Rechtsextremismus – aktuelle Erscheinungsformen im Fußball
Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sind und bleiben eine Gefahr für die Demokratie und die politische Kultur Deutschlands, dies gilt auch für den Fußball. Der latente Rassismus eines Teils der Gesellschaft manifestiert sich im Fußballumfeld. Ja mehr noch: die zu beobachtende Bedeutungslosigkeit des organisierten Rechtsextremismus in der Gesellschaft scheint dazu zu führen, dass sich die Rechtsextremisten in gesellschaftliche Nischen und hier u.a. in die Fankurven zurückziehen. So nehmen wir mit Sorge Kenntnis von Verdrängungsprozessen von zivilcouragíerten und antifaschistischen Ultragruppen durch rechte Hooligan-Gruppen, gewaltfaszinierte Ultras und Neonazis in den Fankurven. Durch konkrete Bedrohungsszenarien dieser Gruppen geraten die Selbstreinigungsprozesse innerhalb der Fanszenen ins Stocken bzw. werden verhindert. Bestimmte Strukturen des Fußballs, die Motivationsstruktur (Aggression als gesellschaftlich prämierter Wert), die männerdominierte Milieustruktur, die sportspezifischen homogenen Kollektive, die verdichteten Orte, patriarchale Strukturen und die Verfügbarkeit von Feindbildern
Die Gefährdungen des Fußballs wahrnehmen
Dem Sport und besonders dem Fußballsport werden "per se" positive Wirkungen, soziale Potenziale zugesprochen. Deshalb taten sich die Verbände lange Zeit und tun sich die Vereine zum Teil auch heute noch schwer, soziale Sensoren für die Gefährdungen des Sports zu entwickeln, Fehlentwicklungen wahr- und anzunehmen.
Auch wenn sich hier Vieles zum Besseren wandelt, es bedarf noch weiterer, beharrlicher und dauerhafter Anstrengungen. Wir haben festgestellt, dass Vereine, die sich engagiert gegen rassistische, rechtsextremistische und diskriminierende Tendenzen in ihrem Umfeld stellen, die sich rechtzeitig und eindeutig positionieren und rassistisches Verhalten öffentlich zur Diskussion stellen bzw. sanktionieren, kaum oder nur wenig Probleme mit Rassismus und Diskriminierung haben. Umgekehrt ziehen Vereine, die so gut wie nichts dagegen tun, wie in einer Art Sogwirkung Rassisten, Rechtsextremisten geradezu an und laden zu Diskriminierungen ein, so dass politisch Andersdenkende eher abgestoßen werden und fern bleiben. Was das Problem noch verschärft.
Rechtsextremismus: eine Herausforderung für die ganze Gesellschaft
Der Deutsche Fußball Bund stellt sich dieser Verantwortung, wie in seinem Nachhaltigkeitsbericht 2013 dokumentiert. Er verpflichtet sich und seine Mitgliedsverbände und Vereine, jede Form von Rassismus und Diskriminierung zu sanktionieren. Mit dem Julius-Hirsch-Preis zeichnet der DFB jedes Jahr Projekte aus, die sich engagiert gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung im Fußball stellen.
Hier gilt es noch Einiges zu tun, vor allem Aufklärung über und Sensibilisierung für dieses Thema sowie gezielte Schulungsmaßnahmen sind geboten. Neben bereits flächendeckend stattfindenden Schulungen für Ordner und Sicherheitsbeauftragte sind deshalb bundesweit Sensibilisierungs- und Aufklärungsveranstaltungen für die Regional- und Landesverbände und spezielle Schulungsprogramme für Vereine geplant. Aber: Der Fußball kann gesellschaftlich verursachte Probleme nicht (alleine) lösen, doch „gemeinsam können wir alle einen Beitrag dazu leisten, Rechtsextremismus und Diskriminierung in Deutschland ins Abseits zu stellen“, wie Wolfgang Niersbach in seinem offenen Brief gegen Rechtsextremismus schreibt.
Angesichts wachsender Herausforderungen, aber auch und vor allem der geforderten unterschiedlichen Kompetenzen des an seine Grenzen stoßenden Ehrenamtes, muss deshalb der Vernetzung im Kampf um diskriminierungsfreie, demokratische Räume eine zentrale Rolle zugewiesen werden. Für die Zukunft wird es sehr darauf ankommen, dass sich die Vereine und Verbände mit zivilgesellschaftlichen Initiativen vernetzen. Dabei scheint mir wichtig zu erkennen, dass – wenn wir der Dreistufigkeit von Prävention (primäre, sekundäre und tertiäre) folgen – der Sport seine sozialen Potenziale überwiegend in der primären Prävention entfalten kann und muss. Es geht also auch darum, sich mit allen politischen und zivilgesellschaftlichen Institutionen gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung zu verbünden und gemeinsam zu engagieren. Der DFB ist deshalb Mitglied des Netzwerks „Sport + Politik verein(t) gegen Rechtsextremismus“ und hat dort den Vorsitz. Des Weiteren gibt es eine enge Kooperation mit den mobilen Beratungsteams des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“ und Schulungsangebote für die Landesverbände und deren Vereine zum Demokratietrainer in Kooperation mit der Deutschen Sportjugend..
Es gibt keine Patentlösungen
Die Gleichzeitigkeit von subtileren Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in Form von Symbolen und Codes auf Grund der stärkeren sozialen Kontrolle in und um die Stadien einerseits und der Radikalisierung von gewalttätigen Aktionen aus rechtsextremen Zusammenhängen andererseits zeigt aber auch, dass Repression alleine nicht ausreicht. Hier ist auch ein Teil der aktuellen Probleme in den Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Fangruppen in den Kurven und den Reaktionen der Vereine zu sehen. In von DFB und DFL initiierten Dialogforen mit Vereinsvertretern, Mitarbeitern von Fanprojekten und Ultragruppierungen wurde deutlich, dass sich die Vereine und die engagierten, zivilcouragierten Ultragruppen im Ziel (den Rechtsextremismus aus den Stadien zu verbannen) einig sind, nicht aber unbedingt in der Methode. Geht es nur um Ausgrenzung und konfrontative Strategien oder wird auch versucht, Wege aus der Ecke aufzuzeigen und zu ebnen, in die sich die Mitläufer verrannt haben? Ausgrenzen kann und darf nicht allein die Antwort sein, sondern eine sensible Wahrnehmung und Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung gepaart mit Gesprächsbereitschaft und dem Transport von Botschaften für Anerkennung und Respekt. Unsere Dialogforen haben aber auch gezeigt, dass es keine Patentlösungen gibt, sondern nur auf die jeweilige Situation vor Ort angepasste, zugeschnittene Lösungsansätze, bei denen der DFB unterstützend tätig sein kann.
Kein Anlass für ein Event, sondern eine dauerhafte Aufgabe aller Bürgerinnen und Bürger
Dabei müssen wir uns auch immer wieder bewusst machen, dass der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung, für eine Kultur der Anerkennung und Demokratie nicht zu einem Event verkommen darf, dass es kein einmaliger Akt, sondern ein kontinuierlicher Prozess, eine dauerhafte Aufgabe ist.
Hierzu bedarf es Entschlossenheit und Zivilcourage aller Bürgerinnen und Bürger: Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun!
Anmerkung der Redaktion: Zu diesem Thema veranstalten wir am 26. Juni 2014 einen Live-Webtalk auf