Ein einheitliches Wahlgesetz auf EU-Ebene besteht nicht. Daher finden die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bei den Europawahlen Anwendung. Diese wiederum werden durch Übereinkünfte der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ergänzt. Historisch bedeutsam sind vor allem folgende:
a) Rechtsakt vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung
In diesem 16 Artikel umfassenden Rechtsakt wurden zentrale Bestimmungen zur Wahl des Europäischen Parlaments festgehalten, unter anderem:
die Wahl der Abgeordneten zur Versammlung zu einem festgelegten Termin, der in einen für alle Mitgliedstaaten festgelegten Zeitraum fällt und zwischen Donnerstagmorgen und dem unmittelbar nachfolgenden Sonntag liegt;
die Ermittlung des Wahlergebnisses nach Abschluss der Wahl in allen Mitgliedstaaten;
die Wahl der Abgeordneten auf fünf Jahre;
die konstituierende Sitzung des Europäischen Parlaments am ersten Dienstag einen Monat nach der Wahl;
die generelle Unvereinbarkeit von Abgeordnetenmandat mit der Mitgliedschaft in der Regierung eines Mitgliedstaates und mit politischen Ämtern oder Verwaltungsämtern bei Institutionen der Europäischen Gemeinschaft.
b) Beschlüsse des Europäischen Rates von Edinburgh am 11./12. Dezember 1992
Vor dem Hintergrund der Vereinigung der beiden deutschen Staaten und um möglichen künftigen Erweiterungen der Europäischen Union Rechnung zu tragen, einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten im Dezember 1992 darauf, die Anzahl der Sitze für die Mitgliedstaaten neu festzulegen. Die folgende Tabelle (Buch, S. 78) zeigt die aktuelle Verteilung der Sitze auf die Mitgliedstaaten.
c) Regelungen zur Unionsbürgerschaft im Vertrag zur Europäischen Union
Im Vertrag von Maastricht, der am 7. Februar 1992 unterzeichnet wurde, wurde die Einführung einer Unionsbürgerschaft für jene Personen festgelegt, die die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates besitzen – ein vor allem im Hinblick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament relevanter Aspekt. In Artikel 19, Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union heißt es hierzu: "Unbeschadet des Artikels 190, Absatz 4 und der Bestimmungen zu dessen Durchführung besitzt jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament, wobei für ihn dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats."
Mit dieser Regelung erhielten alle Bürgerinnen und Bürger der Union unabhängig davon, wo sie innerhalb des Hoheitsgebiets der Europäischen Union ihren Wohnsitz haben, die Möglichkeit zur Ausübung des passiven und des aktiven Wahlrechts bei den Europawahlen.
d) Richtlinie des Ministerrates vom 6. Dezember 1993
Artikel 19 des EG-Vertrags (EG-V) wurde in einer Richtlinie des Rates vom 6. Dezember 1993 präzisiert. Darin wurden unter anderem folgende Einzelheiten zur Ausübung des Wahlrechts für Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union festgelegt:
Eintragung des Unionsbürgers/der Unionsbürgerin in das Wählerverzeichnis des Wohnsitzmitgliedstaates;
Unionsbürger/-innen, denen in ihrem Herkunftsland das aktive Wahlrecht aberkannt wurde, verlieren dieses Recht auch in ihrem Wohnsitzland;
bei Kandidaturen zum Europäischen Parlament hat eine passiv Wahlberechtigte bzw. ein passiv Wahlberechtigter aus der Europäischen Gemeinschaft im Wohnsitzland die gleichen Nachweise zu erbringen wie eine nationale passiv Wahlberechtigte bzw. ein nationaler passiv Wahlberechtigter. Doppelkandidaturen in zwei Ländern der EU sind nicht zulässig;
der Wohnsitzmitgliedstaat unterrichtet die Betreffende/den Betreffenden über die Entscheidung über den gestellten Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis oder die Zulässigkeit der Kandidatur. Rechtsmittel gegen einen negativen Bescheid können nur im Rahmen der in dem jeweiligen Mitgliedstaat vorgesehenen Rechtsvorschriften eingelegt werden;
die Mitgliedstaaten müssen die passiv und die aktiv Wahlberechtigten über die Modalitäten des passiven und des aktiven Wahlrechts informieren;
Austausch von Informationen der Mitgliedstaaten untereinander, um doppelte Stimmabgaben und Doppelkandidaturen von Wahlberechtigten zu vermeiden.
e) Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997
In dem am 2. Oktober 1997 beschlossenen und am 1. Mai 1999 in Kraft getretenen Vertrag von Amsterdam wurden in den Artikeln 189 bis 201 EG-V die Organisation und die Kompetenz des Europäischen Parlaments festgelegt. Die Zahl der Abgeordneten wurde vor dem Hintergrund der anstehenden Erweiterung der Union auf 700 limitiert (Art. 189 EG-V) und das Parlament wurde aufgefordert, einen Entwurf für ein einheitliches europäisches Wahlrecht zu erarbeiten. Bei einer zukünftigen Änderung der Zahl der Abgeordneten sei eine "angemessene Vertretung der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten" zu gewährleisten (Art. 190, Abs. 2 EG-V). Damit sollte eine gleichmäßige Repräsentation der Bürgerinnen und Bürger im Parlament auch nach einer Erweiterung erreicht werden.
f) Regierungsvertrag von Nizza vom 10. März 2001
Dieser Vertrag nahm eine Neuverteilung der Sitze im Europäischen Parlament im Hinblick auf eine Europäische Union mit 27 Mitgliedern vor, die ab den europäischen Wahlen im Jahr 2004 galt. Gleichzeitig wurde die Gesamtzahl aller Abgeordneten für die nachfolgende Wahlperiode (2004–2009) auf maximal 732 festgesetzt. Da die Europäische Union im Jahr 2004 noch nicht 27 Mitgliedstaaten umfasste, wurde die Zahl der zu wählenden Abgeordneten anteilig bis zu einer Gesamtzahl von 732 erhöht. Diese Obergrenze wurde überschritten, da während der Wahlperiode weitere Mitglieder in die Europäische Union aufgenommen wurden und somit neue Abgeordnete ins Europäische Parlament eingezogen waren.
g) Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007
Die Anzahl der Abgeordneten im Europäischen Parlament wuchs bis zum Brexit auf 751 Abgeordnete, wie im Vertrag von Lissabon festgelegt. Da dieser Vertrag erst nach der Europawahl 2009 in Kraft tat, galt in der 7. Wahlperiode (2009–2014) eine Übergangsregelung, durch die die Mandatszahl auf 754 erhöht worden war. Infolge der Vertragsreform haben sich die Sitzanteile für die Mitgliedstaaten verändert. Betroffen ist insbesondere Deutschland, das nunmehr lediglich 96 statt bisher 99 Abgeordnete ins Europäische Parlament entsendet.
Über diese Vorgaben hinaus unterliegt die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments jedoch den Regelungen der nationalen Wahlgesetze in den EU-Mitgliedstaaten. Die Tabelle gibt unter anderem einen Überblick über das aktive und das passive Wahlrecht und die Wahlkreise in den 27 Staaten der Europäischen Union.