Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Der (un)aufhaltsame Aufstieg der Rassisten von der "Goldenen Morgenröte" | Rechtsextremismus | bpb.de

Rechtsextremismus Was ist Rechtsextremismus? Rassismus Was ist eigentlich Rassismus? Rassen? Gibt's doch gar nicht! Warum ist es so schwer, von Rassismus zu sprechen? Alltagsrassismus Rassentheorien und Rassismus in Asien im 19. und 20. Jahrhundert Infografik Rassismus Verschwörungstheorien Jüdische Weltverschwörung, UFOs und das NSU-Phantom Die Reichsideologie Die Protokolle der Weisen von Zion Debatte: Extremismustheorie Der Extremismusbegriff Kritische Anmerkungen zum Extremismuskonzept Weiterführende Literatur Ideologie Rechtsextreme Einstellungen Zur Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland Was denkt die NPD? Rechtsextremismus: die internationale Debatte Intellektueller Rechtsextremismus Muslimfeindlichkeit Islamfeindlichkeit, Islamophobie, Islamkritik Interview Hafez Muslimfeindlichkeit als rechtsextremes Einfallstor Virtuelle Kreuzritter Konkurrenz der Leidtragenden Quellentext: Islamfeindlichkeit und Antisemitismus ähneln einander Antisemitismus Antisemitismus heute Interview mit Marina Chernivsky Antisemitismuskritische Bildungsarbeit Die AfD und der Antisemitismus Verbreitung des Antisemitismus in Deutschland Ungezählte Opfer Ursachen und Prävention des Rechtsextremismus Wie organisieren sich Rechtsextreme? Internationale Netzwerke Die Eurasierbewegung und die Neue Rechte Die APF: Europas rechtsextremer Rand Rechtsextreme US-Szene Wie Russland den rechten Rand in Europa inspiriert Globalisierte Anti-Globalisten Die Identitären Neonazis in Russland Hammerskins Kampfsport, Runen, Rassenhass Rechtsextremistische Parteien in Europa Rechtsextremismus in Russland (Miss-)Erfolge der „Identitären“ NPD Mehr als 50 Jahre rechtsextrem Das Parteiprogramm der NPD Frauen in der NPD Radikal besorgte Bürger Wer wählt eigentlich rechtsextrem? NPD-Taktiken Das Potenzial der NPD NPD-Verbot und Parteienfinanzierung Autonome Nationalisten Turnschuhe statt Springerstiefel "Dortmund ist unsere Stadt" Aussteigerinterview Webtalk: Autonome Nationalisten Rechtsextreme Parteien in Europa Rechtsextreme Akteure in Deutschland Rechtsextreme Szenen und Medien Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft Interview mit Eberhard Seibel Heimatliebe, Nationalstolz und Rassismus Graue Wölfe Nationalismus und Autoritarismus auf Türkisch Antisemitismus bei Muslimen Russlanddeutsche GMF bei Polnischstämmigen Debatte: "Deutschenfeindlichkeit" Jugendkulturen Runen gestern, heute, morgen Jugendkulturen im Wandel Codes der rechtsextremen Szene Interview mit Christoph Schulze Tipps für Jugendeinrichtungen Burschenschaften Kameradschaften Neonazis hinter weißen Masken Kameradschaften im Visier Einführung Jugendkultur Kampfsport Was liest der rechte Rand? Geschichte der rechtsextremen Presse Gegenöffentlichkeit von rechtsaußen Der rechte Rand: Verlage Der rechte Rand: Publikationen Audio-Slideshow Männer Männliche Überlegenheitsvorstellungen Homosexualität Rechtsextreme Männerbilder Soldatische Männlichkeit Burschenschafter Autoritär-rechte Männlichkeiten Musik Die neonazistische Musik-Szene Neue Töne von Rechtsaußen Rechtsrock für's Vaterland Rechtsrock: Millionen mit Hass Verklausulierte Volksverhetzung Interview mit David Begrich Elf rechte Bands im Überblick Frauen Auf die sanfte Tour Feminismus von rechts Rechte Aktivistinnen Frauen in der NPD Rechtsradikale Frauen Rechtsextrem orientierte Frauen und Mädchen Frauen im rechtsextremen Spektrum Aussteigerinnen Nazis im Netz Roots Germania Rechtsextremismus im Internet Das braune Netz Neonazis im Web 2.0 Zocken am rechten Rand TikTok und Rechtsextremismus Das Internet als rechtsextreme Erfolgsgeschichte? Rechtsextremismus und Presse Interview mit Ulrich Wolf Der NSU und die Medienberichterstattung Umgang mit Leserkommentaren Ein kurzer Ratgeber für Journalisten Krimi gegen Rechts Tonangebende rechtsextreme Printmedien Wenn Neonazis Kinder kriegen Die nächste Generation Hass Umgang mit Kindern von Neonazis Eine Mutter und ihre Kinder steigen aus "Mein Kampf" "Wir wollen den Zünder ausbauen" Helfen Gesetze gegen "Mein Kampf"? Gemeinfrei: "Mein Kampf" Hitlers "Mein Kampf" – ein unterschätztes Buch Rechtsextreme Kampagnen-Themen "Gender" und "Genderwahn" Ökologie Grüne Braune Wie grün waren die Nazis? Interview mit Elisabeth Siebert Debatte: Kommunale Flüchtlingspolitik Nach Köln Flüchtlingsunterkünfte