Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Rechtsrock für's Vaterland | Rechtsextremismus | bpb.de

Rechtsextremismus Was ist Rechtsextremismus? Rassismus Was ist eigentlich Rassismus? Rassen? Gibt's doch gar nicht! Warum ist es so schwer, von Rassismus zu sprechen? Alltagsrassismus Rassentheorien und Rassismus in Asien im 19. und 20. Jahrhundert Infografik Rassismus Verschwörungstheorien Jüdische Weltverschwörung, UFOs und das NSU-Phantom Die Reichsideologie Die Protokolle der Weisen von Zion Debatte: Extremismustheorie Der Extremismusbegriff Kritische Anmerkungen zum Extremismuskonzept Weiterführende Literatur Ideologie Rechtsextreme Einstellungen Zur Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland Was denkt die NPD? Rechtsextremismus: die internationale Debatte Intellektueller Rechtsextremismus Muslimfeindlichkeit Islamfeindlichkeit, Islamophobie, Islamkritik Interview Hafez Muslimfeindlichkeit als rechtsextremes Einfallstor Virtuelle Kreuzritter Konkurrenz der Leidtragenden Quellentext: Islamfeindlichkeit und Antisemitismus ähneln einander Antisemitismus Antisemitismus heute Interview mit Marina Chernivsky Antisemitismuskritische Bildungsarbeit Die AfD und der Antisemitismus Verbreitung des Antisemitismus in Deutschland Ungezählte Opfer Ursachen und Prävention des Rechtsextremismus Wie organisieren sich Rechtsextreme? Internationale Netzwerke Die Eurasierbewegung und die Neue Rechte Die APF: Europas rechtsextremer Rand Rechtsextreme US-Szene Wie Russland den rechten Rand in Europa inspiriert Globalisierte Anti-Globalisten Die Identitären Neonazis in Russland Hammerskins Kampfsport, Runen, Rassenhass Rechtsextremistische Parteien in Europa Rechtsextremismus in Russland (Miss-)Erfolge der „Identitären“ NPD Mehr als 50 Jahre rechtsextrem Das Parteiprogramm der NPD Frauen in der NPD Radikal besorgte Bürger Wer wählt eigentlich rechtsextrem? NPD-Taktiken Das Potenzial der NPD NPD-Verbot und Parteienfinanzierung Autonome Nationalisten Turnschuhe statt Springerstiefel "Dortmund ist unsere Stadt" Aussteigerinterview Webtalk: Autonome Nationalisten Rechtsextreme Parteien in Europa Rechtsextreme Akteure in Deutschland Rechtsextreme Szenen und Medien Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft Interview mit Eberhard Seibel Heimatliebe, Nationalstolz und Rassismus Graue Wölfe Nationalismus und Autoritarismus auf Türkisch Antisemitismus bei Muslimen Russlanddeutsche GMF bei Polnischstämmigen Debatte: "Deutschenfeindlichkeit" Jugendkulturen Runen gestern, heute, morgen Jugendkulturen im Wandel Codes der rechtsextremen Szene Interview mit Christoph Schulze Tipps für Jugendeinrichtungen Burschenschaften Kameradschaften Neonazis hinter weißen Masken Kameradschaften im Visier Einführung Jugendkultur Kampfsport Was liest der rechte Rand? Geschichte der rechtsextremen Presse Gegenöffentlichkeit von rechtsaußen Der rechte Rand: Verlage Der rechte Rand: Publikationen Audio-Slideshow Männer Männliche Überlegenheitsvorstellungen Homosexualität Rechtsextreme Männerbilder Soldatische Männlichkeit Burschenschafter Autoritär-rechte Männlichkeiten Musik Die neonazistische Musik-Szene Neue Töne von Rechtsaußen Rechtsrock für's Vaterland Rechtsrock: Millionen mit Hass Verklausulierte Volksverhetzung Interview mit David Begrich Elf rechte Bands im Überblick Frauen Auf die sanfte Tour Feminismus von rechts Rechte Aktivistinnen Frauen in der NPD Rechtsradikale Frauen Rechtsextrem orientierte Frauen und Mädchen Frauen im rechtsextremen Spektrum Aussteigerinnen Nazis im Netz Roots Germania Rechtsextremismus im Internet Das braune Netz Neonazis im Web 2.0 Zocken am rechten Rand TikTok und Rechtsextremismus Das Internet als rechtsextreme Erfolgsgeschichte? Rechtsextremismus und Presse Interview mit Ulrich Wolf Der NSU und die Medienberichterstattung Umgang mit Leserkommentaren Ein kurzer Ratgeber für Journalisten Krimi gegen Rechts Tonangebende rechtsextreme Printmedien Wenn Neonazis Kinder kriegen Die nächste Generation Hass Umgang mit Kindern von Neonazis Eine Mutter und ihre Kinder steigen aus "Mein Kampf" "Wir wollen den Zünder ausbauen" Helfen Gesetze gegen "Mein Kampf"? Gemeinfrei: "Mein Kampf" Hitlers "Mein Kampf" – ein unterschätztes Buch Rechtsextreme Kampagnen-Themen "Gender" und "Genderwahn" Ökologie Grüne Braune Wie grün waren die Nazis? Interview mit Elisabeth Siebert Debatte: Kommunale Flüchtlingspolitik Nach Köln Flüchtlingsunterkünfte Interview mit Oliver