wird, dass es sich nicht um eine Neonazi-Marke handelt – laut einer Stellungnahme des Unternehmens sind 50% der Mitarbeiter keine Deutschen -, hat die im Raum Kassel beheimatete Bekleidungsmarke Doberman erkennbare Verbindungen zur rechten Szene durch z.T. eindeutige rechte Symbolik, wie etwa einem Motiv hochgeschnürter Stiefel mit der Aufschrift "Made in Germany". Da Doberman sich nicht neben Pit Bull szeneübergreifend etablieren konnte, werden die Jacken, Hosen, T-Shirts und Basecaps verstärkt über rechte Versandhändel oder Ladengeschäfte vertrieben, über die aber zumeist auch Pit Bull zu erwerben ist.

Kleidungsstücke der Firmen Troublemaker und Streetwear sind vor allem im Armyshops erhältlich, aber auch in im engen Sinne rechtsextrem orientierten Läden. Die beiden Marken orientieren sich vor allem auf die Hooligan-Szene als Kunden. Beim Internetauftritt von Troublemaker wird dies auch durch die angelegten Links zu Hooligan-Seiten sehr deutlich. Dennoch sind Neonazis ein bewusst gewählter Teil der Zielgruppe, so erschien auch im Magazin der mittlerweile verbotenen Blood & Honour-Division Deutschland eine Werbeanzeige von Troublemaker. Überschneidungen von Neonazi- und Hooliganszene findet sich auch in der Popularität des Begriffs "Kategorie C" oder "KC". Die polizeiliche Einstufung von Hooligans aus dem stets gewaltbereiten Spektrum ist auch unter Rechtsextremen beliebt. Kategorie C ist in verschiedenen Varianten als Marke eingetragen. Die Bremer Hooligan-Band Kategorie C (KC – Die Band) ist der Neonaziszene eng angebunden und dort sehr beliebt.

Dazu kommen einschlägige Nazimarken wie Thor Steinar oder Consdaple. Diese werden ausschließlich für die rechte Szene produziert. Herstellung und Vertrieb liegt zumeist in den Händen von Menschen, die selbst aus dieser Szene entstammen. Fast sämtliche der von Thor Steinar markenrechtlich eingetragenen Logos und Namen greifen auf Begriffe der germanisch-nordischen Mythologie und dem Heidentum auf (Nordland,Viking Company, Nordmark, Walhalla, Walküre usw.). Nach einer juristischen Auseinandersetzung, ob die aus verschiedenen Runen zusammengesetzten Logos mit Symbolen verbotener Organisationen identisch seien und somit gegen den Paragraphen 86a verstoßen, brachte Thor Steinar 2005 ein neues Logo auf den Markt. Die nun dargestellte Rune fand zwar keine Verwendung im Nationalsozialismus und ist deshalb nicht strafbewehrt, aber der rechte Hintergrund der Marke wurde im Zuge dieser Auseinandersetzung mehr als deutlich. Dennoch ist Thor Steinar auch in szenefremden Bekleidungsgeschäften erhältlich.

Die englische Sportmarke Lonsdale war in der rechten Szene auch deshalb beliebt, weil bei halbgeöffneter Bomberjacke der Eindruck erweckt werden konnte, auf dem Pullover würde NSDAP stehen. Nachdem sich Lonsdale glaubwürdig von seinem rechten Image distanziert hat, wurde innerhalb der Neonaziszene mit Consdaple eine Marke konzipiert und etabliert, welche die vollständige Buchstabenkombination enthält, vordergründig aber an das englische Wort für Schutzmann (constable) erinnert. Consdaple-Bekleidung wird nur in neonazistischen Läden verkauft. Gleiches gilt für die Marken "Masterrace Europe", "H8wear" oder "Max H8". Wer diese Marken trägt, demonstriert damit, dass er oder sie Teil der rechtsextremen Szene ist. Weiter wichtige Erkennungszeichen sind Aufnäher, die neben den üblichen rechtsextremen Symbolen vor allem Bandlogos zeigen.

Rechtsextreme Musik

Für den modernen Rechtsextremismus ist Musik eines der wichtigsten Rekrutierungselemente. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) schreibt, dass "viele Jugendliche" explizit über Musik ihren "Einstieg in die rechtsextremistische Szene" gefunden haben. Einen detaillierten Überblick über die mittlerweile vielfältige rechtsextreme Musikszene zu geben, würde den Rahmen dieser Ausführungen sprengen. Es muss aber auf eine bereits angedeutete Entwicklung eingegangen werden, welche die rechte Musikszene in den letzten Jahren grundlegend verändert hat. Es ist augenscheinlich, dass neben der Skinhead-Musik-Kultur, die in den Neunziger Jahren die Szene geprägt hatte, rechtsextreme Inhalte Zugang zu zahlreichen anderen Jugendkulturen gefunden haben. Beispielhaft hierfür sind Dark Wave, Black Metal oder Hardcore. In diesen Zusammenhang schrieb der sächsische Verfassungsschutz 2005: "Durch die unterschiedlichen Musikrichtungen und die musikalische Qualität einiger Szenebands wird die rechtsextremistische Musik auch für bisher unpolitische Jugendliche und Anhänger anderer Sub- und Jugendkulturen interessant."

