Eine Entfremdung zwischen den etablierten politischen Parteien sowie Institutionen und der Bevölkerung spiegelt sich in Umfrageergebnissen wider: So gaben 67 Prozent der Befragten 2024 an, den politischen Parteien in Deutschland nicht zu vertrauen, 49 Prozent misstrauten dem Parlament. Diese Entfremdung bewirtschaften populistische Parteien, indem sie sich als Alternative zum etablierten Politiksystem positionieren – als „Stimme des Volkes“, als Vertreterin der Nicht-Repräsentierten jenseits des „Parteien-Zirkus“. Die Gegenüberstellung „Wir, die Vertreter des einfachen Volkes“ versus das „abgehobene Establishment“ und die Verächtlichmachung der etablierten Politik gehört quasi zur DNA rechtspopulistischer Parteien.
Populismus ist somit eine passförmige Antwort auf Interner Link: Repräsentationsdefizite (Rippl/Seipel 2024). Und politische Repräsentationslücken wiederum werden als wichtige Ursache für den Aufstieg des Interner Link: Rechtspopulismus benannt. Cas Mudde (2007; 2017) spricht explizit von einer „Krise der Repräsentation“. Den etablierten Parteien gelinge es zunehmend weniger, die Interessen der Bevölkerung zu vertreten. Die entstehende Lücke werde dann von neuen, insbesondere von rechtspopulistischen Parteien besetzt.
Grundsätzlich lassen sich zwei Seiten im Prozess der Repräsentation unterscheiden: die Angebots- und die Nachfrageseite. Die Nachfrageseite stellt die Bedürfnisse und Interessen der Bürgerinnen und Bürger dar. Das Angebot liefern politische Akteure als Repräsentanten dieser Interessen in Form von Parteiprogrammen und der politischen Agenda, die sie vertreten. Passen Angebot und Nachfrage nicht aufeinander, entsteht eine Lücke.
Gesellschaftlicher Wandel und die Neuorientierung der Wählerschaft
Auf der Seite der Nachfrage sind einige wichtige sozioökonomische und kulturelle Entwicklungen zu benennen, die die Wählerschaft und deren Interessen verändert haben. Spätestens seit den 1980er-Jahren vollzieht sich in der westlichen Welt ein rapider struktureller Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft, verbunden mit einer Interner Link: verstärkten Globalisierung. Die Wandlungsprozesse lösen sozialstrukturelle Verschiebungen aus, die durch sozialen Abstieg und Aufstieg unterschiedlicher Gruppen gekennzeichnet sind. Typische Verlierer dieser Entwicklung sind Mitglieder der Industriearbeiterschaft, die im Strukturwandel an Bedeutung verlieren – Arbeitsplätze gehen dort verloren und andere Branchen im Wissenssektor steigen auf. Es entstehen neue gesellschaftliche Konfliktlinien (Bornschier 2018; Moawad/Oesch 2024). Insbesondere die Interessen der traditionellen Arbeiterschaft, die ihre politische Heimat vorrangig bei sozialdemokratischen bzw. linken Parteien fand, werden zunehmend weniger von diesen Parteien adressiert. Teile der alten Arbeiterschaft fühlen sich immer weniger von sozialdemokratischen oder linken Parteien repräsentiert, die sich der neuen Mittelschicht und Themen wie z.B. dem Umgang mit Minderheiten, der Emanzipation der Frau oder dem Klimawandel zuwenden (Dörre 2018). Die großen Volksparteien positionieren sich neu, suchen ihre Wählerschaft in der sogenannten neuen Mitte, die auch ein Ergebnis der Bildungsexpansion ist. Dieser Wandel betrifft auch traditionell konservative Volksparteien, die ebenfalls in den letzten Jahren eine Modernisierung ihrer politischen Agenda durchlaufen haben, was auf Kritik besonders national-konservativer Kräfte stößt.
