Die in Berlin erscheinende Wochenzeitung Junge Freiheit gilt als das publizistische "Flaggschiff"
Die politisch-ideologische Grundhaltung
Ihren eigenen Worten zufolge verbindet die Junge Freiheit einen "konservativen" Standpunkt mit "klassische[m] Journalismus"
Kritiker der Wochenzeitung, wie die SPD-Politiker Stephan Braun und Ute Vogt, bezeichneten sie vor einigen Jahren als "eine zentrale Publikation der Neuen Rechten in Deutschland, einer Strömung, die unter dem Deckmantel des Konservatismus ein Scharnier zwischen Rechtsextremismus und demokratischem Spektrum"
Als die JF in den 1990er Jahren zunehmend an Einfluss gewann, stellte sich die Frage, ob es sich um ein verfassungsfeindliches Medium handle, das entsprechend durch die Verfassungsschutzbehörden zu beobachten wäre. So waren namentlich aus Sicht des Landesamts für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen "Anhaltspunkte für den Verdacht einer rechtsextremistischen Bestrebung (…) offensichtlich"
Jenseits dieser Bestimmungen lässt sich jedenfalls ein radikal formulierter und ethnisch begründeter Nationalismus erkennen
Vermutlich wollte die JF mit dieser Positionierung in ein seit den 1970ern entstandenes publizistisches Vakuum hineinwirken, das sich zwischen demokratischem Konservatismus und rechtsextremem Denken, zwischen verfassungstreuem Patriotismus und völkisch grundiertem Radikalnationalismus aufgetan hatte. Zuvor hatte mit der Zeitschrift Christ und Welt ein wöchentlich erscheinendes Leitmedium meinungsbildend auf das evangelisch-konservative Milieu der frühen Bundesrepublik eingewirkt. Unter ihrem Chefredakteur Giselher Wirsing war die Zeitschrift personell eng mit früheren Propaganda-Experten des NS-Regimes, namentlich aus der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, und mit antidemokratischen Autoren der Zwischenkriegszeit verbunden und fungierte so als Sprachrohr des postnationalsozialistischen Bürgertums in der Bundesrepublik. Mit der schrittweisen Auflösung dieses Milieus verlor Christ und Welt seit etwa 1970 rapide an Verbreitung und Einfluss. 1980 ging sie in ihrem katholisch ausgerichteten Pendant, dem ebenfalls wöchentlich erscheinenden Rheinischen Merkur auf. Die 1970 ursprünglich als reines Rezensionsorgan gegründete Zweimonats- und später Vierteljahrsschrift Criticón diente eher dem intellektuellen Austausch und war ihrem Charakter nach nicht geeignet, diese publizistische Lücke zu füllen.
Geschichte und Entwicklung
Im Juni 1986 gründete Dieter Stein aus Freiburg, damals gerade 19-jährig, gemeinsam mit anderen Schülern und Studenten die Zeitschrift Junge Freiheit. Von Anfang an war das neue Blatt um Abgrenzung vom historischen Nationalsozialismus bemüht, dessen Verbrechen partiell eingeräumt wurden, und hielt NS-affine Kräfte der extremen Rechten auf Distanz. Der Verklärung des Nationalsozialismus, wie sie in bedeutenden Teilen des radikalnationalistischen Milieus üblich war, begegnete die JF durch die bewusste Bezugnahme auf den militärischen Widerstand gegen Hitler, unter Betonung des Patriotismus und Konservatismus seiner bedeutendsten Vertreter. Diese Sicht auf den Widerstand gliederte sich zugleich ein in Versuche, die deutsche Geschichte namentlich der NS-Zeit zu "entkriminalisieren", wobei die JF nach den Worten des Historikers und Kritikers Michael Pechel Gefahr lief, "in die Nähe zu einer deutlichen Geschichtsklitterung zu geraten und – verhalten ausgedrückt – mit den Ergebnissen der anerkannten Zeitgeschichtsforschung zu kollidieren"
Früh fand die Junge Freiheit einen Rekrutierungs- und Resonanzboden am äußersten rechten Rand des studentischen Verbindungswesens, zumal im kleinen Kreis der völkisch orientierten Hochschulgilden (denen Dieter Stein verbunden war) und in verschiedenen ultranationalistischen Burschenschaften. Ohne sich eng an eine politische Partei oder Interessengruppe zu binden, setzte die Junge Freiheit auf die Herausbildung einer nationalistischen, bürgerlich geprägten und formal auf dem Boden des Grundgesetzes stehenden politischen Kraft rechts von Union und FDP. So begründete sich die phasenweise deutliche Nähe zu den Republikanern
Zur Bewertung der Entwicklung der JF in jenen Jahren, in denen sie die Grundlagen ihres kommerziellen und politischen Erfolges legte, ist es unverzichtbar, diese enge Einbindung in das "nationale Lager" zu berücksichtigen. Die JF war eine Gründung aus dem Milieu heraus und für das Milieu. So traf sie beispielsweise 1991 Absprachen mit der von den rechtsextremen Republikanern herausgegebenen Monatszeitschrift Berliner Nachrichten, die ihr Erscheinen (in einer geschätzten Auflage von 10.000 Exemplaren) zugunsten der JF einstellte, welche auch die Abonnenten übernahm
Zugleich ist die Erfolgsgeschichte der Wochenzeitung nicht zu verstehen, wenn man nicht die nationale Euphorie in den Jahren ab 1989/90 mit berücksichtigt. Eine seinerzeit verbreitete Stimmung fasste der Politikwissenschaftler Hajo Funke so zusammen: "Mit der Wiederherstellung des neuen Deutschland wird an Geschichte angeknüpft und ihr zugleich der Abschied gegeben: Man identifiziert sich mit den positiven Seiten und blendet die negativen aus."
