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Bundestag

Horst Pötzsch

/ 12 Minuten zu lesen

Die Bundestagsabgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. Im Parlament sind sie in Ausschüssen und Fraktionen organisiert. Sie sind nicht an Aufträge und Weisungen ihrer Wähler oder Partei gebunden, sondern nur ihrem Gewissen verpflichtet.

Übersicht vom Plenum des Deutschen Bundestags (© AP)

Artikel 20
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Art. 20 Abs. 2 GG legt für die Staatsordnung der Bundesrepublik Deutschland den Grundsatz der repräsentativen Demokratie fest. Das Volk übt die Staatsgewalt nicht direkt aus, sondern überträgt sie auf gewählte Körperschaften, die Parlamente, für den Gesamtstaat auf den Bundestag, für die Länder auf die Landtage, für Kreise, Städte und Gemeinden auf kommunale Selbstverwaltungskörperschaften. Die Parlamente sind die einzigen Verfassungsorgane, die vom Volk direkt gewählt werden. Das verleiht ihnen eine besondere Legitimation.

Die übrigen Verfassungsorgane werden von den Parlamenten bestellt. So wählen die Parlamente die Regierungschefs, der Bundestag den Bundeskanzler und die Landtage die Ministerpräsidenten. Der Bundestag wählt – zusammen mit dem Bundesrat – die Richter des Bundesverfassungsgerichts und – zusammen mit Delegierten aus den Landesparlamenten in der Bundesversammlung – den Bundespräsidenten.

Abgeordnete

Artikel 38
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Freies Mandat

In der Bundesrepublik Deutschland gilt, wie in allen anderen repräsentativen Demokratien, der Grundsatz des freien Mandats. Die Abgeordneten gelten als Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind daher nicht an Aufträge und Weisungen ihrer Wähler und ihrer Partei gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Das Gegenteil des freien Mandats ist das imperative Mandat, wie es in den Ständeversammlungen bis ins 19. Jahrhundert hinein üblich war. Dort waren die Ständevertreter ihren Wählern Rechenschaft schuldig und konnten abberufen werden, wenn sie deren Weisungen nicht nachkamen. Ein imperatives Mandat führt dazu, dass Abgeordnete in allen Entscheidungen von der "Basis" abhängen. Sie müssen jedes Mal darauf achten, dass ihr Stimmverhalten die Zustimmung ihrer Wähler findet. Damit werden Kompromisse erschwert oder unmöglich gemacht.

Der Grundsatz des freien Mandats steht in einem Spannungsverhältnis zu der in Art. 21 GG verankerten Rolle der Parteien als wesentlichen Trägern der politischen Willensbildung. Im Parteienstaat ist das Parlament, so könnte man argumentieren, auch von der Verfassung her ein Parteienparlament. Abgeordnete, die als Angehörige einer Partei gewählt wurden, wären dann an die Anweisungen ihrer Partei gebunden. Dagegen schützt sie Art. 38 GG.

Das freie Mandat bedeutet nicht, dass Abgeordnete nach Belieben und ohne Rücksicht auf ihre Wähler, ihre Partei oder Fraktion abstimmen können. Es bewahrt sie jedoch davor, bei einem Konflikt mit ihrer Fraktion ihr Mandat zu verlieren. Das von den Grünen 1987 vereinbarte, aber bald gescheiterte "Rotationsprinzip" – ihre Abgeordneten sollten nach der Hälfte der Legislaturperiode ihr Bundestagsmandat niederlegen und Nachfolgern Platz machen – ist nur auf freiwilliger Basis erlaubt, ein Zwang wäre verfassungswidrig.

Artikel 46
(1) Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen. (2) Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.

Artikel 47
Die Abgeordneten sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Soweit dieses Zeugnisverweigerungsrecht reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.

Rechte

Die Unabhängigkeit der Abgeordneten wird durch eine Reihe von Vorrechten geschützt, die im Grundgesetz verankert sind:

  • Indemnität: Abgeordnete dürfen nach Art. 46 Abs. 1 GG wegen ihres Abstimmungsverhaltens oder wegen Äußerungen im Bundestag – außer "für verleumderische Beleidigungen" – nicht verfolgt oder belangt werden. Die Indemnität dauert auch nach Beendigung des Mandats fort und kann nicht aufgehoben werden. Sie garantiert, dass Abgeordnete ihrem Gewissen folgen und von ihrer Redefreiheit Gebrauch machen können, ohne Nachteile befürchten zu müssen.