Interview mit Oliver Malchow Was kommunale Flüchtlingspolitik leisten kann – und muss Deutsche Asylpolitik, europäischer Kontext Wer erhält welches Asyl? "Ich habe nichts gegen Flüchtlinge, aber …" – Ein Faktencheck Anstoß in der Kreisklasse Handlungsspielraum der Kommunen Meinung: Die Probleme waren schon vor den Flüchtlingen da Meinung: Kommunale Flüchtlingspolitik aus der Sicht des Bundes Meinung: Probleme und Lösungswege in der kommunalen Flüchtlingspolitik Meinung: Flüchtlingsarbeit in den Kommunen – Eine Herausforderung für Politik und Gesellschaft TwitterChat: Kommunale Flüchtlingspolitik Fußball Judenhass im Fußball Film: Rechtsextremismus und Diskriminierung in deutschen Fußballstadien Interaktiver Webtalk: Über den rechten Flügel – Neonazis und Fußball Fußball und Rechtsextremismus Interaktive Grafik: Rechtsextreme Vorfälle in Fußballstadien Angriff von rechtsaußen Rechtsextreme BVB-Fans Audio-Interview: Martin Endemann über Rassismus im deutschen Fußball Audio: Ronny Blaschke über rechte Fangesänge im Stadion Vereine und Verbände Extrem rechte Fußballfans und die Nationalmannschaft des DFB Die Erzählung vom ‘großen Austausch’ Krisen, Unsicherheit und (extrem) rechte Einstellungen Grauzonen Die "Neue Rechte" Interview mit Maren Brandenburger Der rechte Rand des politischen Systems der Bundesrepublik Die völkische Bewegung Die Junge Freiheit Das Institut für Staatspolitik Völkische Jugendbünde Die "Neue Rechte" in der Bundesrepublik Querdenken und Verschwörungserzählungen in Zeiten der Pandemie Rechtsextreme Esoterik Rechtsextreme Diskursstrategien Rechtsextreme Gewalt Rechtsextreme Gewalt Angriff auf die Lokalpolitik Rechtsterrorismus Der Einzeltäter im Terrorismus Der Weg zum NSU-Urteil NSU-Verfahren Storify des Chats zu #3JahreNSUprozess Der Anschlag auf Henriette Reker Video: Die migrantische Community und der NSU Der NSU-Untersuchungsausschuss Protokolle NSU-Ausschuss Chat: NSU-Untersuchungsausschuss Interaktive Grafik: Die Taten des NSU Der NSU Der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) Die rechtsextreme Szene und der NSU Der Rechtsterrorismus im Verborgenen Chronik des Rechtsterrorismus Rechtsterrorismus in Europa PMK – Methoden und Debatten PMK – Statistiken Opfergruppen und Feindbilder Wo Demokraten gefährlich leben Die Geschichte des Orazio Giamblanco Wohnungslose Menschen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Was ist Sozialdarwinismus? Wer sind die Opfer? Ausstieg Warum und wie aussteigen? Debatte über echten Ausstieg Interview mit Aussteiger Rochow Pädagogische Arbeitsfelder Netzwerke in Norddeutschland Gewalt gegen Geflüchtete Unvollständige Erinnerung Umgang mit Rechtsextremismus Debatte: Soll man mit Neonazis reden? Toralf Staud: Soll man mit Neonazis reden? Cornelius Weiss: Argumentieren auf allen Ebenen Grit Hanneforth: keine Nazis auf Veranstaltungen Stefan Niggemeier: Ablehnung begründen Andreas Hechler: Entscheidend ist der Kontext Klaus-Peter Hufer: Argumente wirken Simone Rafael: Rassismus widersprechen Initiativen und Zivilgesellschaft Debatte: Was tun bei einem rechtsextremen Aufmarsch? Der rechtsextreme "Kampf um die Straße" Wolfgang Thierse: Wir müssen den öffentlichen Raum gegen die Besetzung durch Rechtsextreme verteidigen Hans-Ernst Böttcher: Man muss nur das Recht anwenden … wollen! Anna Spangenberg: Erfolgreich rechtsextreme Aufmärsche verhindern Herbert Trimbach: Versammlungsfreiheit ist ein Menschenrecht Politische Konzepte Wie sag ich Dass Auschwitz sich nie wiederhole... Denkanstöße aus dem Kanzleramt Bildung, Bildung, Bildung NPD trockenlegen? Wie kann Aussteigern geholfen werden? Interview MVP Forderungen von Projekten an die Politik HDJ-Verbot Strategien im Umgang mit der NPD in Parlamenten Noch mehr Vorschläge Schule Hakenkreuze an der Tafel Interview Reinhard Koch Analyse Albert Scherr Aufsatz Scherr / Schäuble Schülerzeitung Martinshorn Neonazis auf SchülerVZ Studie Uni-Seminar Was können Schülerinnen und Schüler tun? Antidemokratische Positionen und Einstellungen in Schulen Strategien Offener Brief an einen Oberbürgermeister Wie man Hakenkreuze kreativ entschärfen kann Gewalt vermeiden, aber wie? Parolen parieren! Was tun als Opfer rechter Gewalt? Engagement – lohnt das denn? Guter Rat, wenn Nazis stören Rezepte gegen Rechtsextremismus Argumente gegen rechte Vorurteile Vom Hass verabschieden Marke gegen Rechtsextremismus Und Du? Podcasts und Audios Glossar und FAQs Videos und Bilderstrecken Angaben zur Redaktion

