In den Gemeinden kommt der Einzelne am unmittelbarsten mit öffentlichen Angelegenheiten in Berührung: Stromversorgung, Müllabfuhr und Sozialhilfe sind kommunale Aufgaben. Zugleich hat der Bürger hier am ehesten Möglichkeiten, mitzuwirken.
Artikel 28 (1) (...) In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. (...) In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten. (2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. (...)
In den Gemeinden kommt der Einzelne am unmittelbarsten mit öffentlichen Angelegenheiten in Berührung. Zugleich hat der Bürger in der Gemeinde am ehesten Möglichkeiten, an den öffentlichen Angelegenheiten mitzuwirken.
Die Selbstverwaltung der Gemeinden, die Art. 28 GG garantiert, hat in Deutschland eine lange Tradition. Ihre Anfänge gehen zurück auf das Mittelalter, als in den Städten die Gilden der Kaufleute und die Zünfte der Handwerker die Beteiligung an der Stadtregierung durchsetzten.
Als Geburtsstunde der kommunalen Selbstverwaltung gilt die preußische Städteordnung des Freiherrn vom Stein von 1808, auch wenn nur jenen Bürgern das Recht zur Wahl der Stadtverordneten zustand, die über Grundbesitz verfügten oder die selbstständig ein Gewerbe ausübten, und Frauen überhaupt kein Wahlrecht hatten.
Rechtliche Stellung
Im föderalistischen System der Bundesrepublik Deutschland stehen die Gemeinden nach dem Bund und den Ländern auf der untersten Ebene des dreistufigen Verwaltungsaufbaus. Sie haben im Rahmen der Selbstverwaltung eigene Zuständigkeiten und eine eigene Finanzwirtschaft. Staatsrechtlich gehören sie aber zur Ebene der Länder. Die Landtage bestimmen die Kommunalverfassungen und die Gemeindegrenzen. Bund und Land weisen ihnen Aufgaben zu und entscheiden, welche Finanzmittel ihnen zustehen. Die Landesregierungen üben die Aufsicht über die Gemeindeverwaltungen aus. Die Kommunen haben keine Vertretung mit weitreichenden verfassungsrechtlichen Mitwirkungsbefugnissen, wie etwa die Länder im Bundesrat.
GemeindenSytematik des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden
Die Personalhoheit: Sie räumt den Gemeinden das Recht ein, das Personal auszuwählen, anzustellen, zu befördern und zu entlassen.
Die Organisationshoheit: Sie umfasst das Recht der Gemeinden zur eigenen Gestaltung der Verwaltungsorganisation.
Die Planungshoheit: Sie räumt den Gemeinden das Recht ein, Bauleitpläne (Flächennutzungs- und Bebauungspläne) in eigener Verantwortung aufzustellen, um das Gemeindegebiet zu ordnen und zu gestalten.
Die Rechtsetzungshoheit: Sie enthält das Recht, kommunale Satzungen zu erlassen.
Die Finanzhoheit: Sie gibt den Gemeinden das Recht zu eigenverantwortlicher Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft.
Die Steuerhoheit: Sie räumt den Gemeinden das Recht zur Erhebung von Steuern ein (soweit dieses Recht nicht durch übergeordnete Gesetze zum Finanzausgleich wieder rückgängig gemacht wurde).
Quelle: Wolfgang Gisevius, Leitfaden durch die Kommunalpolitik, Bonn 1991, S. 24.
Aufgaben
Aus dieser rechtlichen Stellung der Kommunen folgt, dass sie eigene Aufgaben im Rahmen der Selbstverwaltung und Aufgaben im Auftrag von Bund und Land wahrnehmen.
Eigene Aufgaben sind die ursprünglichen Angelegenheiten einer jeden Gemeinde; sie gehören zum "eigenen Wirkungskreis". Sie können freiwillig sein oder vom Staat als Pflicht vorgeschrieben werden. Hier mischt sich der Staat nicht in die Ausführung ein, er gibt keine Weisungen.
Die Gemeinden haben aber auch viele Aufgaben zu erfüllen, die ihnen der Staat überträgt, das sind Aufgaben des "übertragenen Wirkungskreises". Der Staat bedient sich der Behördenorganisation der Gemeinden und überwacht mittels Weisungen die Ausführung, damit sie überall im Lande einheitlich erfolgt.
