Es ist der 21. Juni, spät in der Nacht, irgendwo in Süddeutschland. Ein paar Dutzend Erwachsene, Jugendliche und Kinder folgen schweigend einer schwarzen Fahne. Auf einer Wiese stellen sie sich im Halbkreis um einen Holzstoß, in pathetischem Ton hält ein Mann eine sogenannte "Feuerrede". Es ist die kürzeste Nacht des Jahres, die sogenannte Sommersonnenwende, seit Jahrtausenden finden in dieser Nacht in vielen Gesellschaften Rituale statt. Doch wer der "Feuerrede" lauscht, merkt bald, dass dies keine unpolitische Feier ist: "Sonnwendfeuer sind Mahnung, Gleichnis, Bekenntnis zu unserem Volk und zu den Gesetzen des Lebens", heißt es da etwa. Nach der Rede tritt ein Fackelträger mit nacktem Oberkörper in den Kreis und sagt: "Feuer, wenn du zum Himmel flammst, grüße die Sonne, der du entstammst! Künde, dass treu wir gehütet die Glut, heiliges Erbe, das in uns ruht!" Zu ihm tritt eine schwangere Frau, offenbar als Fruchtbarkeitssymbol, und gemeinsam entzünden sie den Holzstoß, singend betrachtet die Gruppe die lodernden Flammen.
Hier versammelt haben sich Mitglieder des Freibundes, einer Organisation, die unter wechselndem Namen seit den 1950er Jahren besteht. Auf den ersten Blick wirkt der Freibund harmlos: Er organisiert Zeltlager und Ausflüge, man trifft sich zu Spiel und Tanz, zu Gruppenabenden oder eben Sonnenwendfeiern. Vieles ähnelt dem, was auch die bekannten Pfadfinderverbände anbieten – die haben einen guten Ruf, Kinder und Jugendliche erleben und erlernen dort Werte wie Freundschaft und Solidarität, Verantwortungsübernahme und Wertschätzung der Umwelt.
Neben den Pfadfindern gibt es noch eine ganze Reihe von Jugendbünden, etwa die Deutsche Waldjugend, oder verschiedene Wandervogelgruppen. Sie alle sehen sich in der Tradition der deutschen Jugendbewegung, die vor mehr als hundert Jahren entstand. Viele dieser Gruppen nennen sich in Anlehnung an die Bündische Jugend der Weimarer Republik "bündisch". Die allermeisten von ihnen lehnen Rechtsextremismus klar ab. Doch in der heterogenen Szene gibt es auch einige Organisationen, die – mehr oder weniger stark – eine rechtsnationale Blut-und-Boden-Ideologie vermitteln. Diese Organisationen tragen Namen wie Sturmvogel, Fahrende Gesellen oder eben Freibund, und sehen sich explizit in der Tradition von völkischen Jugendbünden in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Diese extrem rechten Gruppen suchen oft gezielt die Nähe von Pfadfindern oder anderen Wanderbünden – sie wollen von deren Ansehen profitieren oder dort Anhänger rekrutieren. Zahlreiche bündische Gruppen wehren sich dagegen; doch es gibt auch einige, die sich mit einer klaren Grenzziehung schwertun.
Geschichte der deutschen Jugendbewegung bis 1918
Die deutsche Jugendbewegung entstand Ende des 19. Jahrhunderts und fand mit dem Untergang der Weimarer Republik ihr Ende.
Vor diesem Hintergrund begann der Berliner Student Hermann Hoffmann ab 1896, mit Kindern aus einem Stenografiekurs, den er damals am Gymnasium Steglitz gab, Wanderungen zu unternehmen. Aus Tagesausflügen wurden bald längere Reisen, die Jungen waren begeistert vom einfachen Leben draußen und dem Schlafen in Scheunen, Zelten und billigen Herbergen.
