Die genannten Faktoren sind Bausteine im Mosaik der politischen Stabilität einer Demokratie. So wichtig diese ist, so schwer ist es, abzuwägen, wie sie vom Wahlsystem gefördert und wie sie gehemmt wird. Ein Vielparteiensystem gefährdet zweifellos die parlamentarische Demokratie – vielleicht führt aber ein Mehrparteiensystem zur Integration der Gesellschaft und zur Kontinuität der Regierungsausübung. In Großbritannien hat die Mehrheitswahl Stabilität gefördert. In Liberia dagegen trug sie zum Bürgerkrieg bei, weil ethnische Minderheiten keine Repräsentanten ins Parlament entsenden konnten, ihre Rechte verletzt sahen und schließlich zu den Waffen griffen. Allgemeine Antworten auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Wahlsystem und der Stabilität des politischen Systems sind nicht möglich. Viele Vorurteile in der öffentlichen Auseinandersetzung über Wahlrechtsänderungen bestimmen den politischen Diskurs. Wahlsysteme haben Auswirkungen auf die Verteilung der politischen Macht.
Änderungen sind jedoch nicht mit Manipulationen gleichzusetzen. Das jeweilige Wahlrecht lässt bestimmte Ergebnisse erwarten. Ob diese gerecht sind, ist eine ethische, keine politische Kategorie. Die mathematischen Verrechnungsverfahren müssen jedoch durch eine demokratisch legitimierte Legislative beschlossen worden sein.
Bei der Bewertung von Wahlsystemen lassen sich grundsätzlich zwei Maßstäbe anlegen:
Gerechtigkeit: Ein Wahlsystem soll vor allem gerecht sein. Das Parlament soll die Verhältnisse der Gesellschaft möglichst exakt widerspiegeln. Der Maßstab zur Bewertung des Wahlrechts ist daher die Gerechtigkeit.
Funktionalität: Eine Demokratie soll vor allen Dingen funktionieren. Das geht am besten, wenn es zwei große Parteien gibt, die um die Macht konkurrieren müssen und sich in der Regierungsverantwortung immer wieder abwechseln. Die Wahl soll deshalb einer Partei zu einer soliden Mehrheit verhelfen, sodass eine stabile Regierung gebildet werden kann. Sie soll zudem den Regierungswechsel fördern.
Es ist offensichtlich, dass die Verhältniswahl eher die Kriterien der Gerechtigkeit erfüllt, während die Mehrheitswahl die Funktionalität fördert. Beide Positionen sind einleuchtend: Natürlich soll das Wahlrecht gerecht sein. Es ist aber auch nicht von der Hand zu weisen, dass das Wahlergebnis ein funktionierendes Staatswesen ermöglichen muss. Diese Grundpositionen schließen sich in gewisser Weise aus – aber nicht völlig: Es wäre dogmatisch und kurzsichtig, die Wahlsysteme auf die reine Verhältniswahl à la Weimar und die relative Mehrheitswahl à la Großbritannien zu verkürzen. Man würde so den Reichtum an Variationen und die unterschiedlichen Wirkungen der Wahlsysteme beiseitewischen.