In den jüngsten Wahlkämpfen hat die NPD umfangreiche Landtagswahlprogramme vorgelegt. Darin werden aktuelle Probleme und Entwicklungen der jeweiligen Landespolitik aus Sicht der NPD thematisiert und Handlungsvorschläge entlang völkischer und nationalistischer Grundannahmen vorgetragen. Entsprechend wurde im Landtagswahlprogramm der NPD Sachsen statt einer humanitären Lösung für die in Deutschland Schutz und Zuflucht suchenden Menschen ein "Anti-Zuwanderungs-Schutzschirm über Sachsen"
Um die NPD-Positionen zu verstehen, ist es hilfreich, sich dem Parteiprogramm zuzuwenden, das Anfang Juni 2010 auf dem Bundesparteitag der NPD in Bamberg beschlossen wurde. Aus der Präambel dieses Grundsatzdokuments geht bereits hervor, was der Partei wichtig ist.
Konstruktion eines "deutschen Volkskörpers"
Denn aus der Diagnose der gesellschaftlichen Situation aus Sicht der NPD geht hervor, dass die Partei "das deutsche Volk" vom Untergang bedroht sieht. Geburtenrückgang, Einwanderung, Globalisierung und der Bedeutungszuwachs internationaler Institutionen werden als Gründe angeführt. Der von der NPD gebrauchte Terminus "lebensrichtiges Menschenbild" beinhaltet das Bekenntnis zur "natürlichen Ungleichheit der Menschen"
Die NPD denkt über Menschen nicht als Individuen nach, sondern als Teil einer Gemeinschaft, die sie "das deutsche Volk" nennt. Dessen Erhalt soll – geht es nach der NPD – alle Politik dienen. Mit dieser fundamentalen programmatischen Aussage wendet sich die NPD gegen die Grundlagen individueller Menschenrechte und stellt die freiheitlich-demokratische Grundordnung und pluralistische Gesellschaftsform infrage.
Dieses "deutsche Volk" setzt sich für die NPD jedoch nicht aus den Menschen zusammen, die die Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland haben. Der Begriff "Bevölkerung", mit dem alle Menschen gemeint sind, die innerhalb geografischer Grenzen, zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland, leben, ist für die NPD negativ besetzt. Die NPD definiert "Volk" durch "Abstammung, Sprache, geschichtliche Erfahrungen und Wertvorstellungen". Schon diese Grundannahme der NPD, dass es ein eindeutig von "anderen Völkern" abgrenzbares Kollektiv ("das deutsche Volk") gebe, ist zweifelhaft. Weder lässt sich angesichts Jahrhunderte umfassender Migrationsbewegungen von einer einheitlichen ‚Abstammung‘ sprechen, noch haben sich die Menschen, die im heutigen deutschsprachigen Raum leben, seit jeher – wie von der NPD suggeriert
Auch geschichtliche Erfahrungen bringen keine homogene Gruppe hervor, da diese je nach Schichtzugehörigkeit, Geschlecht, Alter oder dem Grad der unmittelbaren Beteiligung sehr unterschiedlich erfahren und interpretiert werden.
Die Idee von "Abstammungsgemeinschaften" ("Rassen"), die eindeutig identifizierbar und voneinander abgrenzbar seien, ist vielfach wissenschaftlich widerlegt. Für die NPD ist diese Behauptung jedoch weiterhin maßgebend. Denn nur durch die Auffassung, dass "Rassen" existieren, die mit spezifischen Merkmalen ausgestattet sind, lässt sich behaupten, dass Migration zur Vermischung miteinander unvereinbarer Gruppenzugehörigkeiten führe.
Alles zum Wohl des "Volkes"
Nicht nur im Parteiprogramm der NPD, sondern auch in Wahlprogrammen sowie in Propagandaschriften finden sich die aus einer solchen Sichtweise abgeleiteten Schlussfolgerungen: Ausschluss von "Nichtdeutschen" aus den sozialen Sicherungssystemen, ihre politische Entrechtung sowie eine Rückkehrpflicht in die vermeintliche "Heimat". Diese Forderungen zielen auch auf Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen, aber nach Ansicht der NPD nicht "Deutsche nach Abstammung" sind. Zwar werden in Wahlkämpfen meist Forderungen wie "Kriminelle Ausländer ausweisen" in den Vordergrund gestellt, tatsächlich geht es der NPD jedoch darum, dass Millionen Menschen das Land verlassen (müssen). Entsprechende Zielsetzungen kommen in der NPD-Forderung nach sogenannten "Rückführungsbeauftragten"
Den Artikel 16a GG, der die Möglichkeit der Gewährung von Asyl regelt, will die NPD ersatzlos streichen. Eine humanitäre Flüchtlingspolitik, die Menschen in Not und Verfolgungssituationen auch in Deutschland unterschiedslos eine dauerhafte sichere Zuflucht gewährt, kommt für die NPD nicht in Frage.
