In Europa und auch in den USA mobilisieren seit einigen Jahren populistische Parteien erfolgreich. Der Brexit in Großbritannien, Trumps Wahlsieg im November 2016 und die Erfolge rechtspopulistischer Parteien in den Niederlanden, Frankreich und auch Deutschland sind der sichtbare Ausdruck dieses Erfolges. Aber auch linkspopulistische Parteien und Bewegungen in Griechenland oder in Spanien, die sich in Folge der Finanzkrise im Jahr 2008 formiert haben, müssen hier genannt werden, nutzen sie doch vergleichbare rhetorische Elemente und Strategien zur politischen Mobilisierung. Dazu gehören an erster Stelle die Ablehnung einer politischen und ökonomischen Machtelite, die nicht mehr im Interesse "des Volkes" handeln würde, eine anti-intellektuelle Einstellung und die Berufung auf einen "gesunden Menschenverstand" (common sense).
Zentral ist in allen populistischen Bewegungen und Protestparteien ein konstatierter Gegensatz zwischen dem Volk und der Elite, wobei sich Populisten immer als Vertreter des kleinen Mannes sehen. Ein gemeinsames und kohärentes Wertesystem oder eine bestimmte ideologische Position ist nicht unbedingt mit populistischen Bewegungen oder Parteien verbunden. Das macht es manchmal auch so schwer, das Phänomen des Populismus genau zu fassen. Nach Di Tella kann Populismus als eine "politische Bewegung" gefasst werden, „die die Interessen, kulturellen Wesenszüge und spontane Empfindungen der einfachen Bevölkerung hervorhebt und dabei explizit eine Kritik an den herrschenden politischen Eliten verbindet (Di Tella 1995, 985). Auf den Gegensatz zwischen Volk und Elite zielt auch die Definition des Politikwissenschaftlers Cas Mudde ab (2004, 543), wenn er Populismus als eine Ideologie definiert, die die Gesellschaft in zwei gegensätzliche Gruppierungen unterteilt: das Volk auf der einen Seite und eine korrupte Elite auf der anderen Seite.
Rechtspopulismus in den USA
Rechtspopulistische Mobilisierung hat in den USA seit dem Ende des Kalten Krieges unterschiedliche Formen angenommen, die von bewaffneten Bürgerwehren bis zur politischen Unterstützung von Patrick Buchanans xenophoben ökonomischen Nationalismus reichen. Die Politikwissenschaftlerin Margaret Canovan bietet hier für die USA eine hilfreiche Unterteilung von Populismus. Sie unterscheidet in einem ersten Schritt zwischen einem agrarischen und einem politischen Populismus. Zum agrarischen Populismus zählt sie die agrarischen Bewegungen mit einer radikalen ökonomischen Agenda im späten 18. Jahrhundert der USA. Diese ländlichen Bewegungen protestierten in erster Linie gegen die ökonomische Situation in den USA zu dieser Zeit, also gegen den Preisverfall für agrarischen Produkte und den schweren Zugang zu nationalen Märkten und Krediten für landwirtschaftliche Erzeuger. An erster Stelle muss hier natürlich die People’s oder Populist Party
Auch die christliche Rechte innerhalb der Republikanischen Partei nutzt rechtspopulistische Rhetorik, um ihre Anhänger zu begeistern. Daneben argumentieren zahlreiche Politiker populistisch, wenn sie zum Beispiel die Einwanderung oder Sozialhilfeempfänger kritisieren, ohne direkt einer populistischen Bewegung oder Protestpartei zugeordnet zu sein. Sicherlich muss auch die libertäre Kritik an der US-amerikanischen Bundesregierung in Washington und dem Staat allgemein als populistisch klassifiziert werden. Hier wird eine ähnliche Kritik am Staat und den politischen Eliten formuliert, die wir auch im Populismus wiederfinden. Darüber hinaus finden sich in den zahlreichen Verschwörungstheorien und in den konservativen "talk-radio stations" immer wieder populistische Rhetorik. Der Staat wird hier oftmals als großes Übel diagnostiziert, mit Eliten, die die Politik für ihre eigenen Zwecke manipulieren. Die Palette ist breit, und das macht eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen auch so schwierig.
