"Hate Crimes sind kriminelle Handlungen mit einem Vorurteilsmotiv. Dieses Motiv ist das Unterscheidungsmerkmal, das es von anderen Verbrechen abhebt. Ein Hate Crime ist kein bestimmtes Delikt. Es kann sich um eine Einschüchterungshandlung, Drohungen, Beschädigung von Eigentum, tätliche Angriffe, Mord oder um jede andere Straftat handeln."
Der Begriff "Hate Crime" entstammt der anglo-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. In vielen Ländern – unter anderem in Aserbaidschan, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Kanada, Kroatien, Russland, der Slowakischen Republik, Spanien, der Tschechischen Republik und Ungarn – existiert eine spezielle Hate-Crime-Gesetzgebung. Gefasst werden unter dem Begriff "gewalttätige Manifestationen von Intoleranz mit tief gehenden Auswirkungen, unter denen nicht nur das unmittelbar betroffene Opfer zu leiden hat, sondern auch die Gruppe, mit der sich das Opfer identifiziert"
Im deutschen Sprachgebrauch wird häufig der englische Begriff Hate Crime benutzt, doch die wörtliche Übersetzung "Verbrechen aus Hass" ist mindestens unglücklich. Der Täter muss nicht aus Hass gehandelt haben, sondern er übermittelt mit der Tat eine Botschaft, die neben dem Opfer "ebenso die größere Gemeinschaft, der jenes Opfer angehört"
Die Botschaft eines solchen Verbrechens ist: Das Opfer ist nicht willkommen, ebenso wenig wie die Mitglieder der Gruppe, zu der das Opfer gehört. Ihnen wird auch vermittelt: Es hätte jeden aus dieser Gruppe treffen können. Deshalb verunsichern Botschaftsverbrechen die individuell Betroffenen so stark und haben darüber hinaus einen terrorisierenden Effekt auf die gesamte Opfergruppe.
Die Diskussion
Angesichts einer Fülle von rassistischen Übergriffen und Gewaltexzessen haben sowohl staatliche Stellen als auch zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland zahlreiche Gegenmaßnahmen initiiert. Doch Rassismus und Rechtsextremismus sind immer noch aktuell. Nachdem sich der "Nationalsozialistische Untergrund" im November 2011 selbst enttarnt hatte, zeigte sich zudem, dass es einer rechtsterroristischen Gruppierung über einen Zeitraum von fast 14 Jahren gelungen war, von den Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern unentdeckt schwerste Straftaten zu begehen. Seitdem wird diskutiert, mit welchen Mitteln diesen Phänomenen beizukommen ist, inwieweit die bereits realisierten (außerstrafrechtlichen) Maßnahmen überhaupt die gewünschten Wirkungen erzielen können und inwieweit die bestehenden strafrechtlichen Vorschriften eine ausreichende Sanktionierung gewährleisten.
Uneinigkeit herrscht in der Frage, ob das deutsche Strafrecht genügend Instrumente zur Bekämpfung von Botschaftsverbrechen hat, ob also die bestehenden Gesetze ausreichen und lediglich konsequenter angewendet werden müssten – oder ob es Änderungen im Strafgesetzbuch bedarf, also neuer Gesetze, einer Hate-Crime-Gesetzgebung.
Auf der einen Seite wird vorgeschlagen, eigene Straftatbestände im Sinne der Hate-Crime-Gesetzgebung der USA einzuführen bzw. bestehende Straftatbestände zu ergänzen oder zu ändern. Es wird insbesondere vorgeschlagen, den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches so zu ändern, dass im Rahmen der Strafzumessung eine rassistische Motivlage strafschärfend berücksichtigt werden soll. Auf der anderen Seite wird davon ausgegangen, dass die bereits bestehenden Straftatbestände ausreichend sind.
Was bringen Hate-Crime-Gesetze?
Es gibt eine ganze Reihe von Akteuren, die die Einführung von Hate-Crime-Gesetzen befürworten und fordern; es sind vor allem Opferberatungen und Opfer-Anwältinnen und -Anwälte, die zu den Fürsprechern gehören. Änderungen im Bereich der Strafzumessungskriterien befürwortet beispielsweise der Deutsche Richterbund. Begründet wird die Notwendigkeit neuer Hate-Crime-Gesetzestatbestände und der Strafverschärfung folgendermaßen: "Wenn Hate Crimes wie andere Delikte behandelt und nicht als eine besondere Verbrechenskategorie begriffen werden, so werden sie oft nicht richtig bearbeitet. Dies kann sich auf verschiedene Weisen manifestieren: Ermittler, die dem Opfer misstrauen oder es versäumen, Beschuldigungen bezüglich eines Vorurteilsmotivs richtig zu untersuchen; Staatsanwälte, die bei der Wahl der Anklagepunkte das Delikt bagatellisieren; und Gerichte, die es versäumen, ihre Befugnisse anzuwenden"
Befürworter weisen auch auf den symbolischen Wert des Gesetzes hin. Hate-Crime-Gesetze würden verdeutlichen, dass eine Gesellschaft Vorurteilsverbrechen insgesamt ablehnt und entsprechende Straftaten als besonders verwerflich verurteilt. Es würde gesetzlich verankert, dass durch Botschaftsverbrechen verursachtes Leid nicht nur dem Individuum, sondern auch der Gruppe zugefügt wurde. Anerkannt würde dadurch auch, dass das Motiv des Täters dem Verbrechen einen gravierenderen Stellenwert beimisst, als das Grunddelikt diesem verleiht.
