Angesiedelt zwischen Moral, Politik und Recht, sind Menschenrechte komplexe Rechte. Sie lassen sich moralisch begründen und werden durch politische Entscheidungen zu "positiven" Rechten – d. h. vom Menschen gemachte und somit veränderliche Rechte – die in der modernen Staatenwelt in internationalen Abkommen sowie im Idealfall in Grundrechtskatalogen nationaler Verfassungen verankert sind.
Diese weisen die einzelnen Menschen als Trägerinnen und Träger von Menschenrechten aus und verpflichten vornehmlich – aber nicht nur – die Staaten dazu, die Menschenrechte zu achten, zu schützen und zu gewährleisten.
Wer hat Menschenrechte inne?
Im Mittelpunkt der Menschenrechte steht das "autonome Individuum", das es zu schützen gilt. Dementsprechend sind die Menschenrechte in der Regel als individuelle Rechte formuliert ("Jeder Mensch hat das Recht auf ..."). Selbst wenn spezielle Menschenrechtsabkommen auf Personengruppen, etwa auf Frauen und Kinder, bezogen sind, stellen diese Rechte doch individuelle Menschenrechte dar, die den einzelnen Frauen und Kindern zustehen.
Daneben gibt es Bemühungen, zusätzlich Gruppen- oder Kollektivrechte in internationalen Abkommen zu verankern, mittels derer z. B. ganze Völker oder Minderheiten geschützt werden sollen. Kollektivrechte sehen dabei nicht nur spezielle Rechte für die einzelnen Angehörigen einer Gruppe vor, sondern erheben die Gruppe (Volk, Minderheit etc.) zum Träger von Menschenrechten. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker stellt ein solches Kollektivrecht dar, das jedoch kontrovers diskutiert wird.
Wie haben sich die Menschenrechte entwickelt?
Menschenrechte lassen sich philosophisch begründen und stellen als solche grundlegende moralische Rechte dar. Sie sind aber auch als positive Rechte in Verfassungen und Menschenrechtsverträgen garantiert. Eingang fanden sie bereits in die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 und in die Verfassungen einiger nordamerikanischer Einzelstaaten, etwa in die Virginia Bill of Rights von 1776, sodann in die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 und die amerikanische Bill of Rights von 1791. Diese "Gründungsdokumente" des Menschenrechtsschutzes hatten maßgeblichen Einfluss auf die Verfassungsentwicklung in Amerika und Europa. Doch erst im 20. Jahrhundert kam es zu internationalen Vereinbarungen zum Schutz der Menschenrechte.
Ausgangspunkt für den modernen universellen Menschenrechtsschutz ist die Charta der Vereinten Nationen (UN) von 1945. Sie ist dem Ziel verpflichtet, die Achtung der Menschenrechte zu fördern und zu festigen. Diesem Ziel dienen allen voran die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von 1948 sowie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) von 1966, die 1977 in Kraft traten. Diese bilden die Grundlage weiterer universeller Menschenrechtsabkommen, die einzelne Rechte (wie das Folterverbot) oder gefährdete Personengruppen (z. B. Frauen, Kinder, Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter, Menschen mit Behinderung) besonders schützen sollen. Zusätzlich wurden in Europa, Amerika und Afrika regionale Menschenrechtsschutzsysteme entwickelt. Zugleich wirkte die Entwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes auf die nationale Ebene zurück. Vor allem jüngere Verfassungen umfassen ein breites Spektrum an Grund- und Menschenrechten. Dynamisch entwickelte sich in den vergangenen Jahren auch das internationale Strafrecht, das durch die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofes erheblich an Bedeutung gewann und Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ahndet.
Wie wurden Menschenrechte erkämpft?
Jedes Bemühen, Menschenrechte zu begründen, zu formulieren und rechtlich zu verankern, war immer auch der Versuch, eine Antwort auf historisch erfahrenes Unrecht zu geben. Im Fall der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) war dies in besonderer Weise die Erfahrung des Holocaust und des NS-Unrechts. Die Väter und Mütter der AEMR teilten das Entsetzen über die NS-Verbrechen und sahen darin den wesentlichen Antrieb für die Formulierung internationaler Menschenrechte, die solche Untaten ein für alle Mal brandmarken und verhindern sollten. Prägend waren zudem die Unrechtserfahrungen des Kolonialismus.
