Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Klaus-Peter Hufer: "Ich bin überzeugt von der Wirkung und der Bedeutung von Argumenten" | Rechtsextremismus | bpb.de

Rechtsextremismus Was ist Rechtsextremismus? Rassismus Was ist eigentlich Rassismus? Rassen? Gibt's doch gar nicht! Warum ist es so schwer, von Rassismus zu sprechen? Alltagsrassismus Rassentheorien und Rassismus in Asien im 19. und 20. Jahrhundert Infografik Rassismus Verschwörungstheorien Jüdische Weltverschwörung, UFOs und das NSU-Phantom Die Reichsideologie Die Protokolle der Weisen von Zion Debatte: Extremismustheorie Der Extremismusbegriff Kritische Anmerkungen zum Extremismuskonzept Weiterführende Literatur Ideologie Rechtsextreme Einstellungen Zur Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland Was denkt die NPD? Rechtsextremismus: die internationale Debatte Intellektueller Rechtsextremismus Muslimfeindlichkeit Islamfeindlichkeit, Islamophobie, Islamkritik Interview Hafez Muslimfeindlichkeit als rechtsextremes Einfallstor Virtuelle Kreuzritter Konkurrenz der Leidtragenden Quellentext: Islamfeindlichkeit und Antisemitismus ähneln einander Antisemitismus Antisemitismus heute Interview mit Marina Chernivsky Antisemitismuskritische Bildungsarbeit Die AfD und der Antisemitismus Verbreitung des Antisemitismus in Deutschland Ungezählte Opfer Ursachen und Prävention des Rechtsextremismus Wie organisieren sich Rechtsextreme? Internationale Netzwerke Die Eurasierbewegung und die Neue Rechte Die APF: Europas rechtsextremer Rand Rechtsextreme US-Szene Wie Russland den rechten Rand in Europa inspiriert Globalisierte Anti-Globalisten Die Identitären Neonazis in Russland Hammerskins Kampfsport, Runen, Rassenhass Rechtsextremistische Parteien in Europa Rechtsextremismus in Russland (Miss-)Erfolge der „Identitären“ NPD Mehr als 50 Jahre rechtsextrem Das Parteiprogramm der NPD Frauen in der NPD Radikal besorgte Bürger Wer wählt eigentlich rechtsextrem? NPD-Taktiken Das Potenzial der NPD NPD-Verbot und Parteienfinanzierung Autonome Nationalisten Turnschuhe statt Springerstiefel "Dortmund ist unsere Stadt" Aussteigerinterview Webtalk: Autonome Nationalisten Rechtsextreme Parteien in Europa Rechtsextreme Akteure in Deutschland Rechtsextreme Szenen und Medien Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft Interview mit Eberhard Seibel Heimatliebe, Nationalstolz und Rassismus Graue Wölfe Nationalismus und Autoritarismus auf Türkisch Antisemitismus bei Muslimen Russlanddeutsche GMF bei Polnischstämmigen Debatte: "Deutschenfeindlichkeit" Jugendkulturen Runen gestern, heute, morgen Jugendkulturen im Wandel Codes der rechtsextremen Szene Interview mit Christoph Schulze Tipps für Jugendeinrichtungen Burschenschaften Kameradschaften Neonazis hinter weißen Masken Kameradschaften im Visier Einführung Jugendkultur Kampfsport Was liest der rechte Rand? Geschichte der rechtsextremen Presse Gegenöffentlichkeit von rechtsaußen Der rechte Rand: Verlage Der rechte Rand: Publikationen Audio-Slideshow Männer Männliche Überlegenheitsvorstellungen Homosexualität Rechtsextreme Männerbilder Soldatische Männlichkeit Burschenschafter Autoritär-rechte Männlichkeiten Musik Die neonazistische Musik-Szene Neue Töne von Rechtsaußen Rechtsrock für's Vaterland Rechtsrock: Millionen mit Hass Verklausulierte Volksverhetzung Interview mit David Begrich Elf rechte Bands im Überblick Frauen Auf die sanfte Tour Feminismus von rechts Rechte Aktivistinnen Frauen in der NPD Rechtsradikale Frauen Rechtsextrem orientierte Frauen und Mädchen Frauen im rechtsextremen Spektrum Aussteigerinnen Nazis im Netz Roots Germania Rechtsextremismus im Internet Das braune Netz Neonazis im Web 2.0 Zocken am rechten Rand TikTok und Rechtsextremismus Das Internet als rechtsextreme Erfolgsgeschichte? Rechtsextremismus und Presse Interview mit Ulrich Wolf Der NSU und die Medienberichterstattung Umgang mit Leserkommentaren Ein kurzer Ratgeber für Journalisten Krimi gegen Rechts Tonangebende rechtsextreme Printmedien Wenn Neonazis Kinder kriegen Die nächste Generation Hass Umgang mit Kindern von Neonazis Eine Mutter und ihre Kinder steigen aus "Mein Kampf" "Wir wollen den Zünder ausbauen" Helfen Gesetze gegen "Mein Kampf"? Gemeinfrei: "Mein Kampf" Hitlers "Mein Kampf" – ein unterschätztes Buch Rechtsextreme Kampagnen-Themen "Gender" und "Genderwahn" Ökologie Grüne Braune Wie grün waren die Nazis? Interview mit Elisabeth Siebert Debatte: Kommunale Flüchtlingspolitik Nach Köln Flüchtlingsunterkünfte