Wie beliebt ist Rechtspopulismus unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen?
Rechtspopulismus unter Jugendlichen zu untersuchen, wäre eine vordringliche Aufgabe von Einstellungsuntersuchungen. Entsprechende aktuelle Studien existieren in dieser Gruppe jedoch kaum. Auch wenn breite wissenschaftliche Studien zu diesem Phänomen noch ausstehen, gibt es einige plausible Hinweise zu möglichen Ursachen.
Dort, wo das Phänomen in den Blick genommen wird (z.B. Shell 2019, Albert u.a. 2024) zeigt sich zunächst, dass ähnlich wie in der Gesamtbevölkerung auch unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen zunehmend autoritär-nationalistische Einstellungen vertreten werden. Auch an den Wahlentscheidungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen lässt sich ablesen, dass zumindest die Bereitschaft unter dieser Bevölkerungsgruppe in den letzten Jahren gestiegen ist, einer rechtspopulistischen und in Teilen rechtsextremen Partei ihre Stimme zu geben. Während die Alternative für Deutschland (AfD) bei der letzten
Eine steigende Beliebtheit der
Mehr InformationenRechtsextreme Einstellungen unter Jugendlichen
Rassistische und rechtsextreme Haltungen unter Jugendlichen sind an sich kein neues Phänomen. Bedrückend eindrücklich zeigte sich dies in den 1990er-Jahren, als vor allem, aber nicht nur, im Osten Deutschlands Rechtsextremismus jugendkulturelle Formen annahm und stark verbreitet und sichtbar war. Seit dieser Zeit rückte das Phänomen aus dem gesamtgesellschaftlichen Fokus, wobei empirische Untersuchungen belegten, dass es zwar weniger sichtbar war, rechtsextreme Haltungen und Affinitäten aber bei einem Teil von Jugendlichen immer auch verbreitet waren.
Fußnoten
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Kleeberg-Niepage 2011; Shell 2019; Goede, Schröder, Lehmann 2020
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Achour 2023, S. 357
Was sind die Ursachen hierfür?
Versprechen einer „Verkleinerung der Krisen“
Angesichts der wachsenden Beliebtheit rechtspopulistischer Positionen auch unter Jugendlichen drängt sich die Frage auf, was die Ursachen hierfür sind. Erklärungsansätze liegen auf mehreren Ebenen. Plausibel ist demnach, die Wahlentscheidung von Jugendlichen für die AfD auch als Reaktion auf Dauerkrisen und permanenten Situationen der Unübersichtlichkeit und Ohnmacht zu verstehen. Nahe liegt diese Erklärung insbesondere angesichts der Vielzahl von Krisen, die in den letzten Jahren und gegenwärtig präsent sind: Die Corona-Pandemie, die
Politische Frustration und Protest
Auszugehen ist ebenfalls davon, dass eine aktuell weit verbreitete Enttäuschung und Frustration über die Politik der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und der FDP auch bei Jugendlichen anzutreffen ist. Wissenschaftliche Befunde hierzu liegen aber (noch) nicht vor. Empirisch belegt ist aber, dass mehr als die Hälfte der Jugendlichen den Eindruck hat, dass die meisten Maßnahmen vom Staat ihnen persönlich keine Vorteile bringen. Ebenso viele geben an, das Gefühl zu haben, dass vieles, was andernorts selbstverständlich ist, hierzulande nicht mehr funktioniert.
Eine solche Ablehnung könnte sich auch aus dem Gefühl Jugendlicher speisen, von etablierter Politik nicht gesehen und anerkannt zu werden. Studienergebnisse belegen, dass junge Menschen ausdrücklich nicht das Gefühl haben, wahr und ernst genommen zu werden.
Enorme Reichweite auf Social Media
Bei der Verbreitung ihrer Weltsichten greifen rechtspopulistische und rechtsextreme Akteure erfolgreich auf Social-Media-Kanäle zurück und entfalten hier eine immense Präsenz. Deren Bedeutung für junge Menschen ist hoch: Es ist bekannt, dass sich die Mehrheit (57 %) der Jugendlichen und jungen Erwachsenen über Nachrichten und Politik auf Social-Media-Kanälen informiert.