Rechtspopulistische Bewegungen lassen sich nur schwer einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppierung zuordnen. Häufig koalieren unterschiedliche soziale Gruppen unter dem gemeinsamen Dach des Rechtspopulismus. Zur ersten Gruppe gehören Teile der Mittel- und Arbeiterklasse, die eine Bedrohung ihrer sozialen und ökonomischen Privilegien fürchten und sich aus diesem Grund gegen die herrschenden politischen Eliten wenden. Die zweite Gruppierung kommt aber oftmals aus dieser herrschenden politischen Elite, gibt sich aber betont anti-elitär und mobilisiert die frustrierte Mittel- und Arbeiterklasse, um ihrer eigenen Machtposition innerhalb der Elite auszubauen. Als Beispiel für eine rechtspopulistische Mobilisierung dient hier die Entstehungsgeschichte des rassistischen Ku Klux Klans. Die ursprüngliche Vereinigung aus den 1860er Jahren kann als Allianz eines Teils der unteren weißen Mitteklasse mit den Plantagenbesitzern beschrieben werden. Diese weiße Mittelklasse befürchtete, dass die Emanzipation der Schwarzen ihre sozialen Privilegien bedrohen könnten, und die Plantagenbesitzer wollten die politische Macht zurückgewinnen, die sie an die Kapitalisten im Norden nach dem verlorenen Bürgerkrieg abgeben mussten. Die Bewegung kombinierte so rassistischen Terror gegen Schwarze und deren Verbündete mit einer demagogischen anti-elitären Rhetorik, die sich gegen den „militärischen Despotismus“ des Nordens richtete.
Donald Trumps populistische Rhetorik
War der Rechtspopulismus in den USA lange Zeit eher ein gesellschaftliches Randphänomen, ist er mit Donald Trump endgültig in der politischen Mitte angekommen. In seinem Wahlkampf hat Trump erfolgreich populistische rhetorische Elemente verwendet und damit ein breites Spektrum an populistischen Kräften und Bewegungen mobilisiert. Als erste moderne kohärente Organisationsform des Rechtspopulismus gilt allerdings die Tea-Party-Bewegung. Natürlich lassen sich auch populistische Elemente innerhalb der beiden etablierten großen politischen Parteien auf der Bundesebene – den Demokraten und den Republikanern finden, die weiter zurückreichen. Die Republikanische Partei nutzt schon lange das "wir-gegen-die-da-oben"-Narrativ. Richard Nixon mobilisierte mit einer rassistischen Rhetorik die weißen Wähler im Süden der USA. Dies wird oftmals als „Southern Strategy“ bezeichnet. Ronald Reagan dämonisierte schwarze Wohlfahrtsempfänger, um die Wählerschaft in den weißen Vororten zu mobilisieren. Allerdings reichte dieser politische Opportunismus nicht aus, um die Republikanische Partei als populistische Partei zu beschreiben. Erst die Tea-Party-Bewegung mit ihrer grundlegenden Kritik an Obamas Präsidentschaft bereitete den ideologischen Boden für Trumps Präsidentschaftskandidatur. Damit hat Trump den Rechtspopulismus in den USA vom gesellschaftlichen Rand in die politische Mitte geholt.
