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Bedrohungen in der Kommunalpolitik Aus dem Alltag der politischen Basisarbeit

Cathleen Bochmann

/ 11 Minuten zu lesen

Wer ein politisches Amt in der Kommune innehat, wird oftmals angefeindet und unter Druck gesetzt. Doch Mandatstragende können und sollten sich in belastenden Situationen Unterstützung holen.

Die Anfeindung und Einschüchterung politischer Mandatstragender läuft häufig auch über Schmierereien – sowohl an Amts- als auch Privatgebäuden (hier: Symbolbild). (© Adobe Stock/Mario Hoesel )

Der Problemdruck politischer und gesellschaftlicher Krisen der letzten Jahre entlädt sich meist bis auf die unterste politische Ebene. Bürgermeister:innen, Gemeinderät:innen und auch die Kommunalverwaltungen sind diejenigen, die sich um die Bereitstellung von Asylunterkünften oder die Durchsetzung von Corona-Allgemeinverfügungen kümmern. Jene kommunalen Verantwortungstragenden sind es auch, die ihren Nachbar:innen vor dem Rathaus oder auf dem Marktplatz direkt begegnen, wenn letztere dort gegen die Ankunft eines Busses mit Geflüchteten protestieren oder mit einem Galgen und „Fahndungsfotos“ von Politiker:innen gegen „die da oben“ „spazieren gehen“. Und sie sind diejenigen, die mit unzähligen Drohungen und Wut in der Bürgerkommunikation umgehen müssen, hasserfüllte Graffiti an Wänden und Bushaltestellen entfernen lassen oder vor deren Wohnhäusern rechtsextreme Proteste stattfinden. Wie können kommunale Mandatstragende in solchen Situationen unterstützt werden?

Mandatsbezogene Gefährdungen

Mandatsbezogene Gefährdungen sind in den letzten fünf Jahren verstärkt in den Fokus der Wahrnehmung gerückt. Die Attacke auf den Dresdner SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke während des Wahlkampfs im Mai 2024 erlangte bundesweit Aufmerksamkeit. Inzwischen liegen verschiedene Studien zu den Erfahrungen von Kommunalpolitiker:innen mit Anfeindungen vor, die allerdings nicht dezidiert auf rechtsextreme Täterstrukturen schauen, sondern das Phänomen der Bedrohungslagen allgemein in den Blick nehmen. Die Statistiken liefern bestürzende Zahlen: Beleidigungen, Beschimpfungen und sogar tätliche Angriffe sind eher der Normalfall als die Ausnahme bei der Ausübung eines kommunalpolitischen Mandats. 64 Prozent der Mandatstragenden sagten 2020 in einer Befragung, solche Erfahrungen gemacht zu haben, die Hälfte davon mehrfach (Erhardt-Maciejewski 2020a). In größeren Kommunen treten Bedrohungen nochmal häufiger auf. 79 Prozent der Bürgermeister:innen in Großstädten erlebten dergleichen gegenüber 58 Prozent in Gemeinden unter 5000 Einwohner:innen (Erhardt-Maciejewski 2020a ). Deutschlandweit an der Spitze stehen dabei Dresden mit 88 Prozent, Erfurt mit 86 Prozent und München mit 84 Prozent (Blätte et al. 2022, S. 25). Bei den Übergriffen gegen Verwaltungsmitarbeitende gab es gar keine Großstadt, die nicht Bedrohungslagen verzeichnete (Erhardt-Maciejewski 2020a).

Im Jahr 2023 gaben 38 Prozent der Mandatsträger:innen an, in den letzten fünf Monaten Bedrohungen erlebt zu haben (MOTRA 2023). 64 Prozent sagten, dass sie ihr Verhalten aufgrund der Anfeindungen bereits geändert haben (ebd.). Die Auswirkungen sind erheblich: 81 Prozent der Betroffenen leiden unter psychischen und physischen Folgen wie depressive Verstimmungen, Angst oder Konzentrationsschwierigkeiten; sie verzichten auf bestimmte Meinungsäußerungen, auf eine erneute Kandidatur oder erwägen gar eine Mandatsniederlegung (MOTRA 2024a).