Malchow Was kommunale Flüchtlingspolitik leisten kann – und muss Deutsche Asylpolitik, europäischer Kontext Wer erhält welches Asyl? "Ich habe nichts gegen Flüchtlinge, aber …" – Ein Faktencheck Anstoß in der Kreisklasse Handlungsspielraum der Kommunen Meinung: Die Probleme waren schon vor den Flüchtlingen da Meinung: Kommunale Flüchtlingspolitik aus der Sicht des Bundes Meinung: Probleme und Lösungswege in der kommunalen Flüchtlingspolitik Meinung: Flüchtlingsarbeit in den Kommunen – Eine Herausforderung für Politik und Gesellschaft TwitterChat: Kommunale Flüchtlingspolitik Fußball Judenhass im Fußball Film: Rechtsextremismus und Diskriminierung in deutschen Fußballstadien Interaktiver Webtalk: Über den rechten Flügel – Neonazis und Fußball Fußball und Rechtsextremismus Interaktive Grafik: Rechtsextreme Vorfälle in Fußballstadien Angriff von rechtsaußen Rechtsextreme BVB-Fans Audio-Interview: Martin Endemann über Rassismus im deutschen Fußball Audio: Ronny Blaschke über rechte Fangesänge im Stadion Vereine und Verbände Extrem rechte Fußballfans und die Nationalmannschaft des DFB Die Erzählung vom ‘großen Austausch’ Krisen, Unsicherheit und (extrem) rechte Einstellungen Grauzonen Die "Neue Rechte" Interview mit Maren Brandenburger Der rechte Rand des politischen Systems der Bundesrepublik Die völkische Bewegung Die Junge Freiheit Das Institut für Staatspolitik Völkische Jugendbünde Die "Neue Rechte" in der Bundesrepublik Querdenken und Verschwörungserzählungen in Zeiten der Pandemie Rechtsextreme Esoterik Rechtsextreme Diskursstrategien Rechtsextreme Gewalt Rechtsextreme Gewalt Angriff auf die Lokalpolitik Rechtsterrorismus Der Einzeltäter im Terrorismus Der Weg zum NSU-Urteil NSU-Verfahren Storify des Chats zu #3JahreNSUprozess Der Anschlag auf Henriette Reker Video: Die migrantische Community und der NSU Der NSU-Untersuchungsausschuss Protokolle NSU-Ausschuss Chat: NSU-Untersuchungsausschuss Interaktive Grafik: Die Taten des NSU Der NSU Der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) Die rechtsextreme Szene und der NSU Der Rechtsterrorismus im Verborgenen Chronik des Rechtsterrorismus Rechtsterrorismus in Europa PMK – Methoden und Debatten PMK – Statistiken Opfergruppen und Feindbilder Wo Demokraten gefährlich leben Die Geschichte des Orazio Giamblanco Wohnungslose Menschen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Was ist Sozialdarwinismus? Wer sind die Opfer? Ausstieg Warum und wie aussteigen? Debatte über echten Ausstieg Interview mit Aussteiger Rochow Pädagogische Arbeitsfelder Netzwerke in Norddeutschland Gewalt gegen Geflüchtete Unvollständige Erinnerung Umgang mit Rechtsextremismus Debatte: Soll man mit Neonazis reden? Toralf Staud: Soll man mit Neonazis reden? Cornelius Weiss: Argumentieren auf allen Ebenen Grit Hanneforth: keine Nazis auf Veranstaltungen Stefan Niggemeier: Ablehnung begründen Andreas Hechler: Entscheidend ist der Kontext Klaus-Peter Hufer: Argumente wirken Simone Rafael: Rassismus widersprechen Initiativen und Zivilgesellschaft Debatte: Was tun bei einem rechtsextremen Aufmarsch? Der rechtsextreme "Kampf um die Straße" Wolfgang Thierse: Wir müssen den öffentlichen Raum gegen die Besetzung durch Rechtsextreme verteidigen Hans-Ernst Böttcher: Man muss nur das Recht anwenden … wollen! Anna Spangenberg: Erfolgreich rechtsextreme Aufmärsche verhindern Herbert Trimbach: Versammlungsfreiheit ist ein Menschenrecht Politische Konzepte Wie sag ich Dass Auschwitz sich nie wiederhole... Denkanstöße aus dem Kanzleramt Bildung, Bildung, Bildung NPD trockenlegen? Wie kann Aussteigern geholfen werden? Interview MVP Forderungen von Projekten an die Politik HDJ-Verbot Strategien im Umgang mit der NPD in Parlamenten Noch mehr Vorschläge Schule Hakenkreuze an der Tafel Interview Reinhard Koch Analyse Albert Scherr Aufsatz Scherr / Schäuble Schülerzeitung Martinshorn Neonazis auf SchülerVZ Studie Uni-Seminar Was können Schülerinnen und Schüler tun? Antidemokratische Positionen und Einstellungen in Schulen Strategien Offener Brief an einen Oberbürgermeister Wie man Hakenkreuze kreativ entschärfen kann Gewalt vermeiden, aber wie? Parolen parieren! Was tun als Opfer rechter Gewalt? Engagement – lohnt das denn? Guter Rat, wenn Nazis stören Rezepte gegen Rechtsextremismus Argumente gegen rechte Vorurteile Vom Hass verabschieden Marke gegen Rechtsextremismus Und Du? Podcasts und Audios Glossar und FAQs Videos und Bilderstrecken Angaben zur Redaktion

