"Wir wollen keine, Salafisten-Schweine! – Fickt Euch!" Ein glatzköpfiger Mann schreit am 26. Oktober 2014 diese Beleidigungen durch die Kölner Innenstadt.
Journalisten berichten von einer chaotischen Lage in Köln. Die Polizisten hätten die Lage kaum unter Kontrolle gehabt, sagt der Fotograf Felix M. Steiner.
Angeheizt wird die Masse von rund 5000 Hooligans durch Redebeiträge und Musik. Unter dem Motto "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) finden sie sich in Köln aus verschiedenen deutschen Städten zusammen. Auf Deutschland-Flaggen sind Parolen wie "Unsere Fahne, unser Land – maximaler Widerstand" zu lesen. Eine Teilnehmerin trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift “Auschwitz-University EST 1941“ (Auschwitz-Universität – gegründet 1941).
Auch der Hamburger HSV-Fan Thorsten de Vries tritt bei der HoGeSa-Demo als Redner auf; de Vries betrieb in Rostock einen Neonazi-Szeneladen
Doch auf der Kölner Demonstration finden sich nicht nur zahlreiche Hooligans und Rechtsextreme ein, auch Kuttenträger, beispielsweise aus Leverkusen
Rechter Rap und Kategorie C
Bei der HoGeSa-Demo in Köln treten auch einschlägig bekannte Bands auf: So beispielsweise der rechtsextreme Rapper "VILLAIN051" mit einer Musikerin der Neonazi-Band "Wut aus Liebe" (deren Song "Vereint Euch" als Video auch auf der Seite Hogesa.info zu finden ist) - außerdem die Band "Kategorie C". Die Musikgruppe hat eine enorme Bedeutung für die HoGeSa: Der Name steht für eine Kategorie der Sicherheitsbehörden für gewaltbereite Fußballfans. Die Band ist bereits seit Jahren in Kreisen rechter Hooligans und organisierter Neonazis populär, spielte auch bei einer von der NPD organisierten Kundgebung
Bemerkenswert an HoGeSa ist, dass sich Teilnehmer in Interviews als "ganz normale Bürger" darstellen und offenbar auch empfinden.
"Lebenslüge unpolitisch"
Ungewöhnlich ist, dass die Hooligans auf eine explizit politische Aktionsform wie eine Demonstration setzen, betonen sie doch sonst stets, sie seien unpolitisch – bzw. Fußball und Politik hätten nichts miteinander zu tun, so wie es "Kategorie C" singt. Der Aachener Politikwissenschaftler und Rechtsextremismusexperte Richard Gebhardt merkt dazu an, dies solle suggerieren, die Hooligans seien unpolitisch. Damit sei "Kategorie C" die "musikalische Personifizierung dieser Lebenslüge".
Diese "Lebenslüge" existiert bereits seit vielen Jahren. Viele Hooligan-Gruppen hatten stets betont, sie seien eigentlich unpolitisch. Trotz dieser angeblich unpolitischen Position fielen viele Hooligan-Gruppen durch nationalistische, rassistische oder homophobe Parolen und Plakate auf, auch gab es Schnittmengen zu organisierten Rechtsextremen – insbesondere zur FAP. Und dies nicht nur in Dortmund, sondern auch in Hamburg, wo die FAP in den 1990er-Jahren am Stadtrand und unweit des Volksparkstadions ihre Bundeszentrale hatte. Doch bereits in den 1980er-Jahren warben Neonazis rund um den Aktivisten Michael Kühnen um Fußballfans. Über den HSV-Fanclub "Die Löwen" schrieb "Der Spiegel" im Jahr 1982: "Vor dem Stadion warten, wie immer, schon die ‘Skinheads‘ zur Verbrüderung. Ihre Ähnlichkeit mit einer Formation der SA ist nicht zufällig, die kahlgeschorenen Schädel sollen den Brutalo-Eindruck nur verstärken. […] So ziehen ‘Löwen‘ und Skinheads vom Stadion aus erst in die Kneipe und dann zum Rummelplatz: ‘Türken ärgern.‘"
Der Sozialpädagoge Bernd Lange stellte 1986 zu der neonazistischen FAP fest, die "Mitglieder kommen vor allem aus dem Ruhrgebiet und sind unter Fußballfans gut bekannt. Die berüchtigte Dortmunder ‘Borussenfront‘ ist da jetzt drin."