Der (un)aufhaltsame Aufstieg der Rassisten von der "Goldenen Morgenröte"

Vassiliki Georgiadou

/ 7 Minuten zu lesen

Als die neonazistische Goldene Morgenröte 2012 ins griechische Parlament einzog, zeigte sich das politische Establishment schockiert. Dabei kam der Wahlerfolg gar nicht so überraschend: Die Partei nämlich hatte ihren Aufstieg langsam, aber sicher vorbereitet – vor allem in den Athener Migrantenvierteln.

Anhänger der rechtsextremen griechischen Partei "Goldenen Morgenröte" auf einer Kundgebung in Athen. (© picture-alliance/dpa)

Mit den doppelten Parlamentswahlen vom 6. Mai und 17. Juni 2012 ist die Partei "Völkische Verbindung – Goldene Morgenröte" (auf griechisch in lateinischer Umschrift Laikos Syndesmos – Chrysi Avgi), ein vieldiskutiertes Thema sowohl in den griechischen als auch in den internationalen Medien geworden. Mit fast sieben Prozent zog sie ins griechische Parlament ein und überraschte damit eine Öffentlichkeit, die schockiert war über den Erfolg dieser rechtsextremen Partei. "Goldene Morgenröte" bekennt sich offen zum Nationalsozialismus, pflegt einen Personenkult um ihrer Anführer und Generalsekretär Nikos Michaloliakos, benutzt Symbolik aus der Nazizeit, vertritt ultranationalistische und rassistische Positionen, tritt antisemitisch und fremdenfeindlich auf und geht auch mit Gewalt vorgegen Migranten, Muslime, Roma und soziale Minderheiten.

Die Goldene Morgenröte ist aber kein neues Phänomen, im Gegenteil, als politische Organisation existiert sie seit 1983. Damals hatten Mitglieder der neofaschistischen Splitterpartei "Partei des 4. August", die das präfaschistische Regime von Ex-Diktator Ioannis Metaxas (1936-1941) verherrlichten, die Zeitschrift "Goldene Morgenröte" aus der Taufe gehoben. Trotz Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Redaktion entstand innerhalb kürzester Zeit aus diesem Kreise heraus eine politische Gruppierung, die rasch als politische Partei zugelassen wurde: Denn die rechtlichen Voraussetzungen für die Parteienlizenzierung sind in Griechenland minimal.

