Bei Wahlen kommt die NPD in einigen Regionen Vorpommerns auf 35 Prozent. Neonazis etablieren sich als nette Nachbarn. Sie machen gezielt Jugendarbeit, während der Staat spart. Was sagt die Politik dazu? Ein Interview von Journalistenschülern der Konrad-Adenauer Stiftung mit Thomas Lenz (CDU), Staatssekretär im Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns.
Herr Lenz, inwieweit hat Mecklenburg-Vorpommern ein Problem mit Rechtsextremismus?
Wir haben ein Problem – und das müssen wir ernst nehmen. Der Rechtsextremismus ist in ganz Deutschland wiedererstarkt. Allerdings zeigt sich das Problem hier in Mecklenburg-Vorpommern stärker als in anderen Ländern.
Woran liegt das?
Viele Menschen hier haben seit der Wende massive soziale Probleme. In Teilen des Landes gibt es eine extrem hohe Unterbeschäftigungsquote, bis zu 40 Prozent der Menschen sind arbeitlos oder in befristeten Arbeitsmaßnahmen. Da mag bei einigen Frust entstehen. Die Menschen sind unzufrieden und diese Unzufriedenheit führt bei vielen auch zu Extremismus. Aus Protest wählen viele Menschen die NPD, zeigen damit ihre Wut auf die Politik der etablierten Parteien. Die Protestwähler fühlen sich politisch nicht ausreichend vertreten und wählen deswegen extremistische Parteien und Gruppierungen.
Ist es nicht etwas naiv zu sagen, Rechtsextreme sind nur Protestwähler? Ist der Rechtsextremismus nicht bereits in die Gesellschaft integriert?
Ich bin der Überzeugung, dass der Rechtsextremismus noch nicht im bürgerlichen Teil der Gesellschaft angekommen ist. Er ist ein noch Randproblem. Die NPD hat landesweit nur 400 Mitglieder, das ist auf die Bevölkerung des Landes gerechnet nicht viel. Ich bin sicher: Nicht alle 7,3 Prozent der NDP-Wähler in Mecklenburg-Vorpommern rechtsextrem. Darunter sind eben viele Protestwähler. Trotzdem: Wir müssen aufpassen. Unsere Demokratie muss wehrhaft bleiben.
Was machen die großen Volksparteien falsch?
Die Volksparteien, besonders CDU und SPD, haben hier mit großen strukturellen Problemen zu kämpfen. Wir haben deutlich weniger Mitglieder als im Westen. Es ist viel schwerer, die Menschen zu überzeugen, sich politisch zu engagieren. Deswegen müssen wir Politiker uns wieder mehr an die Bürger binden, auf die Menschen zugehen. Das haben die Volksparteien bisher versäumt – im Gegensatz zur NPD. Die geht zu den Bürgern auf die Straße und spricht sie mit inhaltsleeren Parolen an. Die Volksparteien dagegen warten in ihren Büros. Wir müssen uns alle in die Dörfer begeben, mit den Menschen sprechen, statt über sie. Die Extremisten haben keine Chance, wenn wir die Menschen im Land wieder aufsuchen.
Warum kommen die Parolen der NPD bei vielen Menschen gut an?
Die Rechtsextremen gaukeln einfache Lösungen vor, müssen diese als Opposition aber nie umsetzen. Viele Menschen finden sich nicht zurecht in dem Rechtsstaat, in dem sie leben. Und wenn ihnen dann Menschen mit einfachen Lösungen kommen, laufen sie denen gerne nach. Da haben es Parteien, die mit der Realität arbeiten und unbequeme Wahrheiten vermitteln, viel schwerer. Was die NPD macht und verspricht, ist Populismus pur – und der verfängt einfach.
Was tut die Regierung Mecklenburg-Vorpommerns gegen diesen Rechtsextremismus?
Wir versuchen, die Menschen über die tatsächlichen Ziele der rechtsextremistischen Gruppierungen und Parteien aufzuklären und letztlich vor ihnen zu warnen, indem wir vor Ort präventiv arbeiten. Unser Verfassungsschutz beobachtet die rechtsextreme Szene genau. Außerdem sorgen wir dafür, dass Rechtsextremisten keine Ämter im Staatsdienst bekommen. Jeder Beamte muss auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen und das prüfen wir.
Reicht das?
Der Staat kann das Problem nicht alleine richten. Wir müssen ein gesamtgesellschaftliches Konzept entwickeln, um dem Rechtsextremismus entgegen zu wirken. Da müssen Vereine ran, Verbände, Unternehmen. Alle gesellschaftliche Institutionen müssen mitziehen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Entscheidend ist vor allem eine gute Jugendarbeit vor Ort.
Aber in Mecklenburg-Vorpommern wurden viele Jugendclubs geschlossen...
Wenn die Städte und Gemeinden ihre Jugendclubs schließen, ist das zu erst eine kommunale Entscheidung. Davon raten wir natürlich dringend ab. Aber wir können und wollen den Kommunen in ihre Selbstverwaltung nicht hineinreden. Ich hoffe, dass die Kommunen mehr Jugendarbeit machen. Aber natürlich ist auch eine Haushaltskonsolidierung der Städte und Gemeinden wichtig. Für mehr Jugendarbeit müssen die Kommunen an anderer Stelle sparen.
Herr Lenz, herzlichen Dank.