Dabei verknüpft Trump erfolgreich Traditionen der radikalen Rechte in den USA mit neueren rechtspopulistischen Tendenzen, die unter dem Begriff "alt-right"– Alternative Rechte – zusammengefasst werden. Die radikale Rechte in den USA wird mit stark konservativen und anti-sozialistischen Ideen verbunden. Erstmals nutzten die Sozialwissenschaftler diesen Begriff in den 1950er Jahren, um kleine extreme Gruppierungen wie die John Birch Society
Trumps "law and order"-Politik
Trumps Pläne zur Einwanderungspolitik, dem Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko und seine "law and order"-Politik spiegelt in geradezu lehrbuchhafter Form den Kern rechtspopulistischer Rhetorik und Programmatik wider. Er mobilisiert damit erfolgreich in der traditionellen radikalen Rechten der USA, aber auch innerhalb der weißen Arbeiter- und Mittelklasse, die traditionell eigentlich eher demokratisch wählte. Diese Gruppe sieht ihren sozialen Status im Zuge der zunehmenden internationalen Integration der Märkte bedroht. Als Ausweg sehen sie den neuen ökonomischen Nationalismus und die Abschottung gegenüber Immigranten, die Trumps Politik verspricht. Trump spielt hier geschickt mit dem Gegensatz „Volk“ und „Elite“: So sprach er zum Beispiel davon, den „Sumpf“ in Washington auszutrocknen, um so die Interessen des "einfachen Mannes" wieder stärker zu repräsentieren. Seine Kabinettsnominierungen und auch seine Politik deuten aber eher darauf hin, dass ein Teil der traditionellen Elite ihre Machtpositionen sichert – ebenfalls ein zentrales Merkmal populistischer Bewegungen. Im Kabinett von Trump sitzen zahlreiche etablierte Parteipolitiker, das Kabinett hat die höchste Milliardärsdichte, und auch die Wall Street ist wieder prominent vertreten.
Während in den USA der Rechtspopulismus ein eher jüngeres Phänomen ist, das erst mit der Tea-Party-Bewegung in den Mainstream der US-amerikanischen Gesellschaft gelangte, spielt der Rechtspopulismus in Europa schon seit längerer Zeit eine wichtige politische Rolle. Der Front National (FN) in Frankreich mobilisiert schon seit langer Zeit eine solide Wählerschaft, früher vor allem mit einer Mischung aus rechtsextremer Programmatik und antisemitischen Elementen. 2002 war Jean-Marie Le Pen sehr erfolgreich als Kandidat in den französischen Präsidentschaftswahlen und der FN punktet auch bei Europawahlen regelmäßig. Jean-Maries Tochter Marine Le Pen hat den Front etabliert als rechtspopulistische Partei und mittlerweile gute Aussichten, bei der anstehenden Präsidentschaftswahl in Frankreich als stärkste Kandidatin aus der ersten Wahlrunde hervorzugehen. Aber auch die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) kann schon seit einiger Zeit erfolgreich die Politik in Österreich mitgestalten, und in Deutschland hat zumindest in den letzten Landtagswahlen die Alternative für Deutschland (AfD) meist zweistellige Stimmanteile gewinnen können. In Osteuropa haben sich darüber hinaus auch infolge der instabilen Parteiensysteme immer wieder rechtspopulistische Parteien profilieren können.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Diese Bewegungen auf beiden Seiten des Atlantiks weisen Unterschiede und Gemeinsamkeiten auf, wobei die Unterschiede in erster Linie aus den unterschiedlichen politischen Kulturen und der Geschichte heraus erklärt werden können. Gemeinsam ist allen rechtspopulistischen Bewegungen die Kritik an der Globalisierung, der Immigration und der herrschenden politischen Elite. In deutlicher Abgrenzungen zu den Prozessen der zunehmenden globalen Integration der Märkte für Dienste, Güter und Waren, propagieren Bewegungen auf beiden Seiten des Atlantiks die Rückkehr zur Nation als primäres Identitätsmodell. Kultur und nationale Identität werden wieder stärker betont. Die jeweiligen nationalen und historischen Kontexte führen dabei aber zu abweichenden Ausprägungen in der formulierten Kritik und Rhetorik. Trumps Kritik an der Einwanderung richtet sich in erster Linie gegen Muslime, während die AfD z.B. viel strikter unterschiedliche Kategorien von Einwanderern unterscheidet. Gleiches gilt auch für die Handelspolitik, hier vertritt Trump einen klaren ökonomischen Nationalismus, der auf den eigenen Markt setzt: "America First".