Ihren vorläufigen Höhepunkt fand die Bewegung auf einem großen, mehrtägigen Treffen im Oktober 1913 auf dem Berg Hoher Meißner nahe Kassel. Ausgiebig wurde unter anderem über Politik und Weltanschauung diskutiert, aber wegen tiefer Meinungsunterschiede zwischen den sehr heterogenen Gruppen konnten sie sich lediglich auf eine zwar pathetisch klingende, aber durch inhaltlich unbestimmte Begriffe geprägte Meißnerformel
Neuformierung nach dem Ersten Weltkrieg
Nach 1918 formierte sich die Jugendbewegung neu, es begann ihre zweite Phase. Die Kriegsheimkehrer fanden gänzlich andere Verhältnisse vor; die Jüngeren, aber auch die Mädchen und jungen Frauen, die in der Zwischenzeit die Leitung der Gruppen übernommen hatten, gaben diese nicht wieder her. Auseinandersetzungen, Spaltungen und Neugründungen waren die Folge. Auch vermischten sich nun erstmals Wandervögel mit Pfadfinder-Gruppen (engl.: boy scouts). Diese waren 1907 vom britischen General Robert Baden-Powell gegründet worden und hatten sich nach der Veröffentlichung seines Buches "Scouting for boys" rasch ausgebreitet. Der deutsche Arzt und Offizier Alexander Lion, der das Buch ins Deutsche übertrug, hatte es an die deutschen Verhältnisse angepasst: Wehrhaftigkeit und Patriotismus spielten hier entsprechend der wilhelminischen Gesellschaft eine hervorgehobene Rolle. Nach dem Ersten Weltkrieg traten Pfadfinder und Wandervögel, die zuvor wenige Gemeinsamkeiten hatten, in Austausch und beeinflussten sich gegenseitig. Während die Pfadfinder die Fahrten der Wandervögel einführten, übernahmen neue Wandervogel-Gruppen die einheitliche Kluft der Pfadfinder. Die war einer Militäruniform nachempfunden, sollte aber vor allem Klassenunterschiede unkenntlich machen und so Gleichheit unter den Kindern und Jugendlichen schaffen.
Geprägt durch den Krieg entstand außerdem ein neuer Typus von Gruppen, die sogenannte Bündische Jugend. In ihnen wurde die Wandervogelromantik – freie Gruppen, die ungezwungen, heiter und musizierend durch die Lande ziehen – durch neue Leitbilder abgelöst: Körperertüchtigung und Persönlichkeitsbildung waren kein Selbstzweck mehr, sondern dienten fortan der Elitenauslese. Diszipliniertes Auftreten nach außen wurde nun ein "Ausdruck der inneren 'Zucht'". Mythen und "heilige Zeichen" bekamen eine große Bedeutung. Man verstand sich als eine Art "Orden", in dem "Führer und Gefolgschaft auf eine gemeinsame Idee verpflichtet" sind. Übergreifendes Ziel wurde eine "Erneuerung von Volk und Reich".
Völkisch-nationalistische Ideen und Gruppen waren bereits in der ersten Entwicklungsphase der Jugendbewegung vorhanden, aber nicht tonangebend. Auch in der zweiten, der bündischen Phase, nahmen – wie der Soziologe Arno Klönne betont – viele Gruppen noch eine positive Stellung zur Weimarer Republik und zur Demokratie ein, forderten beispielsweise liberale Reformen des Schulsystems, fühlten sich teils sogar der Arbeiterbewegung verbunden.
Nationalismus und Antisemitismus in der deutschen Jugendbewegung
Unter unpolitischer Haltung verstanden die Jugendbünde der ersten Phase in erster Linie eine Distanz zu Parteipolitik. Weit verbreitet war hingegen (in erster wie zweiter Phase) ein "Deutschtum", ein "deutscher Gedanke", der aus der bürgerlichen Gesellschaft übernommen wurde und durch die betonte Hinwendung zur erwanderten Heimat verstärkt wurde. Eine Anlehnung an ein (romantisiertes) Germanentum war bereits in den Wandervogelbünden der frühen Jugendbewegung vielerorts zu beobachten, schon die Steglitzer Urgruppe beispielsweise hielt Sonnenwendfeiern ab.
