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"Ein besonders sensibler Bereich" Meinung: Rechtsextremismus in der Bundeswehr

Lucius Teidelbaum

/ 12 Minuten zu lesen

Wenn es um Rechtsextremismus geht muss die Bundeswehr besonders aufmerksam beobachtet werden, meint Lucius Teidelbaum. Sie sei attraktiv für Menschen mit rechtsextremer Gesinnung und diese können eine Ausbildung an der Waffe erhalten.

Reproduktion des Truppenausweises von NSU-Terroris Uwe Mundlos. (© dpa)

Franco A. aus Offenbach war seit 2008 Soldat der Bundeswehr, zuletzt im Rang eines Oberleutnants beim Jägerbataillon 291, stationiert im französischen Illkirch nahe Straßburg. Am 26. April 2017 wurde er in einer Kaserne in Hammelburg wegen Terrorverdachts festgenommen. Zeitgleich fand die Durchsuchung von insgesamt 16 Wohnungen und Bundeswehr-Diensträumen in Illkirch, Schwarzenborn, Idar-Oberstein und Munster statt. Der Soldat stand im Verdacht, ein Rechtsterrorist zu sein.

Der Fall Franco A.

Franco A. hatte sich Ende 2016, einige Monate vor seiner Verhaftung, in Gießen als geflüchteter französischstämmiger syrischer Christ ausgegeben, dort registrieren lassen und einen Asylantrag gestellt. Kurze Zeit später hatte er auf einer Toilette im Wiener Flughafen eine Pistole deponiert – die aber gefunden und deren Fundort seitdem überwacht wurde. Als A. am 3. Februar 2017 das Versteck der Pistole aufsuchte, wurde er von den österreichischen Behörden verhaftet, nach Aufnahme seiner persönlichen Daten aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Wegen dieser Verhaftung wurden die deutschen Behörden auf Franco A. aufmerksam: Bei der Registrierung als Flüchtling waren seine Fingerabdrücke abgenommen worden, die beim Abgleich der Daten von Franco A. auftauchten. Dass ein deutscher Staatsangehöriger sich als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte, machte ihn verdächtig. Neben Franco A. wurde bei der Razzia im April 2017 auch Mathias F. aus Offenbach festgenommen, ein Student, der in seinem Studentenwohnheim in Friedberg 1.083 Patronen aus Bundeswehr-Beständen für Franco A. gelagert hatte. Diese will er kurz vor Ostern 2017 von Franco A. erhalten haben.

Schnell wurde über eine rechte Terrorzelle in der Bundeswehr und geplante Attentate unter falscher Flagge spekuliert. Es war die Rede von einem rechtsradikalen Netzwerk in Illkirch, Donaueschingen und Hammelburg. In Medienberichten wurde ein Oberleutnant mit den Worten zitiert: "In Illkirch gibt es eine Gruppe gewaltbereiter Offiziere, die Waffen und Munition sammeln, um im Fall eines Bürgerkriegs auf ‚der richtigen Seite‘ zu kämpfen." Es gibt viele Hinweise darauf, dass der terrorverdächtige Franco A. über ein extrem rechtes Weltbild verfügt. Zusätzlich zu seinem Dienst in der Bundeswehr hatte er ab 2009 an der französischen Elitehochschule Saint-Cyr studiert und dort Ende Dezember 2013 eine Masterarbeit mit dem Titel "Politischer Wandel und Subversionsstrategie" eingereicht. Die Lektüre dieser Arbeit erlaubt tiefe Einblicke in die Gedankenwelt von Franco A. Er breitet in der Arbeit umfangreich seine Bürgerkriegsfantasien aus, hinter den gesellschaftspolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte sieht er eine Verschwörung am Werk, die er als "Subversion" bezeichnet.

Diese habe die "Heterogenisierung der Völker" zum Ziel. So schreibt er etwa in seiner Masterarbeit: „Ursache des heutigen Genozids der Völker in Westeuropa ist die bereits angesprochene Einwanderung, die durch Maßnahmen zur Heterogenisierung verstärkt wird. Es lässt sich nicht bestreiten, durch welche politische Ideologie auch immer, dass eine massive Einwanderung, wie wir sie in der Vergangenheit erlebt haben und wie wir sie heute erleben, zum Untergang der betroffenen Völker führt. Das ist eine mathematische Gewissheit. Diese Realität zu tabuisieren ist ein subversiver Akt.“

Spätestens, wenn Franco A. in seiner Masterarbeit die hebräische Bibel als "Fundament der Subversion" beschreibt, schimmert die antisemitische Vorstellung einer jüdischen Weltverschwörung deutlich durch. Ein französischer Dozent beurteilte die Arbeit als rechtsextremes Pamphlet und lehnte sie ab. Er informierte die Vorgesetzten von Franco A., die den Vorfall jedoch als harmlos einstuften und A. erlaubten, eine neue Arbeit zu verfassen. Trotz seines offenkundig rechtsextremen und antisemitischen Weltbildes verblieb Franco A. in der Bundeswehr.