Die von der NPD vorgenommene Zuweisung einer herausgehobenen Stellung von "Völkern" statt von Menschen, die alle qua Geburt mit universalen und unveräußerlichen Menschenrechten ausgestattet sind, hat weitere Konsequenzen. Nach Ansicht der NPD sollen Angehörige eines "Volkes" ihr Handeln am Wohl "ihres Volkes" ausrichten, da eine "übertriebene Vertretung von Einzel- oder Gruppeninteressen"
Vater, Mutter, viele, viele Kinder – das Familienbild der NPD
Die von der NPD vertretene Ideologie der Ungleichheit setzt sich in den programmatischen Aussagen zum Thema "Familie" fort. Im Parteiprogramm wird Gender-Mainstreaming, also die bewusste Berücksichtigung von geschlechterrelevanten Aspekten in politischen Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen und die Ermöglichung vielfältiger Lebensentwürfe für alle Geschlechter, als "naturwidrig" abgelehnt. Die NPD-Rede von der "Unterschiedlichkeit und Gleichwertigkeit von Mann und Frau"
Ein Resultat des von der NPD geforderten Familienmodells sollen "gemeinschaftsfähige" und "leistungsstarke Kinder" sein. Der erste Begriff bezieht sich darauf, dass Kinder und Jugendliche in Erziehung und Bildung ein völkisches und auf das andere Geschlecht gerichtetes Verhalten erlernen sollen. Hinter der Forderung nach "Leistungsstärke" steckt das Denken der NPD in Hierarchien, das mit ihren Ungleichheitsvorstellungen einhergeht. Die Partei tritt daher für ein dreigliedriges Bildungssystem ein und lehnt das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung als "Gleichschaltung"
Völkisches Denken findet sich auch in den Vorstellungen der NPD zum Thema "Demokratie". Heißt es im Programm, dass die "Volksherrschaft" die Volksgemeinschaft voraussetzt, so beinhaltet diese Position angesichts des von der NPD vertretenen "Abstammungsprinzips" den Ausschluss von Millionen in Deutschland lebenden Menschen aus den politischen Mitbestimmungsprozessen. Im jüngsten Wahlkampf zum Thüringer Landtag hat die NPD für diejenigen, die ihr als "deutsch" gelten, erneut das Modell eines "plebiszitären Präsidialsystems"
Feindbild USA
Heißt es im Parteiprogramm der NPD, dass "allen gesellschaftlich relevanten Organisationen" ein "angemessener Zugang zu den Massenmedien"
Auch in der Außenpolitik sind die völkischen Überlegungen der NPD maßgebend. Ihr Ziel der Vereinigung aller Deutschen in einem Nationalstaat und die Wiedererrichtung eines Deutschen Reiches stellt die in Folge des nationalsozialistischen Krieges entstandenen europäischen Grenzen, insbesondere die Oder-Neiße-Grenze, in Frage.
Als außenpolitischer Feind werden vor allem die USA angesehen, da diese in zwei Weltkriegen maßgeblich dazu beigetragen haben, die Weltmachtbestrebungen des deutschen Imperialismus zu unterbinden. Um dies bei der angestrebten Neuauflage eines "Deutschen Reiches" zu vereiteln, tritt die NPD für Atomwaffen in "deutscher Hand"
Wirtschaftspolitisch tritt die NPD für eine staatlich regulierte Marktwirtschaft ein und will insbesondere den Mittelstand fördern; die einzelnen Forderungen der Währungs-, Steuer- und Finanzpolitik stehen unter der Maßgabe, dass sie der "Erhaltung unseres Volkes"
Als "nationale Solidarität" bezeichnet die NPD in ihrer Programmatik u.a. eine Politik der "Ausgliederung der Ausländer aus dem Sozialversicherungswesen"
Rassistisch, menschen- und verfassungsfeindlich
Das Parteiprogramm der NPD skizziert als Ziel eine völkische und auf dem Grundgedanken der Ungleichheit von Menschen aufbauende Form des Zusammenlebens. Sie beinhaltet zahlreiche weitgehende Verstöße gegen die Würde des Menschen und gegen das grundgesetzlich verfasste gesellschaftliche System der Bundesrepublik Deutschland. In Publikationen der Partei und in Reden ihrer Funktionsträger finden sich regelmäßig darüber hinaus gehende rassistische und menschenrechtsfeindliche Aussagen. In einer vom NPD-Parteivorstand herausgegebenen Broschüre, die als Argumentationshilfe für die Parteifunktionäre gedacht ist, heißt es beispielsweise "Angehörige anderer Rassen bleiben … körperlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper, gleich, wie lange sie in Deutschland leben, und mutieren durch die Verleihung bedruckten Papiers nicht zu germanischstämmigen Deutschen."
Gegenüber den 1960er Jahren, als die NPD in mehreren Landtagen mit Abgeordneten vertreten war, ist das Parteiprogramm deutlich verschärft worden; gegenüber dem Parteiprogramm von 1997 und anderen programmatischen Dokumenten der frühen 2000er Jahre sind manche Formulierungen, die den rassistischen und antidemokratischen Charakter der Partei offenlegten, etwas zurückgenommen und weniger sichtbar. Dies ist nicht zuletzt eine Folge der fortgesetzten gesellschaftlichen Diskussion um ein Verbot der Partei. Doch Programm und Praxis der NPD stehen weiterhin insgesamt für ein antihumanitäres Ziel.