Auch hier argumentiert die AfD weit wirtschafsfreundlicher, gerade auch mit Blick auf die exportabhängige deutsche Wirtschaft. Hieran wird deutlich, dass die Art und Weise rechtspopulistischer Mobilisierung stark vom jeweiligen nationalen Kontext abhängig ist. Trumps Rechtspopulismus ist historisch weit unbelasteter als zum Beispiel der Rechtspopulismus in Deutschland, der immer auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte agiert und diskutiert wird. Zahlreiche rechts-populistische Themen sind in Deutschland im Gegensatz zu den USA tabu, auch wenn die AfD immer wieder austestet, wie weit manche Themen inzwischen wieder diskutiert werden können. Aber auch andere Kontextfaktoren wie die Wirtschaftsstruktur eines Landes, dessen Integration in die Weltmärkte und die globale Machtposition Spielen hier eine wichtige Rolle. Aber auch die spezifische Ausprägung der Immigration hat Einfluss auf die Art und Weise, wie Rechtspopulisten mobilisieren und wie viele Sitze sie in Parlamenten gewinnen können.
Wichtig ist auch die soziale Basis, die hinter den jeweiligen rechtspopulistischen Bewegungen steht. Die Unterstützung der AfD z.B. reicht weit in die bürgerliche Mitteklasse hinein, während Trump stärker in der Arbeiterklasse mobilisiert hat, die traditionell eher der Demokratischen Partei als Mitte-Links-Partei zugeordnet worden ist. Die unterschiedliche soziale Basis führt dann zu einer abweichenden politischen Programmatik. Wie erfolgreich der Rechtspopulismus in den USA und Europa sein wird, hängt in erster Linie von zwei Faktoren ab. An erster Stelle von der Frage, ob die etablierten politische Kräfte eine Antwort auf die sozialen und ökonomischen Probleme finden, die den Nährboden rechts-populistischer Mobilisierung bildet. In den USA sind sowohl die Demokratische als auch die Republikanische Partei momentan zu stark intern zerstritten und gespalten, um hier kurzfristig eine effektive politische Alternative zu Trumps Rechtspopulismus zu bilden. Die SPD in Deutschland ist hier derzeit weit erfolgreicher mit ihrem neuen Kanzlerkandidaten Martin Schulz. In Umfragen gewinnt die SPD deutlich hinzu, und die rechtspopulistische AfD verliert an Zustimmung. Zum Zweiten besteht ein großer Unterschied zwischen den USA und Europa. In Europa können die rechtspopulistischen Parteien zumindest jetzt noch aus der Rolle der Opposition agieren. Das macht es einfacher, weil so die politische Verantwortung immer auf die herrschende politische Klasse abgeschoben werden kann und die Parteien auf der Basis der Unzufriedenheit der Bevölkerung mobilisieren können.
Wie geht es weiter?
In den USA ist der Rechtspopulist Trump jetzt in der politischen Verantwortung und muss zeigen, dass seine Politik eine Antwort auf die sozialen und ökonomischen Probleme bieten kann. Gelingt ihm das nicht – und danach sieht es momentan aus –, wird das Vertrauen der Bürger in die Problemlösungskompetenz des politischen Systems noch größer und kann sich so zu einer weiteren Radikalisierung der politischen Positionen und damit einer Krise der Demokartie in den USA ausbreiten.
Literatur
Torcuato S. Di Tella (1995): Populism, in Seymour Martin Lipset, Hg., The Encyclopedia of Democracy (Washington, D.C.: Congressional Quarterly Books).
Cas Mudde: The Populist Zeitgeist. In: Government and Opposition, Band 39, Nr. 3, 2004,
Margaret Canovan (1981): Populism, Harcourt Brace Jovanovich.
Hofstadter, Richard. The Paranoid Style in American Politics (2008 edition), reprints famous essays from 1963–64