Aufgabe der Rechtsprechung ist die Wahrung und Durchsetzung des Rechts. Dafür hat der Staat Gerichte eingerichtet. Sie entscheiden bei Rechtskonflikten zwischen Staat und Bürger und zwischen einzelnen Bürgern in einem Verfahren nach festgelegten Regeln, was rechtens ist.
Ihre Entscheidung, der Rechtsspruch, ist unanfechtbar und für alle Beteiligten bindend, sobald sie rechtskräftig ist. Notfalls kann sie zwangsweise durchgesetzt werden.
Das Grundgesetz garantiert in einer Reihe von Verfassungsbestimmungen eine Rechtsprechung nach den Prinzipien des Rechtsstaates.
Richterliche Unabhängigkeit
Die Rechtsprechung ist nach Art. 92 GG den Richtern anvertraut. Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (Art. 97 GG). Sie unterliegen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben keinerlei Weisungen.
Ein Richter muss auch dann nach dem Gesetz entscheiden, wenn es seiner Rechtsauffassung widerspricht. Hält ein Richter in einem konkreten Einzelfall das anzuwendende Gesetz für nicht vereinbar mit dem Grundgesetz, muss er nach Art. 100 GG eine Entscheidung des zuständigen Verfassungsgerichts einholen. Das ist bei Landesgesetzen das Landesverfassungsgericht, bei Bundesgesetzen das Bundesverfassungsgericht.
Richter können nicht abgesetzt oder versetzt werden. Eine Dienstaufsicht sorgt lediglich dafür, dass sie ihre Amtsgeschäfte ordnungsgemäß erledigen. Nur bei schweren Dienstpflichtverletzungen, etwa Unterschlagung von Beweismaterial, kann ein Richter entlassen werden.
Die richterliche Unabhängigkeit soll eine unparteiische Rechtsprechung sichern. Darüber hinaus enthält das Grundgesetz eine Anzahl von Bestimmungen, die dem Schutz des Bürgers in einem Gerichtsverfahren dienen, die so genannten justiziellen Grundrechte (Art. 101, 103, 104 GG).
Recht auf den gesetzlichen Richter
Artikel 101
(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.
(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.
Das Grundgesetz verbietet Ausnahmegerichte. Es darf beispielsweise keine Sondergerichte geben, die nur politische Straftaten oder nur Sittlichkeitsdelikte aburteilen. Durch Gesetz ist geregelt, welches Gericht für eine Sache zuständig ist, zum Beispiel das Amtsgericht, das Verwaltungsgericht, das Arbeitsgericht.
Auch innerhalb der Gerichte legt ein Geschäftsverteilungsplan fest, welcher Richter einen Fall zu übernehmen hat. Es wäre unzulässig, einen Fall dem nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Richter zu entziehen und einem anderen zu übertragen, weil dieser als besonders streng oder milde gilt. Hierzu gehört auch das Recht, einen Richter wegen Befangenheit abzulehnen. Es kommt nicht darauf an, ob der Richter wirklich befangen ist, schon die begründete Vermutung, er könne nicht objektiv entscheiden, genügt zur Antragstellung. Über den Antrag entscheidet ein Gericht.
Anspruch auf rechtliches Gehör
Artikel 103
(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.
Wer vor Gericht steht, als Partei in einem Zivilprozess oder als Angeklagter in einem Strafverfahren, muss Gelegenheit haben, sich zu dem Sachverhalt zu äußern. Das Gericht darf nur solche Tatsachen berücksichtigen, zu denen alle Beteiligten Stellung nehmen konnten.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs geht auf sehr alte Rechtstraditionen zurück und findet einen prägnanten Ausdruck in der römischen Formel "Audiatur et altera pars" (Auch die andere Seite soll gehört werden). Drei Viertel aller Verfassungsbeschwerden nach Art. 93 Abs. 4a haben eine Verletzung dieses Grundsatzes zum Gegenstand.