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Wie grün waren die Nazis?

Jens Ivo Engels

/ 10 Minuten zu lesen

Das Reichsnaturschutzgesetz von 1935 muss spätestens dann herhalten, wenn Rechtsextremisten auf die umweltpolitischen Wohltaten der Nazis verweisen. In der Tat war das entsprechende Gesetz in der Bundesrepublik noch bis in die 1970er Jahre gültig. Wie grün waren die Nazis?

"Wie grün waren die Nazis?" oder "Das Grüne und das Braune" – diese und ähnliche Titel tragen Bücher, die sich mit der gemeinsamen Geschichte von Umweltschutz und Nationalsozialismus beschäftigen. Einiges scheint darauf hinzudeuten, dass der Umweltschutz im Nationalsozialismus Fortschritte machte. Hatte sich Hermann Göring nicht persönlich für das erste Naturschutzgesetz stark gemacht? War Hitler nicht Vegetarier? Und selbst hier muss das sattsam bekannte Autobahn-Argument herhalten: Hatten die Nazis nicht naturnahe und landschaftsverträgliche Autobahnen gebaut?

Waren die Nazis also "grün"? Nein, das waren sie gewiss nicht. Eine Gesamtidee von der Notwendigkeit des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen gab es zu dieser Zeit noch gar nicht. Noch nicht einmal der Begriff "Umwelt" war geprägt. Ökologische Zusammenhänge waren nur in sehr begrenztem Umfang bekannt. Auch gab es "die" Nazis nicht. Die Ideologie des Nationalsozialismus umfasste zwar einige Kernvorstellungen, auf die sich alle Anhänger beriefen. Dazu gehörten das "Führerprinzip", der Antisemitismus, das Rassendenken und der Sozialdarwinismus. Darüber hinaus hatten die Nationalsozialisten aber keineswegs ein systematisch geschlossenes Gedankengebäude. Unter dem breiten Dach einer vagen Ideologie konnte vieles formuliert und gefordert werden, und es gab höchst widersprüchliche Strömungen innerhalb der Partei. Nach der sogenannten "Machtergreifung" von 1933 kamen die Anforderungen der praktischen Politik noch hinzu – das Ziel der Kriegsvorbereitung rückte bald alle anderen Erwägungen in den Hintergrund. An der Gesamtbilanz gibt es keinen Zweifel: Der Zustand von Natur und Umwelt war 1945 um vieles schlechter als 1933. Dafür waren Kriegszerstörungen und die forcierte Industrialisierung verantwortlich.

Wie Natur und Gesellschaft sein sollen

Und dennoch: Umweltschutz und Nationalsozialismus haben eine gemeinsame Geschichte. Vor allem die damaligen Natur- und Landschaftsschützer konnten während der Nazizeit einige Erfolge feiern. Es gab Berührungspunkte zwischen ihren Vorstellungen über Natur und Gesellschaft und denen des Regimes. Außerdem verhieß das Regime ehrgeizigen Fachleuten interessante Karrieren. Um zu verstehen, wie es dazu kam, muss man einen Blick auf die Naturschützer der Zeit werfen.

Während wir heute die Ökologiebewegung immer noch mit liberalem, alternativem Lebensstil, mit Engagement für Demokratie, Beteiligungsrechte und Transparenz identifizieren, sah die Situation im frühen 20. Jahrhundert anders aus. Ab etwa 1900 entstand die Bewegung des Natur- und Heimatschutzes. Deren Anhänger hatten vor allem Verlustangst. Sie wollten etwas gegen das Verschwinden einzelner Tier- und Pflanzenarten unternehmen und entwickelten die Idee des Naturdenkmalschutzes: Besondere alte Bäume etwa sollten vor dem Abholzen bewahrt werden. Generell beklagten sie, dass Industrie und Kapitalismus die Landschaft zerstörten und zogen gegen hässliche Gebäude und Reklame in der Landschaft zu Felde. Anders als heutige Naturschutzverbände verstanden die Naturschützer sich nicht als modern oder neuen Entwicklungen aufgeschlossen. Im Gegenteil: Sie waren explizit antimodernistisch eingestellt. Vielen von ihnen ging es darum, die alte bäuerliche Welt mitsamt ihrer Landschaft zu bewahren – oder zumindest das, was sie dafür hielten. Denn es waren keine Landwirte, die sich hier engagierten. Stattdessen kämpften - wie heute auch - Bildungsbürger, Beamte, Lehrer und Rechtsanwälte für die Erhaltung der Natur. Sie sahen sich als Gegner der Industriellen und der Händler, als Vorkämpfer gegen die technische Moderne, und sie waren politisch durch und durch konservativ geprägt. Der aus der Arbeiterbewegung stammende Verband der Naturfreunde war allenfalls eine Randerscheinung. Und obwohl vereinzelt Frauen Einfluss ausübten, etwa die populäre Vogelschützerin Lina Hähnle, war die frühe Naturschutzbewegung doch hauptsächlich eine Sache von Männern.