Rechtsrock für's Vaterland

Andreas Speit

/ 10 Minuten zu lesen

Seit mehr als 30 Jahren besteht eine Rechtsrockszene in Deutschland. Sie liefert den Sound für Hass und Hetze. Wie Nationale, Rechtsextreme und Neonazis über die Musik ihre Ideologie verbreiten, hat sich Autor Andreas Speit unter anderem auf dem Rechtsrockfestival in Berga angeschaut.

Von der Bühne können Musiker und Redner den Kyffhäuser sehen. In dem Gebirge, nicht weit vom Veranstaltungsplatz, soll der Sage nach Kaiser Friedrich Barbarossa ("Rotbart") in seinem Bergschloss mit seinem Hofstaat ausharren. Wenn die Zeit gekommen sei, so heißt es, würde der Kaiser zurückkehren und große Schlachten schlagen. Auf der Bühne am Ortsrand von Berga spielen die Bands aus der rechtsextremen Szene aber nicht bloß auf die deutschen Mythen an. "Deutschland, Deutschland über alles, über alles sei geliebt" singt der "nationale Barde" Frank Rennicke zur Eröffnung des Rechtsrockfestivals "In.Bewegung 2013. Das politische Fest der Nationalen". Bei strahlendem Sonnenschein brandet auf der Wiese starker Applaus auf. Vor der Bühne, an der eine NPD- und eine Schwarz-Weiß-Rote-Fahne wehen, füllt sich der Platz.