Bis heute sind es konkrete Erfahrungen von Gewalt, Unrecht und Unterdrückung, die die Aktualität und Überzeugungskraft der Menschenrechte ausmachen. Zugleich sind Menschenrechte Ausdruck historischer Emanzipationsbestrebungen - weltweit gab und gibt es unzählige mutige Menschen, die sich für Bürger- und Menschenrechte einsetzen. Die Entwicklung verläuft dabei nicht geradlinig und ist nicht vor Rückschlägen gefeit. Vor dem Hintergrund anhaltenden, wiederkehrenden und neuen Unrechts müssen die Menschenrechte ständig aufs Neue verteidigt, eingefordert und erstritten werden.
Welche Menschenrechte gibt es?
Gemeinhin werden drei "Generationen" von Menschenrechten unterschieden. Rechte der ersten "Generation" bezeichnen die klassischen bürgerlichen und politischen Freiheits- und Beteiligungsrechte. Dazu gehören das Recht auf Leben, die Verbote der Folter, der Sklaverei und der Zwangsarbeit, sodann u. a. die Rechte auf persönliche Freiheit und Sicherheit, Gedanken-, Religions-, Meinungs-, Versammlungs-, Vereinigungsfreiheit sowie justizbezogene Rechte (Gleichheit vor dem Gesetz, Unschuldsvermutung, faires Verfahren etc.). Die nationalen und internationalen Schutzsysteme für bürgerlich-politische Rechte sind bislang am stärksten ausgebaut.
Rechte der zweiten "Generation" umfassen die lange Zeit vernachlässigten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte, wie die Rechte auf und in Arbeit, auf soziale Sicherheit, Ernährung, Wohnen, Wasser, Gesundheit und Bildung. Seit den 1990er Jahren wurden der Inhalt und die Verletzungstatbestände dieser Rechte erheblich konkretisiert. Inzwischen werden sie weithin politisch eingefordert und gelten ihrem Wesen nach auch als einklagbar. Entsprechende rechtliche Durchsetzungsmechanismen auf nationaler und internationaler Ebene sind indes noch zu stärken.
Rechte der dritten "Generation" sind jüngeren Datums und bezeichnen allgemeine, noch kaum in Vertragswerken konkretisierte Rechte wie etwa die Rechte auf Entwicklung, Frieden oder saubere Umwelt.
Wen verpflichten Menschenrechte?
Staaten tragen die Hauptverantwortung für die Umsetzung der Menschenrechte. Staatliche Organe (Polizei, Militär etc.), die vielerorts für Menschenrechtsverbrechen verantwortlich sind, dürfen demnach die Menschenrechte nicht selbst verletzen (Achtungspflichten). Zugleich haben sie gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen, um die Menschenrechte vor Eingriffe durch Dritte zu schützen (Schutzpflichten) und um die Ausübung der Menschenrechte durch positive Leistungen zu ermöglichen (Gewährleistungspflichten).
Die drei Verpflichtungsdimensionen beziehen sich prinzipiell auf alle Menschenrechte. Dadurch wird die herkömmliche Einteilung in Frage gestellt, der zufolge bürgerlich-politische Rechte vornehmlich Abwehrrechte, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hingegen vor allem Anspruchsrechte seien. Beide "Generationen" von Menschenrechten können einen Abwehr-, Schutz- und Leistungscharakter haben. Allerdings werden vor allem die Gewährleistungspflichten noch kontrovers diskutiert.
Traditionell bezieht sich die Verantwortung des Staates auf das eigene Hoheitsgebiet. Umstritten ist, inwieweit die Staaten auch "extraterritoriale Verpflichtungen" haben, inwieweit sie also als international handelnde Akteure menschenrechtlich in der Pflicht stehen. Zugleich gibt es Bemühungen, internationale Organisationen, private Akteure und allen voran Wirtschaftsunternehmen, direkt auf die Achtung der Menschenrechte zu verpflichten. Der bisherige völkerrechtliche Fokus auf den staatlichen Menschenrechtsschutz droht vor allem dort ins Leere zu laufen, wo Staaten zu schwach sind, um die Menschenrechte effektiv zu schützen.
Wie werden Menschenrechte überwacht?
Die internationale Staatengemeinschaft erwies sich bisher nicht als willens oder fähig, den universellen Menschenrechtschutz mit effektiven Durchsetzungsmechanismen auszustatten. Trotz wichtiger institutioneller Reformen – wie der Errichtung eines UN-Hochkommissars für Menschenrechte (1993), eines Internationalen Strafgerichtshofes (1998/2002) oder auch des neuen UN-Menschenrechtsrates (2006) – blieb bezeichnenderweise die Vision eines Weltgerichtshofes für Menschenrechte bar jeglicher Verwirklichungschance.