Interview mit Oliver Malchow Was kommunale Flüchtlingspolitik leisten kann – und muss Deutsche Asylpolitik, europäischer Kontext Wer erhält welches Asyl? "Ich habe nichts gegen Flüchtlinge, aber …" – Ein Faktencheck Anstoß in der Kreisklasse Handlungsspielraum der Kommunen Meinung: Die Probleme waren schon vor den Flüchtlingen da Meinung: Kommunale Flüchtlingspolitik aus der Sicht des Bundes Meinung: Probleme und Lösungswege in der kommunalen Flüchtlingspolitik Meinung: Flüchtlingsarbeit in den Kommunen – Eine Herausforderung für Politik und Gesellschaft TwitterChat: Kommunale Flüchtlingspolitik Fußball Judenhass im Fußball Film: Rechtsextremismus und Diskriminierung in deutschen Fußballstadien Interaktiver Webtalk: Über den rechten Flügel – Neonazis und Fußball Fußball und Rechtsextremismus Interaktive Grafik: Rechtsextreme Vorfälle in Fußballstadien Angriff von rechtsaußen Rechtsextreme BVB-Fans Audio-Interview: Martin Endemann über Rassismus im deutschen Fußball Audio: Ronny Blaschke über rechte Fangesänge im Stadion Vereine und Verbände Extrem rechte Fußballfans und die Nationalmannschaft des DFB Die Erzählung vom ‘großen Austausch’ Krisen, Unsicherheit und (extrem) rechte Einstellungen Grauzonen Die "Neue Rechte" Interview mit Maren Brandenburger Der rechte Rand des politischen Systems der Bundesrepublik Die völkische Bewegung Die Junge Freiheit Das Institut für Staatspolitik Völkische Jugendbünde Die "Neue Rechte" in der Bundesrepublik Querdenken und Verschwörungserzählungen in Zeiten der Pandemie Rechtsextreme Esoterik Rechtsextreme Diskursstrategien Rechtsextreme Gewalt Rechtsextreme Gewalt Angriff auf die Lokalpolitik Rechtsterrorismus Der Einzeltäter im Terrorismus Der Weg zum NSU-Urteil NSU-Verfahren Storify des Chats zu #3JahreNSUprozess Der Anschlag auf Henriette Reker Video: Die migrantische Community und der NSU Der NSU-Untersuchungsausschuss Protokolle NSU-Ausschuss Chat: NSU-Untersuchungsausschuss Interaktive Grafik: Die Taten des NSU Der NSU Der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) Die rechtsextreme Szene und der NSU Der Rechtsterrorismus im Verborgenen Chronik des Rechtsterrorismus Rechtsterrorismus in Europa PMK – Methoden und Debatten PMK – Statistiken Opfergruppen und Feindbilder Wo Demokraten gefährlich leben Die Geschichte des Orazio Giamblanco Wohnungslose Menschen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Was ist Sozialdarwinismus? Wer sind die Opfer? Ausstieg Warum und wie aussteigen? Debatte über echten Ausstieg Interview mit Aussteiger Rochow Pädagogische Arbeitsfelder Netzwerke in Norddeutschland Gewalt gegen Geflüchtete Unvollständige Erinnerung Umgang mit Rechtsextremismus Debatte: Soll man mit Neonazis reden? Toralf Staud: Soll man mit Neonazis reden? Cornelius Weiss: Argumentieren auf allen Ebenen Grit Hanneforth: keine Nazis auf Veranstaltungen Stefan Niggemeier: Ablehnung begründen Andreas Hechler: Entscheidend ist der Kontext Klaus-Peter Hufer: Argumente wirken Simone Rafael: Rassismus widersprechen Initiativen und Zivilgesellschaft Debatte: Was tun bei einem rechtsextremen Aufmarsch? Der rechtsextreme "Kampf um die Straße" Wolfgang Thierse: Wir müssen den öffentlichen Raum gegen die Besetzung durch Rechtsextreme verteidigen Hans-Ernst Böttcher: Man muss nur das Recht anwenden … wollen! Anna Spangenberg: Erfolgreich rechtsextreme Aufmärsche verhindern Herbert Trimbach: Versammlungsfreiheit ist ein Menschenrecht Politische Konzepte Wie sag ich Dass Auschwitz sich nie wiederhole... Denkanstöße aus dem Kanzleramt Bildung, Bildung, Bildung NPD trockenlegen? Wie kann Aussteigern geholfen werden? Interview MVP Forderungen von Projekten an die Politik HDJ-Verbot Strategien im Umgang mit der NPD in Parlamenten Noch mehr Vorschläge Schule Hakenkreuze an der Tafel Interview Reinhard Koch Analyse Albert Scherr Aufsatz Scherr / Schäuble Schülerzeitung Martinshorn Neonazis auf SchülerVZ Studie Uni-Seminar Was können Schülerinnen und Schüler tun? Antidemokratische Positionen und Einstellungen in Schulen Strategien Offener Brief an einen Oberbürgermeister Wie man Hakenkreuze kreativ entschärfen kann Gewalt vermeiden, aber wie? Parolen parieren! Was tun als Opfer rechter Gewalt? Engagement – lohnt das denn? Guter Rat, wenn Nazis stören Rezepte gegen Rechtsextremismus Argumente gegen rechte Vorurteile Vom Hass verabschieden Marke gegen Rechtsextremismus Und Du? Podcasts und Audios Glossar und FAQs Videos und Bilderstrecken Angaben zur Redaktion