Wehrmachts-Traditionen bis in die Gegenwart

Kritiker*innen monieren, dass Franko A. kein Einzelfall ist, sondern es häufiger überzeugte Rechtsextreme in der Bundeswehr gäbe und dies etwas mit dem Struktur und Geist der Bundeswehr zu tun hätten. Nach den Terrorvorwürfen gegen Franco A. waren aus der Kaserne Illkirch Wehrmachtsdevotionalien – darunter Wehrmachtshelme und Landser-Bilder – geräumt worden. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte darüber hinaus angeordnet, alle Kasernen der Bundeswehr nach entsprechenden Devotionalien zu durchsuchen. Mehrere Hundert Wehrmachtsrelikte kamen dabei zutage.

Dass solche Gegenstände überhaupt in Kasernen der Bundeswehr verwahrt und ausgestellt werden, wurzelt auch in der Entstehungsgeschichte der Bundeswehr. Sie wurde 1955 gegründet und geführt von Personal, das ganz überwiegend bereits in Hitlers Wehrmacht und teilweise auch in der Waffen-SS gekämpft hatte. Ganz selbstverständlich sah man sich damals in der Tradition der Wehrmacht. Einzelne Truppenteile gingen Patenschaften mit Traditions- und Veteranenverbänden der Wehrmacht ein, welche in den Kasernen oft Traditionsstuben einrichten durften.

Diese Bezugnahme wurde zwar im Laufe der Zeit durch das Ausscheiden der Weltkriegs-Generation unter den Offizieren, schwindenden Einfluss der Traditionsverbände und den "Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr" des Verteidigungsministeriums von 1982 abgemildert. Dennoch zeugen bis heute Kasernenamen sowie Ausbildungs- oder Liederbücher von diesen Traditionsbezügen. Noch im Mai 2017 waren 13 Kasernen nach Wehrmachtsoffizieren benannt, die nicht dem militärischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus zugerechnet werden können. Die Namensgeber stehen meist für besondere militärische "Leistungen", die unkritisch und ohne den historischen Kontext idealisiert werden.

Der Vorsitzende des "Bundes Jüdischer Soldaten", Hauptmann Michael Berger, sagte 2008 in einem Interview: "Es gab in der Bundeswehr stets eine Gruppe von Offizieren – bis hinein in die Generalität –, die sich immer in der Tradition der Wehrmacht sahen." Für diese These spricht der Fall des Bundeswehrgenerals Reinhard Günzel, den der damalige Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) 2003 vorzeitig in den Ruhestand versetzte.

Günzel, zu jenem Zeitpunkt Kommandeur der Eliteeinheit „Kommando Spezialkräfte“ (KSK), hatte dem CDU-Abgeordneten Martin Hohmann auf Bundeswehrbriefpapier einen Dankesbrief für seine umstrittene und als antisemitisch kritisierte Rede geschrieben, die jener zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2003 gehalten hatte. Drei Jahre nach der Entlassung trat er als einer der Autoren des Bildbandes "Geheime Krieger" in Erscheinung, der im extrem rechten Pour-le-Mérite-Verlag veröffentlicht wurde, der zum Verlagsimperium des extrem rechten Verlegers Dietmar Munier gehört, ein ehemaliger Vorsitzender der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" in Schleswig-Holstein. Günzel spricht darin ganz offen über das Wehrmachts-Traditionsbewusstsein seiner ehemaligen Truppe. Das KSK sehe sich vor allem in der Tradition der Wehrmachts-Sondereinheit "Brandenburger": "Die Kommandosoldaten des KSK wissen genau, wo ihre Wurzeln liegen. Die Einsätze der 'Brandenburger', der Vorläufer der GSG9 als auch des KSK, gelten in der Truppe als geradezu legendär."

