Die FDP entstand 1948 und war über viele Jahre als kleinerer Partner von Union oder SPD Teil der Bundesregierung. Von 2013 bis 2017 war sie nicht im Bundestag vertreten.
Verbindung nationalliberaler und linksliberaler Kräfte
Ähnlich wie im christlich-konservativen standen im liberalen Lager nach dem Zweiten Weltkrieg die Zeichen auf Überwindung bisheriger Spaltungen. Eine Folge der verspäteten Reichsgründung, hatten die nationalen und demokratischen Kräfte des Liberalismus in Deutschland seit dem Kaiserreich getrennte Wege beschritten, wobei der Nationalliberalismus als Strömung dominierte. Das Zusammenwachsen der beiden Traditionslinien in der im Dezember 1948 neu gegründeten FDP gestaltete sich zunächst schwierig: Während die linksliberalen Landesverbände in Baden, Württemberg, Hamburg und Bremen auf dem noch vorhandenen kommunalen Fundament des alten Freisinns standen, umwarben die nationalliberalen Kräfte in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen die infolge der alliierten Lizenzierungspolitik politisch verwaisten Anhänger des Dritten Reichs. Hier drohte die FDP zeitweise von nationalsozialistischen Kreisen unterwandert zu werden (Hein 1985).
Wie ihre Mitbewerber im rechten politischen Spektrum positionierte sich die FDP entschieden antisozialistisch. Dass sie im Unterschied zur Deutschen Partei und zum Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten dem Schicksal entging, von CDU und CSU absorbiert zu werden, verdankte sie vor allem ihrer Kirchenferne. Dennoch lief sie als nationalliberale Lagerpartei Gefahr, zum Anhängsel der Union abzugleiten, während gleichzeitig das Damoklesschwert einer Wahlrechtsänderung über ihr schwebte.
Die Wahl des von Adenauer als Justizminister 1953 nicht wiederberufenen Thomas Dehler zum Partei- und Fraktionsvorsitzenden bedeutete vor diesem Hintergrund eine Kampfansage. Dehlers Fundamentalopposition gegen die Westintegration stieß unter Funktionären, Mitgliedern und Wählern auf erhebliche Vorbehalte. Nach dem "Jungtürken-Aufstand" des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, der die dortige Koalition mit der CDU 1956 mutwillig platzen gelassen hatte und an die Seite der SPD gewechselt war, traten ein Drittel der FDP-Abgeordneten und alle vier Minister aus der Bundestagsfraktion aus (Treibel 2014: 54 f.). Auch die Wähler goutierten die neue Eigenständigkeit nicht. Die FDP näherte sich deshalb aus der Opposition heraus der Union wieder an, mit der sie 1961 aber nur ohne Adenauer koalieren wollte. Auch weil sie dessen Rückzug trotz ihres guten Wahlergebnisses nicht durchsetzen konnte, haftete ihr seither das Image einer "Umfallerpartei" an.
Öffnung für sozialliberale Koalitionen
Der Zerfall der Erhard-Regierung und die Bildung der Großen Koalition erleichterten es der FDP, sich ab 1966 in der Opposition als Reformpartei zu erneuern (Lösche / Walter 1996: 60 ff.). In der Außen- und Deutschlandpolitik trat sie nun ähnlich wie die SPD für eine Annäherung an den Osten auf der Basis des Status quo ein, in der Innenpolitik entdeckte sie die Bildung als neues Schlüsselthema. Im Januar 1968 löste Walter Scheel Erich Mende als Parteivorsitzender ab. Gegen starken Widerstand der von Mende repräsentierten nationalliberale Kräfte gelang es ihm, die FDP für eine Koalition mit den Sozialdemokraten zu öffnen, indem er im März 1969 die Wahl des SPD-Kandidaten Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten mit der Mehrheit der FDP-Stimmen ermöglichte. Obwohl die Liberalen bei der anschließenden Bundestagswahl mit 5,8 Prozent nur knapp über die Fünfprozenthürde kamen, reichte das Wahlergebnis für die Bildung der ersten sozialliberalen Bundesregierung unter Kanzler Willy Brandt, in der Scheel das Amt des Außenministers übernahm.
Die von zahlreichen Parteiaustritten sowie Fraktionswechseln begleitete Ablösung ihres rechten Flügels stürzte die FDP zu Beginn der sozialliberalen Regierungszeit in heftige Turbulenzen. Ihre positive Kehrseite war, dass sich der Reformaufbruch in der Außen- und Innenpolitik mit den Sozialdemokraten in weitgehendem Einvernehmen vollzog, wofür beide Parteien bei der Bundestagswahl 1972 mit Stimmengewinnen belohnt wurden. In der Folgezeit verschwand dieser Gleichklang zusehends. Die FDP profitierte nun stärker davon, dass sie sich als Hüter marktwirtschaftlicher Positionen von den Sozialdemokraten absetzen konnte. Dies brachte ihr im Bund wie in den Ländern stabile Wahlergebnisse ein, sorgte aber gleichzeitig dafür, dass die Konflikte mit der SPD in der Koalition zunahmen. Einen wichtigen Anteil am Erfolg hatte Hans-Dietrich Genscher, der Scheel 1974 als Parteivorsitzender und Außenminister gefolgt war.