Die Wandervögel wollten zwar Staat und Gesellschaft, Bildungssystem und sogar Ernährungsweise
Derartige Ideen waren nicht nur aus dem völkischen Zeitgeist der Zwischenkriegszeit in die Jugendbewegung gelangt, sondern auch durch Dichter und Autoren, die in der Jugendbewegung viel gelesen wurden, beispielsweise Friedrich Wilhelm Nietzsche, Stefan George, Arthur Moeller van den Bruck oder Oswald Spengler. Deren Werke waren teils Jahrzehnte zuvor entstanden, sie waren also nicht Ausfluss dieser Jugendbewegung, sondern Inspiration. Daneben waren für die Ideenwelt des rechten Flügels der Bündischen Jugend jedoch auch völkische und nationalistische Autoren aus der Zeit der Weimarer Republik bedeutsam, die teils selbst den Gruppen entstammten: beispielsweise Ernst Jünger, Otto Strasser oder Ernst Niekisch.
Zu den extremsten nationalistischen Gruppen der Bündischen Jugend in der Weimarer Republik zählten die Deutsche Falkenschaft, der Deutsche Kreis, die Adler und Falken, der Bund der Tatjugend, der Bund Eckehard, die Freischar Schill oder der Bund Artam.
Geschichte völkischer Jugendorganisationen in der Bundesrepublik
Der Zweite Weltkrieg ließ in der männlichen Jugend die so genannte Flakhelfergeneration zurück. Der größte Teil war in NS-Organisationen sozialisiert, viele waren noch in den letzten Kriegstagen zum Wehrdienst herangezogen worden. Flucht und Vertreibung machten etwa zwei Millionen Jugendliche heimatlos, 1,5 Millionen anderen hatte der Krieg ein oder beide Elternteile genommen. Es fehlte an Wohnraum, Arbeit, Zukunftsperspektiven. So gewann Jugendarbeit schon kurz nach dem Krieg eine enorme gesellschaftliche Bedeutung. Diese fand in der damaligen Bundesrepublik zunächst hauptsächlich im Schoße der großen Verbände statt, die von Kirchen und Gewerkschaften getragen wurden. Nachdem die Alliierten Anfang der 1950er Jahre die Beschränkungen bei der Gründung von Vereinen gelockert hatten, entstanden erste nationalistische Jugendverbände. Deren Gründer und Führer hatten vor 1945 häufig hohe Positionen in der Hitlerjugend und anderen NS-Organisationen inne oder stammten sogar noch aus den völkischen Bünden der Weimarer Republik. Und da etwa die Hitlerjugend viele Stilelemente der Bündischen Jugend übernommen hatte, bedurfte es nicht unbedingt einer direkten Anknüpfung an die Traditionen der HJ.
Bei manchen dieser Gruppen handelte es sich um Jugendorganisationen von neu gegründeten rechten und rechtsextremen Parteien und Erwachsenenorganisationen wie dem Stahlhelm-Verband, der Deutschen Reichspartei (DRP) oder der Sozialistischen Reichspartei (SRP), andere waren reine Jugendorganisationen mit Namen wie Pfadfinderschaft Nation Europa.
Die Wiking-Jugend (WJ) wurde 1952 gegründet und vereinte Teile von Reichsjugend (der Jugendorganisation der kurze Zeit später verbotenen SRP), Deutscher Unitarischer Jugend und Vaterländischer Jugend. Namensgeberin war die Waffen-SS-Division Wiking. In Aufbau und Erziehungsauftrag war die WJ an die HJ angelehnt, sie gliederte sich in "Fronteinheiten", "Stabsstellen", "Gaue" und "Horste". Sie veranstaltete regelmäßig Zeltlager, Märsche und Schulungen. Bis zu ihrem Verbot sollen etwa 15.000 Kinder und Jugendliche die WJ durchlaufen haben.