Unter diesen sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer zunehmend heterogeneren Wählerschaft, gelingt es den alten Volksparteien immer weniger all diese verschiedenen Gruppen anzusprechen. Die Spanne der Mittelschicht reicht von urbanen, kosmopolitisch orientierten Akademikerinnen und Akademikern, die von Wandlungsprozessen profitieren, bis zu geringer gebildeten, eher traditionell orientierten Menschen, die eher in ländlichen Räumen leben und die diese Veränderungen als Verlust von Sicherheit und Status erfahren (Reckwitz 2019). Dazwischen entspinnen sich neue Konfliktlinien im Umgang mit den vielfältigen Herausforderungen: Wie reagiert man etwa auf die zunehmende Fluchtmigration und die geopolitischen Verschiebungen, den Klimawandel, die Globalisierung der Wirtschaft und den damit verbundenen Transformationsdruck, oder die Emanzipationsansprüche verschiedener gesellschaftlicher Gruppen? Rapide Veränderungen und multiple komplexe Krisenlagen führen zu Verunsicherung und bisher ungelösten Problemen. Ebenso führen diese Entwicklungen zu kulturellen Wandlungsprozessen, stellen alte Werte zur Disposition und werfen die Frage nach dem Verhältnis von Tradition, Veränderung und eigener Identität auf. Der Statusverlust der absteigenden eher traditionell orientierten Gruppen bedroht deren Werte, Weltbilder und die eigene Identität. Akademisch gebildete Milieus gewinnen an Einfluss in der Gesellschaft und mit ihnen ihre Werte. Die alte Mittelschicht verliert an Einfluss (Reckwitz 2018). Die Tatsache, dass es die „Ehe für alle“ gibt oder die Diversität von Menschen etwa in Fernsehprogrammen steigt, zeigt, dass liberale Werte traditionelle Orientierungen zunehmend ablösen und soziale Schichten, die traditionelle Werte vertreten, an Deutungsmacht verlieren. Soziale Abstiegsprozesse und Verunsicherungen durch komplexe Krisen wiederum sind der Boden, auf denen Parteien mit populistischen Versprechen – etwa „alte Sicherheiten“ zurückzubringen, die Fluchtmigration zu stoppen und sich um die „Nöte des kleinen Mannes“ zu kümmern – gedeihen können.
Modernisierungsverlierer: Wählerschaft der Rechten
Betrachtet man die Wählerschaft rechtspopulistischer Parteien, wird deutlich, dass die oben genannten Gruppen – die Verlierer aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen – zu wichtigen sozialen Trägergruppen rechtspopulistischer Parteien geworden sind. Der Begriff „Arbeiter“ ist in Reden im deutschen Bundestag (zwischen 1949-2019) sowie in Beiträgen deutscher Zeitungen (zwischen 1949 und 2021) fast verschwunden (Beck und Westheuser 2022: 285 f). Interner Link: Arbeiterinnen und Arbeiter wählen in Deutschland heute eher die Alternative für Deutschland (AfD) als die SPD, die traditionell als Repräsentantin der Arbeiterklasse galt. Themen und Probleme wie sozialer Abstieg, zunehmende Migration, Entsicherung des Lebens und Statusverlust gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen wurden von den politischen Akteuren vernachlässigt (Dörre 2018, 2024). Das Thema der sozialen Ungleichheit, die Herausforderungen der sozialen Integration von Migranten und der Umgang mit wahrgenommener Konkurrenz auf Arbeits- und Wohnungsmarkt wurden aus Sicht der Arbeiterschicht hinter Themen wie der Gleichstellung von Frauen, dem Etablieren einer gendergerechten Sprache oder der Beschäftigung mit den Rechten von Homosexuellen oder Transpersonen vergessen. Rechtspopulisten gelingt es, diese Themen gegeneinander zu setzen und mit ihren Narrativen emotional aufzuladen. Der Kampf um Gleichstellung wird scheinbar zum Kampf um genderneutrale Toiletten. Narrative wie diese sollen die Vernachlässigung wichtiger Themen durch die „Altparteien“ widerspiegeln. So schafft die Abwertung von Migrantinnen und Migranten oder Bürgergeldempfängerinnen und -empfängern subjektiv einen Statusrückgewinn. Migration wird permanent emotionalisiert und skandalisiert. Damit fungiert sie als Projektionsfläche für alle anderen gesellschaftlichen Probleme. So wird Repräsentation suggeriert, obwohl die programmatische Agenda der AfD z.B. in der Steuer-, Wirtschafts- und Sozialpolitik zu Lasten ihrer Wählerschaft, nämlich den ärmeren Bevölkerungsschichten gehen würde, wie eine Studie des DIW zeigt.
