Und die Geschichte geht doch weiter…
Die Vorträge des neunten Panels der Tagung blickten auf die Transformationsphase nach dem Ende des Kalten Krieges – und zeichneten dabei auf unterschiedliche Weise nach, dass sich die Geschichte nach 1989 keineswegs so linear entwickelt hat, wie es der viel zitierte Satz vom "Ende der Geschichte" des Historikers Francis Fukuyama nahelegen mag.
Claudia Kraft (Institut für Zeitgeschichte, Uni Wien) etwa stellte in ihrem Vortrag heraus, dass sich die fortschreitende Gleichstellung der Geschlechter ("Gender Equality") in der Vergangenheit selten parallel zur Demokratisierung entwickelt hat. Besonders gut könne man dies anhand der Transformationsgeschichten der postsowjetischen Staaten sehen: Kraft betonte, dass die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen vieler ehemaliger Ostblock-Staaten in den 1990er Jahren oftmals von einem Wiedererstarken traditioneller Geschlechter- und Rollenbilder geprägt war.
Roman Stegherr (Ludwig Maximilian Universität München) stellte die Diagnose, dass die Ausbreitung demokratischer Strukturen nach "westlichem" Vorbild in den postsowjetischen Staaten zu einem Ende gekommen sei. Die autoritären Entwicklungen in vielen osteuropäischen Staaten beschrieb Stegherr als illiberale Revolutionen. Deren Charakter spiegele sich insbesondere in den öffentlichen Geschichtsbildern wider, die konservative Intellektuelle etwa in Serbien, Slowenien oder der Tschechischen Republik vom 20. Jahrhundert zeichneten.
Dass dieses Narrativ der "illiberalen Demokratien" bereits Mitte der 1990er Jahre als zeitgenössische Interpretation kursierte, konnte Roman Birke (Universität Wien) in seinem Vortrag herausarbeiten. Birke hat die politische und ideologische Neuorientierung der US-amerikanischen Sicht auf ihre Außenpolitik nach 1989 untersucht – und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass eindeutige „Siegergeschichten“ bereits Mitte der 1990er Jahre abnahmen und der offene Charakter der Entwicklung herausgestellt wurde.
Von: Lisa Philippen