Die Kinder und Jugendlichen wurden in der WJ auch an Waffen ausgebildet, erwachsene Funktionäre wurden wiederholt militanter Delikte überführt. Beispielsweise überfiel Manfred Börm (später Leiter des NPD-Ordnerdienstes) ein Munitionsdepot der Bundeswehr und wurde dafür 1979 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu mehrjähriger Haft verurteilt. Die offenkundige Ausrichtung an der Hitlerjugend, gepaart mit dem Bekenntnis zur Militanz und der Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung führte 1994 zum Verbot der WJ durch das Bundesinnenministerium. Mit 400 bis 500 Mitgliedern galt die WJ zu dieser Zeit als größte Jugendorganisation der Szene.
Der Bund Heimattreuer Jugend (BHJ) entstand zunächst in Österreich aus einem Zusammenschluss verschiedener extrem rechter Jugendgruppen. Während der BHJ in Österreich 1960 wegen "nationalsozialistischer Wiederbetätigung" verboten wurde, erfolgte im selben Jahr die Gründung des BHJ in Deutschland als bundesweite Organisation. Der BHJ veranstaltete jährliche "Bundesjugendtage", zu denen erstmalig 1961 auch Vertreter anderer rechtsextremer Jugendorganisationen aus Europa eingeladen wurden, wie dem flämischen Blauwvoetjeugdverbond und der dänischen Runebevaegelsen. 1966 wurde der Wehrmachtsikone Hans-Ulrich Rudel die Ehrenmitgliedschaft des BHJ verliehen. Aus den Reihen des BHJ ging unter anderem der Rechtsterrorist Odfried Hepp hervor, der 1987 wegen mehrerer Bombenanschläge und Banküberfälle verurteilt wurde.
Wiking-Jugend und Bund Heimattreuer Jugend waren jahrzehntelang die wichtigsten völkischen Jugendorganisationen der Bundesrepublik. Ab Mitte der siebziger Jahre jedoch entwickelten sich beide auseinander. Der BHJ begann, sich (anders als die WJ) vom Nationalsozialismus zu distanzieren und sich stärker an den völkischen Bünden der Vor-NS-Zeit zu orientieren. 1988 änderte der BHJ sein Symbol: An die Stelle der (auch von SS, Hitlerjugend und WJ verwendeten) Odalsrune trat eine schwarze Fahne mit aufgehender Sonne. Der Kurs der Mäßigung führte zu heftigen internen Konflikten, ein neonazistischer Flügel spaltete sich 1990 ab und gründete eine neue Organisation namens Die Heimattreue Jugend (DHJ), die sich im Jahr 2000 in Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) umbenannte. In deren Zeltlagern wurden Kinder und Jugendliche – wie zuvor schon bei der verbotenen WJ – in NS-Ideologie geschult. Bei einer Razzia im mecklenburgischen Güstrow wurden 2008 zahlreiche Gegenstände mit Hakenkreuzen beschlagnahmt. 2009 verbot das Bundesinnenministerium die HDJ.
Völkische Jugendbünde heute
Der Sturmvogel – Deutscher Jugendbund wurde 1987 von ehemaligen Mitgliedern der Wiking-Jugend gegründet, die deren offen neonazistischen Kurs nicht mittragen wollten. Völkische Positionen fanden sich aber auch im Sturmvogel. So erklärten deren Gründerinnen und Gründer beispielsweise: "[Wir sind] volkstreu eingestellte Deutsche, die erkannt haben, daß wir in der heutigen Zeit nur GEMEINSAM mit unserer Geisteshaltung bestehen können". Gemeinsames Ziel sei die "gesunde Entwicklung unserer Kinder", ihre "geistigen und körperlichen Anlagen" auszubilden und zu fördern sowie durch "Fahrt und Lager eine Kameradschaft aufzubauen und zu fördern, die über die Jugendzeit hinweg anhalten soll und den späteren Erwachsenen Leitlinie für ihre weitere Lebensgestaltung sein soll". Die eigentliche "Kernaufgabe" wird am Ende des Textes genannt: "Durch das eigene 'Vor'-leben Beispiel zu sein gegen den Ungeist, der unser Volk derzeit jeden Atemzug verpestet". Ende der 1980er Jahre und bis 1990 wies der Sturmvogel laut Einschätzung der Bundesregierung klare Anhaltspunkte für "rechtsextremistische Bestrebungen" auf.
