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Die Amerikanisierung der Wahlkämpfe | Wahlen in Deutschland: Grundsätze, Verfahren, Analysen | bpb.de

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Die Amerikanisierung der Wahlkämpfe

Karl-Rudolf Korte

/ 3 Minuten zu lesen

Wahlkämpfe werden zunehmend auf die Spitzenkandidatur einer Partei ausgerichtet. Die meisten Bürger erleben Politik nur noch in den Medien. Als zentrales Wahlkampfmedium entpuppt sich das Internet.

Wie kaum ein anderer Bundeskanzler inszenierte sich Gerhard Schröder (SPD) als "Medienkanzler". Das Bild zeigt ihn am Morgen nach der Bundestagswahl vom 22. September 2002 bei einer Pressekonferenz in der Berliner SPD-Zentrale. (© picture-alliance/dpa, Fotoreport)

Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet eine stärkere Amerikanisierung der Wahlkämpfe. Gemeint ist damit dreierlei: Personalisierung, Mediatisierung, Professionalisierung. Alle drei Komponenten sind nicht völlig neu für die Bundestagswahlkämpfe, doch ihre Bedeutung ist seit den Neunzigerjahren dramatisch gewachsen.

Vieles wird dabei von Dick Morris, dem wohl bekanntesten amerikanischen Politikberater, abgeleitet. In "Behind the Oval Office" hat er die Geheimnisse der erfolgreichen Clinton-Wahlkampagne gelüftet. Man verkürzt jedoch die sogenannte Amerikanisierung der Wahlkämpfe, wenn man in ihr nur eine populistische Verflachung sieht.

Personalisierung

Personalisierung des Wahlkampfs in den Medien: Neben Zeitungen ... (© picture-alliance, Winfried Rothermel)

Wahlkämpfe werden zunehmend auf die Spitzenkandidatur einer Partei ausgerichtet. Die Sachthemen treten immer mehr in den Hintergrund. Strategisch ist hier die amtsinhabende Person im Vorteil. Sie steht stellvertretend für politische Botschaften. Je größer das Wechselwählerpotenzial ist, desto stärker ist der Drang zur Personalisierung. Das politische Spitzenpersonal steckt dabei in einer Doppelrolle: Es repräsentiert jeweils Zentralfigur und zugleich Inhalt der Kampagne. Zu den strategischen Vorbedingungen gehört, dass der Kandidat oder die Kandidatin die geschlossene Unterstützung von Partei und Anhängerschaft besitzt. Zum ersten Mal kam es 2002 zu einem Fernsehduell zwischen dem amtierenden Bundeskanzler und seinem Herausforderer. Inzwischen werden diese Duelle auch auf Landesebene ausgetragen.

... kommt dem Fernsehen bei der Vermittlung von Politik und vor allem im Vorfeld von Wahlen eine besondere Bedeutung zu: Der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Martin Schulz stellt sich am 18. September 2017 in der Fernsehsendung "Wahlarena" live den Fragen der Studiogäste in Lübeck. (© picture-alliance/dpa, Zentralbild / Jens Büttner)

Mediatisierung

Die meisten Bürgerinnen und Bürger erleben Politik nur noch in den Medien. Direkte Parteiwerbung wird kaum beachtet und Wahlversammlungen erreichen zumeist nur eine kleine, ohnehin überzeugte Minderheit.

Deshalb kommt anderen politischen Informationsquellen eine besondere Bedeutung zu. Aus einer politikwissenschaftlichen Studie zur Mediennutzung im Bundestagswahlkampf 2017 geht hervor, dass Fernsehnachrichten und Tageszeitungen als traditionelle Nachrichtenträger von insgesamt knapp 93 Prozent der Befragten genutzt wurden. Auf Onlinequellen griffen circa 39 Prozent zurück, davon circa 14 Prozent auf soziale Netzwerke (Alexander Staudt/Rüdiger Schmitt-Beck 2019). Diese Zahlen zeigen, dass traditionelle Medien immer noch die Hauptinformationsquelle darstellen, obgleich die Bedeutung der Internets als Nachrichtenquelle erheblich zugenommen hat.

Die Amtsinhaberin, in diesem Fall Bundeskanzlerin Angela Merkel, hat bei der Mediatisierung in der Regel einen Vorsprung. Der multimediale Wahlkampf beschränkt sich jedoch nicht nur auf Nachrichtensendungen und politische Magazine, erst recht nicht auf Wahlspots der Parteien. Wirkungsvoller ist der Auftritt in Unterhaltungssendungen, dort gilt das Motto: mehr Infotainment als seriöse Information. Bislang wird jedoch diese in den US-Wahlkämpfen bewährte Methode nur zögernd von den politischen Parteien in ihr Konzept aufgenommen.

Auch 2017 war das inzwischen fest etablierte Fernsehduell ‒ diesmal zwischen Angela Merkel und Martin Schulz ‒ wieder ein wichtiges Ereignis im Medienwahlkampf: 16,11 Millionen Zuschauer verfolgten das "Kanzlerduell", im Jahr 2013 waren es hingegen noch 17,56 Millionen Zuschauer. In einer Reihe politischer Gesprächsrunden stellten sich die Kanzlerkandidaten und Spitzenkandidaten der kleineren Parteien in einer Vielzahl von Sendungen der Fernsehöffentlichkeit (zum Beispiel im "Duell vor dem Duell" oder dem "TV-Fünfkampf"). Somit konnten auch die kleinen Parteien an medialer Präsenz gewinnen (Simon Richter u. a. 2019; Uwe Wagschal u. a. 2019).

Neue Formate setzten außerdem auf die Verbindung des klassischen Reichweitenmediums Fernsehen mit dem Internet als Kommunikationskanal. So standen die Redaktionen einiger TV-Formate über Onlinekanäle wie Skype, E-Mail oder Twitter in Kontakt mit Zuschauerinnen und Zuschauern, die Fragen und Kommentare einsendeten. Diese wurden von den Moderatoren aufgenommen oder über Einspielungen in die Sendung eingespeist. So entstanden Mischformate aus Reportage-, Interview- und Diskussionssendungen, die im Internet vorbereitet und begleitet wurden.

Um neue Wählergruppen zu erreichen, wurde der Wahlkampf 2017 massiv im Internet geführt. Dabei waren besonders soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, Instagram und Snapchat von hoher Relevanz. Vor allem jüngere Bundestagskandidaten nutzten soziale Medien, aber auch die Spitzenkandidaten der Parteien waren mit eigenen Profilen vertreten. Besonders aktiv nutzte der Spitzenkandidat der FDP, Christian Linder, die sozialen Medien, um Wählerstimmen zu generieren. Er wurde zum Gesicht der Onlinekampagne der FDP.

Insgesamt spielten bei der Bundestagswahl 2017 also sowohl traditionelle Elemente eines mediatisierten Wahlkampfes wie Fernsehduelle und TV-Werbespots als auch neuere Elemente wie das Campaigning über die sozialen Netzwerke eine große Rolle (Matthias Degen 2019). Aufgrund der erhöhten Nutzung der sozialen Medien zu Wahlkampfzwecken entfachten zahlreiche Diskussionen über die Beeinflussbarkeit der politischen Debatten auf den Internetplattformen durch die Nutzung von Social Bots oder die Verbreitung von Fake News (Isabelle Borucki/Andrea Meisberger 2019).

Fussnoten

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Professor Dr. Karl-Rudolf Korte hat einen Lehrstuhl für Politikwissenschaft inne und ist Direktor der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen. Er ist zudem geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift für Politikwissenschaft.

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