Veränderungen der politischen Landschaft – Aufstieg der Populisten
Im Zuge dieser Entwicklungen hat sich auch die politische Angebotsseite verändert. Zum einen haben Interner Link: Globalisierungsprozesse die Wahrnehmung mangelnder Repräsentation verstärkt. So beschrieb Colin Crouch (2008) bereits vor über 15 Jahren eine zunehmend postdemokratische Gesellschaft, in der politische Entscheidungen intransparent werden und durch demokratisch nicht legitimierte Instanzen wie z.B. die Interner Link: EU-Kommission, die Interner Link: Weltbank oder Lobbyorganisationen getroffen werden. Die Parteien, die in den letzten Jahren vermehrt in großen politischen Koalitionen agierten, werden immer weniger als politische Alternativen wahrgenommen. Koalitionen sehr unterschiedlicher Parteien machen es schwer, mit einem konsistenten Politikprogramm zu agieren und Wahlversprechen für die je eigene Klientel einzulösen.
Profiteure der Situation sind Parteien, die sich den Angriff auf das System als Ganzes zum Ziel gesetzt haben. Da viele Probleme oder Interessen der Wählerinnen und Wähler von den etablierten Parteien unter den aktuellen Rahmenbedingungen schwerer zu adressieren und zu lösen sind, ergeben sich Räume für populistische Mobilisierungen. Das liegt etwa daran, dass Kompromisse nötig sind oder Entscheidungen auf EU-Ebene abgestimmt werden müssen. Repräsentationsdefizite sind der zentrale Angriffspunkt von Populisten als selbsternannte „Stimme des Volkes“. Aus der Opposition werden Defizite des politischen Angebots bewirtschaftet, ohne selbst konstruktive Alternativen präsentieren zu müssen. Diskurse werden als Streit diffamiert, Kompromisse als Verrat an der Wählerschaft. Verhaltensweisen der demokratischen Akteure wie der öffentliche Dauerstreit der Ampelregierung sind Futter für dieses Narrativ. Grundmechanismen der Demokratie werden somit verächtlich gemacht, um das Narrativ der dysfunktionalen Demokratie zu bedienen. Zuschreibungen wie das Parlament als „Zirkus“ oder der Rückgriff auf den nationalsozialistischen Kampfbegriff der „Systemparteien“ greifen dabei die repräsentative Parteiendemokratie als Ganzes an.
Repräsentativität und politische Repräsentation
Schäfer und Zürn (2021) bemängeln zudem die zunehmende Homogenität der Lebensläufe der Abgeordneten im Bundestag, die oftmals direkt vom Studium in die Politik wechseln. Der Anteil von Abgeordneten mit Abitur ist seit 1994 um beinahe 15 Prozentpunkte auf aktuell 81 Prozent angestiegen. Im gleichen Zeitraum hat sich der Anteil von Abgeordneten mit Hauptschulabschluss von 12 auf 3 Prozent reduziert. Aktuell hat die AfD-Fraktion mit 69 Prozent zwar den geringsten Anteil von Abgeordneten mit Abitur (SPD 78; FDP 82, CDU 84; Grüne 91). Allerdings gilt für alle Parteien, dass ihr Sozialprofil stark von dem der Bevölkerung, die sie repräsentieren, abweicht. Der Frauenanteil ist insbesondere bei CDU (17 Prozent), FDP (22) und AfD (13) deutlich unter dem Bevölkerungsanteil. Menschen mit Migrationshintergrund sind insbesondere bei CDU/CSU (4 Prozent); FDP (5) und AfD (7) unterrepräsentiert.
Es stellt sich die Frage, inwieweit politische Repräsentantinnen und Repräsentanten die Bevölkerung widerspiegeln müssen oder sollen, oder ob sie sich nicht abstrakter dem „Gemeinwohl“ und nicht Partialinteressen verbunden fühlen sollten. Laut Grundgesetz vertritt jede/r Abgeordnete das ganze Volk, die Repräsentativität spielt somit eine untergeordnete Rolle. Dennoch besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Repräsentation und Repräsentativität. Wenn wichtige soziale Gruppen nur marginal im Parlament oder in wichtigen Positionen vertreten sind, also eine nur geringe Repräsentativität der Abgeordneten vorliegt, entsteht der Eindruck, dass auch deren Lebensrealitäten nicht repräsentiert würden. Zwar ist es nicht zwangsläufig so, dass z.B. nur Frauen die Interessen von Frauen vertreten könnten, dennoch erzeugt eine große Differenz des Sozialprofils der Abgeordneten den Eindruck, es handele sich um eine der Realität enthobene „politische Klasse“. Vielfalt im Parlament ist daher ein nicht zu unterschätzender Aspekt für die Legitimität von Repräsentation, auch wenn die Repräsentativität immer unvollständig sein wird. Allerdings erweist sich das Personal der AfD hier nicht als Alternative, sondern ist in ihrem Sozialprofil weitaus homogener als andere Parteien.