Ideologisch ist die Goldene Morgenröte nach wie vor eine neonazistische Gruppierung und hängt der Idee einer ethno-kulturell homogenen Volksgemeinschaft an. Allerdings ähnelt sie eher einer "Miliz" als einer politischen Partei. Ein Teil ihrer Mitglieder ist militärisch organisiert und ausgebildet und tritt bei Parteiaufmärschen uniformiert auf. Aus diesem Kreis heraus werden gezielt vor allem Immigranten, ausländische Marktkleinhändler und Linke angegriffen, mit dem Ziel, diese sogenannten "Staatsfeinde" einzuschüchtern. An der Spitze der Goldenen Morgenröte steht seit mehr als dreißig Jahren Generalsekretär Nikos Michaloliakos, der offiziell den Titel "Führer" trägt (griechisch: Αρχηγός, Arhigos). Ihm unterliegen alle Parteiorganisationen, ihre Mitglieder und Funktionäre. Bis heute wird seine Amtszeit stillschweigend verlängert, nach dem pseudodemokratisierten Parteistatut von August 2012 könnte seine Alleinherrschaft nur in Ausnahmefällen in Frage gestellt werden.

Gründe für den politischen Erfolg der Goldenen Morgenröte

Der Erfolg der Goldenen Morgenröte bei den Parlamentswahlen 2012 hat das Parteiensystem Griechenlands radikal verändert. Die neonazistische Partei, die bis dahin wahlpolitisch unbedeutend war, kam auf 6,9 Prozent der Wählerstimmen und zog mit 18 Abgeordneten ins Parlament ein. Seit den 1990er Jahren war die politische Landschaft Griechenlands von Parteien der gemäßigten Mitte bestimmt. Mit der Finanzkrise schlug die Stimmung in der "dritten griechischen Republik" um, die nach dem Zusammenbruch der Militärdiktatur 1974 gegründet worden war. Mit der Goldenen Morgenröte zogen auch ideologische Polarisierung, zentrifugaler Wettbewerb zwischen den Großparteien, ein Protestpotential und die Stärkung der parteipolitischen Extremen ins politische Leben Griechenlands ein.

Die Wende im Parteiensystem zeichnete sich schon bei den Parlamentswahlen von 2009 ab, als die Mitte-rechts-Partei der Neuen Demokratie (ND) bedeutende Verluste erlitt (-8,4%), die Rechtspopulisten der Orthodoxen Sammlungsbewegung (LAOS) erheblich aufholten (+1,8% bzw. +5 Abgeordneten) und mit 5,6% der Wählerstimmen und 15 Sitze als vierte Kraft, hinter den Kommunisten (KKE) und vor den Linksradikalen (SYRIZA), ins Parlament einzogen. Für die Rechtsextremisten der Goldenen Morgenröte war die Lage 2009 wahlpolitisch aussichtslos. Die Rechtspopulisten von LAOS dominierten das Rechtsaußen-Spektrum, die Goldene Morgenröte konnte von den Stimmverlusten der Neuen Demokratie nicht profitieren. Auch hatte die Partei die seit vielen Jahren bestehende Zusammenarbeit mit Bündnispartnern wie der "Ersten Linie" und der "Patriotischen Allianz" aufgekündigt. Trotz unbedeutender Wahlergebnisse war die Goldene Morgenröte in Mittelstandsgegenden mit hohem Migrantenanteil bereits präsent: zum Beispiel im Zentrum Athens oder im ehemaligen Industriezentrum von Piräus, das auch von hoher Arbeitslosigkeit und Verarmung gekennzeichnet war.

