Rechtspopulistische Parteien konnten sich in den vergangenen Dekaden in zahlreichen Ländern als fester Bestandteil des Parteiensystems, in einigen auch als Regierungsparteien oder zumindest als dauerhafte, ernsthafte Wettbewerber um die Regierung etablieren. Dieser Erfolg in ganz unterschiedlichen politischen Situationen und Parteienlandschaften deutet darauf hin, dass es diesen Parteien gelungen ist, grundlegende Probleme gegenwärtiger, moderner Demokratien für sich nutzbar zu machen.
Am Beispiel der Alternative für Deutschland (AfD) in Deutschland lässt sich zeigen, dass die im öffentlichen Diskurs oft vorgebrachte Idee eines „gesellschaftlichen Rechtsrucks“ als Erklärung für den Aufstieg der Partei nur bedingt erklärungskräftig ist. Rechtsextreme Einstellungen und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit haben über die vergangenen Dekaden nicht zu-, sondern eher abgenommen. Somit ist es unplausibel, den Erfolg dieser Parteien aus einer solchen Verschiebung zu erklären. Auch scheint es, als würde das sozio-demographische Profil der AfD-Wähler:innen im Zeitverlauf eher unspezifischer werden: Waren es zu Beginn eher ältere Wähler aus der unteren Mittelschicht, die AfD wählten, so greift das Potential inzwischen auch merklich in jüngere Alterskohorten und andere Einkommensgruppen aus. In drei Dimensionen unterscheiden sich die Wähler:innen der AfD allerdings markant von den Wähler:innen aller anderen Parteien: Erstens geben sie in Umfragen an, unzufriedener mit der Demokratie zu sein; zweitens vertreten sie in migrationspolitischen Fragen durchweg eine ablehnendere Position und drittens bekunden sie eine starke Abneigung vor allem gegenüber den Grünen, aber auch gegenüber den meisten anderen Parteien. Die Wähler:innen aller anderen Parteien wiederum erwidern diese Abneigung ihrerseits. Vor allem die Unzufriedenheit mit der Demokratie und die Abneigung gegenüber den anderen Parteien sind von Bedeutung, um zu verstehen, wie die rechtspopulistische Strategie in die Parteienlandschaft hineinwirkt.
Strategie des Rechtspopulismus
Die wohl am weitesten verbreitete Definition des Populismus fasst diesen als eine „dünne Ideologie“, die von verschiedenen politischen Inhalten befüllt werden kann, solange diese sich in das konstitutive Schema aus (korrupter) Elite und (gutem) Volk einfügen lassen. Rechtspopulismus als Strategie zu fassen, bedeutet nicht, dieser Definition zu widersprechen, sondern setzt vor allem einen Akzent: Es soll erhellen, wie rechtspopulistische Parteien sich gerade dadurch im politischen System etablieren können, dass sie dieses Schema als Polarisierungstreiber praktisch anwenden.
In einem gerade in jüngster Vergangenheit wieder verstärkt beachteten Vortrag präsentierte der rechtslibertäre Ökonom Murray Rothbard 1992 eine Skizze dieser Strategie: Es gehe im Kern darum, die Menschen gegen den Staat aufzubringen, indem man ihnen einerseits immer wieder vorführt, wo dieser seinen Aufgaben nicht gerecht werde und andererseits betont, wo er die ‚einfachen Leute‘ gängele und in ihrer Entfaltung behindere. Aufschlussreicherweise sind dabei die inhaltlichen Schwerpunkte (bei Rothbard: Steuer- und Sozialstaatskritik; repressive innere Sicherheit; kulturkonservative Förderung von traditionellen Familienbildern) in erster Linie Mittel zum Zweck der Staatsdelegitimierung als Elitendelegitimierung. Es gibt starke Anzeichen, dass diese Strategie im Falle der AfD aufgeht: Die allgemeine Unzufriedenheit, die AfD Wähler:innen in Umfragen bekunden, scheint zumindest in Teilen nicht nur ein Faktor in der Wahlentscheidung zu sein, sondern diese Wahlentscheidung selbst wirkt verstärkend auf eben diese Unzufriedenheit zurück.
