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Rechte Unterstützung hinter Gittern Ein wenig beachtetes Thema im Rechtsextremismus

Achim Bröhenhorst

/ 12 Minuten zu lesen

Welche Strukturen einer rechtsextremen Gefangenenhilfe gab und gibt es in Deutschland? Wie sind diese einzuordnen und vor welche Herausforderungen stellen sie den Staat und die Gesellschaft?

Zu Haftstrafen verurteilte rechtsextreme Personen erfahren oftmals organisierte Unterstützung von verschiedenen Gruppierungen aus der rechten Szene. (© Adobe-Stock/lettas )

Rechtsextreme Gefangenenhilfestrukturen sind kein neues Phänomen, werden allerdings in der Öffentlichkeit selten diskutiert. Welche Strukturen gab und gibt es? Wie sind diese einzuordnen und vor welche Herausforderungen stellen sie Staat und Gesellschaft? Zur Beantwortung dieser Fragen werden einige Besonderheiten und Unterschiede in den Strukturen mit der Zielsetzung beleuchtet, künftig einen genaueren Blick und mehr Verständnis für diesen Teilbereich des Rechtsextremismus zu entwickeln.

Rechtsextreme Delikte und ihre Ahndung

Von rechtsextremer Gewalt und Kriminalität wird in der Öffentlichkeit häufig nur in Zusammenhang mit spektakulären Vorkommnissen gesprochen. Dabei ist eine kontinuierliche Existenz rechtsextremer Straftaten zu konstatieren, die sich in der Ablehnung menschenrechtsorientierter Werte, der individuellen Rechte Anderer sowie der demokratischen Gesellschaft im Ganzen zeigt. Zu solchen Straftaten gehören szenetypische Delikte wie zum Beispiel die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) oder Volksverhetzung (§ 130 StGB), aber auch Straftaten wie Sachbeschädigung, Beleidigung, Bedrohung, Körperverletzung, Brandstiftung oder Tötung von Menschen. Die Zahl der Todesopfer durch rechte Gewalt seit 1990 beträgt laut zivilgesellschaftlichen Zählungen zwischen 187 und 219 und zeigt die tödliche Dimension dieser menschenfeindlichen Ideologie (vgl. Kleffner et al. 2020; Amadeu Antonio Stiftung 2023). Rechtsextreme sehen ihre Verbrechen allerdings häufig nicht als Unrecht, sondern als legitimen Widerstand. Sie stellen sich als Kämpfende einer eigentlich überlegenen Gruppe dar, die aber aufgrund vermeintlicher Angriffe durch innere und äußere Feinde bedroht sei und deshalb eine ethnische und territoriale Homogenität verteidigen müsse. Das wahnhafte Selbstverständnis, sich selbst in einem ständigen Kampf zu befinden, führt dazu, dass sogar schwerste Straftaten als Notwehr oder notwendiges Übel angesehen werden.

Rechtsextreme Unterstützung für Inhaftierte

Personen, die Teil der rechtsextremen Szene sind, werden zumeist über kurz oder lang Straftaten begehen und mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Eine Szenezugehörigkeit, ohne kriminell zu werden, ist kaum möglich. Personen aus dem Rechtsextremismus, die mit der Justiz in Konflikt geraten und zu Haftstrafen verurteilt worden sind, haben in Deutschland während der letzten knapp fünf Jahrzehnte immer wieder organisierte Unterstützung von verschiedenen Gruppierungen der rechten Szene erfahren. Dabei konnten Letztere an Unterstützungsstrukturen anknüpfen, die sich schon um nationalsozialistische Kriegsverbrecher gekümmert hatten. (Die „Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte“ etwa, 1951 gegründet, war sogar bis 1999 als gemeinnützig anerkannt.) Diese Zusammenschlüsse dienen – damals wie heute – dem Versuch der Aufrechterhaltung der rechtsextremen Ideologie und der Darstellung von vermeintlich „gelebter Kameradschaft“, wie es in der Szene selbst heißt.