Neben diese rein konservierenden Naturschützer trat in den 1920er Jahren eine neue Denkrichtung. Sie war wissenschaftlicher geprägt als die erste Generation und sie verknüpfte den Schutz der Landschaft mit dem Gesundheitsgedanken, mit organischen und völkischen Vorstellungen. Man ging davon aus, dass Natur und Landschaft die Gesundheit der Bevölkerung beeinflussten; alles hänge mit allem zusammen. Konkret hieß das: Volk und Land bildeten eine organische Einheit. Diese sei gestört, wenn die Landschaft künstlich verändert werde. Ein gesundes Volk bedürfe einer gesunden Landschaft. Dabei hieß "gesund" nicht so sehr frei von Beschwerden, sondern vital, kräftig und am besten: allen anderen Völkern überlegen.

An diesem Punkt und wegen der grundsätzlichen Kritik an der Moderne ergab sich die Möglichkeit, mit den Nationalsozialisten ins Gespräch zu kommen. Zwar lehnten die meisten Naturschützer die Nazis lange Zeit ab. Darin glichen sie vielen anderen Bildungsbürgern, die die Nationalsozialisten für vulgär und unkultiviert hielten. Jedoch waren einige wenige zentrale Figuren des Naturschutzes bereits vor 1933 Mitglied in der NSDAP. Sie hofften, dort mehr Gehör für ihre naturschützerischen Ideen zu finden. Auch der Leiter der Preußischen Stelle für Naturdenkmalpflege, Walther Schoenichen, trat bereits 1932 aus Überzeugung in die NSDAP ein und veröffentlichte kurz nach der "Machtergreifung" einen programmatischen Aufsatz in einer Fachzeitschrift. Darin forderte er in Analogie zur Rassenlehre der Nazis die "Reinigung" von Volk und Landschaft. Entgegen den Hoffnungen einiger in vorauseilendem Gehorsam "konvertierten" Naturschützer ließen die Nationalsozialisten die Strukturen der privaten Naturschutzverbände nicht unangetastet. Auch sie erlitten das Schicksal der "Gleichschaltung" mit allen Folgen für aus Sicht des Regimes missliebige Mitglieder und Funktionäre. Die verbleibenden und "anpassungsfähigen" Naturschützer lernten die neuen Machthaber aber schätzen, weil die Nazis wegen ihrer ideologischen Nähe gelegentlich Dinge möglich machten, die für sie allein lange Zeit unerreichbar schienen.

Reichsnaturschutzgesetz und Tierschutzgesetz

Das prominenteste Beispiel war das Reichsnaturschutzgesetz von 1935. Schon während der Weimarer Republik hatten Naturschützer hart dafür gekämpft, den Schutz der Natur reichsweit durch ein Gesetz einheitlich zu regeln, stets ohne Erfolg. Das Nazi-Regime stärkte auf vielen Gebieten die staatliche Zentralmacht, und an diesen Trend hängten sich die Naturschützer an. Sie betrieben viel Lobbyarbeit hinter den Kulissen, vor allem im Reichslandwirtschaftsministerium, das unter Leitung des Blut-und-Boden- und Rassentheoretikers Richard Walther Darré stand, und bei Hermann Göring persönlich.