Wie sich die Bedrohungslagen konkret darstellen, ist hierbei höchst unterschiedlich. Überwiegend kommen Gefährdungen in Form verbaler Anfeindungen vor. Im digitalen Raum sind Bedrohungen und Diffamierungen für viele kommunale Amtstragende bereits Teil der Normalität ihres Arbeitsalltags. Nicht selten sind diese Anfeindungen zudem Teil gezielt organisierter Kampagnen rechtsextremistischer Strukturen. 62 Prozent der Hass-Postings werden vom Bundeskriminalamt (BKA) dem Bereich Rechtsextremismus zugeordnet (Hate Aid 2021, S. 7). Für die anderen Delikte gibt es keine klaren Zahlen darüber, zu welchem Anteil sie auf rechtsextreme Strukturen oder Ideologien zurückgehen. Rechtsextremismus bleibt aber natürlich nicht dem digitalen Raum vorbehalten. So beschmierten Unbekannte beispielsweise am 9. November 2023, dem Jahrestag der Pogromnacht, das Rathaus im mecklenburgischen Anklam mit Hakenkreuzen (vgl. NDR 2023). Im Frühjahr 2019 mussten gleich mehrere Kommunen in unterschiedlichsten Bundesländern, konkret in Augsburg, Göttingen, Kaiserslautern, Chemnitz, Neunkirchen und Rendsburg, ihre Rathäuser aufgrund von Bombendrohungen mit rechtsextremem Hintergrund evakuieren (T-Online 2019). Und auch weiterhin kommt es zu gezielten Störungen der Arbeit kommunaler Gremien durch rechtsextreme Akteure.

Physische Gewalt und tätliche Angriffe gegenüber Mandatstragenden sind bislang glücklicherweise selten und machen nur 2 Prozent der Fälle aus (MOTRA 2023). Dass rechtsextreme Täter:innen selbst vor Mord nicht zurückschrecken, zeigte sich 2019, als der Kasseler Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke (CDU) aufgrund seines Engagements für Geflüchtete gezielt ermordet wurde. Vor diesem Hintergrund müssen Morddrohungen gegen Kommunalpolitiker:innen zwingend ernst genommen werden.

Besonders belastend für die Betroffenen sind oft jene Bedrohungsformen, die im privaten Wohnumfeld stattfinden oder die Familien der Betroffenen in den Blick nehmen: So sind in etwa 7–10 Prozent der Bedrohungslagen Familienangehörige die Zielscheibe (MOTRA 2021). Ein Kommunalpolitiker sagte 2020 dem Magazin KOMMUNAL: „Mein siebenjähriger Sohn wurde bedroht, weil ich Bürgermeister bin. Mein Haus wurde mit Farbe beschmiert, der Briefkasten mehrmals mit Müll vollgestopft“ (Erhardt-Maciejewski 2020b). Unterstützung für kommunale Amtstragende ist in solchen Situationen dringend erforderlich.

Schutzkonzepte in fünf Dimensionen

Um den mandatsbezogenen Gefährdungen etwas entgegenzusetzen, braucht es kommunale Schutzkonzepte. Diese bestehen aus einer Sammlung von Handlungsstrategien zur Unterstützung kommunaler Mandatstragender in Bedrohungslagen und dienen einerseits der Verringerung des Risikos, dass Kommunalpolitiker:innen Bedrohungen erfahren, tragen andererseits dazu bei, dass Betroffene Hilfe und Handlungssicherheit erhalten. Ausgangspunkt für die Entwicklung passender kommunaler Schutzkonzepte sind stets die Wahrnehmung und kritische Analyse der Gefährdungslagen vor Ort sowie eine Übersicht und Evaluation bereits vorhandener Maßnahmen. Besonders wertvoll ist es, wenn solche kommunalen Schutzkonzepte nicht erst im Ernstfall einer akuten Bedrohung von Mandatstragenden entwickelt, sondern bereits präventiv in den kommunalen Gremien mitgedacht werden. Zur Entwicklung und Umsetzung bedarf es der themenbezogenen Vernetzung und kontinuierlichen Kommunikation zwischen politischen Amtstragenden, der Kommunalverwaltung, den Sicherheitsbehörden und idealerweise passenden zivilgesellschaftlichen Kräften.

