Die Stimmung war aufgeladen. Rund 500 Berliner Bürger hatten sich am 9. Juli 2013 zwischen Plattenbauten und Tennisplatz im Ortsteil Hellersdorf versammelt, um mit Behördenvertretern über eine geplante Unterkunft für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge in ihrem Berliner Quartier zu diskutieren. Eine Gruppe organisierter Neonazis mischte sich unter die Anwohner. "Nein zum Heim" trugen einige der jungen Männer auf weißen Shirts. Äußerungen wie "anzünden" oder "Wer sein Heimatland verlässt, ist ein Verräter!" fielen. Ein Verantwortlicher des Berliner Senats, der die Veranstaltung moderierte, ließ aufgebrachte Anwohner teils wütende Statements abgeben. Dem Berliner NPD-Chef Sebastian Schmidtke jedoch wurde das Mikrofon verweigert. Damit hatte dieser wohl gerechnet. Sein Gesicht ist öffentlich - das einer radikalen Weggefährtin dagegen weniger. Die zierliche Maria Fank trat nach vorne. Der jungen Frau mit der asymmetrischen Kurzhaarfrisur und den tätowierten Armen wurde Rederecht gewährt, und sie legte los, natürlich gegen die Einrichtung des Flüchtlingsheimes.
Nicht alle Anwesenden erkannten in der redegewandten Anheizerin die Berliner Chefin des "Ring Nationaler Frauen" (RNF), einer NPD-Unterorganisation. Maria Fank, Jahrgang 1989, Auszubildende in der ambulanten Pflege, ist eine der aktivsten Neonazistinnen in der Hauptstadt sowie Schmidtkes Lebensgefährtin und Mutter des gemeinsamen Kindes. Ihr kam die Rolle zuteil aufzuhetzen, anzustacheln und Parolen einzupeitschen. Eine derartige Stimmung wie an diesem Tag des Bürgerprotests in Marzahn-Hellersdorf habe er nicht mehr erleibt, seit die Flüchtlingswohnungen in Rostock-Lichtenhagen brannten, berichtete der Fotograf Christian Ditsch später im Internet. Veranstaltungsteilnehmer, die Verständnis für die Aufnahme der Bürgerkriegsflüchtlinge äußerten, wurden einfach niedergebrüllt.
Immer wieder gelingt es Neonazis sich bei Ansammlungen gegen Migranten oder Kundgebungen gegen Pädophile dank unauffälliger Aktivistinnen zu profilieren. Bullige Neonazis fallen ins Auge, ihre rechten Kameradinnen eher nicht. In aller Ruhe konnte sich die Berlinerin Maria Fank im Anschluss an die Bürgerversammlung als NPD-Anführerin zu erkennen geben. Gemeinsam mit NPD-Chef Schmidtke hielt sie ein rotes Transparent mit der Aufschrift "Asylantenheim – Nein Danke". Die Strategie hinter derartigen Auftritten rechter Frauen ist durchschaubar: Die meist jungen Frauen werden zunächst als Bürgerinnen wahrgenommen, die empört Position beziehen. Stellt sich anschließend heraus, dass man es mit einer NPD-Aktivistin zu tun hatte, ist die Hemmschwelle gegenüber der rechtsradikalen Frau bereits gesunken. Man kennt sie ja schon.
Als freundliche "Mütter von nebenan" verbinden Neonazistinnen verstärkt Politisches mit Privatem. Zum Leben für die "nationale Sache" gehört für die politischen Überzeugungstäterinnen die bewusste ideologische Indoktrination von Lebensalltag, Kindererziehung und Ehrenamt. Dieser Strategiewechsel, den die NPD derzeit hin zu sozialen Themen und lokaler Etablierung vollzieht, wird vom "Ring Nationaler Frauen" aktiv mitgetragen. RNF-Chefin Maria Fank konnte am 24. August 2013 in Hellersdorf Klartext sprechen: "Wir müssen bereit sein, Opfer zu bringen. Opfer für unsere Kinder, Opfer für unser Volk, das deutsche Volk, Opfer für unsere Sicherheit und Opfer für unsere Freiheit, und zwar für die Freiheit des deutschen Volkes, keiner anderen Völker."