Göring pflegte bekanntermaßen einen barocken Lebensstil, zu dem auch die Jagd gehörte, vor allem in der Nähe seines Landsitzes in der Schorfheide nordöstlich von Berlin. Konsequenterweise hatte er seiner Ämtervielfalt die Funktionen des "Reichsjägermeisters" und des "Reichsforstmeisters" hinzugefügt. Zentrale Figuren des Naturschutzes versuchten, den Reichsforstmeister bei seiner vermeintlichen grünen Ehre zu packen und für ein modernes Naturschutzrecht zu interessieren. Tatsächlich hatten Vertreter des amtlichen Naturschutzes um den Lehrer und Naturschutzbeamten Hans Klose ein neuartiges Naturschutzrecht entwickelt, das auch international noch jahrzehntelang als vorbildlich galt. In einer berühmt gewordenen Szene wies Göring 1935 in barschem Ton via Telefon den bislang für das Thema zuständigen Bildungsminister Rust an, seine Kompetenzen an ihn abzugeben und den Weg für das Gesetz frei zu machen.

Fortan besaß das Deutsche Reich klare Kategorien, nach denen naturnahe Landschaften in unterschiedlich strenge Schutzkategorien eingruppiert werden konnten. Eine zentrale Regelung war die Möglichkeit, schützenswerte Gebiete, die sich in Privateigentum befanden, entschädigungslos zu enteignen. Außerdem wurde eine zentralisierte Naturschutzverwaltung geschaffen, die bei landschaftsverändernden Maßnahmen gehört werden musste. In den folgenden Jahren wiesen die Naturschutzbehörden tausende Natur- und Landschaftsschutzgebiete aus.

Allerdings blieb der Einfluss des Gesetzes auf die Gesamtentwicklung der Landschaft gering. Denn viele der neuen Schutzgebiete hatten unter anderem Namen oder nach Landesrecht bereits vorher existiert. Vor allem standen ihnen riesige Gebiete gegenüber, die vom Reichsarbeitsdienst unter den Spaten genommen wurden. Der Reichsarbeitsdienst, eine staatlich finanzierte, militärdienstähnlich organisierte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, zu dem junge Männer verpflichtet wurden, widmete sich neben dem Straßenbau vor allem der Urbarmachung naturnaher Landschaften. Flüsse und Wasserläufe wurden begradigt, Moore und Sumpfgebiete trockengelegt und bislang ungenutzte Naturlandschaften für die Landwirtschaft erschlossen. Im Gegensatz zu Görings Spielereien lagen hier die Prioritäten des Regimes, das wirtschaftspolitische Erfolge dringend brauchte und die kriegswichtige Autarkiepolitik vorbereitete.

Das Reichsnaturschutzgesetz war nicht das erste Gesetz, das die Nationalsozialisten bei den Freunden der Natur beliebt machte. Bereits wenige Monate nach der "Machtergreifung" hatte die Regierung mehrere Maßnahmen zum Tierschutz ergriffen. Dazu gehörte im April 1933 ein Verbot der betäubungslosen Tötung von Tieren. Das Gesetz richtete sich gegen das sogenannte Schächten, also die Schlachtung von Nutztieren nach jüdischem Ritus, bei dem die Tiere durch Öffnung großer Schlagadern getötet werden. Hinter der Maßnahme stand hauptsächlich der nationalsozialistische Antisemitismus. Allerdings darf man nicht vergessen, dass es damals bereits seit mehreren Jahrzehnten eine Debatte über das Schächten gegeben hatte. Neben antisemitischen Argumenten ging es dabei immer auch um die Frage nach dem Leiden der Tiere. Schon im 19. Jahrhundert war die Tierschutzbewegung entstanden, deren Ziele man nicht mit dem Artenschutz verwechseln sollte. Tierschützer sorgten sich in erster Linie um das Wohlergehen von Tieren im Nahbereich des Menschen, also insbesondere um Haus- und Nutztiere. Sie prangerten die aus ihrer Sicht zunehmende Grausamkeit im Umgang mit Tieren an und warben dafür, das Leiden der "stummen Kreatur" ernst zu nehmen. Neuartige Entwicklungen wie industriell betriebene Schlachthöfe, medizinische Versuche an lebenden Tieren und die ersten Vorboten der Massentierhaltung gaben ihnen dazu reichlich Anlass.

