Professionalisierung | Wahlen in Deutschland: Grundsätze, Verfahren, Analysen | bpb.de

Professionalisierung

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Neben der Wahlkampfmaschine Partei spielen externe Wahlkampfberater eine immer größere Rolle. Und auch das negative campaigning, den Angriffswahlkampf, konnte man immer wieder auch in deutschen Wahlkämpfen beobachten.

Professionelles Kampagnenmanagement beteiligt oft kommerzielle Experten: Im Bundestagswahlkampf 2017 beauftragte Die Linke die Agentur DiG / Trialon, die CDU die Agentur Jung von Matt.

Professionelles Kampagnenmanagement beteiligt oft kommerzielle Experten: Im Bundestagswahlkampf 2017 beauftragte Die Linke die Agentur DiG / Trialon, die CDU die Agentur Jung von Matt. (© picture-alliance/dpa, ZB | Peter Endig)

Wahlkampf ist nicht mehr allein Sache der Parteien oder der Parteizentralen, die eine Wahlkampfkommission einsetzen. Die Parteien ziehen Fachleute hinzu, die ihnen und ihren Kandidaten beratend zur Seite stehen. Neben der Demoskopie und der Sozialwissenschaft kommen sie zunehmend aus Werbung, Journalismus und Management. Diese Entwicklung eines eigenen Dienstleistungsmarktes zur Unterstützung von Wahlkämpfen führte in den USA zur Herausbildung von Wahlkampfberatern, die spin doctors ("Hexenmeister") genannt werden. Sie stellen ein Team im professionellen Wahlkampfmanagement zusammen. Sie sind die "Einflüsterer", die den Reden und den Ereignissen im Umfeld des Spitzenkandidaten oder der -kandidatin einen bestimmten Drall geben, in der Tennissprache einen "spin". Spin doctors kommen von außen, sind nicht Teil der Parteien.

Aus deutscher Sicht liegt hier das Problem: Parteien sind in Deutschland, anders als in den USA, nicht ausschließlich Wahlmaschinen, sondern wichtige Trägerinnen der politischen Willensbildung in einer Parteiendemokratie. Einen Wahlkampf in Deutschland zu führen, ohne innerparteiliche Tuchfühlung zu halten und die Strömungen innerhalb der Parteien zu kennen, ist problematisch. Tony Blair verzichtete seinerzeit bei seinem Wahlkampf in Großbritannien monatelang darauf, den Parteivorstand einzuberufen. Unbürokratisch und schnell entschied Blair allein mit seinem externen Wahlkampfteam. Auch die deutschen Parteien sind dazu übergegangen, PR-Agenturen zu beauftragen, um den Wahlkampf zu steuern, konkret: um das Image der Kandidatinnen und Kandidaten sowie die Kontakte zu den Medien zu verbessern.

Im Wahlkampfmedium Internet werden die Wahlberechtigten vor allem durch interaktive Angebote angesprochen.

Im Wahlkampfmedium Internet werden die Wahlberechtigten vor allem durch interaktive Angebote angesprochen. (© www.cdu.de / www.csu.de / www.spd.de / www.fdp.de / www.gruene.de / www.die-linke.de / www.afd.de)

Aber nicht nur organisatorisch gibt es hierzulande immer mehr Anleihen aus dem US-Wahlkampf. Die Parteien gehen dazu über, Hoffnung und Angriff zugleich als Leitthema anzubieten. Einer Person, die in der Politik vertrauenswürdig ist, traut man auch zu, dass sie bessere wirtschaftliche Verhältnisse schaffen wird. Entscheidend ist der positive Kontrast zum politischen Gegner, da dies eine Atmosphäre der Hoffnung entstehen lässt. Das negative campaigning, den Angriffswahlkampf, konnte man immer wieder auch in deutschen Wahlkämpfen beobachten: Im Wahlkampf 2017 inszenierte die SPD bei ausgesuchten Formaten eine "klare Kante" gegen die Bundeskanzlerin. Die CSU grenzte ihre Eigenständigkeit mit Kritik an Schwesterpartei und Koalitionspartner ab. Die AfD führte eine Protestkampagne mit "Provokation pur" (Susanne Thelen 2020).

Grundsätzlich muss eine Partei für die Durchführung eines professionellen Wahlkampfs über die folgenden Möglichkeiten verfügen (Jens Tenscher 2007):

  • Strukturelle, finanzielle und personelle Ressourcen für ein dauerhaft geplantes und kapitalintensives Kommunikationsmanagement,

  • professionelles Kampagnenmanagement, das wahlkampfspezifische Politikvermittlungsexperten und externe kommerzielle Agenturen beteiligt,

  • Planung und Durchführung der Kampagne, basierend auf Situations- und Presseanalysen, Meinungsumfragen und ständiger Selbst- und Gegnerbeobachtung,

  • Nutzung der Berichterstattung der Massenmedien, vor allem der vielfältigen Fernsehformate, basierend auf einem professionellen, medienwirksamen Ereignis- und Newsmanagement,

  • begleitende Nutzung massenmedialer Plattformen, um der Öffentlichkeit die jeweilige Parteienwerbung in Form von Anzeigen, Spots und Ähnliches nahezubringen,

  • Unterteilung der Wählerinnen und Wähler in für die jeweilige Partei relevante Zielgruppen und Ansprache derselben durch geeignete Kommunikationsinstrumente,

  • Zuschnitt der Kampagne auf die jeweilige Person für die Spitzenkandidatur.

Fussnoten

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