Ein besonders enger Zusammenhalt innerhalb der Szene gehört zu den wichtigsten kolportierten Glaubenssätzen der Rechtsextremen, auch wenn dies häufig nur vorgeschoben ist und nicht der Realität entspricht. Dies betrifft insbesondere auch Inhaftierte, so sie die Voraussetzungen erfüllen, dass ihre Tat einen ideologischen Hintergrund aufweist und sie KameradInnen schützen – etwa indem sie bei Polizei oder Gericht die Aussage verweigern (was teils anhand des Gerichtsurteils noch einmal innerhalb der Szene abgeprüft wird). Die Unterstützung kann dann darin bestehen, dass die Inhaftierten regelmäßig Briefe erhalten, in denen ihnen Mut und Durchhaltevermögen zugesprochen wird, auch weiterhin gegenüber dem System und den Feinden der Bewegung standhaft zu bleiben. Außerhalb der Haftanstalten kümmert man sich zum Beispiel um die Familie der/des Inhaftierten oder um die Finanzierung der Anwaltskosten. Dafür werden Solidaritätsveranstaltungen inklusive Spendensammlungen durchgeführt, wobei es sich zum Teil um sehr öffentlichkeitswirksame Aktionen handelt, wie etwa Demonstrationen oder Kundgebungen (beispielhaft unter dem Motto „Freiheit für Dieter Riefling“ im Februar 2015 in Hildesheim, der wegen Körperverletzung und Volksverhetzung verurteilt war). Zudem werden Tonträger (exemplarisch „Eine Front – Drinnen wie Draußen“ von 2019 mit verschiedenen Musikgruppen des rechtsextremen Spektrums) oder T-Shirts (so etwa mit dem Slogan „Freiheit für Wolle“, der sich auf den verurteilten NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben bezog) produziert, die den Zusammenhalt der Szene nach außen signalisieren sollen. Von den Inhaftierten wird im Gegenzug erwartet, dass sie ihrer Ideologie treu bleiben und nach der Haftentlassung in die Szene zurückkehren. Dies kann beispielhaft durch regelmäßige Korrespondenz sichergestellt werden, in der die Ideologie (unterschwellig) abgefragt wird. Nach der Haftentlassung werden die rechtsextremen StraftäterInnen dann teilweise als MärtyrerInnen gesehen, da sie für ihre Überzeugung in Haft saßen. Sollten Aussagen getätigt werden, die möglicherweise anderen Szeneangehörigen schaden, wird diese Unterstützung allerdings häufig direkt entzogen.

Haftzeit bedeutet für sie unter anderem, dass der Stellenwert innerhalb der eigenen Gruppe durch einen Aufenthalt im Gefängnis steigen und der- beziehungsweise diejenige danach bedeutendere Positionen in der Szenehierarchie einnehmen kann. So werden Haftstrafen innerhalb des Rechtsextremismus als Auszeichnung verstanden, die schlicht dazugehört.

Beispiele für ehemalige rechtsextreme Gefangenenhilfsorganisationen

Die „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.“ (HNG) wurde 1979 gegründet. Bis zu ihrem Verbot im September 2011 war die HNG eine der bedeutendsten Organisationen mit einer für den organisierten Rechtsextremismus großen Mitgliederzahl (im Jahr 2010 ca. 600) (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.12.2012 – Az. 6 A 6.11) hatte. Die monatlichen Rundschreiben („Nachrichten der HNG“) an Mitglieder beinhalteten Listen mit Personen, die in Haft saßen und Briefkontakt wünschten. In der letzten Ausgabe vor dem Verbot befanden sich darauf 45 Personen aus Deutschland und dem Ausland. Unter diesen waren immer wieder verurteilte Kriegsverbrecher, LeugnerInnen der Schoah oder andere, teils noch nicht sehr bekannte Rechtsextreme. Der Abdruck ihres Namens neben prominenten Szeneangehörigen dürfte zu einem Motivationsschub und der Bestärkung ihrer (möglicherweise noch nicht gefestigten) Ideologie geführt haben.