Bevor die Finanzkrise 2010 in Griechenland ausbrach, gab es bereits genügend Anzeichen dafür, dass das politische Vertrauen in die etablierten Parteien rapide abnahm. Die wachsende Unzufriedenheit mit ihren politischen Akteuren schuf eine Proteststimmung in der Wählerschaft, die das Anwachsen von nicht-etablierten bzw. anti-systemischen Kräften begünstigte. Bei den Parlamentswahlen 2009 waren die Rechtspopulisten von LAOS von jenen Wählern gewählt worden, die daran glaubten, dass es keinen Unterschied mache, ob eine linke bzw. eine rechte Partei die Regierung bildete. 2012 allerdings gehörte auch LAOS schon zu eben diesen etablierten Parteien, weil sie an der Koalitionsregierung des Ex-Zentralbankers Loukas Papadimos aus den Sozialisten von PASOK und den Konservativen der Neuen Demokratie zumindest kurzfristig (von November 2011 bis Februar 2012) beteiligt gewesen waren. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise vergrößerte sich das Protestpotential; damit wuchsen die Chancen parteipolitischer Kräfte, die den Wünschen dieses radikalisierten Teils der Wahlbevölkerung entgegenkamen. Das Ergebnis ist bekannt: Die Goldene Morgenröte holte bei den Parlamentswahlen 2012 mehr als 20 Mal so viele Stimmen wie 2009.

Lokale Hochburgen und Einzug in das Nationalparlament

Die Goldene Morgenröte ist keineswegs eine Partei, die aus dem Nichts im Parlament gelandet ist. Seit 1994, als sie zum ersten Mal an den Europawahlen teilnahm, konnte sie bei allen kommenden Parlaments-, Europa- und Kommunalwahlen minimale Prozente erzielen. Mit großem strategischen Weitblick begann die Goldene Morgenröte Ende der 2000-er Jahre, lokale Hochburgen aufzubauen: Sie verlagerte ihre Organisationsbasis dorthin, wo lokale Konflikte – zum Beispiel in Bezug auf Migration, auf die Nutzung von öffentlichen Räumen oder die Arbeitsmarktlage in Krisengegenden – zu ihrer eigenen politischen Agenda passten. So wurde ein Teil des Athener Stadtzentrums, in den seit 2008 eine große Zahl illegaler Migranten zuzog, eine Hochburg der Goldenen Morgenröte. Gleichzeitig vernetzte sich die Partei mit Protestbewegungen und Bürgerinitiativen, die sich vor allem im 4. und 6. Stadtbezirk von Athen gegen die örtliche Konzentration nicht-registrierter Einwanderer wandten. Die militanten Anti-Einwanderer-Aktionen, die die Goldene Morgenröte systematisch in diesen Stadtteilen der griechischen Hauptstadt organisierte, sowie die Unterstützungstrukturen, die die Partei auf lokaler Ebene schuf, um vermeintliche Lücken im Sozialsystem zu Gunsten Einheimischer zu schließen, haben dazu beigetragen, dass Teile Athens wahre Hochburgen der Golden Morgenröte geworden sind.

Bei den Kommunalwahlen von Athen im November 2010 erhielt die Goldene Morgenröte 5,3 Prozent der Wählerstimmen und zog das erste Mal seit ihrer Gründung in ein Parlament ein, den Stadtrat Athens. Ihre Präsenz in der Kommunalverwaltung und die Konzentration ihrer Anhänger im Kern ihrer Hochburg (im 4. Stadtbezirk kam die Partei auf 6,3 Prozent der Stimmen, im 6. Bezirk waren es 8,4 Prozent) war das Vorspiel zur landesweiten Expansion der Goldenen Morgenröte. Ihr vorläufig bestes Ergebnis war der Einzug als fünftstärkste Kraft in das griechische Nationalparlament, in dem insgesamt sieben Parteien vertreten sind. Es war der allgemeine Unmut in der Bevölkerung über die etablierten politischen Parteien und die politische Elite, der den Weg für den landesweiten Aufstieg der Goldenen Morgenröte öffnete: Unmut über die Finanzkrise, die drohende Staatspleite Griechenlands, das Hilfspaket, das Griechenland von der sogenannten Troika – der EU-Kommission, dem IWF und der EZB – zugesagt wurde und die drastischen Sparmaßnahmen, die als Gegenleistung gefordert wurden.