Neben einer Qualitätssteigerung in Produktion und Vertrieb ist mitursächlich für die erfolgreiche Ausbreitung rechter Musik, dass moderne und jugendkonforme Stilelemente übernommen worden sind. Hierbei wurden einige Tabus gebrochen, so "singen" deutsche NS-Hardcorebands heute überwiegend in englischer Sprache. Auch der lange verpönte Graffiti-Style ist längst keine Seltenheit mehr in der rechten Szene. So versucht die Marke "Rizist" mit szenetypischen weiten Jeans und Windbreakern und einem Graffiti-Schriftzug Kunden am rechten Rand der HipHop- und Skater-Szene zu erreichen. Ein weiteres Beispiel dafür, wie Nazis bestehende jugenkulturelle Symbole aufgreifen und mit einer eigenen Interpretation versehen ist die schwarze Billardkugel mit der 8. Der 8-Ball wurde erstmalig Anfang des letzten Jahrhunderts in den USA benutzt. Er hat keine politische Bedeutung und wird vornehmlich in der Rock-a-Billy-Szene und unter Rockern getragen. Heute erfreut er sich auch einer großen Beliebtheit insbesondere bei den stilistisch popkulturell orientierten Anhängern des neonazistischen Hardcore und erscheint häufig in den Logos derer Versände, Ladengeschäfte und Bands.

Auch bis vor wenigen Jahren noch eindeutig der linken Szene zugeschriebene Accessoires sind heute kein ausreichendes Indiz für die politische Zuordnung mehr. Das bekannteste Beispiel ist das sogenannte Palästinensertuch, das mittlerweile vornehmlich von Rechten getragen wird. Neonazis können sich somit hinter der Aufmachung fast jeder Jugendkultur verbergen. Dies gilt für den Kleidungs- und Musikstil, wie für den Internetauftritt, für Flyer oder Plakate. Oftmals wähnt man sich auf den ersten Blick auf der Seite eines Online-Shops für Streetwear und Graffitiutensilien oder einer links-autonomen Informationsseite. Den rechten Hintergrund erkennt man erst durch ein genaueres Betrachten der transportierten Inhalte. Und selbst die rechtsextreme Argumentation ähnelt vordergründig nicht selten linker Globalisierungs- oder USA-Kritik.

Fazit

Das Wissen um Symbole, Codes, Musik- und Kleidungsstil, in denen sich die Inhalte und Wertvorstellungen von Neonazis wiederfinden, ist eine wichtige Voraussetzung, um auf neonazistische Gefahren reagieren zu können. Doch die Fülle der Symbole, die Übernahme bzw. Verfremdung linker oder anderer jugendkultureller Stilelemente und die Benutzung von Codes und Abkürzungen macht es fast unmöglich, einen wirklichen Überblick über die rechtsextreme Szene zu bekommen. Viele Jugendliche wollen sich dem "klassischen" rechten Dresscode nicht unterwerfen. Obwohl auch sie rechtsextremen Gedankengut anhängen, bezeichnen sie sich als "Stinos" (stinknormal) und stufen sich selber nicht bei den Rechten ein. Auf der anderen Seite beugen sich in manchen Gegenden unpolitische Jugendliche dem Anpassungsdruck, der von den das Ortbild bestimmenden Rechtsextremen ausgeübt wird. Einer politischen Zuordnung vom Menschen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes sind enge Grenzen gesetzt und oftmals kommt es zu Fehleinschätzungen. In der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus muss man sich immer vor Augen halten, dass die wirklich gefährlichen Neonazis, die ausgebildeten Kader im Regelfall mit unauffälliger und seriöser Kleidung auftreten, einerseits aus Statusbewusstsein, aber auch, weil sie identitätsstiftende Kleidung nicht mehr nötig haben.

Auf eine eindeutige stilistische Abgrenzung zur restlichen Gesellschaft wird zunehmend verzichtet, und neue 'dezentrale Codes werden geschaffen. Unter diesen Rahmenbedingungen sind eine Reihe von Marken entstanden, die dieses neue Selbstverständnis zu bedienen versuchen. Gemein ist diesen Marken, dass sie nicht als eindeutig neonazistische zu erkennen sind und meist nur auf eine bestimmte Jugendkultur abzielen. Neu ist auch, dass nicht mehr nur T-Shirts oder Bomberjacken mit Markennahmen oder Slogans bedruckt werden, sondern sich anderer Moden wie HipHop- oder Raver-Styles bedient wird. Die vormals dominierende rechte Skinhead-Szene hat ihre Führungsrolle verloren. Neben ihr existieren verschiedene andere rechte Jugendkulturen. Durch diesen Wandel - weg von einer Szene hin zu einer Jugendbewegung - haben diverse Musikrichtungen und Dresscodes in die Neonazi-Bewegung Einzug gehalten.

Fussnoten

Christopher Egenberger hat Geschichte und Politikwissenschaften an der Humboldt-Universitaet in Berlin studiert. Er war sechs Jahre Referent bei der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung und ist z.Z. Mitarbeiter der Mut-gegen-rechte-Gewalt-Redaktion der Amadeu-Antonio-Stiftung.