Es gehörte in der rechtsextremen Szene zum guten Ton, Mitglied bei der HNG zu sein. Die langjährige Vorsitzende Ursula Müller wurde von vielen „Mutter“ genannt, da sie sich intensiv um die Gefangenen kümmerte und sehr viel Zeit investierte. Ebendiese erklärte 1996 in einem Interview mit einem rechtsextremen Fanzine: „Die H.N.G. sieht es als ihre Aufgabe, den PVD´s – den politisch Verfolgten der Demokratie – zu helfen.“ (zit. n. Dornbusch/Raabe 2009, S. 15) In diesem Zitat spiegelt sich zum einen die Ablehnung der Demokratie und zum anderen das Gefühl, sich in einem gerechtfertigten Kampf zu befinden.

In einer Ausgabe der HNG-Nachrichten von 2008 wurde das nachfolgende Gedicht veröffentlicht:

»HNG – Eine Familie, ein Bollwerk, eine Gemeinschaft.
Wenn Ihr opfert, opfern wir doppelt so viel.
Wenn Ihr leidet, kämpfen wir stärker als zuvor.
Wenn Ihr klagt, tragen wir eure Stimme nach draußen.
Wenn Ihr weint, werden die Tränen zum Sturm [sic] der uns antreibt.
Wenn Ihr Hilfe braucht, stehen wir an der Front [sic] um sie Euch zu geben.
Wenn sie Euch richten, verurteilen wir im Namen Deutschlands!
Wir sind [sic] was wir waren, und wir werden es bleiben!«
(vgl. Nachrichten der HNG Juni 2008, S. 15)

Darin sind die Aufgaben und die Eigenwahrnehmung zusammengefasst, mit der sich die HNG in der Öffentlichkeit präsentieren wollte. Vieles von der Außendarstellung war allerdings eher Schein als Sein. Immer wieder gab es säumige ZahlerInnen, die Beiträge nicht geleistet hatten und daher auf einer Liste in den Nachrichten veröffentlicht wurden. Auch wie stark das Engagement tatsächlich war, den Inhaftierten Unterstützung zukommen zu lassen, ist kaum mehr nachzuvollziehen. Trotz allem war die HNG ein bedeutender Part im strömungsübergreifenden Angebot der rechtsextremen Szene und bei ihr fanden Menschen mit verschiedenen rechtsextremen Ansichten zusammen.

Die HNG wurde am 21. September 2011 vom damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verboten. Unter dem Motto „Drinnen wie draußen eine Front“ sei laut Verbotsverfügung zum aktiven Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgerufen worden. Die HNG propagiere und fördere „strafrechtswidriges Verhalten bis hin zum Einsatz von Gewalt als legitimem Mittel im Kampf gegen die bestehende verfassungsmäßige Ordnung“. Dabei werde der bestehenden staatlichen Ordnung ein „nationalistisches Weltbild rassistischer und antisemitischer Prägung“ gegenübergestellt und „Elemente nationalsozialistischer Vergangenheit“ glorifiziert. Die Inhalte der Verbotsbegründung wurden im Dezember 2012 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.12.2012 – Az. 6 A 6.11).

Die Folgen des HNG-Verbots

Kurz nach Verbot der HNG ging 2012 die deutschsprachige Website GefangenenHilfe.info online. Der Sitz ist in Stockholm und auch die Postadresse lautet auf die schwedische Hauptstadt. Eine Zeitlang bestand die Möglichkeit, Banküberweisungen an ein schwedisches Konto zu tätigen. Diese Option besteht nicht mehr (Stand Dezember 2023). Der Zusammenschluss von Rechtsextremen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum mit dem Namen GefangenenHilfe.info bietet immer wieder verschiedene Möglichkeiten der Unterstützung an, indem er beispielsweise Geld- oder Sachspenden sammelt, auf Präsenzveranstaltungen oder im Internet Aktionen durchführt oder auch eigene Veranstaltungen (zum Beispiel Fußballturniere) organisiert bzw. bei solchen für sich wirbt.