  • Immunität: Abgeordnete sind – zunächst – vor Strafverfolgung geschützt. Nach Art. 46 Abs. 2 GG dürfen sie für Straftaten nur dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn der Bundestag dem zustimmt. Die Immunität besteht nur, solange die Abgeordneten ihr Mandat ausüben.

  • Zeugnisverweigerungsrecht: Abgeordnete brauchen nach Art. 47 GG über Personen, die ihnen vertrauliche Mitteilungen gemacht haben, keine Auskunft zu geben.

Diäten

Die Abgeordneten des Bundestages und zumeist auch der Landtage beziehen für ihre Tätigkeit ein Einkommen. Sie sind Berufspolitiker, die eine Ganztagsbeschäftigung ausüben und einen Anspruch auf eine angemessene Entlohnung haben. Diese Entlohnung muss "für sie und ihre Familien eine ausreichende Existenzgrundlage abgeben können. Sie muss außerdem der Bedeutung des Amtes unter Berücksichtigung der damit verbundenen Verantwortung und Belastung und des diesem Amt im Verfassungsgefüge zukommenden Ranges gerecht werden"("Diätenurteil" des BVerfG, 1975).

Als vergleichbar mit Bundestagsabgeordneten wurden Bürgermeister von Gemeinden mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern und Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes angesehen. Die Jahresbezüge dieser Personengruppen wurden bisher nicht erreicht. Die Abgeordnetenentschädigung betrug seit dem 1. Januar 2008 monatlich 7.339 Euro und beträgt seit dem 1. Januar 2009 7.668 Euro. Die Entschädigungen sind einkommensteuerpflichtig.

Darüber hinaus erhalten die Abgeordneten eine steuerfreie Kostenpauschale. Davon sind vor allem die Kosten für das Büro im Wahlkreis sowie für die Zweitwohnung und den Lebensunterhalt am Parlamentssitz zu bestreiten. Die Pauschale wird jährlich zum 1. Januar an die Lebenshaltungskosten angepasst. Sie belief sich im Jahr 2009 auf 3868 Euro im Monat. Dem Abgeordneten stehen überdies monatlich 14.712 Euro zu, um Mitarbeiter (Assistenten, Hilfskräfte) zu bezahlen. Der Abgeordnete erhält diese Summe nicht selbst, sondern die Bundestagsverwaltung bezahlt die von den Abgeordneten eingestellten Mitarbeiter unmittelbar.

Die Einkünfte der Abgeordneten werden in der Öffentlichkeit immer wieder kritisiert. Unbestritten ist, dass die Abgeordneten einen Anspruch auf Entlohnung haben. Umstritten ist jedoch die Höhe der Einkünfte und die Tatsache, dass die Abgeordneten sie selbst beschließen. Letzteres ist jedoch in dem "Diätenurteil" vom Bundesverfassungsgericht festgelegt worden. Die Entlohnung liegt weit über dem Durchschnittseinkommen, reicht aber nicht an die vieler freier Berufe (Ärzte, Rechtsanwälte) und von Angehörigen des mittleren Managements in der Wirtschaft (Abteilungsleiter, Leiter einer Bankfiliale) heran. Eine unabhängige Kommission kam 1990 zu dem Ergebnis, dass Entschädigung und Pauschale um 30–40 Prozent unter dem angemessenen Betrag liegen. Die Entschädigung ist von 1977 (7.500 DM) bis 2008 (7.339 Euro) um 91 Prozent erhöht worden; dieser Anstieg blieb hinter der allgemeinen Entwicklung der Einkommen zurück.

Fraktionen

Die Abgeordneten einer Partei im Parlament bilden eine Fraktion. Zur Bildung einer Fraktion ist eine Mindestzahl von Abgeordneten nötig. Im Bundestag sind es 5 Prozent, was bei 622 Abgeordneten im 17. Deutschen Bundestag eine Mindestfraktionsstärke von 31 ergibt. Bleiben die Abgeordneten einer Partei unter dieser Fraktionsstärke, können sie sich zu einer Gruppe zusammenschließen und als solche durch Bundestagsbeschluss anerkannt werden. Sie haben nicht so weitreichende Rechte wie Fraktionen.

Die Fraktionen organisieren und steuern die Arbeit im Parlament. Sie besetzen entsprechend ihrer Stärke das Präsidium, den Ältestenrat und die Ausschüsse. Nur Fraktionen oder so viele Abgeordnete, wie es der Mindeststärke einer Fraktion entspricht, sind zu Initiativen berechtigt. Beispielsweise können sie Gesetzesvorlagen einbringen oder Große und Kleine Anfragen beim Präsidium einreichen. Diese Bestimmung verhindert, dass einzelne Abgeordnete mit einer Vielzahl von Anträgen oder Anfragen die Arbeit des Parlaments lahmlegen. Jeder Abgeordnete hat jedoch das Recht, ohne Beschränkung mündliche Anfragen zu stellen.