Was spricht gegen Hate-Crime-Gesetze?
Eine andere Meinung in Sachen Hate-Crime-Gesetzgebung vertreten z.B. die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein sowie der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein. Auch die Gegner spezieller Hate-Crime-Gesetze erkennen an, dass Botschaftsverbrechen – zum Beispiel rassistische Straftaten – besonders gefährlich und verwerflich sind. Speziell auf das dargestellte Unrecht abzielende Gesetze brauche es aber nicht, weil schon das Strafrecht ausreichende Sanktionsmöglichkeiten biete.
Die bestehenden Gesetze, die sich auf rassistische Straftaten anwenden lassen, sind sowohl im Strafgesetzbuch (StGB) als auch im Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) festgeschrieben. Zwar unterscheidet das Strafgesetzbuch rassistisch motivierte Taten und Gewaltdelikte nicht kategorisch von solchen, die nicht hassmotiviert sind; es bestehen aber heute schon Rechtsnormen, die entsprechend ausgelegt werden können. Darüber hinaus gibt es auch Rechtsnormen, die explizit Bezug nehmen auf rassistisches oder rechtsextremes Verhalten. Dazu gehören:
§ 86 StGB: Verbreiten von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen
§ 86a StGB: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
§ 130 StGB: Volksverhetzung
§ 6 VStGB: Völkermord und § 7 VStGB: Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Regelungen des Gesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit und des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte.
Einige weitere Rechtsnormen beziehen sich zwar nicht explizit auf Botschaftsverbrechen, dennoch wird in der Rechtsprechung die Gesinnung berücksichtigt, die zur Tat führte – beispielsweise, wenn ein Friedhof geschändet wurde (Störung der Totenruhe; § 168 StGB) oder es sich um Mord (§ 211 StGB) handelt.
Häufig kommt es bei rassistischen und rechtsextremen Taten auch zu folgenden Tatbeständen des StGB: Beleidigung (§ 185), Körperverletzung (§ 223), Gefährliche Körperverletzung (§ 224), Totschlag (§ 212) oder Brandstiftung (§ 306). Sowohl bei diesen als auch grundsätzlich bei jeder Straftat kann eine rassistische Motivation berücksichtigt und eine entsprechende Strafzumessung ausgesprochen werden. Denn § 46 StGB erfasst als ein Kriterium der Strafzumessung ausdrücklich "die Beweggründe und die Ziele" des Täters, worunter auch die durch Hate-Crime-Gesetze erfassten Merkmale wie Voreingenommenheit, Vorurteil, Hass auf Rasse, nationale oder ethnische Herkunft, Sprache, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Alter, geistige oder physische Behinderung, sexuelle Orientierung oder ähnliche Faktoren fallen. Grundsätzlich also, so argumentieren die Gegner spezieller Hate-Crime-Gesetze, ist das Strafgesetzbuch ausreichend ausgestattet, um auf Botschaftsverbrechen zu reagieren.
In einem Punkt sind sich Befürworter und Gegner der Hate-Crime-Gesetzgebung einig: Änderungsbedarf besteht hinsichtlich der Ermittlungsarbeit der Polizei und Staatsanwaltschaften. Wird nicht bereits während der polizeilichen Ermittlung erkannt, dass es sich um Vorurteilskriminalität handeln könnte, wird diese nur in seltenen Fällen auch später vor Gericht so benannt. Dabei mangelt es nicht nur an der notwendigen Bereitschaft, bereits bei der Anzeigenaufnahme die möglichen Hintergründe einer Vorurteilskriminalität zu ergründen, sondern auch an der Befähigung der zuständigen Ermittler. Die notwendige Bereitschaft kann mit einer Änderung der Richtlinien für die Arbeit der Ermittlungsbehörden gefördert werden ("Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren", RiStBV). In die Richtlinien kann aufgenommen werden, dass die Ermittler auch zu prüfen haben, ob die zu ermittelnde Tat in die Kategorie der Vorurteilskriminalität fällt. Um das Erkennen als solches zu ermöglichen, sind Fortbildungsmaßnahmen erforderlich.