Als weitere bedeutende Vereinigung ist artikel5.info zu nennen. Hier werden unterschiedliche Personen aus dem Rechtsextremismus aufgeführt, die wegen verschiedener Delikte in Haft sitzen, zumeist handelt es sich hierbei um Volksverhetzung (§ 130 StGB). Auf der Website werden Postadressen von Gefangenen aufgeführt und auf diese Weise die Kontaktaufnahme deutlich erleichtert. Die ersten Veröffentlichungen erschienen 2011 und somit ebenfalls im direkten zeitlichen Zusammenhang mit dem Verbot der HNG.

Zitat artikel5.info: „Bitte beim Schreiben darauf achten, die Gefangenen sind ideologisch gefestigt, daher keine bloßen Parolen oder pathetische Erklärungen, die lediglich die mitlesende Zensur in Verwirrung und zum Zurückhalten der Post animieren könnten. Es gibt sicher auch so viel zu erzählen“ (O. V. o. J. a). Hieraus wird deutlich, dass nicht wahllos Personen unterstützt werden, sondern speziell solche, die teilweise seit mehreren Jahrzehnten im Kontext Rechtsextremismus aktiv und bekannt sowie vernetzt sind.

Beide genannten Organisationen – artikel5.info und GefangenenHilfe.info – arbeiten eng zusammen. Beide verweisen immer wieder auf sich und bedienen eine ähnliche Klientel innerhalb der rechtsextremen Szene.

Beispielhaft sollen hier noch weitere Strukturen genannt werden, die zumindest zeitweise innerhalb des Rechtsextremismus von Bedeutung waren. Der Rundbrief JVA-Report entstand durch die gemeinsame Arbeit verschiedener rechtsextremer Personen aus unterschiedlichen Bundesländern (teilweise in Haft sitzend). In diesen Heften wurden Interviews abgedruckt oder auch Tipps für den Gefängnisalltag gegeben, auch um den Inhaftierten Zuspruch zukommen zu lassen und bei ihnen ideologische Inhalte zu festigen. Das Deutsche Rechtsbüro sah sich als bedeutendster Zusammenschluss von RechtsanwältInnen aus dem Bereich des Rechtsextremismus. Es sammelte etwa Gerichtsurteile, prüfte Veröffentlichungen auf potenzielle Strafbarkeit und publizierte einen „Rechtsratgeber“, in dem verschiedene Themen aus dem Straf-, Verwaltungs- und Versammlungs-, Strafprozess- und Presserecht behandelt wurden. Auf diese Weise sollten sich Menschen aus der rechtsextremen Szene ein Grundwissen zu diesen Bereichen aneignen können.

Auch verschiedene Parteien aus dem rechtsextremen Spektrum starten immer wieder Versuche, eigene Unterstützungsangebote zu organisieren oder die Bewerbung von bestehenden Angeboten zu intensivieren. Die Partei Die Rechte veröffentlichte im Dezember 2017 etwa eine Liste mit neun Personen (darunter Angeklagte im sogenannten NSU-Prozess), denen Briefe geschrieben werden sollten. Ein weiterer Player im Unterstützungsbereich war die Gefangenenhilfsorganisation AD Jail Crew (14er) in den Jahren 2012/2013. Ein rechtsextremer Inhaftierter schaltete eine Anzeige in einem Rocker-Magazin und bewarb dort die Neugründung. Die Vereinigung sollte Kontakt zwischen Inhaftierten herstellen und eine Vernetzung ermöglichen sowie die Gefangenen in ihrer Ideologie bestärken. Nachdem ein Fachjournalist beim zuständigen Justizministerium nachgefragt hatte, wurden unter anderem verschiedene Hafträume durchsucht und dort Personen- und Adresslisten von Inhaftierten aus verschiedenen Bundesländern gefunden. Zuvor war von Ermittelnden beim Bundeskriminalamt die Anzeige zwar wahrgenommen, allerdings nicht mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht worden, da die verschiedenen szenetypischen Codes der Anzeige nicht korrekt zugeordnet wurden. Bei diesem Beispiel wird auch die viel zu selten beleuchtete Nähe von zumindest Teilen der rechtsextremen Szene zu Rockergruppierungen deutlich.