Der Sturmvogel sieht sich ausdrücklich in der Tradition eines gleichnamigen, völkisch-nationalistischen Bundes aus den 1920er Jahren. Vor diesem Hintergrund erhalten Begriffe aus der Selbstdarstellung wie "Charakterschulung" und "Persönlichkeitsentwicklung", die auf den ersten Blick wenig verfänglich sind, eine eindeutige Richtung. Blut-und-Boden-Ideologie wird in Sätzen paraphrasiert wie "[wir] wollen unsere füße auf der erde spüren und wieder unsere verbindung mit der lebensspendenden kraft der natur erfühlen".
Der Verband hat offenbar wenig Interesse an Öffentlichkeit, seine Website wurde Ende 2009 abgeschaltet.
Auf eine mehr als hundertjährige Geschichte können die Fahrenden Gesellen – Bund für deutsches Leben und Wandern (FG) zurückblicken. Die Gruppe wurde 1909 als Ableger des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV) gegründet, einer völkisch-antisemitischen Gewerkschaft, die von 1893 bis 1933 bestand und in der
Heute verfügen die FG mit dem Deutschen Mädelwanderbund (DMWB) über einen eigenen Mädchen- und Frauenbund. Sie waren stets fest eingebettet in ein Netzwerk alter völkischer und deutschnationaler Personen und Gruppen. Als Referenten auf Bundes- oder Regionaltreffen traten häufig Altnazis auf, etwa die Holocaust-Leugner Werner Georg Haverbeck und seine Frau Ursula Haverbeck vom 2008 verbotenen Verein Collegium Humanum.
Der zweifellos bedeutendste Jugendbund der völkischen Szene ist derzeit Der Freibund. Diesen Namen hat sich der BHJ 1990 nach Abspaltung des radikalen Flügels (DHJ/HDJ) gegeben. Offene NS-Bezüge werden seitdem vermieden, Ehrenmitgliedschaften wie die der Wehrmachtsikone Hans-Ulrich Rudel wurden aufgehoben. Doch trotz dieser Kurskorrektur löste sich der Freibund nicht von seiner Vergangenheit. Beispielsweise wurde zum Bundespfingstlager 1997 mit einem Zitat des faschistischen Theoretikers Julius Evola eingeladen ("Das Gefängnis des abendländischen Menschen ist eines der furchterregendsten, weil es zu denen gehört, die keine Mauern haben"). Die vierteljährlich erscheinende Verbandszeitschrift na klar! druckte Gedichte des völkisch-nationalsozialistischen Schriftstellers Georg Stammler.
Verlässliche Angaben zur Mitgliederzahl des Freibundes liegen nicht vor, schätzungsweise gibt es etwa hundert "Aktive" (darunter werden Mitglieder zwischen 7 und 25 Jahren verstanden) und zirka 150 ältere Mitglieder (da der Freibund nach dem Lebensbundprinzip organisiert ist, verlieren die Mitglieder ab 26 Jahren nicht den Bezug zum Bund, sondern gehen in die Älterenschaft, den sogenannten Altfreibund über). Einige hundert weitere Personen sind dem Freibund in Freundeskreisen verbunden oder als Mitglieder anderer Verbände wie der Deutschen Gildenschaft
Symbol des Freibundes ist eine schwarze Fahne mit einer stilisierten Sonne. Auf seiner Internetseite erklärt der Freibund dessen Bedeutung: Die Sonne solle das immer wieder neu gespendete Leben symbolisieren, während die schwarze Fahne ein Zeichen des "Widerstandes gegen alle Fremdbestimmung" sei. Die Verwendung der schwarzen Fahne gehe zurück bis zu den Bauernkriegen und drücke die "Einbindung unseres Bundes in die Geschichte und das Schicksal der deutschen Nation aus".