Die Wählerschaft der Goldenen Morgenröte

Gewählt wurde die Goldene Morgenröte den Wahltagsumfragen (Exit poll 2012) zufolge vor allem von Männern und Jungwählern, überdurchschnittlich oft von Personen mit mittlerer Bildung, von Arbeitslosen sowie von Selbstständigen und Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen. Mehr als die Hälfte der Stimmen kamen Wahlanalysen zufolge allerdings nicht aus dem Lager überzeugter Rechtsextremer, sondern von Protestwählern, die sich damit gegen das politische Establishment aussprachen. Ihnen kam die Goldene Morgenröte sehr gelegen, stellte sie sich doch als Antisystem-Kraft in der griechischen Politik dar. Den Analysen zufolge lehnten die Wähler der Goldenen Morgenröte alle politischen Alternativen ab, die damals angeboten wurden. Zwar sprach sich auch die Mehrheit der gesamten Wählerschaft gegen die Sparmaßnahmen und die Vereinbarungen aus, die Griechenland von der Troika auferlegt worden waren. Während jene aber die Bildung einer Einparteien- oder einer Koalitionsregierung forderten, optierten die Goldenen-Morgenröte-Wähler in ganzer Linie gegen "das System".

Die Goldene Morgenröte sitzt nun seit zwei Jahren im Nationalparlament. In diesen zwei Jahren ist die Partei wiederholt durch Gewalttaten ihrer Mitglieder auffällig geworden, vor allem gegen Migranten und politische Gegner aus dem eher linken Lager. Im September 2013 tötete ein Parteimitglied der Goldenen Morgenröte während eines Angriffs auf politisch anders Gesinnte den Hip-Hop-Musiker Pavlos Fyssas. Daraufhin wurden den Abgeordneten der Goldenen Morgenröte, die in Verdacht stehen, sich an kriminellen Aktionen beteiligt zu haben, die Immunität entzogen und die Ermittlungen gegen die Partei und ihre Mitglieder aufgenommen. Sowohl der Generalsekretär sowie weitere Parteifunktionäre wurden in Untersuchungshaft genommen. Der Verdacht, bei der Goldenen Morgenröte könne es sich um eine kriminelle Organisation handeln, hat ihren Aufstieg zunächst einmal gestoppt. Allerdings deuten Meinungsumfragen darauf hin, dass sie bei einem beträchtlichen Teil ihrer Wähler weiterhin Einfluss genießt.

Tabelle 1: Sozial-demographische Merkmale der Wählerschaft der Goldenen Morgenröte

Quelle: Exit poll, Juni 2012. (© bpb)

Literatur

Bundschuh, Stephan (2012): "Die braune Seite der Zivilgesellschaft”. Aus Politik und Zeitgeschichte, 62. Jhg., H. 18-19, S. 28-33.

Dinas, Elias/Georgiadou, Vasiliki/Konstantinidis, Yannis/Rori, Lamprini (2013): "From dusk to dawn: Local party organization and party success of right-wing extremism”, Party Politics, December (Online First).

Duverger, Maurice (1959): Die politischen Parteien. Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck).

Melzer, Ralf/Serafin, Sebastian (Hrsg.) (2013): Rechtsextremismus in Europa. Länderanalysen, Gegenstrategien und arbeitsmarktorientierte Ausstiegsarbeit. Berlin: Friedrich Ebert Stiftung (Forum Berlin).

Mudde, Cas (2007): Populist radical right parties in Europe. Cambridge: Cambridge University Press.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Georgiadou, Vassiliki/Kafe, Anastasia & Nezi. Roula (2012), The radical right parties under the economic crisis. The Greek case, paper prepared for the 62nd PSA Annual International Conference, Belfast, 3-5 April 2012.

  2. Georgiadou, Vassiliki (2013), "Populismus und Extremismus am rechten Rand. Der rasante Aufstieg der Goldenen Morgenröte im Krisenland Griechenland", in Melzer, Ralf & Serafin, Sebastian (Hrsg.), Rechtsextremismus in Europa. Länderanalysen, Gegenstrategien und arbeitsmarktorientierte Aufstiegsarbeit, Friedrich Ebert Stiftung, Forum Berlin (Projekt Gegen Rechtsextremismus).

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Vassiliki Georgiadou für bpb.de

Sie dürfen den Text unter Nennung der Lizenz CC BY-NC-ND 3.0 DE und des/der Autors/-in teilen.
Urheberrechtliche Angaben zu Bildern / Grafiken / Videos finden sich direkt bei den Abbildungen.
Sie wollen einen Inhalt von bpb.de nutzen?

Vassiliki Georgiadou ist Professorin für Politikwissenschaft an der Pantion-Universität in Athen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören politisches Verhalten, politischer Extremismus und rechte Parteien. Derzeit arbeitet sie an einem Projekt über den Aufstieg des Rechtsextremismus in Griechenland.