Die Fraktionen selbst sind straff organisiert. An ihrer Spitze steht der Fraktionsvorsitzende, zum Vorstand gehören seine Stellvertreter und die Parlamentarischen Geschäftsführer. Die Fraktionsvorsitzenden sind die einflussreichsten Abgeordneten; die der Regierungsparteien stimmen die politische Willensbildung von Fraktionen und Regierung aufeinander ab, der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion ist im Bundestag Gegenspieler des Bundeskanzlers und oft Kanzlerkandidat der Opposition.

Die Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag (© Deutscher Bundestag)

Die Parlamentarischen Geschäftsführer sorgen für den reibungslosen Ablauf der parlamentarischen Arbeit. Sie bereiten Sitzungen vor, planen die Tagesordnung und sorgen für Präsenz und Geschlossenheit ihrer Fraktionen. Die Fülle der Politikbereiche erfordert eine Arbeitsteilung in der Fraktion. Der einzelne Abgeordnete spezialisiert sich auf bestimmte Sachgebiete. In Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen beraten diese Sachverständigen Gesetzesentwürfe und andere Anträge und bereiten die Entscheidungen vor. Die Fraktion folgt in der Regel den Vorschlägen ihrer Sachverständigen.

Fraktionsdisziplin/Fraktionszwang

Abgeordnete sind als Mitglieder ihrer Partei gewählt, deren grundlegende politische Überzeugungen sie mit den anderen Mitgliedern ihrer Fraktion teilen. Sie haben das Interesse, dass die politischen Vorstellungen ihrer Partei sich durchsetzen und diese die nächsten Wahlen gewinnt. Nur wenn die Fraktion geschlossen auftritt, erscheint sie entscheidungs- und handlungsfähig. Öffentliche Auseinandersetzungen und abweichendes Stimmverhalten werden als "Zerstrittenheit" gewertet und mindern die Wahlchancen.

Abgeordnete können für ihre Auffassungen in den Arbeitskreisen/Arbeitsgruppen, in informellen Gesprächsrunden oder im Fraktionsplenum werben. Vor der entscheidenden Abstimmung kommt es manchmal zu heftigen Auseinandersetzungen. Wenn die Fraktion mit Mehrheit entschieden hat, sind ihre Mitglieder daran gebunden. Die Fraktionsdisziplin, die freiwillige Unterordnung unter die Mehrheitsbeschlüsse der Fraktion, unterscheidet sich vom Fraktionszwang, der dem Grundsatz des freien Mandats widerspricht. Bei sehr umstrittenen Entscheidungen (Beispiele: Notstandsgesetzgebung 1968; Abstimmung über die Ostverträge 1972) haben beträchtliche Minderheiten gegen die Linie ihrer Fraktionen gestimmt.

Bei ausgesprochenen "Gewissensfragen" (Beispiele: Abtreibung, Verlängerung der Verjährungsfrist für NS-Verbrechen, Einsätze der Bundeswehr bei UN-Friedensmissionen) gibt die Fraktionsführung die Abstimmung in der Regel frei.

Ständige Ausschüsse des 17. Deutschen Bundestages. (© Deutscher Bundestag)

Ausschüsse

Für den Bundestag als Ganzes gilt wie für die Fraktionen das Prinzip der Arbeitsteilung. Die eigentliche parlamentarische Arbeit wird in den Ausschüssen geleistet. Die Ausschüsse entsprechen den Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen der Fraktionen. Deren Mitglieder sind meist zugleich die Vertreter ihrer Fraktionen in entsprechenden Fachausschüssen. In den Ausschüssen werden die Gesetzesentwürfe und sonstige Initiativen diskutiert und formuliert, um dann dem Plenum zur Beschlussfassung vorgelegt zu werden.

Die Ausschüsse tagen in der Regel nicht öffentlich. Daher kann dort ungezwungener und sachlicher debattiert werden als in den öffentlichen Sitzungen des Plenums. Auch die Ausschussmitglieder der Opposition haben so die Chance, einen erheblichen Einfluss auszuüben. Es gibt ständige Ausschüsse, die die gesamte Legislaturperiode über bestehen, und solche, die für eine bestimmte Aufgabe gebildet und nach deren Erledigung wieder aufgelöst werden, zum Beispiel "Untersuchungsausschüsse". In Art. 45, 45a GG ist festgelegt, dass Ausschüsse für Angelegenheiten der Europäischen Union, für auswärtige Angelegenheiten und für Verteidigung gebildet werden müssen.