Freiwillige Aufgaben erfüllt eine Gemeinde nach eigenem Ermessen und nach ihren finanziellen Möglichkeiten. Sie entscheidet, ob sie ein neues Schwimmbad baut, neue Busse anschafft, ein Heimatmuseum einrichtet, welche Zuschüsse das Stadttheater und die örtlichen Vereine erhalten.
Pflichtaufgaben ohne Weisung sind beispielsweise die Müllabfuhr, die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser, der Bau von Kindergärten und Schulen. Der Kommune ist überlassen, wie sie das regelt. Zunehmend werden diese Aufgaben privaten Unternehmen übertragen. Pflichtaufgaben nach Weisung müssen von der Gemeinde nach staatlichen Vorgaben erledigt werden; dazu gehören die Auszahlung von Sozialhilfe und Wohngeld, die Bereitstellung von Feuerwehr, Rettungsdiensten und Katastrophenschutz, die Durchführung von Gemeindewahlen.
Staatliche Auftragsangelegenheiten führt die Kommunalverwaltung für ihren Bereich als unterste staatliche Behörde aus, zum Beispiel eine Volkszählung, die Erfassung der Wehrpflichtigen, die Durchführung der Bundestags- und Landtagswahlen.
Finanzen
Die Einnahmen der Gemeinden kommen etwa zu je einem Drittel aus folgenden Quellen:
Steuern werden von der Gemeinde selbst festgesetzt: Gewerbesteuer, Grundsteuer und verschiedene Steuern mit geringem Aufkommen, wie die Getränkesteuer und die Hundesteuer. Außerdem erhalten die Gemeinden 15 Prozent der Lohn- und Einkommenssteuer ihrer Bürger. Dafür müssen sie einen Teil ihrer Gewerbesteuereinnahmen an den Bund und das Land abgeben.
Gebühren und Beiträge werden erhoben für Dienstleistungen und Einrichtungen, zum Beispiel Eintrittsgelder für Bäder, Teilnehmerentgelte für Volkshochschulen, Gebühren für die Ausstellung eines Personalausweises und für die standesamtliche Trauung.
Finanzzuweisungen von Bund und Ländern: Den Gemeinden steht ein Teil der Steuereinnahmen der Länder zu, die nach einem Schlüssel verteilt werden. Dabei werden die Unterschiede zwischen "reichen" und "armen" Gemeinden in einem gewissen Maß ausgeglichen (Finanzausgleich). Die Gemeinden können über diese zugewiesenen Mittel frei verfügen.
Darüber hinaus gibt es zweckgebundene Zuweisungen. Das sind Zuschüsse für Investitionen, wie Wohnungsbau, öffentliche Verkehrsmittel, Stadtsanierung oder Erneuerung des Ortskerns. Hier behalten sich die Zuschussgeber vor, über die Verwendung mitzuentscheiden. Manche Projekte werden nur deshalb realisiert, weil es dafür Zuschüsse gibt. Inzwischen können Gemeinden auch zweckgebundene Zuschüsse von der Europäischen Union erhalten.
Kommunalverfassungen
Im wiedervereinigten Deutschland gab es am 30. Juni 2009 12.137 Gemeinden, davon 8.481 in den alten Bundesländern (ohne Berlin-West) und 3.655 in den neuen Ländern (ohne Berlin-Ost) und Berlin gesamt. Wie zuvor in den alten Bundesländern senken inzwischen Gebietsreformen die Zahl der selbstständigen Gemeinden auch in den neuen Bundesländern drastisch. Das ist notwendig, weil größere Gemeinden ihre Aufgaben organisatorisch und finanziell besser erfüllen können. So lassen sich die kommunalen Einrichtungen vom Schwimmbad bis zur Kläranlage für größere Gebiete besser planen.
Gemeinden (auch Kommunen, von lateinisch communis = öffentlich, gemeinsam) im politisch-administrativen Sinne sind alle Gebietskörperschaften vom Dorf bis zur Millionenstadt. Die Gemeinden eines bestimmten Gebietes (Kreisgebiet) bilden einen Gemeindeverband, den Landkreis. Große Städte sind kreisfrei, sie gehören zu keinem Landkreis, sondern bilden selbst einen Stadtkreis. Eine Besonderheit stellen die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen dar. Sie sind zugleich Land und Gemeinde.