Klaus-Peter Hufer: "Ich bin überzeugt von der Wirkung und der Bedeutung von Argumenten"

Klaus-Peter Hufer

/ 6 Minuten zu lesen

Mit Holocaust-leugnenden "Hardcore-Nazis" redet Prof. Klaus-Peter Hufer nicht – um sie nicht salonfähig zu machen. In den meisten anderen Fällen aber führt sein unerschütterlicher Glaube an die Aufklärung dazu, dass er das Gespräch mit Neonazis und Mitläufern aufnimmt und ihnen mit Argumenten entgegentritt.

Soll man mit Neonazis reden? Bei dieser Frage stellen sich zunächst einmal weitere Fragen ein: Wer und was ist ein "Neonazi”? Ist es ein richtiger Hardcore-Nazi, ein Faschist, ein NPD-Mitglied, ein unorganisierter Mensch mit rechtsextremer Gesinnung, ein Mitläufer/eine Mitläuferin in einer Kameradschaft, jemand, der im Alltag rassistische Sprüche von sich gibt, ein Jugendlicher, der mit einem einschlägigen Outfit herumläuft?

Ich will aus meiner jahrelangen Erfahrung in der politischen Bildungsarbeit berichten.

Über viele Jahre hinweg habe ich öffentliche Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus durchgeführt. Sie waren so auch klar etikettiert. Die Folge war, dass fast zuverlässig eine Gruppe kam, deren Mitglieder eindeutig rechtsextrem waren. "Reden" oder gar eine Kommunikation führen, wollten sie nicht. Im Gegenteil: Es ging ihnen, ganz im Sinne der "Wortergreifungsstrategie", darum, die Veranstaltungen zu majorisieren, sie absolut zu dominieren und zum Kippen zu bringen. Es war jedes Mal ein verbaler Schlagabtausch, mehr noch: Von mir verteilte Papiere wurden zerrissen, es kam zu Rangeleien. Ich habe das etliche Male erlebt. Mehrfach standen Veranstaltungen unter Polizeischutz, und einmal brachte mich die Polizei nach Hause. Ein anderes Mal rettete mich ein Polizist vor Handgreiflichkeiten. Es waren junge und alte "Nazis". Ihre Anwürfe waren in etwa so: "Wir werden von einer jüdisch-christlichen Clique beherrscht." "Deutschland ist nur noch ein multikulturelles Gemisch." "Der Zahltag wird kommen, Sie, Herr Hufer, werden sich dann wundern."