"Bonner Wende": Erneute Koalition mit CDU und CSU
Die von Genscher und Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff betriebene "Bonner Wende" führte die FDP 1982 an die Seite der Union zurück. Sie hatte abermals einen Aderlass bei den Mitgliedern und Funktionären zur Folge. Weil sofortige Neuwahlen nicht in ihrem Interesse lagen, war die Durchsetzungsmacht der Liberalen in der neuen Koalition unter Kanzler Helmut Kohl zunächst begrenzt (Dittberner 2010: 54). Kontinuität verbürgte die FDP in der Außenpolitik, während sie in der Rechtspolitik gegenüber dem größeren Koalitionspartner eine Korrektivrolle einnahm. Ihre Rolle eines Scharniers und Königsmachers bei der Regierungsbildung büßte die FDP nach dem Aufkommen der Grünen in den 1980er-Jahren ein. Weil die Grünen sich koalitionspolitisch einseitig auf die SPD orientierten, befanden sich die Liberalen im Gegenzug von nun am fest im "bürgerlichen" Lager. Auch auf der Länderebene blieben Koalitionen mit der SPD (Hamburg 1987-1991, Rheinland-Pfalz 1991-2006) oder mit SPD und Grünen (Brandenburg 1990-1994, Bremen 1991-1995, Rheinland-Pfalz seit 2016) fortan die Ausnahme.
Die deutsche Vereinigung bescherte der FDP durch die Vereinigung mit den mitgliederstarken Blockparteien LDPD und NDPD und den Ost-Bonus des aus Halle stammenden Genscher ein Zwischenhoch. Ab 1993 geriet die Partei aber insbesondere in den neuen Ländern, wo sich ihr selbst gepflegtes Image als "Partei der Besserverdienenden" nun gegen sie kehrte, tief in die Krise. Im Bundestagswahlkampf 1994 machte die FDP keinen Hehl daraus, dass sie ihre Funktion vor allem darin sah, der Union und Kanzler Kohl zum Weiterregieren zu verhelfen. Die "Selbstverzwergung" resultierte in einer Serie von Wahlniederlagen. Bei den Europawahlen 1994 und 1999 und bei 23 der zwischen 1993 und 1999 stattfindenden 28 Landtagswahlen scheiterte sie an der Fünfprozenthürde.
"Projekt18" und "Guidomobil": Selbstbewusste Wahlkämpfe
1995 löste Wolfgang Gerhardt den glücklosen Klaus Kinkel an der Parteispitze ab. Zusammen mit seinem lebhaften Generalsekretär Guido Westerwelle verpflichtete er die FDP auf einen eigenständigeren Kurs. Die Rückkehr in die Opposition 1998 kam ihr dabei ebenso zugute wie der Ende 1999 über die CDU hineinbrechende Parteispendenskandal. Mit Forderungen nach Deregulierung und Steuersenkungen, die auf der Linie des "neoliberalen" Zeitgeistes lagen, versuchte sich die FDP als "einzige nicht sozialdemokratische Partei" des Landes zu profilieren. Beflügelt wurde die neue Linie durch den früheren Bundesminister und nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Jürgen W. Möllemann. Sein erfolgreicher Medienwahlkampf bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl 2000 diente als Blaupause eines Strategiewechsels ("Projekt18"), mit dem die FDP in neue Wählerschichten vordringen und zu einer "Partei für das ganze Volk" werden wollte. Damit ging auch der Verzicht auf eine feste Koalitionsaussage einher. Westerwelle, der Gerhardt 2001 vom Parteivorsitz verdrängte, ließ sich im darauffolgenden Bundestagswahljahr bereitwillig als eigener FDP-Kanzlerkandidat einspannen. Der auf Jugendlichkeit getrimmte Spaßwahlkampf (mit dem legendären "Guidomobil") brachte der FDP allerdings nur einen marginalen Stimmenzuwachs ein. Das "Projekt 18" wurde daraufhin ruhmlos beerdigt und sein Scheitern ganz auf Möllemann abgeladen.
Koalitionspolitisch kehrte man nach 2002 an die Seite der CDU zurück, die sich mit dem Leipziger Parteitag 2003 ebenfalls einem marktliberalen Reformkurs verschrieben hatte. Ihre kräftigen Zugewinne 2005 verdankte die FDP nicht zuletzt der hohen Zahl von taktisch motivierten Koalitionswählern. Aus elektoraler Sicht war es für sie eine gute Fügung, dass man die erhoffte Regierungsmehrheit mit der Union verpasste. Weil diese in der Großen Koalition von ihren Reformzielen abrückte, konnte sich die FDP in der Opposition als alleiniger Garant marktwirtschaftlicher Positionen darstellen. Dafür wurde sie bei der Bundestagswahl 2009 mit fulminanten 14,6 Prozent belohnt.