Immerhin sind die Vertragsstaaten universeller oder regionaler Menschenrechtsabkommen verpflichtet, Rechenschaft über ihre Aktivitäten abzulegen. Auch können gegen Staaten, die selber Menschenrechtsverletzungen begehen, Untersuchungen eingeleitet oder Beschwerden vorgebracht werden. Diese können allerdings nicht zu einem menschenrechtskonformen Handeln gezwungen werden, weil – im Unterschied zum nationalen Recht – eine vergleichbare internationale Vollstreckungsgewalt fehlt. Umso wichtiger sind politischer Druck und Anreize sowie öffentliche Kritik und Protest.
Da der internationale Menschenrechtsschutz nur "subsidiär" ausgestaltet ist, kommt nach wie vor dem nationalen Schutz der Menschenrechte die zentrale Bedeutung zu. Eine demokratische, rechtsstaatliche Verfassungspraxis, gepaart mit einer lebendigen Zivilgesellschaft, ist ein wichtiger Garant für die Überwachung und Einhaltung der Menschenrechte in den jeweiligen Ländern.
Sind Menschenrechte universell gültig?
Über Traditionen und kulturelle Eigenheiten hinweg fixieren Menschenrechte einen Grundbestand an Rechten, der für jeden Menschen gelten soll. Der Geltungsanspruch bezieht sich dabei nicht nur darauf, dass die Menschenrechte global gelten sollen, sondern hebt auch auf deren Charakter als gleiche Rechte für jeden Menschen ab. Bei dem Prozess der "Universalisierung" der Menschenrechte geht es moralisch um die Suche nach verallgemeinerbaren Rechtfertigungsgründen, rechtlich um die Kodifizierung, Anerkennung und Einklagbarkeit und politisch um die tatsächliche Durchsetzung und Umsetzung der Menschenrechte weltweit.
Erschwert wird die Universalisierung der Menschenrechte durch die Gefahr, mächtige westliche Staaten könnten unter dem Deckmantel der Menschenrechte handfeste Macht- und Interessenpolitik betreiben. Doch gehen menschenrechtliche Forderungen nicht nur vom "Westen" aus. Sie können im Inneren sämtlicher Gesellschaften entstehen – im Kampf gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Not.
Ist die Definition der Menschenrechte unveränderlich?
Trotz aller moralischen Begründungsversuche gibt es keinen zeitlos gültigen "Katalog" der Menschenrechte. Als Produkt der Geschichte kann der Katalog verändert und erweitert werden. Kannten frühe Naturrechtler nur wenige Menschenrechte, allen voran das Recht auf Selbsterhaltung, haben sich im Laufe der Zeit die drei bereits genannten "Generationen" von Menschenrechten herausgebildet. Obwohl die Normsetzung inzwischen weit vorangeschritten ist, werden Veränderungen in den menschlichen Lebensbedingungen und Sozialbeziehungen, etwa im Bereich der Gentechnik oder der Kommunikation, auch künftig neue Menschenrechte hervorbringen. Auch ist das Verständnis der bereits normierten, in Menschenrechtsabkommen verankerten, Rechte nicht starr. Der Kampf um die Menschenrechte beinhaltet immer auch eine Auseinandersetzung um die inhaltliche Auslegung bestehender Rechte und die Kritik an Unzulänglichkeiten des bestehenden Menschenrechtsschutzes. Zugleich wird das Verständnis davon, wer Träger der Menschenrechte ist und wen die Menschenrechte auf welche Weise verpflichten, von zeitgeschichtlichen Normierungen und Interpretationen bestimmt.
Können Menschenrechte eingeschränkt werden?
Während einige Menschenrechte, wie das Verbot der Folter oder der Sklaverei, absolut gelten und unter keinen Umständen – selbst nicht in Notlagen – eingeschränkt werden dürfen, lassen andere Menschenrechte unter sachlich qualifizierten, legitimen Gründen Einschränkungen zu. Zulässige Eingriffszwecke können in einer demokratischen Gesellschaft die Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung, die Verhinderung strafbarer Handlungen sowie der Schutz der Gesundheit oder der Rechte und Freiheiten anderer sein. Die Eingriffe dürfen jedoch nicht willkürlich, sondern müssen auf gesetzlicher Grundlage erfolgen, gut begründet sein und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beachten. Über die Zulässigkeit der Einschränkung von Grund- bzw. Menschenrechten entscheiden in Zweifels- oder Streitfällen entsprechende Gerichte, in der Bundesrepublik etwa das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
In ausgesprochenen Notlagen, allen voran im Krieg, kann der Staat zudem auf Grundlage entsprechender "Derogations- oder Notstandsklauseln" in Menschenrechtsabkommen Maßnahmen treffen, die von (nicht-notstandsfesten) Menschenrechten abweichen. Auch hier sind das Diskriminierungsverbot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip strikt zu beachten.