Miteinander reden? Keine Spur. Wohl aber haben die anderen, zunächst überrumpelten Teilnehmer/-innen an den Veranstaltungen sich doch schnell zu einer deutlichen Gegenposition zusammengefunden. Einige versuchten, ein halbwegs zivilisiertes Gespräch herbeizuführen. Ob da zugehört wurde, hing weniger vom Inhalt, sondern von der Person ab. Beispielsweise konnte eine entschieden und stark auftretende ältere Dame sich Gehör verschaffen. Die rechten Störer und Randalierer hörten in kürzester Zeit zu wie Schulkinder. Bei Menschen mit einer autoritären Struktur scheint es doch nicht ohne Wirkung zu ein, wenn man ihnen gegenüber selbst autoritär auftritt.

Die Gruppe, die ich so über Jahr hinweg kennen lernen "durfte", ist keineswegs homogen. Die Mitglieder kamen zu Veranstaltungsbeginn einzeln – da folgten sie einer durchsichtigen Strategie – und verschwanden dann gemeinsam. Aber einige standen nach der Veranstaltung noch zusammen. Wenn dann ihre besonders aggressiv auftretenden Führer weg waren, habe ich mich mitunter zu ihnen gestellt. Und siehe da: Ohne dass man sich inhaltlich näher kam, war so etwas wie ein Gespräch möglich, zumindest hörten sie mir zu. Ob es einen Erfolg mit sich brachte, ob ich wenigstens etwas erreichen konnte, weiß ich nicht. Aber ich wäre in der politische Bildungsarbeit fehl am Platz, wenn ich nicht von der Wirkung und der Bedeutung von Argumenten, von der Plausibilität von Vernunft überzeugt wäre – auch bei Menschen mit abgeschottet wirkenden Einstellungsmustern.

Zudem bin ich seit circa 15 Jahren mit meinem "Argumentationstraining gegen Stammtischparolen" in Deutschland, Österreich und neuerdings in der Schweiz unterwegs. Das Ziel dieser interaktiven Veranstaltung ist es, Menschen zu ermutigen dagegenzuhalten, wenn sie mit rechten Parolen, mit rassistischen, sexistischen, antidemokratischen Sprüchen konfrontiert werden. Die Nachfrage ist beträchtlich. Immer wieder berichten die Teilnehmer/-innen dieser Veranstaltungen, wie sprachlos sie oft sind. Dabei werden sie, meistens unvorbereitet, mit Sprüchen konfrontiert, die letztendlich zwar alle in das bekannte System gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit passen, aber unterschiedlich massiv sind. Die immer wieder genannte Parole ist: "Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg." Ist das schon rechtsextrem, gar neonazistisch? Nein, aber vielleicht doch. Denn wenn man konsequent weiter nachhakt, dann werden mit dieser Behauptung gleich mehrere Botschaften verkündet: 1. Wir haben zu viele Ausländer hier. 2. Auch du hast Grund, Angst um deinen Arbeitsplatz haben. 3. Schuld sind daran die Ausländer, 4. Wenn wir sie rauswerfen oder ausweisen, sind unsere Probleme gelöst. 5. Dazu ist aber dieses politische System nicht in der Lage. 6. Wir brauchen wieder einen starken Mann. Sowohl im Klar- als auch im Subtext dieser Parole sind wesentliche Merkmale rechtsextremer Ideologie versammelt. Doch wenn man an jeder dieser Aussagen direkt nachfragt, ob zugestimmt wird oder nicht, dann werden das die meisten nicht bis zur letzten Konsequenz tun. Sie erkennen die rigorose, mit einer Demokratie nicht mehr zu vereinbaren "Lösung”, die sich letztendlich herausstellt.

Es gibt aber auch eindeutige Sprüche, bei denen es nicht lohnt zu diskutieren, beispielsweise: "Wir brauchen wieder einen kleinen Hitler." Was sollte man da erwidern? Und es gibt Sprüche, auf die keinesfalls eingegangen werden darf, zum Beispiel: "Auschwitz ist eine Lüge." Wer so etwas sagt, mit dem sollte man nicht reden, weil man ihn sonst als Gesprächspartner salonfähig macht. Dieser menschenverachtende Zynismus, dieser Versuch, den Holocaust zu leugnen, ist absolut indiskutabel und – nebenbei – auch strafbar. Hier also ein kategorisches "nein”.