Idealtypisch lassen sich dabei fünf Dimensionen unterscheiden, in denen kommunale Schutzkonzepte ansetzen können:

  1. Institutionelle und strukturelle Maßnahmen verfolgen das Ziel, die Reaktionsfähigkeit bei Bedrohungen zu verbessern und rasch Maßnahmen zu koordinieren. Dies kann beispielsweise die Einrichtung eines kommunikativen Krisenteams in der Gemeinde oder im Landratsamt oder ein „Runder Tisch Extremismus“ mit Politik, Polizei, Verwaltung und Zivilgesellschaft sein. Solche Gremien erlauben einen kontinuierlichen Lageabgleich und Informationsweitergabe sowie eine effizientere Arbeitsteilung in der Koordination von Reaktionen durch klare Rollenverteilung. Auch feste Ansprechpersonen für Betroffene bei der Polizei fallen in diesen Bereich. Idealerweise verfügt die Gemeinde über einen Krisenreaktionsplan für die häufigsten Bedrohungssituationen, der nicht nur Mandatstragende und die Kommunalverwaltung berücksichtigt, sondern auch alle weiteren demokratisch Engagierten vor Ort.

  2. Informations- und Schulungsangebote dienen der Erhöhung der Handlungssicherheit von Betroffenen. Sei es das Thema Umgang mit aggressiver Bürger:innen-Kommunikation, sinnvolle Reaktionen auf Reichsbürger-Anfragen in der Stadtverwaltung, die Moderation eskalationsbedrohter Bürger:innen-Versammlungen oder ein persönliches Sicherheitstraining: Viele Kommunen haben den Bedarf an Professionalisierung gegen Bedrohungen erkannt und nutzen Angebote, um sich bei zivilgesellschaftlichen Trägern oder anderen Unterstützungsstrukturen weiter zu qualifizieren.

  3. Soziale Unterstützungsangebote verschaffen den Betroffenen gesellschaftlichen und politischen Rückhalt. Sie zeigen, dass die Bedrohungen wahr- und ernst genommen werden, und steigern damit letztendlich die Resilienz der Mandatstragenden. Öffentliche Solidarisierungen, auch über Parteigrenzen hinweg, sind ein Beispiel. Aber auch Stammtische, bei denen sich Mandatstragende untereinander vertrauensvoll austauschen und emotional entlasten können, helfen.

  4. Repressive Maßnahmen zielen auf die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit. Polizeilicher Schutz von Personen und Veranstaltungen, die Beobachtung potenzieller Täter, qualifizierte Ansprechpartner:innen zum Beispiel bei Hass im Netz sowie effiziente Strafverfolgung erhöhen den Druck auf die Täter:innen-Strukturen. Hilfreich ist dabei ein routinemäßiger Austausch zwischen der örtlichen Polizei und den Mandatstragenden, damit aus einem Vertrauensverhältnis heraus die Anzeigebereitschaft der Betroffenen steigt.

  5. Präventiv kann jede Gemeinde etwas dazu beitragen, Bedrohungsanlässe gar nicht erst entstehen zu lassen. Dieser Bereich umfasst ein breites Spektrum: von professionellen Sicherheitskonzepten und Awareness-Teams für öffentliche Veranstaltungen über frühzeitige Bürger:innen-Beteiligung in Konfliktfragen bis hin zu einer politischen Bildungsarbeit, die ein Kennenlernen staatlicher Strukturen und Vertrauen in Mandatstragende fördert. Hierbei muss man sich aber der Grenzen der Prävention bewusst sein – verhindern lassen sich Bedrohungen nie gänzlich.

Unterstützung für Mandatstragende

Generell sind die örtlichen Polizeidienststellen die ersten Ansprechstationen für Kommunalpolitiker:innen, die bedroht werden. Oftmals wird jedoch weitere, spezialisierte Hilfe benötigt. In Deutschland hat sich daher in den letzten Jahren eine schwer überschaubare Vielfalt an Angeboten für kommunale Mandatstragende entwickelt, deren Ziel es ist, das Ausmaß des Phänomens der Bedrohungen zuerst einmal zu erfassen und, im zweiten Schritt, die Betroffenen zu unterstützen.

Als eine erste Anlaufstelle für Betroffene fungiert das Portal Externer Link: Stark im Amt der Körber-Stiftung mit einer Sammlung von Handlungsoptionen und Erfahrungsberichten. Betroffene können sich durch diese Artikel einen ersten Überblick über mögliche Präventionsmaßnahmen verschaffen. Das Portal unterhält auf seiner Webseite eine Datenbank, wo sich Ratsuchende nach Thema und Bundesland sortiert passende Ansprechpartner:innen heraussuchen können. Zudem baut das Deutsche Forum für Kriminalprävention seit Jahresbeginn 2024, gefördert durch das Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI), eine bundesweite Ansprechstelle zum Schutz kommunaler Amts- und Mandatsträger namens Externer Link: Starke Stelle auf. Beide bieten eine Verweisberatung zu regionalen und überregionalen Trägerstrukturen an. Die Bundeszentrale für politische Bildung organisiert gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden die Dialogreihe „Kommunale Konfliktberatung“ (KommKon) und unterstützt dabei den Netzwerkaufbau von Mandatstragenden.