Auch Frauen können ein gefestigtes, rassistisches Weltbild haben
Weibliche Neonazis sind nicht weniger fanatisch als die Männer. Fank fordert beispielsweise ein Abtreibungsverbot für deutsche Frauen und ein "Muttergehalt" für "Abstammungsdeutsche". Aber die rechten Frauen werden häufig nicht als Überzeugungstäterinnen mit einem gefestigten rassistischen Weltbild wahrgenommen. Mit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe im Münchener Terror-Prozess ist inzwischen eine Frau in die Öffentlichkeit gerückt, deren Hauptaufgabe es war, die grausamen Verbrechen der Terrororganisation "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zu tarnen. Der gesicherte Rückzugsraum in Zwickau bot der Terrorzelle die Möglichkeit, zehn Morde, zwei rassistische Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle zu begehen. Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe spricht in ihrer Anklageschrift von einer "sozialen Legendierung". Zschäpes tragende Rolle im 13 Jahre währenden Untergrund des NSU sei die Vorspiegelung einer geregelten bürgerlichen Existenz gewesen. Ihr politischer Fanatismus, ihr frühes Faible für Waffen und die Bereitschaft, noch nach dem Tod ihrer Mitstreiter die schrecklichen Bekenner-Videos des NSU mit den blutigen Tatortfotos abzuschicken, verstärken den Hinweis auf ein gemeinsames taktisches Vorgehen.
Zschäpe ist kein Einzelfall. In der Geschichte der Bundesrepublik hat es in der Vergangenheit immer auch Frauen in den Reihen militanter Neonazigruppen gegeben, wie z.B. bei der "Wehrsportgruppe Hoffmann", den "Deutschen Aktionsgruppen" oder der 2003 enttarnten terroristischen "Kameradschaft Süd" in München. Zu deren "Kerngruppe", die Sprengstoff und Waffen hortete, zählten drei junge Frauen, die allesamt als Mitläuferinnen vor Gericht davonkamen.
Überzeugungen extrem rechter Frauen werden oft verharmlost
"Das übliche Klischee von der unpolitischen Frau wird unreflektiert reproduziert", warnt Michaela Köttig, Professorin an der Fachhochschule Frankfurt und Mitbegründerin des "Netzwerk Frauen und Rechtsextremismus". Extrem rechten Frauen wird schnell eine feste Überzeugung abgesprochen, sie wurden Jahre lang verharmlost. Die Expertin betont, dass mit den gängigen Klischees Neonazistinnen wie Zschäpe in doppelter Weise "unsichtbar" gemacht werden. "Frauen haben nach dieser Logik zum einen keine politische Überzeugung, und wenn, dann keinesfalls eine so gewalttätige wie die männlichen Neonazis".
In dieser Männerbastion sind reine Frauengruppen eine Seltenheit. Vor rund 20 Jahren gründete sich die "Skingirlfront Deutschland", die noch heute unter dem Namen "Gemeinschaft Deutscher Frauen" (GDF) aktiv ist. Die "Skingirlfront" galt als erste, von Männern unabhängige Frauenorganisation innerhalb der extremen Rechten nach 1945. Als GDF propagiert die in mehreren Bundesländern aktive Gruppe vor allem den weiblichen Kameradschaftssinn unter deutschen "Mutterfrauen", wie sie sich nennen. Auf der Homepage der "Gemeinschaft Deutscher Frauen" hieß es: "Ihr wollt dienen und damit unserem geliebten Volk (ob es noch schläft oder nicht) helfen."
In den vergangenen Jahren haben sich Mädchen und Frauen verstärkt der NPD, den Kameradschaften und den Autonomen Nationalisten zugewandt, ihr Anteil wird auf rund zwanzig Prozent geschätzt. Schon 2006 reagierte die NPD auf diesen Zulauf: In Sotterhausen in Sachsen-Anhalt gründeten 31 Frauen den "Ring Nationaler Frauen“, der heute eine Unterorganisation der NPD ist und zu dem rund 100 politische Multiplikatorinnen zählen. In einer Gründungserklärung hieß es: "Wir wollen die Frauen ermutigen, durch die Übernahme von Mandaten das Medienklischee des 'dumpfen Nazis' weiter aufzuweichen." Keine erfolglose Strategie, denn in der Nachbarschaft, beim Einkaufen oder Kinderabholen gelingt es Frauen "der nationalen Bewegung" leichter, gesellschaftliche Akzeptanz zu gewinnen und ihre gefährliche Ideologie auf die „sanfte Tour“ zu verbreiten. Stolz verkündete der "Ring Nationaler Frauen" auf seiner Homepage, man werde das "Geschehen an der Parteispitze" nun mitgestalten: "antifeministisch, traditionsbewusst und volkstreu". Bundesweit aktive Neonazi-Frauen tragen die verordnete Rolle mit, propagieren die "naturgegebene Verpflichtung" als deutsche Mutter, auch wenn sie als moderne Pop-Nazis in schwarzer Kleidung oder buntem Outfit auftreten.