Rechte Hooligans behaupten in Interviews und Szene-Heften wie dem "Fan-Treff" hingegen gerne, erst linke Fans oder Ultras hätten politische Statements in die Stadien getragen. Tatsächlich war deren Antirassismus aber eine Reaktion auf die offen auftretenden rechtsextremen Hooligans sowie den weit verbreiteten Rassismus in deutschen Fußballstadien – auch bei ganz normalen Zuschauern. So gehörten beispielsweise Affengeräusche gegen schwarze Spieler in vielen Stadien lange zur Normalität. Sogar am Hamburger Millerntor – beim eher in der links-alternativen Szene beliebten Verein FC St. Pauli – wurde im Jahr 1988 ein schwarzer Spieler des 1. FC Nürnberg von Heimfans durch solche Affengeräusche lautstark beleidigt. Bundesweit für Aufsehen sorgte neun Jahre später das Relegationsspiel zwischen Energie Cottbus und Hannover 96, bei dem die 96-Spieler Otto Addo und Gerald Asamoah wegen ihrer Hautfarbe von großen Teilen des Publikums das ganze Spiel über rassistisch beschimpft wurden. Seit diesen Jahren gehen organisierte Fans und Vereine sowie Verbände gemeinsam gegen Rassismus in den Stadien vor – und die Situation hat sich stark verbessert – was vielen "unpolitischen" Hooligans deutlich missfiel.
Im Gegensatz zu den Hooligan-Gruppen der früheren Jahre definieren sich viele gegenwärtige Ultras ausdrücklich als politisch und initiieren Kampagnen gegen Rassismus oder Homophobie und mischen sich auch aktiv in die Vereinspolitik ein. Einige Gruppen setzen sich auch für Flüchtlinge
Doch nicht nur die bereits erwähnte "Borussenfront" sowie die "Löwen" fielen durch rechtsextreme Parolen auf – sondern auch die die Frankfurter "Adlerfront" oder "Standarte Bremen" und weitere Fanclubs – beispielsweise in Essen oder Berlin. Heute sind Überschneidungen zwischen dem Neonazi- und Hooliganmilieu beispielsweise bei der Aachener "Karlsbande" bekannt.
Das Comeback der rechten Hooligans hatte sich also bereits vor der HoGeSa-Demo in Köln angedeutet. Doch wie konnte HoGeSa so viele Teilnehmer mobilisieren? Es handelt sich bei "Hooligans gegen Salafisten" um ein bundesweites Netzwerk ohne festen organisatorischen Rahmen. Darin sind Hooligans unter anderem aus Dortmund, Essen, Stuttgart, Braunschweig, Hamburg, Rostock, Berlin sowie weiteren Städten vertreten. Sie vereinen sich unter Parolen wie "Die Familie hält zusammen" oder "Gemeinsam sind wir stark!"
Bei HoGeSa handelt es sich also um eine aktionsorientierte informelle Bewegung, die vor allem durch die aufgeführten älteren Verbindungen zwischen verschiedenen Hooligans und deren Gruppen getragen wird. Obwohl Fußball-Hooligans untereinander zumeist stark miteinander konkurrieren, agieren die HoGeSa über Gruppengrenzen hinweg. Es ist somit ein vereinsübergreifendes Bündnis von Hooligans aus verschiedenen Städten. Allerdings handelt es sich um keine homogene Bewegung, sondern um eine Mischszene, in der auch Rocker und politische Trittbrettfahrer von rechtsextremen Parteien mitmischen. HoGeSa lässt sich somit nicht eindeutig als Bündnis von reinen Fußballfans identifizieren. Für Fanprojekte oder Fußballvereine dürften die meisten Akteure von HoGeSa gar nicht erreichbar sein, da sie sich nicht in den heutigen organisierten Fanszenen bewegen.