Mit ihrer zunehmenden Bekanntheit und Verbreitung wuchs auch die Kritik an der JF. Politische Kampagnen gegen die Zeitschrift begleiteten ihren Aufstieg. Vereinzelt kam es zu gewalttätigen Übergriffen, und am 4. Dezember 1994 verübten politische Gegner einen Brandanschlag auf die Druckerei in Weimar, in der die JF damals produziert wurde. 1993 übersiedelte die Redaktion der Jungen Freiheit nach Potsdam. Bald darauf erzwang Dieter Stein eine erste Richtungsentscheidung. Anlass war ein Artikel des konservativen Publizisten Armin Mohler – eines frühen Förderers der JF –, der eine bedenkliche Nähe zu sogenannten geschichtsrevisionistischen Positionen aufwies. Unter dieser Eigenbezeichnung wirkten in den 1990ern verschiedene Autoren, die eine Leugnung oder substanzielle Relativierung der NS-Vernichtungspolitik beabsichtigten. Solchen Positionen – auch im Kreis der Redaktion, der Autoren und Förderer – gegenüber zog Stein eine deutliche Grenze und erneuerte damit seine Absage an pronationalsozialistische Kräfte innerhalb des "nationalen Lagers". Zugleich legte die JF damit die Grundlage für eine erweiterte und gesteigerte Akzeptanz, die für ihre zukünftige Expansion unverzichtbar sein sollte.
Um diese Zeit herum war es zu Auseinandersetzungen um Kurs und Richtung der Welt am Sonntag gekommen. Ein Netzwerk von nationalkonservativen Journalisten und Publizisten hatte versucht, die renommierte und auflagenstarke Wochenzeitung aus dem Axel Springer-Verlag in ihrem Sinne neu zu positionieren. Als die Verlagsleitung diese Versuche schließlich stoppte, war die Stunde der Jungen Freiheit gekommen. Als Projekt, das aus dem nationaloppositionellen Milieu selbst hervorgegangen war, besetzte sie erfolgreich die publizistische Leerstelle, die sich am rechten Rand des politischen Lagers aufgetan hatte. Dabei hielt sie noch Anfang der 1990er-Jahre an ihrer ethnisch-nationalistischen Orientierung und ihrer fundamentaloppositionellen Strategie entschieden fest.
Im Herbst 1995 zogen Verlag und Redaktion nach Berlin um. Bald darauf trennte sich die Junge Freiheit von ihren "Lesekreisen". Diese waren ein Teil des Versuchs gewesen, das eigene Milieu gezielt auszugestalten und zu strukturieren und damit ein politisches Umfeld an sich zu binden. Doch die JF-Lesekreise zogen häufig auch offene Rechtsextremisten an, was sich negativ auf die Reputation der Zeitschrift auswirkte. Derartige Gesprächskreise, die in der vermeintlichen Sicherheit von Diskussionen unter Gleichgesinnten oft mehr preisgaben, als der Redaktion lieb sein konnte, blieben auch später problematisch.