„Lügenpresse“ – Repräsentationsdefizite in den Medien?
Die Behauptung eines Repräsentationsdefizits innerhalb der deutschen Medienlandschaft ist Teil des rechtspopulistischen Narrativs. Interner Link: Kampfbegriffe hierfür sind die Stichworte Interner Link: „Lügenpresse“ oder „Systempresse“ als Synonyme insbesondere für die öffentlich-rechtlichen Medien. Dahinter steht die Behauptung, Medienschaffende würden gezielt einseitig berichten. Es gibt wenig fundierte Daten über die politische Orientierung von Journalistinnen und Journalisten. Einer repräsentativen Studie (2023) zufolge ordnen diese sich selbst politisch häufiger etwas links der Mitte ein und zeigen eine überdurchschnittliche Präferenz für die Grünen. Nicht alle Journalistinnen und Journalisten sind allerdings gleich einflussreich. Die politische Haltung übersetzt sich zudem nicht direkt in die Berichterstattung, auch sind sie nach ihrem beruflichen Ethos der Unabhängigkeit und Objektivität verpflichtet.
Das Medienangebot in Deutschland ist zudem keineswegs eine homogene Ansammlung von Medien einer „Systempresse“, sondern vielfältig und nicht etwa nur links-liberal. Einschlägige publizistische Angebote mit hoher Reichweite wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Welt, die Bild-Zeitung oder das Handelsblatt gelten gemeinhin als konservativ bzw. konservativ-liberal. Die zum Springer-Verlag gehörende Bild-Zeitung ist die meistverkaufte Zeitung in Deutschland. Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung einer einseitig ausgerichteten Presseberichterstattung nicht stimmig. Die für rechtspopulistische Akteure besonders bevorzugten Themen wie Zuwanderung oder Sicherheit, die sie – aber nicht sie nur allein – gezielt setzen und skandalisieren, sind eher überdurchschnittlich in den Medien vertreten. Provokation und Skandalisierung bringen angesichts der gegenwärtigen Mechanismen medialer Berichterstattung – und insbesondere in der algorithmischen Logik Sozialer Medien – erhöhte Aufmerksamkeit. Sicherlich kann dies nicht allein auf Skandalisierung bestimmter Themen zurückgeführt werden, tatsächlich vorhandene Probleme etwa in der Unterbringung und Integration (Wohnraum, Bildung, Kriminalität) oder Attentate verstärken die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Themen wie Zuwanderung und Sicherheit. Dennoch zeigt sich, dass andere dringliche Themen wie der Klimawandel mit Flutkatastrophen oder der Pflegenotstand nicht annähernd soviel Beachtung finden. Gleichzeitig zeigte sich in Studien am Beispiel der Berichterstattung zu Flucht und Migration, dass AfD-Frames durchaus tendenziell verstärkt durch Medien reproduziert werden – wohingegen beispielsweise Femizide wenig Aufmerksamkeit erhalten. So untersuchten beispielsweise Mauer et al. (2021) über einen Zeitraum von 2016-2020 sechs deutsche Leitmedien und stellten dabei fest, wie zunehmend negativer über Migration berichtet wurde: so war das Thema Kriminalität der Studie zufolge deutlich überrepräsentiert, auch wurde häufiger über migrantische Männer als über Frauen und Kinder berichtet, negative Themen überwogen klar. Ähnliche Tendenzen finden auch Hestermann (2021) und Dittrich und Klimmt (2021). Wie sich die Medienberichterstattung seither entwickelt hat, bedarf weiterer Untersuchungen.