Auf der Internetseite des Freibundes
Der völkische Kern des Freibundes zeigt sich auf bemerkenswerte Art in den Zielen der Freibund-Fahrten. Man begibt sich gern in ehemals deutsche Siedlungsgebiete, die im Gruppenjargon "Grenzland" genannt werden, etwa nach Ostpreußen.
Auch das Frauenbild im Freibund und die Bedeutung der Familie sind bezeichnend: die Geschlechterbilder extrem konservativ und völkisch motiviert. Männern und Jungen wird eine kämpfende Rolle zugewiesen, während Frauen und Mädchen mit deutlichen Worten an ihre biologische Funktion der Gebährenden ("Volksretterinnen") erinnert werden. Berufstätigkeit stört dabei nur. Eindringlich appelliert die Freibund-Bundesführung an die Frauen: "Ein Volk wird nicht lange leben, wenn seine Frauen nicht mehr bereit sind, als Mütter die Aufgabe zu bewältigen, die Geschicke des Volkes durch die Erziehung der kommenden Generationen zu lenken." 2007 betonte die Bundesführung des Freibundes: "Familienpolitik ist kein losgelöster Bereich, sondern die elementare Grundlage für alle entscheidenden politischen Fragen über das Bestehen oder Nicht-Fortbestehen eines Volkes – unseres Volkes."
Der Freibund wird von den Verfassungsschutzbehörden nicht als rechtsextrem eingestuft. Auf eine Landtagsanfrage teilte die Niedersächsische Landesregierung aber 2010 mit, das dortige Landesamt verfolge die Entwicklung (sowohl beim Freibund, als auch bei Sturmvogel und Deutscher Gildenschaft) "mit großer Aufmerksamkeit, um zu prüfen, ob die Grenze zur verfassungsfeindlichen Bestrebung überschritten ist".
Abgrenzung zwischen demokratischen und völkischen Jugendbünden
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten sich natürlich nicht nur völkische Gruppen neu gegründet, sondern auch zahlreiche nicht-rechte Jugend- und Wanderbünde. Allein bei den Pfadfindern gibt es heute vier große Dachorganisationen und zahlreiche kleinere Verbände mit zusammen tausenden Gruppen und weit mehr als 200.000 Mitgliedern. Neben den Pfadfindern gibt es Dutzende unabhängige Jugendbünde mit unterschiedlichen Traditionen und Ausrichtungen. Genannt seien etwa die Deutsche Waldjugend, der 1957 gegründete Jugendverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald mit heute mehr als 4.000 Mitgliedern, der pazifistische Fahrtenbund Zugvogel, der sich 1953 gründete und momentan bundesweit einige hundert Mitglieder zählt, oder die Deutsche Freischar, die sich in der Tradition einer gleichnamigen Gruppe aus den 1920er Jahren sieht, in der Wandervogel- und Pfadfinderbewegung erstmals fusionierten.
Seit Jahrzehnten (strenggenommen seit Entstehen der politisch heterogenen deutschen Jugendbewegung vor mehr als hundert Jahren) finden innerhalb und zwischen nicht-rechten Bünden Debatten über das Verhältnis zu den völkischen Gruppen statt. Diese Debatten sind häufig kontrovers, und sie werden immer wieder neu geführt. Das liegt zum einen daran, dass die meisten bündischen Gruppen tatsächlich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen geleitet werden. Alle paar Jahre findet deshalb ein Generationswechsel statt, und ein anti-völkischer Konsens muss häufig für jede Generation neu gefunden werden. Zum anderen gibt es aber ohne Zweifel auch innerhalb der nicht-rechten Gruppen bisweilen eine Affinität zu bestimmten Haltungen, wie sie von den Mitgliedern völkischer Jugendbünde gezeigt werden: Sei es deren Bild von Frau- und Männlichkeit oder auch die kulturpessimistische Neigung, die seit dem frühen Wandervogel immer schon die Weltanschauung bestimmter Teile dieser Szene geprägt hat. Viele nicht-rechte Gruppen zögern mit der Abgrenzung zu den völkischen aber auch schlicht aus einem romantischen Verständnis von Gemeinschaft und Kameradschaft oder einem – gerade bei jungen Leuten – unhinterfragten und unreflektierten Gefühl von Verbundenheit aufgrund der gemeinsamen bündischen Tradition.