"Inzwischen wissen die Rechtsextremen, wie erfolgreich die Strategie der kulturellen Subversion ist", warnt Prof. Dr. Dierk Borstel, Politikwissenschaftler der Universität Dortmund. Wenn Rechtsextremisten gegen Hartz IV demonstrieren, sich in Elterninitiativen engagieren oder Hausaufgabenhilfe anbieten, können sie sich vor allem in strukturschwachen Regionen als zivilgesellschaftliche Aktivisten in Szene setzen und Ressentiments abbauen. Noch sind Frauen als Rednerinnen und offen auftretende Protagonistinnen die Ausnahme, doch sie werden immer selbstverständlicher. Immer mehr Aktivistinnen wie Maria Fank gelingt es sich zu etablieren. Selbst bei der größeren NPD-Kundgebung am 1. Mai 2013 in Berlin durfte die Hardlinerin auf die Bühne treten und mit Joseph Goebbels, Hitlers Propagandaminister, so ganz nebenbei eine für sie "ehrenvolle Person" der Zeitgeschichte loben.
Trotz neuem Selbstbewusstsein: Nach wie vor gilt das Frauenbild des Nationalsozialismus
Extrem rechten Frauen stehen inzwischen beide Optionen offen: Sich selbstbewusst für nationalistische Politik in der Öffentlichkeit zu engagieren oder tatsächlich nur im Sinne der "Gemeinschaft Deutscher Frauen" mit der Erziehung von „drei bis fünf“ Kindern die "nationale Sache" zu stärken. Das neue Selbstbewusstsein ist gepaart mit dem Bemühen, den Spagat zwischen moderner Gesellschaft und nationalsozialistischer Ideologie hinzubekommen. Insgesamt herrscht bei der NPD, den Freien Kräften und den Autonomen Nationalisten nach wie vor ein traditionsbewusstes Rollen- und Geschlechterverständnis vor. Es wird von den extrem rechten Frauengruppen selbst gepflegt. Als Orientierung dient das Frauenbild aus der Zeit des Nazionalsozialismus mit seinen Tugenden: totale Pflichterfüllung für Volk und "Führer", Opferbereitschaft sowie die Bewahrung der eigenen "Rasse". Die Parole "Du bist nichts, dein Volk ist alles!" kennen auch die NPD-Frauen bestens. Die weiblichen Mitglieder der Szene bewegen sich heute zwischen einem vermeintlich modernen Selbstverständnis von Frauen wie Maria Fank und einem am "Bund Deutscher Mädel" angelehnten Rollenbild.
Allerdings haben sowohl emanzipatorische Frauenbewegung als auch die antiautoritäre Erziehung Spuren hinterlassen: "Frauen bringen sich hier politisch ebenso ein wie Männer, und das tut den Männern hier genauso weh oder gut wie überall anders auch“, heißt es zum Beispiel auf einer Homepage des "Ring Nationaler Frauen". Und weiter: "Daß die Frau an sich im politischen Wollen unserer Partei eine herausragende Rolle spielt, ist selbstverständlich unanfechtbar. Ziel des ganzheitlichen Bewußtseins, das den politischen Positionen der NPD zugrunde liegt, ist die geistige und körperliche Gesunderhaltung, die Wiederherstellung des Wohles unseres Volkes, das sich in schlimmster degenerierter Auflösung befindet".