Staatlicherseits findet sich in den einzelnen Bundesländern weitergehende Unterstützung bei den Landespräventionsräten und Demokratiezentren beziehungsweise entsprechenden Landesprogrammen für Demokratieförderung. In der Regel können Mandatstragende über diese Strukturen an geeignete Hilfsangebote weiterverwiesen werden. Darüber hinaus existieren in einzelnen Bundesländern spezialisierte Angebote, die im Folgenden nur exemplarisch genannt sein können:

Die kommunalen Spitzenverbände – der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund – sind an mehreren der vorgenannten Angebote beteiligt oder stellen Expertise zur Verfügung. Auch dienen sie als Sprachrohr der betroffenen Mandatsträger:innen, beispielsweise durch das Verfassen von Positionspapieren und Stellungnahmen oder die Organisation von Kampagnen, mit denen die Wertschätzung kommunaler Verantwortungstragender erhöht werden soll. Die Parteien und die ihnen nahestehenden politischen Stiftungen stellen eine Vielzahl an Schulungs- und Austauschformaten zur Verfügung und bilden für viele Mandatstragende einen wichtigen sozialen Rückhalt. Ergänzt werden die Angebote weiterhin durch verschiedene zivilgesellschaftliche Akteure.

Hilfreiche Fortbildungen, Beratungsangebote und Austauschformate für Mandatsträger:innen organisieren zum Beispiel der Verein Starke Demokratie e. V. und das Netzwerk junge Bürgermeister. Für die vielen Bedrohungen im digitalen Raum stellt Hate Aid mit dem Ratgeber „Hass im Netz ist nicht Teil des Jobs“ sowie mit einer Beratungshotline Hilfe bereit und unterstützt in Gerichtsprozessen. Der Bundesverband Mobile Beratung e. V. und der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e. V. veröffentlichten den Ratgeber „Bedroht zu werden, gehört nicht zum Mandat“. Weiterhin stellen die Beratungsstellen der Mobilen Beratung und Betroffenenberatung auf Ebene der Bundesländer meist Angebote für Mandatstragende bereit. Unterstützung zum Thema Personenschutz, Awareness-Teams und Sicherheitstrainings für kommunalpolitisch Aktive werden zum Beispiel vom Team Gewaltmanagement – Coach für Zivilcourage angeboten.

Oftmals können auch Angebote der kommunalen Krisenberatung nützlich sein, um Kommunalpolitiker:innen zu stärken. So berät zum Beispiel das Kompetenzzentrum Krisen-Dialog-Zukunft zum Thema eskalationsbedrohte Bürgerversammlungen, schult kommunale Mandatstragende in der Moderation konflikthafter Situationen und veranstaltet Austauschformate zwischen Amtstragenden. Das Projekt „Zivilgesellschaft stärken und schützen“ der Aktion Zivilcourage e. V. begleitet Kommunen im Prozess der Erarbeitung von Schutzkonzepten und führt Schulungen für Bürgermeister:innen und Verwaltungsmitarbeitende durch. Wenn Konflikte in der Stadtgesellschaft professionell begleitet werden, kann dies ebenfalls die Gefahr von Bedrohungssituationen reduzieren. Eine solche kommunale Konfliktberatung leisten unter anderem: K3B – Kompetenzzentrum Kommunale Konfliktberatung des VFB Salzwedel e. V., das Programm „Kommune und Konflikt“ des Forum Ziviler Friedensdienst e. V., das „Kommunale Konfliktmanagement“ der Stiftung SPI, das Projekt „Kommunales Konfliktmanagement“ des Instituts SO.CON der Hochschule Niederrhein oder das Institut für Konfliktmanagement in Frankfurt/Oder.

Hürden und Hemmnisse für Betroffene

Auch wenn die Nennung der verschiedenen Angebote suggeriert, dass es eigentlich weitreichende Unterstützungsangebote für Betroffene gibt, so erschweren doch verschiedene Faktoren effektive Hilfe.