In den 2000er Jahren spitzte sich innerhalb der Szene der Jugendbünde die Debatte um den Umgang mit den völkischen Gruppen zu. Eine Reihe runder Jubiläen stand an, beginnend mit dem hundertsten Jahrestag der Gründung des Wandervogels bis zum Jubiläum des Meißnertreffens 2013. Die runden Jahrestage des Freideutschen Jugendtages waren jahrzehntelang durch gemeinsame Zeltlager begangen worden. Zum 75. Jahrestag 1988 hatte es bereits einen Ausschluss offen neonazistischer Bünde wie der Wiking-Jugend gegeben, völkische Gruppen wie der Freibund durften aber teilnehmen. Nun stand der 100. Jahrestag ins Haus.
Rein äußerlich betrachtet gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen den beschriebenen völkischen Organisationen einerseits und andererseits den nicht-rechten Pfadfindern, Wandervögeln oder Gruppen in bündischer Tradition: Sie alle gehen "auf Fahrt", leben dabei betont einfach, etwa in Zelten, sitzen gern am Lagerfeuer und singen zur Gitarre oft die gleichen Lieder. Auch viele Gruppenrituale ähneln sich, beispielsweise werden neue Mitglieder in vielen Bünden – ob völkisch oder nicht – bei einer andächtigen Veranstaltung durch ein feierliches Versprechen aufgenommen. Solche Zeremonien dienen dazu, Gruppenidentität und Gemeinschaftsgefühl zu stiften, und sie haben besonders auf junge Menschen unstreitig eine große Wirkung.
Doch inhaltlich gibt es diametrale Unterschiede zwischen völkischen Gruppen und solchen, die demokratische Werte vertreten. Am vielleicht deutlichsten zeigen sie sich just an den Versprechensformeln, die bei den Aufnahmeritualen verwendet werden. Im Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) beispielsweise lautet sie: "Ich will (im Vertrauen auf Gottes Hilfe) nach den Regeln der Pfadfinderinnen und Pfadfinder mit euch leben!" (Der konfessionelle Zusatz ist freiwillig.) Die "Regeln", auf die sich das Versprechen beruft, lauten im BdP : "Ich will Schwierigkeiten nicht ausweichen. Ich will den Anderen achten. Ich will zur Freundschaft aller Pfadfinderinnen und Pfadfinder beitragen. Ich will kritisch sein und Verantwortung übernehmen. Ich will hilfsbereit und rücksichtsvoll sein. Ich will mich beherrschen! Ich will dem Frieden dienen und mich für die Gemeinschaft, in der ich lebe, einsetzen. Ich will aufrichtig und zuverlässig sein. Ich will die Natur kennenlernen und helfen, sie zu erhalten!"
Ganz anders hingegen klingen die Formeln bei völkischen Gruppen – zum Beispiel jene, die im Bund Heimattreuer Jugend (BHJ) üblich war: "Ich verspreche bei meiner Ehre, immer meinem Volk zu dienen und im Kampf um die Verwirklichung meiner Ideale stets die Gemeinschaft vor mein eigenes Ich zu stellen und immer mehr zu leisten, zu arbeiten und zu opfern – so wahr ich ein Deutscher bin." Anders als bei nicht-rechten Pfadfindergruppen wurde dieser Text beim BHJ auch nicht lediglich "Versprechen" genannt, sondern "Treueeid", und abgelegt wurde dieser nicht bei einem einfachen Lagerfeuer, sondern üblicherweise bei Sonnenwendfeiern. Äußerlich sehr ähnliche Zeremonien können also sowohl dem Ziel dienen, die Heranbildung kritischer, selbstbewusster und toleranter Persönlichkeiten zu fördern – oder aber junge Menschen auf eine totalitäre Ideologie einschwören.