Wie später beim Reichsnaturschutzgesetz inszenierte sich Hermann Göring bereits 1933 als Freund der Tiere und Menschen und trieb das Projekt für ein umfassendes Tierschutzgesetz voran. Zwar nahm die NS-Regierung am Ende Abstand von einem Totalverbot der Vivisektion, also der Tierversuche. Doch das noch im November 1933 verabschiedete Reichstierschutzgesetz stellte erstmalig das "unnötige" Quälen oder Misshandeln von Tieren unter Strafe. Ähnlich wie beim Reichsnaturschutzgesetz galt diese Maßnahme international als fortschrittlich. Aber auch hier waren wesentliche Grundlagen bereits in der Weimarer Republik gelegt worden, etwa durch entsprechende Landesgesetze.

Organisch integrierte Reichsautobahnen

Ein zweiter Zweig des Landschaftsschutzes betraf den Autobahnbau. Der Architekt und Landschaftsgestalter Alwin Seifert wandte sich in den 1930er Jahren in zahlreichen Schriften mit Warnungen vor der "Versteppung" Deutschlands an die Fachöffentlichkeit – die von ihm beklagten Grundwasserabsenkungen waren ironischerweise häufig Folgen des Reichsarbeitsdienstes. Seifert spielte geschickt mit durch nichts belegbaren, aber perfekt zur Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis passenden Befürchtungen, die angebliche Entwicklung hin zur quasi asiatischen Steppenlandschaft werde auch die biologische Qualität der deutschen Bevölkerung vermindern. Es gelang Seifert, das Interesse des für die gewaltigen Infrastrukturmaßnahmen des Regimes zuständigen Fritz Todt zu wecken.

Todts Aufgabe war der Bau der Reichsautobahnen. Er zeigte sich offen für die Idee, dass die Autobahnen sich der Landschaft organisch anzupassen hätten. Ausgerechnet diese Megabauwerke der technischen und militärischen Modernisierung sollten nicht "mechanistisch", sondern naturnah gestaltet werden. Dazu setzte Todt eine Reihe von sogenannten "Landschaftsanwälten" ein, an deren Spitze Seifert als "Reichslandschaftsanwalt" stand. Die Landschaftsanwälte sollten gewährleisten, dass Schnellstraßen sich harmonisch mit der Umgebung verbanden. Im Kern ging es allerdings um eher kosmetische Maßnahmen: um eine kurvenreiche Linienführung, um Natursteine statt Sichtbeton beim Brückenbau oder darum, einheimische Bäume und Sträucher am Straßenrand zu pflanzen. Wie in fast allen Organisationen des NS-Regimes standen die pompösen Titel der Amtsträger im Spannungsverhältnis zur chaotischen Machtverteilung zwischen konkurrierenden Organisationen. Im Endeffekt setzten sich Seifert und seine Mitstreiter jedenfalls nur selten durch, obwohl schon ihre Ziele aus Sicht des heutigen Umweltschutzes mehr als bescheiden waren.

Auf einem dritten Strang verlief die Zusammenarbeit der langsam entstehenden professionellen Landschaftspflege mit dem Regime. Seit der Zwischenkriegszeit entstand eine wissenschaftlich arbeitende Raumplanung, die teilweise auch einen "Ausgleich" zwischen Mensch und Natur anstrebte. Unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie kamen rasse- und bodenideologische Elemente hinzu. Für die Vertreter dieser jungen Disziplinen taten sich im Krieg ungeahnte Möglichkeiten auf.