Ständige Ausschüsse Der Bundestag hat zu Beginn der 17. Legislaturperiode 22 ständige Ausschüsse gebildet, denen zwischen 13 und 41 Abgeordnete angehören. Die Fraktionen besetzen die einzelnen Ausschüsse entsprechend ihrem Stärkeverhältnis, ebenso werden die Ausschussvorsitzenden anteilmäßig von den Fraktionen gestellt.

Die Arbeitsgebiete der meisten Ausschüsse entsprechen denen der Bundesministerien. Jedem Ministerium ist in der Regel ein Fachausschuss zugeordnet, zum Beispiel der Auswärtige Ausschuss dem Auswärtigen Amt und der Rechtsausschuss dem Bundesministerium der Justiz.

Einige Ausschüsse haben besondere Aufgaben, die nicht an ein bestimmtes Fachressort gebunden sind. Dazu gehören der Petitionsausschuss und der wichtigste und mächtigste Ausschuss, der Haushaltsausschuss. Er entscheidet über die Höhe der Geldmittel, die den einzelnen Ministerien und Behörden zugewiesen werden. Außerdem hat er ein Mitspracherecht bei allen Gesetzen, die mit Geldausgaben verbunden sind. Sein Vorsitzender ist traditionell ein Mitglied der größten Oppositionsfraktion.

Plenum

Themengrafik Bundestag: Fraktionen haben eine besondere Rolle im Bundestag. Zum Öffnen der PDF-Version (78 KB) klicken Sie bitte auf das Bild. Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Das Plenum ist die "Vollversammlung", eigentlich der Bundestag schlechthin. Nur das Bundestagsplenum kann rechtswirksame Beschlüsse fassen. Der Bundestag ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Viele Beschlüsse kommen allerdings zustande, wenn weit weniger Abgeordnete anwesend sind. In den Fraktionen und Ausschüssen ist nämlich vorab geklärt, ob einer Vorlage alle Fraktionen zustimmen oder ob sie zwischen Regierungsmehrheit und Opposition strittig ist. Im ersten Fall spielt es keine Rolle, wie viele Abgeordnete anwesend sind, im letzten genügt es, wenn mehr Abgeordnete der Regierungsmehrheit als der Opposition an der Abstimmung teilnehmen. Nur wenn mindestens 5 Prozent der Abgeordneten oder eine Fraktion während der Sitzung die Beschlussfähigkeit "bezweifeln", was äußerst selten vorkommt, kann der Präsident dieselbe Tagesordnung auf einen späteren Zeitpunkt am selben Tag verschieben, um die erforderliche Anzahl von Abgeordneten zu erreichen (mindestens die Hälfte der Abgeordneten).

Bei besonders wichtigen Entscheidungen, zum Beispiel bei der Wahl des Bundestagspräsidenten oder der Abstimmung über eine vom Bundeskanzler gestellte Vertrauensfrage, ist die absolute Mehrheit erforderlich, das heißt eine Stimme mehr als die Hälfte aller Abgeordneten. Eine Zweidrittelmehrheit ist notwendig, um die Verfassung zu ändern. Abstimmungen sind im Allgemeinen offen, nur bei der Wahl des Bundespräsidenten, des Bundestagspräsidiums, des Bundeskanzlers und des Wehrbeauftragten wird geheim abgestimmt.

Namentliche Abstimmungen können von einer Fraktion oder von mindestens 5 Prozent der anwesenden Abgeordneten beantragt werden. Das geschieht bei besonders wichtigen Abstimmungen, wenn die persönliche Verantwortung der einzelnen Abgeordneten für ihre Entscheidung festgestellt und festgehalten werden soll.

Arbeitsparlament

Das Bild des Bundestages in der Öffentlichkeit wird durch die Debatten im Plenum bestimmt. Hörfunk und Fernsehen übertragen wichtige Debatten oder berichten aus den Plenarsitzungen. Wenn die Fernsehkamera über den Plenarsaal schwenkt, sieht der Zuschauer, dass oft nur 30 oder 50 Abgeordnete anwesend sind, von denen ein Teil auch noch Akten studiert oder Zeitung liest. Das führt zu dem weitverbreiteten Missverständnis, die Abgeordneten kämen ihren Pflichten nicht nach.