Zwischenfazit – HNG Verbot und nun?

Seit dem Verbot der HNG gibt es nicht mehr die eine große Organisation, die strömungsübergreifend anerkannt wird, sondern verschiedene, die teilweise auch nur sehr kurzlebig sind oder lediglich regional agieren. Das Verbot selbst hat sicherlich zu einer kurzzeitigen Leerstelle geführt, jedoch gab es mit Gefangenenhilfe.info sehr schnell eine Nachfolgestruktur, die erfolgreich den vakant gewordenen Platz besetzt hat und breite Unterstützung aus der Szene erhält. Die meisten Szenemitglieder unterstützen Gefangenenhilfe.info als vermeintlich rechtmäßigen Nachfolger, da dort viele unterschiedliche prominente AkivistInnen und Strukturen mitwirken. Der Zusammenschluss wird auch von bedeutenden MusikerInnen, Musiklabels, ParteivertreterInnen oder AktivistInnen beworben.

Das Lernen aus dem Verbot der HNG hat aber sicherlich dazu geführt, dass nicht mehr so öffentlich gearbeitet wird, wie dies zuvor praktiziert wurde. Dazu hat nicht nur das Verbot beigetragen, sondern auch der Tod des bekannten Rechtsanwalts Jürgen Rieger, auf dessen Schreibtisch sich ein Großteil der politischen Verfahren versammelt hatte. Inzwischen gibt es bundesweit eine größere Anzahl rechtsextremer AnwältInnen, die Szeneangehörigen zur Verfügung stehen, und auch verschiedene weitere Unterstützungsmechanismen, die vielfach professioneller arbeiten als noch in den 1990er- und 2000er-Jahren.

Selbstwahrnehmung rechtsextremer StraftäterInnen

Taten, für die Rechtsextreme inhaftiert sind, werden von der Szene als „politische“ Straftaten gelesen und damit als zwingend notwendig dargestellt, weil man sich als Szene in einem ständigen Kampf sieht. „Politische Gewalt ist, gemessen an den Normen einer (Sub-)Kultur oder den Zwecken einer Organisation, regelkonform und legitim“ (Enzmann 2013, S. 51). Die StraftäterInnen selbst sehen sich beispielsweise in einer Reihe mit inhaftierten Personen aus Diktaturen wie China. So wird Horst Mahler als bekannter Leugner der Schoah mit dem verstorbenen Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo verglichen, der ebenso gewaltfrei seine politischen Einstellungen geäußert habe und deswegen vom Staat verfolgt würde. So heißt es in einer Szenemitteilung: „Die BRD und China unterscheiden sich praktisch nur noch im Ausmaß der Heuchelei, wenn es um politisch unbequeme Häftlinge geht. Nach der Überzeugung der Redaktion sind nicht die Chinesen die Heuchler! Ist es doch die Bundesregierung, die bei jeder passenden und nicht passenden Gelegenheit die Menschenrechte einfordert. Neben Horst Mahler finden sich weitere politische Gefangene [sic] die nichts getan haben, außer ihre politische Überzeugung zu äußern.“ (O. V. o. J. b) Gemeinsam ist den vorgestellten Strukturen, dass sie die Inhaftierten als „politische Gefangene“ in einem Kampf gegen „das System“ ansehen. Auf diese Weise kann auch das Selbstwertgefühl der Menschen innerhalb der Strukturen und der Szene gesteigert werden: Man ist nicht mehr allein aktiv, sondern vermeintlich Teil einer Bewegung und steht damit in einer Reihe von Personen, die mit ihrer Ideologie als Vorbilder wirken können.