Heinrich Himmler, von Hitler zum "Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums" ernannt, übernahm die Aufgabe, die eroberten Gebiete im Osten Europas als Siedlungsgebiete für die deutsche Bevölkerung umzugestalten. Unter seiner Ägide erarbeiteten unter anderem Natur- und Landschaftsschützer den sogenannten "Generalplan Ost". In den eroberten Regionen sollte eine am Reißbrett geplante Gesellschaft nach den biologistischen Vorstellungen der Nazis entstehen. Dominieren sollte eine kleinbäuerliche Siedlungsstruktur in einer "gesunden" Landschaft, die z.B. dauerhaft fruchtbaren Mutterboden garantieren sollte. Hierzu entwarfen die Spezialisten Himmlers genaue Anweisungen über die Anlage von Feldern, Feldgrenzen, Gehölzen und Wäldern, entwickelten kleinklimatische Zellen, Erosionsschutzmaßnahmen, sahen aber auch Naherholungsgebiete vor. All dies sollte einer landwirtschaftlich geprägten Parklandschaft ähneln.

Dabei beruhten die Planungen auf einem rassistischen Ansatz. Die ansässige, "nichtarische" Bevölkerung in den Gebieten des heutigen Polen, Weißrussland und der Ukraine habe die Landschaft aufgrund ihrer angeblichen kulturellen Unfähigkeit vernachlässigt. Himmlers Planer einer "gesunden" Landschaft wollten eine tabula rasa. Ohne die vom Regime betriebene Umsiedlungs- und Vernichtungspolitik, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen, war der Generalplan Ost undenkbar. Der Landschaftsschutz war also eng mit den Untaten der Nationalsozialisten verbunden.

Umweltpolitik in der NS-Zeit: Mehr Schein als Sein

Zudem beschränkte sich der Umweltschutz während der NS-Zeit auf wenige Themen, einzig Natur- und Landschaftsschutz konnten die genannten Aufmerksamkeitserfolge feiern. Im gesamten Bereich dessen, was wir heute als Emissionsschutz bezeichnen, gab es so gut wie keine Fortschritte. Zwar dachten Techniker bereits seit dem späten 19. Jahrhundert darüber nach, wie die Schadstoffausstöße aus den Schornsteinen der Schwerindustrie und der Kraftwerke reduziert werden könnten; und tatsächlich wurden in den 1920er und 1930er Jahren unterschiedliche Filtertechniken erprobt, darunter auch erste Elektrofilter mit einem sehr hohen Wirkungsgrad. Jedoch schufen weder die Regierung noch die Gerichte in der Zeit des Nationalsozialismus ernsthafte Anreize, diese teuren Techniken zu verwenden. Zwar gab die offizielle Rhetorik der "Volksgemeinschaft" und ihrer Gesundheit Vorrang gegenüber dem Gewinninteresse der Wirtschaft. Dennoch änderte sich nichts an einer Rechtslage, die Rauch-, Staub- und Schwefelimmissionen in Industriezonen meist als ortsübliche Belastung duldete. Ähnliches galt für die Chemieindustrie.

Mehr noch: In den 1930er Jahren wurden energie- und schadstoffintensive Verfahren entwickelt, um natürliche Rohstoffe künstlich herzustellen. Dazu gehörten die Zuckergewinnung aus Holz, die synthetische Herstellung von Gummi und viele andere Verfahren. Im Interesse der Autarkie- und Rüstungspolitik förderte das Regime entsprechende Chemiewerke, etwa in Leuna, ohne auf die resultierenden Umweltschäden zu achten. Auch beim Gewässerschutz war die Bilanz sehr gemischt. Zwar entstanden, beispielsweise im Ruhrgebiet, erste Kläranlagen, doch zugleich wurde der Fluss Emscher zum offenen Abwasserkanal umgebaut.

Als Fazit bleibt festzuhalten: Für einige Anliegen aus den Kreisen des Natur- und Heimatschutzes bot das NS-Regime Erfolgschancen, weil es ideologische Überschneidungen und neue organisatorische Zuständigkeiten gab. Im Endeffekt wurden aber nur sehr begrenzte Verbesserungen im Naturschutz erreicht. Die Umweltbilanz des nationalsozialistischen Deutschland war insgesamt verheerend und das Regime erwies sich auch auf diesem Gebiet als zerstörerisch.

Jens Ivo Engels ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Technischen Universität Darmstadt und geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift "Neue Politische Literatur". Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist Umweltgeschichte.