Inszenierungen von Männlichkeit
Befunde der Forschung zeigen seit jeher, dass rechtsextreme und rechtspopulistisch eingestellte Personen überdurchschnittlich oft männlich sind und rigoros traditionelle Geschlechterbilder vertreten. Auch Analysen der Wähler:innen der AfD belegen regelmäßig, dass die Partei überdurchschnittlich häufig von Männern gewählt wird. Dieser Befund gilt allgemein, aber eben auch für Jugendliche. Gerade bei männlichen Jugendlichen ist davon auszugehen, dass die „Verkleinerung der Krisen“ auch in Form der
Faktor „Ostdeutschland“
Zwar sind Rechtspopulismus und die AfD bezogen auf das gesamte Bundesgebiet inzwischen bei Jugendlichen äußerst beliebt. Die Zustimmung in Ostdeutschland ist dabei aber höher als in Westdeutschland. Hierfür lassen sich verschiedene Ursachen ausmachen. Zum einen ist die Anzahl strukturschwacher ländlicher Räume größer und die Zustimmung in solchen Räumen, in denen die Lebensbedingungen schlechter sind als im Bundesdurchschnitt, für die AfD generell stärker. Zum anderen wirken hier Transformationserfahrungen nach dem Fall der Mauer nach. Viele Menschen machten während des Systemumbruchs belastende Erfahrungen und mussten tiefe (berufs-)biografische Einschnitte hinnehmen. Negative Erfahrungen sind bei vielen Menschen in Ostdeutschland nach wie vor gegenwärtig und Erzählungen und Erfahrungen von Ungerechtigkeit sind auch bei ostdeutschen Kindern und Jugendlichen häufig präsent. Rechtspopulistische wie auch rechtsextreme Akteur:innen knüpfen hier unmittelbar an und sind mit dem Beschwören einer positiven ostdeutschen Identität insbesondere bei männlichen Jugendlichen mit niedrigem Bildungsstand erfolgreich.
Wie können junge Menschen wieder mehr für demokratische Angebote begeistert werden?
Wenn die etablierten Parteien der steigenden Beliebtheit rechtspopulistischer Überzeugungen bei Jugendlichen etwas entgegensetzen wollen, dann wäre eine eigenständige Jugendpolitik ein wesentlicher Schritt. Diese müsste einen hohen Stellenwert haben und auch umgesetzt werden. Entwickelt werden müssten klare Vorstellungen dazu, welche Politik für Jugendliche gemacht werden soll und wie die neue Generation an politischen Prozessen mitwirken kann. Entsprechend wären Räume und Gelegenheiten zu schaffen, in denen sich Jugendliche auf Ebene der Kommunen, der Länder und des Bundes in politische Entscheidungsprozesse einbringen können und in denen ihnen wertschätzend begegnet wird. Dass es entsprechende Bedarfe gibt, weisen empirische Studien wie die Shell-Jugendstudien aus. Das Interesse junger Menschen an Politik ist demnach gestiegen.
Traditionell ist dies Aufgabe politischer Bildung. Insbesondere die außerschulische politische Bildung leistet hier wichtige Arbeit. Gleichzeitig stellt der Umgang mit Rechtspopulismus und damit verbundenen Themen wie digitalen Desinformationen und Verschwörungserzählungen die politische Bildung vor fachliche Herausforderungen, da die traditionell v.a. kognitive Ausrichtung hier schnell an Grenzen gerät. Hinzu kommen Schwierigkeiten, bestimmte Zielgruppen überhaupt für Angebote der politischen Bildung zu gewinnen. Hierzu zählen auch Jugendliche und junge Erwachsene, die rechtspopulistischen Positionen nahestehen. Die genannten Herausforderungen sind Gegenstand fachlicher Debatten und es gibt Versuche, hierauf mit der (Weiter-)Entwicklung von pädagogischen Ansätzen zu reagieren, z.B. in Form einer aufsuchenden politischen Bildung
Gleichzeitig werden die Möglichkeiten politischer Bildung gerade in den letzten Jahren immer stärker durch Sparzwänge begrenzt. Zudem fordern insbesondere rechtspopulistische Akteure schon seit längerem politische „Neutralität“ ein und delegitimieren die bestehende Praxis als „linke Indoktrination“.