In den vergangenen Jahren richteten verschiedene Veranstalter der Szene immer wieder unterschiedliche Rechtsrockevents aus. Hier in der sachsen-anhaltinischen Gemeinde war es Patrick Weber, NPD-Kreistagsmitglied im Kyffhäuserkreis, der für den 10. August 2013 die Veranstaltung mit sechs Bands und sechs Rednern angemeldet hatte. "Der Höhepunkt des Jahres 2013 für jeden Nationalen Aktivisten", hieß es im Vorfeld auf der extra eingerichteten Website zum Event. Die Veranstalter, neben der NPD auch die "Freien Kräfte", warben nicht nur mit den "erstklassigen Rednern und Musikern", sondern auch mit einem "umfangreichen Kinderprogramm". Daher rennen bei jungen Erwachsenen und Jugendlichen, zwischen Bierstand und Gulaschkanone auf der Wiese im Industriegebiet auch Kinder herum. Mancher Vater trägt Glatze, manche Mutter blonde Zöpfe. Auf einer Hüpfburg spielt der Nachwuchs. Gleich neben der Hüpfburg ein Stand der NPD-Frauenorganisation "Ring Nationaler Frauen". Ein kurzer Regenschauer treibt einige der rund 900 Gäste zu weiteren Info- und Verkaufsständen. Das "Gedenkbündnis Bad Nenndorf" bietet Material an, die Modemarke "Angsgar Aryan" ihre Bekleidung. Ein Solistand für Erich Priebke ist aufgestellt. Seit Wochen feiern NPD und Freie Kameradschaften auf den 100. Geburtstag des verurteilten SS-Kriegsverbrechers hin (der einen Monat später, am 11. Oktober 2013, verstirbt). Rennicke, der zu den etwa 30 Liedermachern und -macherinnen der ultrarechten Szene gehört, singt auf der Bühne nicht bloß, er erinnert zudem an die inhaftierten Gesinnungskameraden, die nicht kommen konnten. Einen nennt Rennicke namentlich, einen, der längst einer der Stars der Szene ist: den verurteilten Holocaust-Leugner Horst Mahler.

Musik als Einstiegsdroge in die rechte Szene

Politik und Party, das macht seit Jahren die Attraktivität des Rechtsrocks für Jugendliche und junge Erwachsene aus. "Konzerte mit Kameraden besuchen, oder Rechtsrock zu Hause alleine hören, die Musik ist zu einem der wichtigsten Integrationsoptionen und Identifikationsangeboten der Szene geworden", sagt Jan Raabe. Seit Jahren arbeitet der Rechtsrockexperte des Vereins Argumente & Kultur gegen Rechts e.V. und Mitherausgeber des Standardwerks "RechtsRock" zu rechtsextremen Subkulturen. In der Bundesrepublik bestehen an die 200 Bands, sagt Raabe, die unterschiedliche Musikgenres anbieten - von Deutschrock über Hiphop und Hardcore bis Black Metal. Mehr als 40 Labels produzieren die Musik.

Still sitzt Kai Karsten, der anders heißt, an einem Tisch in einem Café in einer Stadt, die nicht genant werden soll. Nachdenklich sucht er nach Worten. Denn der 23-Jährige ist aus der Szene zwischen NPD und Autonomen Nationalisten raus. "Wegen der Kameraden" möchte er nicht, dass sein Name und sein Wohnort öffentlich wird. Mit 17 Jahren kam er zu den Rechtsextremen, fünf Jahre blieb er, jetzt will er keine Klischees von sich geben. Dann aber sagt er selbst: "Ein Klischee folgt", denn so war es eben: "Über die Musik kam ich zu der Szene." Rechtsrockbands fand er damals gut. Ein Zufall beschleunigte seine rechte Karriere. Im Bus traf er "Neonaziskinheads". "Viele Kisten Bier hatten die mit, machten Party", erzählt er. Später genügte ihm Feiern und Rechtsrock nicht mehr, er wollte "Politik für Deutschland" machen, sich gegen "Überfremdung" und "Übervorteilung" der "Ausländer" wehren. Der NPD beizutreten war für ihn "ganz logisch". Mit den Songs verinnerlichte er die Inhalte, sagt er weiter, räumt aber ein: "Ich tickte so auch schon. Fand die Sprüche gut, teilte die Einstellung."

"Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen. Besser als dies in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden", stellte bereits vor mehr als vierzehn Jahren der Übervater des internationalen Rechtsrocks, der Brite Ian Stuart Donaldson, in einem Fernsehinterview fest. Die politische Intention ist für alle rechtsextremen Musikprojekte charakteristisch. Die Musik mit ihren Texten liefert die Schlagwörter des rechtsextremen Weltbildes, das sich so festsetze, sagt Raabe: "In den Ohren den Sound, im Kopf die Ideologie". Donaldson war mit seiner Band "Skrewdriver" nicht nur der Begründer dieses Genres. Er, der 1993 mit dem Auto tödlich verunglückte, gründete das internationale Netzwerk "Blood & Honour" (B&H) LINK, das Rechtsrockbands promotet, Konzerte ausrichtet und CDs vertreibt. Aus dieser Szene verübten Aktivisten immer wieder Gewalttaten. Das spätere NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, denen der Generalbundesanwalt zehn Morde, zwei Bombenanschläge und vierzehn Banküberfälle zuschreibt, gehörten zum harten Kern der B&H-Bewegung, deren deutsche "Division" das Bundesinnenministerium im September 2000 verbot. Viele Kader machten allerdings nach dem Verbot weiter.

In den Umbaupausen: Nationale Hetze

Zurück nach Berga. Auf der Bühne steht einer der Bands aus diesem Spektrum: "Oidoxie". Mit den ersten Tönen hat der Sänger Marko Gottschalk bereits die Besucher gewinnen können. Die Band mit CD-Titeln wie "Kann denn Glatze Sünde sein", "Weiß und Rein" oder "Ehre und Treu" lieferte auch den Szenehit "Rechtsrock". Gottschalk singt in dem Hit: "Wir spielen Rechtsrock (...) für's Vaterland. (...) Wir sprengen die Ketten, und schlagen uns frei. Wir kämpfen für Deutschland, und bleiben dabei. (...) Und schreien immer wieder: Heil, heil." Die Fans in Berga singen mit, sie wissen, wo "Oidoxie" politisch steht. In dem illegalen Szenevideo "Kriegsberichterstatter" coverte "Oidoxie" das "Hakenkreuz"-Lied der Neonazi-Band "Radikahl": "Hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um (...) hisst die rote Fahne mit dem Hakenkreuz." Das Video zeigt, unterlegt mit Rechtsrock, auch Erschießungen von Schwarzen und Juden sowie Karikaturen von der Ermordung Behinderter.

In Berga auf dem Festival wechseln sich zwischen den Musikgigs die Redner von der NPD und den Freien Kameradschaften ab. Sowohl Reden als auch die Songs der Bands mussten der Polizei im Vorfeld vorgelegt werden. "Fünf Lieder wurden untersagt", sagt ein Polizeisprecher vor Ort – "wegen Jugendgefährdung". Alle Musiker soll es getroffen haben. Die Verbote hindern Maik Müller von den Freien Kameradschaften aber nicht daran, ins Mikrophon zu brüllen: "Wir sind keine Laberpartei, wir sind eine Kampforganisation zur Veränderung der Bundesrepublik." Der Fraktionsvorsitzende der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, der 2013 den Parteivorsitz übernahm, verkündet: "Die NPD mag man verbieten, den naturgegebenen Nationalismus im Volke aber nicht." Den Zuhörern, die alle möglichen Szenestyles tragen - von Kurzhaarschnitt bis Basecap, Zöpfe und Haare rosa gefärbt - gefällt die Pastörsche Hetze gegen "perverse Homos", "Demokröten" und "Ausländer".

Vorne an der Bühne prangen gleich mehrere Werbebanner vom "Germania Versand". Das ist nicht überraschend, Veranstaltungsanmelder Patrick Weber von der NPD betreibt den Versand, der in Sondershausen nahe Berga sitzt. Im Angebot findet sich alles, was zum rechtsextremen Lifestyle gehört: Rechtsrock-CDs von Bands wie "Word of Anger" oder "Lunikoff Verschwörung", Bekleidung von Szenemarken wie "MAX 8H" oder "Hemland", Schmuck mit Motiven aus der germanischen Mythologie oder mit Runen-Verzierungen und Bücher mit dem Titel "Getürkt und gelinkt - Wem nützt rechte Gewalt?" oder "SS-Sturmbataillon 500 am Feind - Weg und Kampf einer Einheit der Waffen-SS". Vom "Germania Versand" verlinkt ist der Webshop der Modemarke "Hate-Hate". Hier gibt es "Klamotten für die Szene: Modisch – Intolerant – Hasserfühlt – Kompromisslos!", so der Werbeslogan. Auch hier hat Weber seine Hand im Spiel: Im Impressum ist er als "Autor des Webangebotes" genannt.