Herausforderungen für den Staat

Im Haftkontext ist der Umgang mit rechtsextremen Inhaftierten differenziert zu betrachten. Diese haben grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen Inhaftierten auch. So gibt es keine anders gelagerte Behandlung, sie können genauso Post erhalten und versenden, mit anderen Kontakte pflegen. Dies führt allerdings auch dazu, dass rechtsextreme Szeneutensilien (Zeitschriften, Kleidung, Musik, Bilder etc.) Eingang in die Haftanstalten finden. Hier ist es wichtig, dass bei Auffälligkeiten von den Bediensteten reagiert wird und eventuell bestehende Möglichkeiten des Entzugs genutzt werden. Es stellt sich auch sicherlich die Frage, inwieweit rassistische, antisemitische oder sonstige rechtsextreme Inhalte der Resozialisierung zuwiderlaufen und auch den Anstaltsfrieden stören können. Ebensolches gilt auch für Besuche von Szeneangehörigen, die in Gesprächen die Ideologie bei der inhaftierten Person bestärken können. Hier ist eine kontinuierliche Schulung der Angestellten von Bedeutung sowie die Schärfung des Bewusstseins für rechtsextreme Symboliken und Bildsprache, damit menschenfeindliche Inhalte möglichst keinen Zugang finden beziehungsweise identifiziert werden können. Wenn solche Zeichen erkannt werden, kann möglicherweise eine Ansprache erfolgen, ob Interesse an einem Gespräch mit Ausstiegshelferinnen und -helfern besteht. Hierfür ist es wichtig, die Interner Link: verschiedenen Beratungsangebote des jeweiligen Bundeslands zu kennen, um eventuell ein unverbindliches Erstgespräch in die Wege leiten zu können.

Fazit

Bei allen hier aufgeführten Organisationen, die in dem Kontext rechtsextremer Gefangenenbetreuung aktiv waren beziehungsweise sind, besteht ein Hauptzweck darin, den Inhaftierten zu zeigen, dass sie Teil einer „Bewegung“, eines gemeinsamen Kampfes und somit nicht allein sind. Ziel ist es darzustellen, dass mit einer Unterstützung von außen gerechnet werden kann – vorausgesetzt, die Inhaftierten arbeite(te)n nicht mit dem Staat zusammen. Diese Unterstützung kann finanzieller Art sein, etwa durch Vermittlung von RechtsanwältInnen oder die Übergabe von Geld- oder Sachspenden an Angehörige. Gleichzeitig kann durch das Netzwerk auch eine Wiedereingliederung unterstützt werden, etwa durch die Bereitstellungen von Wohnraum oder Arbeits- und Ausbildungsplätzen, um den Entlassenen den Start nach der Haftzeit zu erleichtern beziehungsweise eventuelle Auflagen zu erfüllen. Teilweise geschieht dies auch, um eine positive Sozialprognose zu erreichen, wenn die verantwortlichen staatlichen Einrichtungen die Hintergründe derjenigen, die beispielsweise den Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, nicht ausreichend überprüfen. Auf diese Weise kann es vorkommen, dass Rechtsextreme bei anderen Szenemitgliedern eine Arbeitsstelle erhalten und auf diese Weise der Wunsch nach Resozialisierung und Eingliederung in den demokratischen Rechtsstaat konterkariert wird. So bleibt die Haftzeit zwar eine sicherlich einschneidende Zeit im Leben der betroffenen Person, aber keine, in der Ideologie und Lebensweg kritisch überdacht worden wären.

Weitere Inhalte

Achim Bröhenhorst arbeitet seit 2014 im Landes-Demokratiezentrum Niedersachsen im Bereich Rechtsextremismusprävention und politische Bildung. Vorher war er viele Jahre freiberuflich in der politischen Bildungsarbeit tätig.