Bei den weniger eindeutigen Mitteilungen aber sollte meiner Meinung nach immer das Gespräch aufgenommen werden. Einmal, weil die Bundesrepublik als zivile und demokratische Gesellschaft an allen Orten und Plätzen verteidigt werden muss. Zum anderen, um die zu schützen, die letztendlich Opfer solcher Parolen werden – denn vom Wort zur Tat gibt es mitunter fließende Übergänge. Und letztendlich sind bei solchen Gesprächen auch immer Indifferente, Unentschiedene, Zögernde, Abwartende dabei. Und das sind die eigentlichen Adressaten. Sie können mit einem klaren Auftritt davon überzeugt werden, dass hier die besseren Argumente sind.

Was ist mit solchen, die sich eindeutig rechtsextrem äußern? Soll man mit denen reden? Sie kommen nicht mit rassistischen Einstellungen auf die Welt, sie erlernen diese, erwerben sie sich. Insofern habe ich einen unerschütterlichen Glauben an die Kraft der Aufklärung: Was erlernt wurde, kann auch wieder verlernt werden, Menschen können neu lernen. Einer dieser Lernanlässe kann sein, dass man das Gespräch mit "Neonazis” – zumindest mit den weniger militant und rigide auftretenden Vertretern – aufnimmt. Sie werden zunächst ihre Vorurteile und Ressentiments verteidigen. Aber ein Gespräch ist nie endgültig vorbei, wenn es formal beendet ist, es wirkt nach. Die Erfahrung, die autoritär strukturierte Menschen dabei machen, kann für sie verblüffend sein. Hier tritt ihnen jemand entgegen, der/die etwas kann, was sie nicht können: Ambiguitäten, Widersprüche aushalten. Das heißt, ihre Person annehmen, aber ihre Position entschieden ablehnen. Vielleicht beeindruckt das so sehr, dass sie die eindimensionalen Kraftmeiereien in ihren Reihen mit ihrem geschlossenen, starren Weltbild als diejenigen Schwächlinge enttarnen, die sie sind. Es gibt keinen Beweis dafür, dass das nicht möglich ist – auch wenn ein Sinneswandel sicherlich nicht ad hoc kommt. Ein über eine lange Zeit hinweg festes und rigides Weltbild ist eben nicht so ohne Weiteres zu erschüttern. Aber bezeichnend ist doch für mich, dass mir die stadtbekannten Neonazis im Ort nicht feindselig begegnen. Ich habe immer mit ihnen geredet, und zwar heftig und mit Klartext. Der ungefähr dreißigjährige Kopf der regionalen NPD-Gruppe grüßt mich schon von Weitem, und neulich kam seine Mutter auf mich zu und bat mich, ich solle unbedingt mit ihm reden. Ist da vielleicht doch ein Zweifel in ihm?

Auch ein älteres Ehepaar, das der oben beschriebenen rechten Kleingruppe angehört, spricht mich an und redet über Belanglosigkeiten mit mir. Mehr noch: Ich habe ein Kinderbuch geschrieben – eines, das zur Emanzipation ermuntert und für soziales Engagement wirbt. Nun sagte mir die Frau, sie habe es gekauft und werde es ihrem Enkel schenken. Würde sie das tun, wenn unsere Auseinandersetzungen lediglich zu weiteren Verhärtungen geführt hätten?

Ich jedenfalls bewerte diese beiden Beispiele als Hinweis für meine bereits genannte These: Dass ein Gespräch noch lange nicht zu Ende ist, auch wenn die Positionen unversöhnlich wirkten und man abrupt und ohne erkennbare Wirkung auseinandergegangen ist.

Klaus-Peter Hufer, Jg. 1949, Dr. rer. pol. phil. habil. ist apl. Professor in der Universität Duisburg-Essen und Fachbereichsleiter der Kreisvolkshochschule Viersen. Tätigkeitsschwerpunkte: Geschichte, Theorie und Praxis der politischen Erwachsenenbildung, Professionalität in der Erwachsenenbildung, Rechtsextremismus.