In der Szene, sagt Raabe, könnten geschäftstüchtige Rechtsextreme Millionen durch den Verkauf rechter Lifestyle-Güter einfahren. Mit der Musik sei das Angebot wesentlich ausdifferenzierter geworden. An die 100 Versandhäuser bieten Musik, Kleidung, Accessoires und Propaganda-Material an. Schon lange gut im Geschäft mit Rechtsrock und Merchandising ist Thorsten Heise, NPD-Landesvize in Thüringen. Von Fretterode aus betreibt offiziell seine Frau den "WB-Versand". Mit im Angebot: "Giggi und die braunen Stadtmusikanten". Das Projekt um Daniel Giese, Sänger der Rechtsrock-Band "Stahlgewitter", hat großen Erfolg damit, bekannte Melodien mit eigenen Texten einzuspielen. Im März 2014 verurteilte das Oberlandesgericht Giese wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro. Das Gericht bestätigte die Auffassung des Landgerichts Osnabrück, dass der Text des Liedes "Geschwür am After" den Völkermord an den Juden im Dritten Reich leugne. In dem Song singt Giese: "All die geschmierten 'Historikerkommissionen' mit den Lieblingsthemen: Massenmord (...) Doch Wahrheiten von heute sind die Lügen von morgen und so viele ihrer Leichen sind bis heute nicht gestorben".

Der Song auf der mittlerweile indizierten CD "Adolf Hitler lebt" sorgte anfänglich für wenig Aufmerksamkeit. Stattdessen hatte vor allem der "Döner-Killer"-Song große Beachtung gefunden. Gut eineinhalb Jahre vor der Entdeckung des NSU 2011 sang er: "Neunmal hat er es jetzt schon getan. Bei allen Kebabs herrschen Angst und Schrecken. Der Döner bleibt im Halse stecken, denn er kommt gern spontan zu Besuch, am Dönerstand, denn neun sind nicht genug." Seitdem wird darüber spekuliert, was Giese wann über die Morde des NSU gewusst haben könnte.

Volksverhetzung und Gewaltverherrlichung als Standardrepertoire

In Berga auf der Bühne haben sich die "Kinderzimmer-Terroristen" eingespielt. Der Song "Schwarz ist die Nacht" von "Frontalkraft", mit dem sie beginnen, ist eindeutig: "Schwarz ist die Nacht,
 in der wir euch kriegen, Weiß sind die Männer, die für Deutschland siegen. Rot ist das Blut,
 auf dem Asphalt". Von Anfang an, seit mehr als 30 Jahren, gehören Gewaltbeschwörungen und Hetze gegen die ausgemachten Feinde zum Repertoire des Rechtsrocks. "Auch das Rollenbild des kämpferischen Mannes und der dienenden Frau wird gerne bedient", sagt Raabe. In dem Song "Jungs für's Grobe" singt "Lunikoff" alias Michael Regener: "Mundschutz und Schienbeinschoner gehören zu unserer Garderobe. 
In dieser Stadt weiß jedes Kind: Wir sind die Jungs für's Grobe (…) Die Mädels und die Wirte 
beginnen gleich zu fleh'n. Die einen, dass wir kommen. Die anderen, dass wir endlich gehen".

Michael Regener, Bandleader und Namensgeber der "Lunikoff Verschwörung", sang zuvor bei "Landser". 2003 verurteile das Berliner Kammergericht die Bandmitglieder als kriminelle Vereinigung – auch wegen der eindeutigen Texte, zum Beispiel in "Walvater Wotan": "Wir wollen euren Jesus nicht - das alte Judenschwein. Denn zu Kreuze kriechen, kann nichts für Arier sein. Die Bibel und das Kruzifix - die soll der Geier holen. Wir wollen eure Pfaffen nicht (...) Walvater Wotan soll unser Herrgott sein. Walvater Wotan wird Germanien befrei'n." Nach einer Haftstrafe von knapp drei Jahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung erlang Regner/Lunikoff Kultstatus. Mit seiner neuen Band, der "Lunikoff Verschwörung", greift er gerne soziale Themen und aktuelle Debatten auf. "Ob Stuttgart 21 oder Gorleben. Am liebsten würden sie uns die Kugel geben. Nach Gutsherrenart auf unsere Kosten prassen. Sauft den Champagner, solang wir euch noch lassen!", singt er in "Wir sind das Volk". Songs von Lunikoff finden sich auch auf den Schulhof-CDs der NPD, die die Partei regelmäßig bei Wahlkämpfen an Erst- und Jungwähler gratis verteilt. Auch Hip-Hop und Rap von Makss Damage und n'Socialist Soundsystem wird präsentiert.