Offiziell verbietet der Traditionserlass der Bundeswehr den pauschalen Bezug auf die Wehrmacht. Dennoch scheint dieser Traditionsbezug noch immer besonders stark bei den Eliteeinheiten zu wirken, also bei den Gebirgsjägern, den Fallschirmspringern und dem KSK. Möglicherweise trägt auch die steigende Zahl an Auslandseinsätzen dazu bei – darauf lässt zumindest die Verwendung von Symbolen des "Deutschen Afrikakorps" der Wehrmacht auf Fahrzeugen des KSK in Afghanistan schließen.

Ist die Bundeswehr besonders anfällig für Rechtsextremismus?

Die Bundeswehr weist spezifische Eigenheiten auf, die sie theoretisch besonders attraktiv für Menschen mit rechtsextremer Gesinnung machen. Da wäre zunächst der allgemeine Charakter einer Armee als streng hierarchische Organisation. Auch der große Anteil an Männern kann kann männerbündisches Denken befördern, in dem wird Stärke zumeist mit heterosexueller Männlichkeit gleichgesetzt, wodurch es schnell zur Verrohung durch (Unterwerfungs-)Rituale und Misshandlungen kommt und in dem Homophobie und Sexismus als normales Verhalten akzeptiert werden.

Laut einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr von 2008 bestätigten gut 30 Prozent der Soldaten und fast 60 Prozent der Soldatinnen, dass Frauen bei der Bundeswehr sexistischen Bemerkungen durch ihre männlichen Kollegen ausgesetzt seien. 2011 gaben in einer Befragung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr 55 Prozent der Soldatinnen an, bereits mindestens einmal sexuell belästigt worden sein. Auch wenn sexistisches Verhalten per se nicht rechtsextrem ist, ist Sexismus ebenso wie Rassismus, Antisemitismus und Homophobie meist Teil eines extrem rechten Weltbilds und wird von Sozialwissenschaftlern als ein Element des Gesamtsyndroms Interner Link: „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ genannt.

Insgesamt wirkt es, als zöge die Armee überwiegend Personen mit konservativer bis politisch weit rechter Einstellung an. Auf eine besondere strukturelle Anfälligkeit der Bundeswehr für Rechtsextremismus wies unter anderem der Historiker Michael Wolffsohn hin, der jahrelang an der Universität der Bundeswehr in München Neuere Geschichte lehrte. Diese grundsätzliche Attraktivität dürfte durch die beschriebenen personellen Kontinuitäten und den auch damit verbundenen jahrzehntelangen positiven Bezug einzelner Soldaten auf die deutsche Armee vor 1945 zu tun haben. Zudem scheinen "Out of area"-Einsätze den Bezug speziell auf frühere "Auslandseinsätze" deutscher Armeen zu fördern, wie das oben genannte Beispiel der auf Bundeswehrfahrzeugen in Afghanistan verwendeten Wehrmachtssymbole belegt.

"Rechts zur Bundeswehr – Links zum Zivildienst?" hieß eine Studie, die bereits 1993 erschien. Eine zentrale These: Je weiter "rechts" sich Jugendliche einstufen, desto klarer befürworten sie die Bundeswehr. Eine 2003 veröffentlichte Langzeitstudie zu Offiziersstudenten – der künftigen Führungselite der Bundeswehr – kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Offiziersanwärter deutlich weiter rechts stünden als ihre zivilen Kommilitonen. Womöglich sind sie dadurch auch anfälliger für extremistische Positionen.

Schließlich ist die Bundeswehr relativ isoliert vom Rest der Gesellschaft, eine Entwicklung die die Aussetzung der Wehrpflicht seit 2011 noch befördert hat. Marion Näser-Lather, Ethnologin an der Phillipps-Universität Marburg, die seit Jahren zur Bundeswehr forscht, sieht die Gefahr, "dass sich in der Armee eine Art Parallelgesellschaft mit Tugenden bildet, die zum Teil nicht mit denen der Zivilgesellschaft übereinstimmen." Auch Michael Wolffsohn warnte 2017 davor, dass sich die Anfälligkeit der Bundeswehr für extrem rechte Einstellungen durch den Wandel zu einer reinen Berufsarmee eher erhöhen dürfte: "Jede Streitkraft, in der es keine allgemeine Wehrpflicht gibt, ist kein Spiegel der Gesellschaft mehr, sondern zieht in überproportionaler Weise extremistische Kräfte an."

