Im fünften Panel der Tagung befassten sich Simone Eick, Olga Radchenko und Karin Scherschel mit dem Themenkomplex „Flucht und Vertreibung“.
Simone Eick stellte eine Vergleichsstudie vor, die das Schicksal von drei Geflüchteten thematisierte: ein deutscher Zahnarzt, der während des Ersten Weltkriegs in russische Gefangenschaft kam, eine jüdische Ärztin, die vor dem Nationalsozialismus in die USA floh, und ein kurdisch-syrischer Ingenieur, der in Deutschland Zuflucht vor dem syrischen Bürgerkrieg fand. Alle drei hatten in ihren Heimatländern eine gute Ausbildung genossen und über ein stabiles soziales Netzwerk verfügt. Zentrale Fragen des Vortrags waren deshalb, wie unterschiedlich die Betroffenen mit der Furcht vor beziehungsweise dem Verlust des sozialen Status umgegangen sind und welche Strategien sie im Umgang mit der Ohnmacht entwickelten.
Olga Radchenkos Vortrag handelte von einer besonderen Form der erzwungenen Migration: Deportation. Radchenko zeichnete die Geschichte von 912 Wiener Juden nach, die 1939 zunächst vom NS-Regime nach Polen, später von der Sowjetunion nach Nordrussland deportiert wurden. Einige von ihnen wurden nach Ende des Zweiten Weltkriegs daran gehindert, in ihre Heimat nach Wien zurückzukehren.
Im dritten Beitrag beschäftigte sich Karin Scherschel mit der Beziehung zwischen Demokratie, erzwungener Migration und Staatsbürgerschaft. Vor dem Hintergrund, dass Geflüchtete in ihren Zufluchtsländern keine staatsbürgerlichen Rechte haben und damit kaum am politischen Entscheidungsprozess teilnehmen können, wurde abschließend im Plenum die Frage diskutiert, welche Möglichkeiten Geflüchtete haben, um über ihre eigenen Lebensbedingungen zu entscheiden.
Von: Lorenz Abu Ayyash