Beim Rechtsrockfestival in Berga müssen die Besucher 18 Euro Eintritt zahlen. Mit solchen Veranstaltungen versuchen rechte Kader seit Jahren, weitere Einnahmequellen zu erschließen. Konzerte allerdings richten die rechten Veranstalter weiterhin vor allem klandestin aus. Ein Vereinsheim einer Gartenkolonie wird unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angemietet oder Clubräume eines befreundeten Rockerclubs genutzt. Via Handy kann ein erster Kontakt vermittelt werden. "Die Fahrt zu den Kontrollpunkten bis zum Konzert ist schon ein Teil der Feier", sagt Kai Karsten, der Aussteiger. Die kleineren Konzerte mit bis zu 200 Besuchern seien schon deshalb "cool", weil man – wenn das Konzert stattfindet – "Bullen und Antifa" überlistet hätte. Beworben werden die Konzerte ohne genaue Ortsangaben. Bei der rechtsextremen Hooliganband "Kategorie C – Hungrige Wölfe"v heißt es zum Beispiel "Raum Ruhrpott-West".

Die Anzahl der heimlichen Konzerte ist ungewiss

Im Jahr 2012 registrierte das Bundesinnenministerium im rechtsextremen Spektrum 82 Konzerte und 17 Liederabende. Auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag gibt das Ministerium an, im Jahr 2013 etwa 45 Konzerte mit rund 8.900 Besuchern gezählt zu haben. Im selben Zeitraum fanden auch an die 42 Liederabende mit etwa 1.560 Teilnehmern statt. Wie schwierig es ist, verlässliche Zahlen zu erheben, zeigen die Angaben der "Mobilen Beratung in Thüringen" (Mobit). In ihrer Jahresbilanz 2013 zählt die Beratung allein in Thüringen insgesamt 25 Konzerte und elf Liederabende. Fünf Konzerte fanden in der "Kammwegklause" in Erfurt statt. "Durchschnittlich jedes zweite Wochenende bietet die Szene Konzerte in Thüringen an", sagt Mikis Rieb, Berater bei Mobit.

In Berga in Sachsen-Anhalt steht am Abend "Kraftschlag" auf der Bühne. Die Band um Jens-Uwe Arpe, die seit 1989 besteht und in Berga auch die jüngeren Besucher begeistert, hatte Kontakte zu Blood & Honour. Mit der Musik sei insbesondere durch die Freien Kameradschaften eine rechte Erlebniswelt entstanden, sagt Rechtsrock-Experte Raabe. Die NPD wendete sich erst später der Musik zu, um Jugendliche und junge Erwachsene für sich zu gewinnen. An ihrer Ausrichtung lässt Musiker Arpe keine Zweifel aufkommen. In einem der neueren Songs von "Kraftschlag", "Zum Siegen verdammt", heißt es: "Dort draußen herrscht ein Krieg, der nie erklärt worden ist. (...) Ein Kampf der Kulturen gegen eine fremde Religion. (...) Ich scheiß auf Mohammed, die Bibel und den Koran, dieser Kampf hat gerade begonnen, dieser Kampf fängt gerade erst an". Die Werbung für "In.Bewegung 2014" läuft bereits.

Andreas Speit, geboren 1966, ist Journalist und Autor, der unter anderem für die taz, den Freitag oder blick nach rechts schreibt. Er arbeitet schon lange zu Neonazismus und Rechtsetremismus in Deutschland und hat bereits mehrere Bücher zu diesem Thema verfasst, darunter "Braune Kameradschaften – Die neuen Netzwerke der militanten Neonazis" (Chr. Links Verlag 2010) und "Die extreme Rechte in Deutschland" (Unrast 2009).