Rechtspopulistische Akteure – gekommen, um zu bleiben
Aus dieser Perspektive ist plausibel, dass ein solcher Wettbewerber im Parteiensystem, wenn er sich erst einmal etabliert hat, seine Position auch behaupten und zu der eines dauerhaften Anwärters auf politische Macht ausbauen kann, der durch seine Präsenz das politische Feld maßgeblich mitprägt und dadurch umstrukturiert: Durch die, kollaborativ auch durch die anderen Parteien validierte, Performance als Fundamentalopposition nicht nur gegen die anderen Parteien, sondern eben auch gegen das gesamte Parteiensystem („die Zwangsjacke der erstarrten und verbrauchten Altparteien“, wie es der inzwischen geschasste Parteigründer Bernd Lucke in seiner Rede auf dem Gründungsparteitag der AfD formulierte), dockt sie an grundlegende Probleme des modernen politischen Systems an. Denn gerade wo die Parteien – aus vielfältigen Gründen – zunehmend mit Schwierigkeiten konfrontiert sind, ihre Programme als Umsetzung der Interessen ihrer Wähler:innenschaft zu legitimieren, sind sie für die Inklusion ihres Publikums zunehmend auf Konflikt untereinander und mit den rechtspopulistischen Herausforderern angewiesen: Dort, wo programmatisch keine Mehrheiten zu gewinnen sind, können sie dann zumindest noch mit dem Versprechen mobilisiert werden, die anderen zu verhindern.
Wo die ideologischen Differenzen zwischen Parteien als besonders stark wahrgenommen werden, ist dies erkennbar mit einer höheren Wahlbeteiligung verbunden. Entsprechend führte die Etablierung rechtspopulistischer Contender (dt. Anwärter) in den USA und Deutschland dazu, dass die Wahlbeteiligungen sichtlich höher ausgefallen sind. In einem Mehrparteiensystem wie dem der Bundesrepublik wirkt das allerdings auf die anderen Parteien zurück: Je klarer die geteilte Abgrenzung von der jeweiligen Fundamentalopposition ausfällt, umso weniger markant scheint die Abgrenzung der anderen Parteien voneinander. Der AfD ist es so gelungen, sich als Partei all derer attraktiv zu machen, die ihre grundlegende Ablehnung nicht nur einer konkreten Regierungspolitik, sondern gegenüber der zu erwartenden Regierungspolitik an sich zum Ausdruck bringen wollen. Die Verschiebungen im Parteiensystem durch die Etablierung der AfD verstärken diesen Prozess noch, indem sie Koalitionen über Grenzen der klassischen parlamentarischen Lager – d.h. (rot)-rot-grün und schwarz-gelb – hinweg geradezu erzwingen.
Auch deshalb ist es kurz- und mittelfristig unwahrscheinlich, dass die rechtspopulistischen Parteien aus dem gegenwärtigen Parteiensystem wieder verschwinden, weil sie nicht nur die Artikulation von Unmut über die Politik insgesamt in Mobilisierung umlenken können, sondern weil diese Mobilisierung darüber hinaus genau diesen Unmut verstärken dürfte. Auch Versuche, durch programmatisches Zugehen auf diese Parteien deren Wähler:innenbasis zu schmälern, dürften höchstens begrenzte Erfolge zeitigen. Denn das grundlegende Misstrauen, das sie selbst mit anheizen, dürfte sich zumindest in gewissem Ausmaße auch aus der gegenwärtigen Struktur des politischen Systems selbst speisen und kann deswegen eben nicht nur als Unzufriedenheit mit bestimmten politischen Maßnahmen gefasst werden. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass rechtspopulistische Parteien zumindest größere Mobilisierungsschwierigkeiten haben, wenn die zentralen Konfliktachsen der politischen Debatte sich vom Thema Migration, das am stärksten mit ihrem politischen Markenkern verbunden ist, wegverlagern. Theoretisch erwartbar wäre überdies, dass die Etablierung von anderen Parteien, die glaubhaft die Position einer Fundamentalopposition vertreten können, die rechtspopulistische Strategie ebenfalls vor große Schwierigkeiten stellen würde. Der Versuch einer Neuetablierung eines solchen Akteurs – wie auch immer man ihn normativ beurteilen will – kann einerseits, wie an den frühen Achtungserfolgen des BSW bei den Landtagswahlen 2024 in Thüringen, Brandenburg und Sachsen abzulesen ist, durchaus auf eine Nachfrage von Seiten des Publikums setzen. Wie an den direkt daran anschließenden Konflikten um die Regierungsbeteiligung des BSW und dessen daraufhin absackenden Umfragewerten aber ebenfalls deutlich werden sollte, wird ein solches Unterfangen dadurch verkompliziert, dass ihm (bisher) die Aura der internationalen Bewegung, die auch über Rückschläge hinweg tragen könnte, fehlt. Darüber hinaus könnte es sich auch als Problem erweisen, dass neben der AfD als bereits etablierter Anti-Volkspartei der Platz für Fundamentalopposition relativ schmal geworden ist.