Tatsächlich erkämpfen sich extrem rechte Aktivistinnen unter den argwöhnischen Augen mancher männlicher Kameraden politische Freiräume. Die 52-jährige Gitta Schüßler ist eine der wenigen Frauen, die es bis an die Spitze geschafft haben – und sich halten. Die Zwickauerin sitzt seit zwei Legislaturperioden für die NPD im sächsischen Landtag. Sie ist die einzige weibliche Abgeordnete, verfügt über eine solide politische Hausmacht. In ihrem Umfeld tummeln sich weitere weibliche NPD-Stadträte, wie in Chemnitz oder Zittau. Selbstbewusst sagt die Kauffrau und ehemalige Bundesvorsitzende des RNF in einem Internetinterview: "Frauen können genauso gut politisch arbeiten wie die Männer. Es gibt ja immer noch relativ wenig Frauen in nationalen Kreisen, aber die da mitarbeiten, werden durchaus beachtet. Sie bekommen auch beizeiten Funktionen übertragen. Ich seh da keinen großen Unterschied zu den Männern. Energische Frauen haben da durchaus eine Chance, im Mittelpunkt zu stehen."
Im Vorstand der NPD jedoch spielen NPD-Aktivistinnen nur eine unwesentliche Rolle. Lediglich als Kommunalpolitikerinnen behaupten sie sich zunehmend. So wurden von den mehr als 300 errungenen Mandaten vor allem in den neuen Bundesländern zahlreiche mit Frauen besetzt. Auswertungen von Wahlergebnissen haben gezeigt, dass sie bei Wahlen oft erfolgreicher sind. Um die gesellschaftliche Akzeptanz voranzutreiben, setzt die demokratiefeindliche Partei bewusst Frauen als Eyecatcher ein.
Eine solche Rolle spielt auch die NPD-Frau Ricarda Riefling. Die 29-Jährige trägt ein gut sichtbares Pistolentattoo über der Brust und sagte schon mal Sätze wie "Ulrike Meinhof ist eine Frau, die ich bewundernswert finde" – weil die Mitbegründerin der "Roten Armee Fraktion" eine "Überzeugungstäterin" sei. Im Partei-Videoclip für den Wahlkampf der NPD spielt Riefling die treusorgende Mutter, sie kann aber auch wütend bei Kundgebungen ins Mikrofon brüllen oder geduldig die Anhängerschar mit nationalistisch besetzten sozialen Themen schulen. Als familienpolitische Sprecherin des NPD-Bundesvorstandes trat die geborene Niedersächsin beim Stammtisch im Raum Rhein-Neckar auf. Als sie von ihren beiden akademischen Graden in Ernährungs- und Kulturwissenschaften berichtete und ankündigte, ein Masterstudium aufzunehmen, war die Stimmung im Raum verhalten. Erst als sie sich als Mutter von "bald fünf Kindern" zu erkennen gab, kam zur Belohnung lautes Klatschen. Worin sich zeigt: Vor allem aus ihrer Rolle als "deutsche Mütter" schöpfen Nationalistinnen Anerkennung. Selbst sehr konservative Kameraden billigen deren Unterstützung im Kampf gegen den propagierten deutschen "Volkstod". Führende RNF-Frauen fordern ihre rechten Gesinnungsgenossinnen daher dazu auf, für mehr Nachwuchs zu sorgen.
Die "braune Familie" rückt strategisch zunehmend in den Mittelpunkt
Auch in der braunen Erlebniswelt wird die "rechte Familie" zunehmend stärker beachtet: Rechtsrock-Konzerte werden zu Familienevents mit Musikhetze, Kinderbetreuung und Hüpfburgen. Beim Dosenwerfen werden die Dosen zuvor in den Farben des Deutschen Reiches, schwarz, weiß und rot, angemalt. Kinder tragen Shirts mit der Aufschrift "Arisches Kind" und wippen im Takt zu Liedern, die ihre Eltern mitgrölen. Kinder stecken für die NPD auf Wahlplakaten die Zunge heraus, daneben der Spruch: "Ätsch noch immer nicht verboten – Mitgliedsausweis sichern: NPD". Je intensiver die Frauen involviert sind, um so betroffener ist auch der Nachwuchs.
Propagiert wird eine heile, rechte Welt - und ein traditionelles Familienbild. Anfang 2012 soll es in Rieflings Ehe zu häuslicher Gewalt gekommen und die Eltern, einer Polizeimeldung zufolge, aufeinander losgegangen sein. Eine verängstigte Tochter rief per Notruf zu Hilfe. Solche Vorfälle werden tabuisiert. Riefling zog mit ihren Kindern nach Rheinland-Pfalz, doch ihren Kameraden schwärmt die geschulte Neonazistin immer noch von einem "intakten Volk durch intakte Familien" vor. Obwohl das für sie selbst wohl nicht mehr gilt.