Beim Wahlakt sind zwei Stimmen zu vergeben. Der Deutsche Bundestag zählte seit 2002 – ohne Überhangmandate – 598 Abgeordnete, seit der Wahlrechtsreform von 2023 sind es genau 630. Überhang- und Ausgleichsmandate entfallen. Maximal 299 der 630 Sitze werden nach relativer Mehrheitswahl direkt in den Wahlkreisen gewählt. Diesen Direktmandaten gilt die Erststimme. Die Erststimme macht den „personalisierten“ Teil des Wahlsystems aus, weil die Wählerinnen und Wähler damit eine bestimmte Person ihres Wahlkreises wählen. Mit der Zweitstimme werden demgegenüber Parteien gewählt. Die Zweitstimme entscheidet über die Zusammensetzung des Bundestages. Neu ist, dass nun ein relativer Sieg im Wahlkreis nicht mehr einen Einzug in den Bundestag garantiert. Dafür sorgt das Prinzip der Zweitstimmendeckung: Gewinnt eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate, als ihr dort nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen, ziehen die Kandidaten mit den schlechtesten Ergebnissen nicht in den Bundestag ein. So kann es dazu kommen, dass vereinzelt Wahlkreise nicht direkt repräsentiert sind und mithin weniger als 299 Kandidaten „direkt“ in den Bundestag einziehen. An der Gesamtzahl von 630 Abgeordneten und dem Kräfteverhältnis gemäß Zweitstimme ändert das jedoch nichts.
Die meisten Parteien (die CSU als Regionalpartei ausgenommen) sind zwar bundesweite Organisationen, treten aber zur Wahl mit Landeslisten an. Die Wählerinnen und Wähler ein und derselben Partei kreuzen daher in unterschiedlichen Bundesländern verschiedene Landeslisten an.
Im Folgenden wird das Verfahren zur Umwandlung von Wählerstimmen in Bundestagssitze, wie es bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 Anwendung findet, kurz skizziert.
Mandatsverteilung bei der Bundestagswahl
Die Sitze im Deutschen Bundestag werden über die Direktmandate in den 299 Wahlkreisen und die Landeslisten der Parteien besetzt. Insgesamt sind 630 Mandate zu vergeben. Die Mandatsverteilung erfolgt nach der Wahlrechtsreform 2023 in drei Schritten: Oberverteilung, Unterverteilung, Sitzzuteilung an die Kandidatinnen und Kandidaten.
Schritt 1: Oberverteilung
Zunächst wird bestimmt, wie viele Sitze einer Partei bundesweit gemäß ihrem Anteil bei den Zweitstimmen zustehen. Hierbei werden die 630 Sitze nach dem Sainte-Laguë-Verfahren unter den Parteien verteilt. Berücksichtigt werden nur Parteien, die bundesweit mindestens fünf Prozent der gültigen Zweitstimmen erzielt haben (Sperrklausel) oder in mindestens drei Wahlkreisen das Direktmandat gewonnen haben (Grundmandatsregelung) oder Parteien nationaler Minderheiten.
Schritt 2: Unterverteilung
Nach der Oberverteilung folgt in einem zweiten Schritt die Unterverteilung. Die einer Partei in der Oberverteilung zugewiesenen Sitze werden auf die Landeslisten dieser Partei verteilt. Dies geschieht proportional zu der Zahl der Zweitstimmen, die auf die verschiedenen Landeslisten entfallen.
Schritt 3: Sitzzuteilung an die Kandidaten
Nach der Unterverteilung steht die Zahl der Sitze fest, die einer Partei in einem Bundesland zusteht. Das heißt: Diese Zahl ist zugleich die Höchstzahl möglicher Direktkandidaten aus den Wahlkreisen. Die genaue Verteilung auf die Kandidaten erfolgt so: Zunächst werden alle Wahlkreisgewinner einer Partei entlang der Höhe ihres relativen Stimmenergebnisses gereiht. Dann werden, angefangen bei dem Bewerber mit dem besten Ergebnis, die der Partei in diesem Bundeland gemäß Zweitstimmenergebnis zustehenden Sitze den Wahlkreisgewinnern zugeteilt. Dies geschieht so lange, bis alle der Partei in diesem Bundesland zustehenden Sitze mit Wahlkreiskandidaten vergeben sind. Stehen der Partei in dem Bundesland gemäß Zweitstimmenergebnis mehr Sitze zu, als sie Wahlkreisgewinner hat, werden die übrigen Sitze nach der Landesliste der Partei vergeben.
Umgekehrt kann es passieren, dass eine Partei mehr Wahlkreise gewinnt, als ihr in diesem Bundesland nach Zweitstimmenergebnis Sitze zustehen. In diesem Fall ziehen die Wahlkreisgewinner mit den relativ schlechtesten Ergebnissen nicht in den Bundestag ein. Ein Beispiel: Eine Partei gewinnt in einem Bundesland 20 Wahlkreise. Ihr stehen in dem betreffenden Bundesland aber nur 18 Sitze zu. In diesem Fall erhalten die zwei Wahlkreisbewerber mit den schlechtesten Ergebnissen keinen Sitz im Deutschen Bundestag und die beiden Wahlkreise sind nicht direkt vertreten. Dieses Verfahren nennt sich Zweitstimmendeckung. Eine Ausnahme von diesem Prinzip gilt für parteiunabhängige Bewerber: Diese erhalten im Falle einer relativen Mehrheit in ihrem Wahlkreis unmittelbar einen Sitz im Deutschen Bundestag.