Zwei Problemzonen

In Bezug auf Rechtsextremismus werden bei der Bundeswehr zwei große Problemzonen sichtbar: Zum einen können Extremisten jeder Couleur, etwa unerkannte oder gar geduldete Neonazis in der Bundeswehr, eine Ausbildung an der Waffe und in anderen militärischen Fertigkeiten erhalten – ein Problem, das vor allem die einfachen Dienstgrade zu betreffen scheint. Im schlimmsten Fall können extreme Rechte ganze Einheiten dominieren. Berichte von Aussteigern und Biografien ehemaliger Neonazis und die vielfachen Äußerungen von Mitgliedern in Neonazi-Foren lassen darauf schließen, dass dies zumindest noch in den 1990er Jahren der Fall war. So berichtet etwa der Aussteiger Michael Berner, dass er bei der Bundeswehr überhaupt erst in rechtsextreme Kreise geraten sei.Der frühere Neonazi Christian Weißgerber, bis 2008 Rekrut bei der Bundeswehr, sagt, dort habe sich niemand an seinen offen zur Schau getragenen Hakenkreuz-Tattoos gestört. Allein auf seiner Stube hätten drei sehr offen mit extrem rechtem Gedankengut sympathisierende Menschen gewohnt. Eine Praxis eines Tolerierens offen Rechtsextremer geriet auch nach dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) in den Blick, als ein leitender Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) berichtete, dass MAD-Hinweise auf rechtsextreme Soldaten häufig folgenlos geblieben sind.

Einträge mit Selbstaussagen extrem rechter Soldaten in dem mittlerweile verbotenen rechtsextremen Forum Altermedia wiesen ebenfalls auf eine solche Praxis hin. Auch der spätere NSU-Terrorist Uwe Mundlos durfte 1994 seinen Grundwehrdienst unbeanstandet zu Ende führen, obwohl dem „Militärischen Abschirmdienst“ (MAD) seine neonazistische Einstellung bekannt war. Der Geheimdienst versuchte stattdessen erfolglos, Mundlos als V-Mann anzuwerben. Die Wochenzeitung Die Zeit schrieb zum damaligen Umgang mit Rechtsextremismus in der Truppe: "Die Bundeswehr hat trotz Hinweisen ihres Geheimdienstes bis Ende der neunziger Jahre rechtsextremistische Umtriebe in ihren Reihen ignoriert. Im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages erhärtete sich der Verdacht, dass die Bundeswehr eine Art Ausbildungsstätte für bekennende Rechtsextreme war. [...] Wieder und wieder hätten Rechtsextreme in der Bundeswehr in den neunziger Jahren ihre Haltung festigen können."

Die zweite potenzielle Problemzone sind Personen, die sich in der Tradition der Wehrmacht sehen und rechtsextremen Ideologien anhängen, sich dabei aber häufig nicht direkt auf den Nationalsozialismus beziehen. Weil die Bundeswehr aber unter Rechtsextremismus vor allem Neonazismus versteht und ihre Kontrollinstanzen auf diesen Problembereich abzielen, werden etwa Vertreter der rechtspopulistischen bis extrem rechten Strömung der sogenannten "Neuen Rechten" in der Bundeswehr kaum öffentlich thematisiert. Entsprechend hilflos zeigte sie sich, als im Jahr 2011 zwei Ausgaben des Studierendenmagazins campus an der Bundeswehr-Universität in Neubiberg von einer Gruppe rechtsaußen stehender Jungoffiziere dominiert wurden. Dies schlug sich im Inhalt der Texte nieder, zum Beispiel in einem Artikel über die misslungene Integration von Frauen in der Bundeswehr, und in einer ganzseitigen Anzeige des extrem rechten Interner Link: "Institut für Staatspolitik", zu welchem der damalige campus-Chefredakteur Kontakt pflegte. Wichtigster Aktivist des IfS ist der Oberleutnant der Reserve, Götz Kubitschek. Trotz der darauf laut gewordenen Kritik gab es keine durchgreifenden Konsequenzen. Selbst Erich Vad, der zeitweise als "der wichtigste Militärberater der Kanzlerin" galt, konnte im April 2003 einen Beitrag im neurechten Interner Link: Strategieblatt Sezession veröffentlichen mit der Überschrift "Freund oder Feind: Zur Aktualität Carl Schmitts". In seinem Artikel entschuldigt er Schmitts Beteiligung am Nationalsozialismus: "Schmitts Nationalismus und sein Eintreten für einen starken Staat lassen sich aus diesem Zusammenhang ebenso erklären wie seine Entscheidung zu Gunsten der staatlichen Ordnung, die notfalls unter Bruch der Verfassung gewahrt werden sollte, oder seine Entscheidung für eine zeitweise Kollaboration mit dem NS-Regime, das allein in der Lage schien den vollständigen Zusammenbruch zu verhindern."