Dieser Kritik liegt die Vorstellung zugrunde, das Plenum sei der eigentliche Ort der parlamentarischen Arbeit. Dort würden die wichtigsten Probleme des Landes in Rede und Gegenrede zwischen Regierungsmehrheit und Opposition debattiert, und die besseren Argumente setzten sich durch. Diesem Idealbild kommt am ehesten das britische Unterhaus nahe, das als "Redeparlament" gilt. Der andere Typ ist das "Arbeitsparlament", in dem, wie vor allem im amerikanischen Kongress, der Schwerpunkt auf der Gesetzgebungsarbeit in Ausschüssen liegt.

Der Bundestag wird oft als eine Mischung aus den beiden Parlamentstypen bezeichnet. Nimmt man den Zeitaufwand als Maßstab, so leisten die Bundestagsabgeordneten ihre Arbeit weit überwiegend in Ausschüssen, Fraktionen, Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen. In den bisher 16 Wahlperioden (1949 – 2009) fanden über 3.600 Plenarsitzungen statt, wohingegen allein die Zahl der Ausschusssitzungen den zehnfachen Wert übersteigt.

Haben die Experten in wochen- und monatelangen Beratungen alle Argumente ausgetauscht und sind die Standpunkte geklärt, ist es nicht verwunderlich, wenn die meisten Beschlüsse im Plenum ohne Debatte oder nach kurzer Diskussion gefasst werden. Eine Anwesenheit der vielen Abgeordneten, die nicht mit der Materie vertraut sind, wäre daher pure Zeitverschwendung.

Die großen Debatten über wichtige Themen, wie zum Beispiel die Haushaltsdebatte, haben nicht die Funktion, die jeweils andere Seite zu überzeugen. Es handelt sich um Reden, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Dem Bürger sollen die unterschiedlichen Meinungen und die Gründe, die etwa zu dieser oder jener Entscheidung geführt haben, deutlich gemacht werden.

Präsidium

Die Sitzungen des Bundestages werden vom Bundestagspräsidenten geleitet. Traditionell wird er von der stärksten Fraktion gestellt. Als Präsident des obersten Verfassungsorgans nimmt er nach dem Bundespräsidenten und noch vor dem Bundeskanzler den zweiten Platz im Staate ein. Der Bundestag wählt den Präsidenten und je Fraktion mindestens einen Vizepräsidenten. Gemeinsam bilden sie das Präsidium.

Der Bundestagspräsident repräsentiert den Bundestag nach außen und ist zugleich oberster Dienstvorgesetzter der Bundestagsverwaltung. Seine wichtigste Aufgabe ist die Leitung der Bundestagssitzungen, in der er sich mit den derzeit fünf gewählten Vizepräsidenten ablöst.

Ältestenrat

Der Ältestenrat sorgt für den reibungslosen Ablauf der Parlamentsarbeit. So setzt er die Tagesordnung und die Redezeiten der Plenarsitzungen fest und verständigt sich über die Besetzung der Ausschussvorsitze. Der Ältestenrat setzt sich zusammen aus dem Bundestagspräsidenten, den Vizepräsidenten und 23 weiteren von den Fraktionen zu benennenden Abgeordneten. Es sind keineswegs die ältesten Mitglieder des Hauses, sondern zumeist besonders erfahrene Abgeordnete, darunter die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen.

Wissenschaftliche Dienste

Trotz der Arbeitsteilung könnten die Abgeordneten auf sich allein gestellt mit den Experten der Ministerialbürokratie und der Verbände nicht Schritt halten, sofern sie nicht die Möglichkeit hätten, auf eigene Hilfsdienste zurückzugreifen.

Jeder Abgeordnete hat einen oder mehrere Assistenten zur Verfügung, die aus der Kostenpauschale zu bezahlen sind. Das sind zum Teil wissenschaftlich vorgebildete Mitarbeiter, zum Teil Bürohilfskräfte. Darüber hinaus verfügt jede Fraktion über einen umfangreichen Stab von Fraktionsassistenten, Referenten, Sachbearbeitern und technischem Personal.

Die Abgeordneten können schließlich auf die wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zurückgreifen. Dazu gehören die Bibliothek, das Parlamentsarchiv, die Pressedokumentation, eine Datenbank, ferner ebenso Fachdienste, die Gutachten, Dokumentationen und Auswertungen zusammenstellen, sowie auch Ausschusssekretariate, die die Arbeit der einzelnen Ausschüsse organisieren und unterstützen.

Aus: Pötzsch, Horst: Die Deutsche Demokratie. 5. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2009, S. 61-72.

Fussnoten

Der Historiker und Politologe Horst Pötzsch war bis 1992 Leiter der Abteilung "Politische Bildung in der Schule" der Bundeszentrale für politische Bildung.