Im Jahre 2000 wurde die in Berlin ansässige gemeinnützige "Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung" gegründet. Seit 2007 unter Vorsitz von Dieter Stein, verleiht sie den mit 5.000,- Euro dotierten Gerhard-Löwenthal-Preis, der wiederholt an Autorinnen und Autoren der JF ging. Radikaleres Gedankengut ventiliert das
Inhaltliche Mäßigung, strategische Radikalisierung
In der Wahrnehmung vieler Beobachter schien die JF seit den späten 1990er Jahren zunehmend einen "gewissen verbalen Mäßigungsprozess"
Beispielsweise fand die JF im Feld der Geschichts- und Erinnerungspolitik zu einer Form der Umwegkommunikation, die es erlaubte, Holocaust-Leugnung und NS-Verherrlichung zu vermeiden – aber dennoch den verbreiteten Wunsch nach Normalisierung der Vergangenheit und Relativierung der NS-Verbrechen für die eigene nationalistische Agenda zu instrumentalisieren. Streit um Gedenken und Erinnern im Rahmen einer pluralistischen politischen Kultur wurde in der einschlägigen Berichterstattung und Kommentierung zumeist nicht adäquat abgebildet. Stattdessen suggerierte die JF gerade an diesem hochkontroversen Feld eine Art offizielle Geschichtserzählung, in deren Rahmen kritische Fragen nicht erwünscht wären. Dieser Geschichtserzählung wurde ein quasi-religiöser Charakter zugeschrieben etwa durch Begriffe wie "Holocaust-Zivilreligion" oder "Schuldkult"
Im selben Zeitraum wechselten auch die Argumentationsweisen im Zusammenhang mit Einwanderung, Staatsbürgerschaft und "nationaler Identität". Auch hier verschärften sich die Argumentationsmuster eher. Die befürchtete Auflösung einer vermeintlichen ethnischen Homogenität bzw. der Substanz des deutschen Volkes wurde in enge Verbindung gebracht zu einem gleichzeitig befürchteten Verlust der kulturellen Identität. Beide Tendenzen wurden dem absichtsvollen Wirken verantwortungsloser Politiker und einflussreicher Eliten zugeschrieben. Exzessive Berichterstattung über soziale Spannungen, Konflikte und Gewalttaten, die nun nicht mehr als "Ausländergewalt", sondern als "Gewalt gegen Deutsche" bezeichnet wurden, suggerierten eine bevorstehende Landnahme durch Fremde und Verdrängung der autochthonen Deutschen. Die Junge Freiheit schreckte dabei nicht vor dem Katastrophenszenario eines "Bürgerkrieges" zurück. Schon der Zustand der 2000er Jahre wurde als "Vorbürgerkrieg" bezeichnet.
Auf Grundlage von Materialien, die bis ins Jahr 2012 reichen, hat Helmut Kellershohn 2013 die Positionen der Junge Freiheit vor dem Hintergrund ihres "völkischen Nationalismus" in sechs Punkten bilanziert: Demnach verwies der von der JF "okkupierte" Konservatismus-Begriff, erstens, auf das antidemokratische Denken der Weimarer Republik. Im Unterschied zur NPD adressierte sie indes – zweitens – mittelständische Leistungsträger und vertrat "besitzbürgerliche Positionen im Rahmen einer renationalisierten Wirtschafts- und Staatsordnung"
Hoffen auf die AfD
Doch in dieser Hinsicht änderten sich die Bedingungen der Arbeit für die JF ab 2009 erneut. Die so genannte Sarrazin-Kontroverse entfachte Hoffnungen, dass ethnisch-nationalistische Positionen zu Einwanderungs- und Gesellschaftspolitik in breiteren bürgerlichen Kreisen einen Resonanzboden finden würden.
Den Gründungs- und Entstehungsprozess der Alternative für Deutschland (AfD) begleitete die JF von Beginn an wohlwollend. Stein erkannte deutlich, dass die Erfolgschancen der neuen Partei maßgeblich davon abhängen würden, ob sie in der Lage wäre, ein breites Spektrum der politischen Unzufriedenheit im gesamten Bundesgebiet im Rahmen einer fremden- und europafeindlichen Renationalisierungsagenda zu bündeln. Der schwelende Konflikt eskalierte nach der Spaltung der AfD im Sommer 2015. Die Junge Freiheit fürchtete bei einseitig nationalkonservativer Ausrichtung ein Auseinanderbrechen der Sammlungsbewegung und den Verlust der gemäßigteren Kräfte eines nationalstaatlich orientierten Wirtschaftsliberalismus. Zu völkisch-fundamentalistischen Positionen, wie sie aus den ostdeutschen AfD-Landesverbänden und namentlich vom Thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke lautstark vertreten wurden, ging die JF ebenso auf Distanz wie zu offen antisemitischen Positionen, wie sie beispielsweise im Streit um den baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon in Erscheinung traten. Zu einer im Jahr 2012 erfolgten, unkritischen Kurzrezension eines Gedeon-Buches im Jahr 2012 äußerte die JF 2016 öffentlich ihr Bedauern, und der Text wurde aus dem Online-Archiv getilgt – https://jungefreiheit.de/sonderthema/2016/junge-freiheit-bedauert-rezension-des-gedeon-buches/
Angesichts der durch die Junge Freiheit während der 2000er entwickelten Positionen war ihre seit etwa 2013 einsetzende Mäßigung nicht unbedingt zu erwarten. Insofern bleibt abzuwarten, ob sie sich als taktisches Manöver erweisen wird. Vergleicht man die von Kellershohn herausgearbeiteten Positionen aus der Zeit vor Beginn des AfD-Aufstiegs mit der aktuellen Haltung der JF, so verfestigt sich der Eindruck, dass ihre Mäßigung und Abgrenzung vom völkischen Fundamentalismus des Instituts für Staatspolitik eher aus Rücksicht auf das strategische Ziel der Etablierung einer breiten nationalistischen Sammlungspartei erfolgt. Substanzielle Veränderungen der Kernanliegen der JF lassen sich derzeit noch nicht erkennen: Sie bleibt entschiedenes Sprachrohr einer radikalnationalistischen Opposition, der es um eine fundamentale Veränderung der gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Verhältnisse in Deutschland geht.