Außerdem sieht Vad analog zum US-Politologen Samuel Huntington künftige Probleme im Konflikt der "Kulturkreise" und fordert unter Berufung auf Carl Schmitt eine Verschärfung der Feindbilder. Offenbar fehlt in der Bundeswehr ein konsequenter Umgang mit Rechtsextremismus, der nicht als Neonazismus auftritt. Wie die beiden Beispiele zeigen, reicht dieses Problem bis in den Offizierskorps der Bundeswehr, womit die Gefahr einer Einflussnahme auf die ihnen unterstellten Soldaten besteht. Einer 2007 vom Verteidigungsministerium in Auftrag gegebene Studie zufolge waren immerhin elf Prozent der befragten Jung-Offiziere dafür, die Macht des Parlaments einzuschränken, welches aus meiner Sicht als Indikator für antidemokratische Einstellungen gesehen werden kann.

Fazit: ein besonders sensibler Bereich

Bei der Bundeswehr handelt es sich um einen Bereich, der besonders aufmerksam beobachtet werden muss, wenn es um Rechtsextremismus geht. Hier erhalten vornehmlich junge Männer eine Ausbildung an der Waffe und Zugang zu Waffen, Munition und anderem militärischen Gerät. Letzteres unterliegt zwar einer Kontrolle, aber der Fall Franco A. hat gezeigt, dass diese offenbar umgangen werden kann.

Der Jahresbericht des Wehrbeauftragten der Bundesregierung oder die Fallsammlung des Bundeswehr-Geheimdienstes MAD sind nur bedingt hilfreich bei der Einschätzung zum Rechtsextremismus-Problems innerhalb der Bundeswehr. Viele Verdachtsfälle werden nicht bestätigt, aber auch nicht wirklich ausgeräumt. Laut dem Artikel "Rechtsextremisten in den Reihen der Bundeswehr", der 2015 im "Bundeswehr-Journal" erschien, wurden von 308 neuen Verdachtsfällen im Jahr 2014 nur drei bestätigt: "130 Verdachtsfälle wurden nicht bestätigt, 150 Verdachtsfälle werden vom MAD immer noch bearbeitet. Bei den verbleibenden 25 Fällen endete die Zuständigkeit des Dienstes, weil die jeweiligen Verdachtspersonen vor einem Bearbeitungsergebnis aus der Bundeswehr ausgeschieden sind."

Von den erfassten Vorfällen sind solche besonders interessant, bei denen größere Gruppen involviert waren, weil sie eher Akzeptanzräume für rechtsextremes Gedankengut und Verhalten offenbaren als Einzelfälle. So sollen beispielsweise auf der Abschiedsfeier für einen Kompaniechef des "Kommando Spezialkräfte" (KSK) am 27. April 2017 mehrere Soldaten den Hitlergruß gezeigt und Rechtsrock gehört haben. Das KSK gilt als die wichtigste Eliteeinheit der Bundeswehr. Dass es gerade hier zu derartigen Vorkommnissen kommt, ist mehr als bedenklich. Immerhin wurde in der Folge des Falls Franco A. eine Beräumung der Kasernen von Wehrmachtsdevotionalien angeordnet, und auch der Traditionserlass der Bundeswehr wurde überarbeitet. Das Verteidigungsministerium scheint sich also des Problems durchaus bewusst zu sein. Der neue Erlassentwurf ist tatsächlich ein Fortschritt, nun gilt es seine Wirkung abzuwarten.

Lucius Teidelbaum ist freier Journalist, Publizist und Rechercheur zum Thema extreme Rechte und anliegende Grauzonen. Von ihm erschienen u.a. im Unrast-Verlag drei Bücher zu den Themen „Braunzone Bundeswehr. `Rechtsum´ in der Männertruppe“ (2012), „Obdachlosenhass und Sozialdarwinismus“ (2013) und „PEGIDA. Die neue deutschnationale Welle auf der Straße“ (2016).