Eine diffuse Erwartung an kommunale Mandatstragende ist die der „Macher“, die stets die Lage im Griff haben, ihre Gemeinde resilient und effektiv führen und gestalten. Psychologische Belastungen, Ängste und Hilflosigkeit sind gesellschaftlich noch immer vielfach tabuisiert. Daraus resultiert dann bei einigen Betroffenen, dass diese sich in belastenden Situationen keine Blöße geben wollen, die Bedrohungslagen herunterspielen oder verschweigen und sich somit auch keine Hilfe holen. Gerade die Akzeptanz von Verrohung in öffentlichen Debatten ist generell hoch. Hass und Anfeindungen – zumal in sozialen Medien – werden mitunter als Teil der Rolle von Mandatstragenden akzeptiert und hingenommen. Auch kommt zumindest ein Teil dieser Anfeindungen direkt aus den kommunalpolitischen Gremien selbst, in denen Vertreter:innen rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien eine destruktive Rhetorik gegen die Kolleg:innen der demokratischen Parteien befördern. In anderen Fällen versuchen Kommunalpolitiker:innen durch das Schweigen über Bedrohungen die Kommune vor einer negativen Außenwahrnehmung zu schützen. Hier sollte angesichts des Eskalationspotenzials und der messbaren Belastung des/der Einzelnen jedoch besser mit Haltung und klarer Grenzziehung agiert werden.

Ein weiterer Faktor, der effektive Hilfe für Mandatstragende erschwert, sind fehlende Austauschmöglichkeiten in geschütztem Rahmen. Ohne Austauschmöglichkeiten ist es für die kommunalen Verantwortungstragenden oft schwer, einen Normalzustand im Umgang mit Bedrohungslagen abzugleichen und für sich Fragen zu klären wie: Wann muss interveniert oder angezeigt werden? Was lässt sich überhaupt tun und was hat Kolleg:innen geholfen? Als hilfreich erwiesen haben sich hier regelmäßige informelle Austauschforen in der Art von „Bürgermeister-Stammtischen“, in denen Betroffene und Nichtbetroffene zusammenkommen und kontinuierlich im Gespräch bleiben.

Gerade in kleinen Kommunen verfügt die lokale Verwaltung zudem oft über zu geringe Ressourcen, um Betroffenen mit eigenen Mitteln zu helfen und beispielsweise umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen oder eine professionelle Kommunikationsstrategie umzusetzen. Da in kleinen Kommunen zudem eine hohe Zahl parteiloser sowie ehrenamtlicher Mandatstragender zu finden ist, fehlen dort dann auch oft die Unterstützungsangebote der Parteien und der ihnen nahestehenden Stiftungen, die eine erste Ansprechstelle sein können. Hier sind externe Angebote besonders gefragt.

Aber auch darüber hinaus ist es für Mandatstragende oft schwierig, passende Unterstützungsangebote zu finden. Entweder sind Angebote gar nicht bekannt, nicht vor Ort angebunden oder die Mandatstragenden scheuen sich, sie anzunehmen. Für den Beratungskontext sind daher eine aufsuchende Arbeit vor Ort, Bedürfnisorientierung und Vertraulichkeit zentral. Gerade die zivilgesellschaftlichen Angebote sollten zudem überparteilich und mit einer professionellen Ansprache auf die Mandatstragenden zugehen. Es ist generell sinnvoll, bereits frühzeitig, vor dem Auftreten von Bedrohungssituationen, entsprechende Austausch- und Unterstützungsangebote für Mandatstragende sowie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aufzubauen. Den Angeboten muss folglich die benötigte Zeit zur Etablierung und zur Schaffung von Akzeptanz in der Zielgruppe zugestanden werden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es angesichts des Ausmaßes der Angriffe unabdingbar ist, Mandatstragende in Bedrohungssituationen zu unterstützen und ihre Handlungssicherheit zu erhöhen, wenn die Gesellschaft nicht Gefahr laufen will, dass sich niemand mehr für diese wichtigen Ämter zur Verfügung stellt. Um diese Unterstützung zu gewährleisten, sind eine verstärkte Sensibilisierung und die Aufklärung über verfügbare Ressourcen von entscheidender Bedeutung. Es ist wichtig, Mandatstragenden bewusst zu machen, dass sie nicht allein dastehen und dass es professionelle Hilfe gibt, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist.

Weitere Inhalte

Dr. Cathleen Bochmann, Kompetenzzentrum Krisen-Dialog-Zukunft der Aktion Zivilcourage e. V., Projektleiterin „Zivilgesellschaft stärken und schützen“ (BMFSFJ, „Demokratie leben!“), wissenschaftliche Koordinatorin und kommunale Konfliktberaterin. Verschiedene Veröffentlichungen zu Dialogformaten in Krisen und gesellschaftlichem Zusammenhalt.