Die Zuständigkeit für die Gemeinden liegt bei den Ländern. Sie erließen nach 1945 per Gesetz jeweils eigenständige Kommunalverfassungen (Gemeindeordnungen), entsprechend den Traditionen der Selbstverwaltung auf ihrem Gebiet. Auch Einflüsse der Besatzungsmächte haben eine Rolle gespielt und zu vier sehr unterschiedlichen Modellen geführt. Inzwischen hat sich fast überall die Süddeutsche Ratsverfassung durchgesetzt, manchmal mit geringen Abweichungen. Sie wird so genannt, weil sie nach dem Zweiten Weltkrieg in Baden-Württemberg und Bayern eingeführt worden ist. Lediglich in Hessen gilt noch die Magistratsverfassung, die auf die preußische Städteordnung des Freiherrn vom Stein von 1808 zurückgeht.
Rat und Bürgermeister
Das oberste beschließende Organ einer Gemeinde ist die gewählte Vertretung der Bürger. Sie trägt unterschiedliche Bezeichnungen: Gemeinderat, Stadtrat, Gemeindevertretung, Stadtverordnetenversammlung.
Der Rat ist kein Parlament. Seine Verfahrensabläufe ähneln jedoch denen anderer Volksvertretungen. Es gibt Ausschüsse und Fraktionen, einflussreiche Ausschuss- und Fraktionsvorsitzende.
Der Bürgermeister hat in der Süddeutschen Ratsverfassung eine starke Stellung. Er ist Vorsitzender des Rates und zugleich Chef der Verwaltung, schließlich auch Repräsentant und Rechtsvertreter der Gemeinde. Er wird von den Bürgern direkt gewählt und verfügt damit über eine eigenständige demokratische Legitimation. Das verstärkt seine Durchsetzungskraft, weil er seine Vorstellungen unter Berufung auf den Volkswillen in die Tat umsetzen kann.
Die Direktwahl des Bürgermeisters ist nicht das einzige basisdemokratische Element, das mit der Übernahme der Süddeutschen Ratsverfassung in ganz Deutschland eingeführt worden ist. Dazu gehört auch das Kumulieren und das Panaschieren bei den Wahlen zum Gemeinderat. Die Wähler müssen sich nicht strikt an die vorgegebenen Listen halten, sondern können als besonders geeignet eingeschätzte Kandidaten durchsetzen.
Aufgaben, die die Leistungsfähigkeit einer Gemeinde übersteigen, übernimmt der Landkreis. So unterhalten Landkreise Schulen, Krankenhäuser und Kreisstraßen. Sie sind ferner zuständig für die Müllbeseitigung und den öffentlichen Personennahverkehr. Die Institutionen der Landkreise entsprechen denen der Gemeinden. Die gewählte Vertretung ist der Kreistag, an der Spitze der Verwaltung steht der Landrat. Ebenso wie die Bürgermeister in den Städten werden in den meisten Ländern die Landräte direkt von der Bevölkerung gewählt (Ausnahme: Baden-Württemberg, Brandenburg).
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid In den Kommunalverfassungen aller Bundesländer gibt es Elemente direkter Demokratie. Die Bürger können dort in einem Bürgerantrag verlangen, dass eine wichtige Gemeindeangelegenheit, beispielsweise die Einrichtung eines Gymnasiums, der Bau eines Schwimmbades oder einer Stadthalle, auf die Tagesordnung des Gemeinderates gesetzt wird. Sie können darüber hinaus in einem Bürgerbegehren verlangen, dass die Entscheidung in einer solchen Angelegenheit von ihnen selbst in einer Abstimmung, dem Bürgerentscheid, getroffen wird. Der Rat kann auch von sich aus einen Bürgerentscheid ansetzen.
Alle diese Mitwirkungsrechte sind an eine Mindestbeteiligung gebunden. Einen Bürgerantrag müssen zwischen 5 und 10 Prozent der Abstimmungsberechtigten unterzeichnen, ein Bürgerbegehren muss von 10 bis 15 Prozent unterstützt werden, und um einem Bürgerentscheid zum Erfolg zu verhelfen, muss die Mindestbeteiligung 25 bis 30 Prozent der Abstimmungsberechtigten ausmachen.
Aus: Pötzsch, Horst: Die Deutsche Demokratie. 5. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2009, S. 120-125.
Der Historiker und Politologe Horst Pötzsch war bis 1992 Leiter der Abteilung "Politische Bildung in der Schule" der Bundeszentrale für politische Bildung.
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