Emotionen und Aufmerksamkeit sind die Währung, die mediale Reichweite verschafft. Dieses Feld wird von rechtspopulistischen Akteuren geschickt bespielt und so medial in den Fokus gerückt. Von einem Repräsentationsdefizit kann man hier kaum sprechen. Auch politische Akteure der AfD sind präsent in den deutschen Leitmedien, sie punkten durch ihre Strategie der Provokation und Skandalisierung und sind als politische Kraft mittlerweile derart gewachsen, dass sie nicht völlig ignoriert werden können. In öffentlichkeitswirksamen Auftritten (wie etwa Talkshows) gelingt es der AfD ihre Narrative erfolgreich zu verbreiten (Heyen 2020).
Mit Blick auf negative Berichterstattung sind nach der Studie von Mauer et al. (2021) nicht nur die AfD, sondern alle politischen Parteien betroffen. Über alle Oppositionsparteien wird seltener berichtet als über die Regierungsparteien.
Was kann man tun? Partizipation in der repräsentativen Demokratie
Die konstatierte politische Entfremdung vieler Bürgerinnen und Bürger ist alarmierend und nicht allein auf subjektive Gefühle zu reduzieren. So zeigen Elsässer et al. (2018) sowie Schäfer und Zürn (2021), dass der Bundestag politische Forderungen eher umsetzt, wenn höhere Bildungs- und Einkommensgruppen diese befürworten. Gleichzeitig sollte man berücksichtigen, dass es Teil der rechtspopulistischen Agenda ist, politische Entfremdung zu erzeugen, Narrative wie das der „korrupten Altparteien“ oder des „Parlaments als Quasselbude“ zu setzen. Um dem eine positive Erzählung zur repräsentativen Parteiendemokratie entgegenzusetzen, wäre es nötig realistische politische Forderungen ins Zentrum des eigenen politischen Handels zu rücken, und dabei den Adressierten als mündigen Bürgerinnen und Bürgern zu begegnen, denen auch Zumutungen abverlangt werden können. Etwa wären die mit der Klimakrise einhergehenden Herausforderungen offen zu kommunizieren, um die damit verbundenen Veränderungen und Einschränkungen müsste stärker gemeinsam gerungen werden; oder mit Blick auf den demografischen Wandel müsste die Frage der Zuwanderung – wie viel ist notwendig? Mit welchen Schwierigkeiten ist zu rechnen? Wo ist Begrenzung vonnöten? – aufgeschlossen und kontrovers diskutiert werden können. Bürgernähe bedeutet nicht, dass alle Bedürfnisse befriedigt werden können. Realitätssinn statt Populismus als demokratischen Konsens zu stärken wäre dabei von großer Bedeutung, da nicht eingehaltene Versprechen und die permanente Delegitimierung politischer Kontrahenten die Frustration verstärken. Demokratie ist kein Lieferservice, sondern eine anspruchsvolle Regierungsform, die bereits viele Möglichkeiten der Partizipation vorhält – von der Petition, der Bürgerversammlung, der Bürgerhaushalte, der Bürgerinitiative oder den Bürgerräten. Es gibt bereits Interner Link: viele Formate, die zum Teil wenig genutzt werden. Letztlich ist es in einer Parteiendemokratie aber die Aufgabe der Parteien, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu artikulieren. Hier sollten sich Menschen organisieren, denn eine Vielfalt an Parteien bildet die Vielfalt der Gesellschaft ab. Das Narrativ eines „gesunden“ Menschenverstandes, einer homogenen Volksmeinung („Stimme des Volkes“), die nur mittels Verfahren direkter Demokratie hörbar gemacht werden könnten, sollte man in pluralen Gesellschaften und in Zeiten von Interner Link: Social Media eher skeptisch begegnen.
Grenzen der Repräsentation
Zuletzt ist zu bedenken, dass rechtspopulistische Parteien zwar Repräsentationslücken füllen, aber nicht alle Positionen, die Parteien vertreten, ein Anrecht auf Repräsentation im Parlament oder in der Öffentlichkeit haben. Das Interner Link: Grundgesetz setzt klare Grenzen – nicht umsonst können extremistische Parteien verboten werden. Auch wenn diese Positionen in Teilen der Bevölkerung vertreten werden, gefährden völkische Positionen, Demokratiefeindlichkeit oder die Ablehnung der pluralistischen Demokratie die freiheitliche demokratische Grundordnung. Es ist wichtig, reale und legitime Repräsentationslücken zu identifizieren und auf die gefühlte Politikdistanz zu reagieren, ohne dabei das Narrativ einer dysfunktionalen Demokratie zu reproduzieren, dass die rechtspopulistische Agenda zu etablieren versucht.