Durch fehlende Mitgliedschaften verfügen die Hooligans über keine feste Einnahmequelle. Auf der Webseite HoGeSa.info rufen die Organisatoren daher zu Spenden auf. Eine Einnahmequelle könnte sich durch den Verkauf von Merchandise-Artikeln ergeben. So bewirbt HoGeSa einen Versandhandel, auf dem Produkte mit dem HoGeSa-Logo angeboten werden. Doch gibt es keinerlei Transparenz, über wieviel Geld HoGeSa verfügt, noch darüber, wie es intern verteilt wird.
Weiteres Problem: Die fehlenden Hierarchien begünstigen Konflikte und Machtkämpfe, zudem entstehen Konkurrenzsituationen zu lokalen Hooligan-Gruppen, die nichts mit HoGeSa zu tun haben. So beispielsweise nach der erfolgreichen Demonstration in Köln, als die Hooligans über weitere Aktionen diskutieren. Eine für den 15. November 2014 in Hamburg geplante Demonstration lehnen örtliche HSV-Hooligans ab.
Im Dezember gibt ein Bremer Hooligan bekannt, er trete als "Bereichsleiter Nord" von HoGeSa zurück, weil er sich mit diesem "Kindergarten" nicht mehr identifizieren könne.
Die Demonstration in Hannover wird von Beobachtern als erster Rückschlag für HoGeSa gewertet.
"Diese selbsternannte Bewegung ‘SaGeSa‘ besteht im großen Umfang aus NPD-Funktionären und arbeitet in keiner Weise mit der HoGeSa zusammen, noch wird sie von uns unterstützt! Weder jetzt, noch zukünftig! Wir lassen uns nicht für die Politik bzw. irgendeine Partei instrumentalisieren! Des Weiteren werden wir auch in Zukunft mit keiner politischen Partei eine Zusammenarbeit anstreben."
Die Demonstrationen in Köln und Hannover sind aber nicht der erste Auftritt von HoGeSa in der Öffentlichkeit gewesen. In den Monaten zuvor waren bereits zwischen 100 und 300 Hooligans in mehreren Städten in Westdeutschland zu Aktionen zusammengekommen, vor allem aus Dortmund und umliegenden Städten sowie der Rheinneckar-Region. Monatelang schon hatte sich ein Kreis von Hooligans im Internet organisiert – zunächst unter dem Namen "GnuHonnters".
Comeback der alten Garde
Für die Hooligans ist die Demonstration in Köln zunächst ein enormer Erfolg gewesen: Offenkundig hatten staatliche Stellen die Fähigkeit der rechten Hools zur Mobilisierung deutlich unterschätzt. Das mediale Echo nach dem Aufmarsch ist enorm. Die Kölner Demo ist daher vor allem als das große Comeback der alten Hool-Bewegung in der Öffentlichkeit zu werten. Die Hooligans haben ein neues Feindbild gefunden und bewiesen, dass die Szene noch lebt und aktionsfähig ist. Ein Kommentator schrieb auf der Facebook-Seite von HoGeSa
Ob dieser "deutsche Stahl" allerdings auch für eine dauerhafte Verbindung zwischen eigentlich verfeindeten Hool-Gruppen taugt, lässt sich noch nicht abschließend bewerten. So zeigte die HoGeSa-Demonstration Mitte November in Hannover, welche Nachteile eine erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit nach sich zieht: Es gibt in der niedersächsischen Landeshauptstadt stärkere Gegenproteste, ein massives Polizeiaufgebot und strikte Auflagen für die Hooligans. Das gewalttätige Auftreten der Hools dürfte zudem auf bürgerliche Rechte wenig attraktiv wirken. Die Bewegung PEGIDA könnte HoGeSa daher bereits den Rang abgelaufen haben. Bei HoGeSa handelt es sich eher um eine neue Aktionsform für eine gewaltbereite Mischszene als um eine feste Gruppe.