Absturz nach Rekordergebnis
Der anschließende Absturz nahm bereits bei den Koalitionsverhandlungen seinen Anfang, wo sich die FDP in den für sie zentralen Politikfeldern nicht durchsetzen konnte. Insbesondere ihre weitreichenden Steuersenkungspläne musste sie begraben. Dass die Liberalen mit ihren Forderungen ins Leere liefen, lag auch daran, dass die beiden (rot-grünen und schwarz-roten) Vorgängerregierungen die wichtigsten Reformen bereits angepackt hatten - vom Arbeitsmarkt über die Steuerpolitik bis zur Rente. Insofern war Schwarz-Gelb eine "historisch verspätete Koalition" (Niedermayer 2015: 108). Als weiterer Fehler erwies sich, dass der geborene Innenpolitiker Westerwelle, statt Fraktionsvorsitzender zu bleiben oder das Finanzressort zu übernehmen, den Posten des Außenministers für sich reklamierte. Dort gelang es ihm nicht, einen vergleichbaren Amtsbonus wie Scheel oder Genscher zu entwickeln (Vorländer 2013: 394 ff.).
Von den Wählern alleine für das Erscheinungsbild der Koalition verantwortlich gemacht, scheiterte die FDP in 7 der 14 Landtagswahlen während der Legislaturperiode an der Fünfprozenthürde. Auf Drängen von Daniel Bahr, Philipp Rösler und Christian Lindner (der seit 2009 als Generalsekretär amtierte) gab Westerwelle den Parteivorsitz im Mai 2011 an Rösler ab. Verschärft wurde die missliche Lage durch die Uneinigkeit bei Thema Eurorettung, wo sich der Kurs der Parteiführung gegen ein vom "Euro-Rebellen" Frank Schäffler angestrengtes Mitgliederbegehren nur knapp behauptete (Treibel 2014: 117 f.). Obwohl die Umfragen den Liberalen seit Mitte 2013 einen relativ sicheren Wiedereinzug in den Bundestag verhießen, flüchtete sich die Parteispitze nach dem schwachen Landtagswahlergebnis in Bayern eine Woche vor der Bundestagswahl in eine hilflos wirkende Zweitstimmenkampagne, die den Sturz unter die Fünfprozentmarke besiegelte.
Das Ausscheiden aus dem Bundestag nach 64 Jahren ununterbrochener Parlamentszugehörigkeit war für die FDP ein Schock. Da sich bis auf Lindner die gesamte Führungsriege aus ihren Ämtern zurückzog, konnte man die Nachfolge im Vorsitz rasch klären. Als einzig weiteres bekanntes Gesicht neben Lindner blieb der in ihrer Medienpräsenz stark eingeschränkten Partei nur der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Wolfgang Kubicki. Lindner kümmerte sich zunächst vorrangig um eine Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes. Anstelle des bisweilen schrillen Populismus der Westerwelle-Ära traten neue Sachlichkeit und Seriosität. Inhaltlich blieb das Profil im Wesentlichen unverändert, nur das Bildungsthema erfuhr wieder eine höhere Priorität (Decker / Best 2016).
Wiedereinzug in die Parlamente und neue Koalitionsmodelle
Nachdem sich die Umfragen und Landtagswahlergebnisse in der ersten Hälfte der Wahlperiode kaum besserten, profitierte die FDP ab 2016 zunächst noch zaghaft und im darauffolgenden Wahljahr verstärkt von der innenpolitischen Stimmungswende infolge der Flüchtlingswende. 2017 war sie wieder in neun Landesparlamenten sowie drei Landesregierungen vertreten. Als Glücksfall erwies sich, dass die beiden letzten Landtagswahlen vor der Bundestagswahl ausgerechnet in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen anstanden, wo die FDP ihre guten Ergebnisse der vorangegangenen Wahlen im Mai 2017 mit 11,5 bzw. 12,6 Prozent nochmals deutlich überbot. Die Ablösung der rot-grünen Landesregierungen in Kiel und Düsseldorf durch eine "Jamaika"- (Schleswig-Holstein) bzw. schwarz-gelbe Koalition (Nordrhein-Westfalen) hatte eine Signalfunktion für die Bundestagswahl. Dass die FDP ihr Ergebnis bei dieser auf 10,7 Prozent mehr als verdoppeln konnte, lag im Wesentlichen an drei Faktoren. Erstens war es Lindner gelungen, die Partei und ihre Wahlkämpfe ganz auf seine eigene Person zuzuschneiden und ihr dadurch einen neuen, dynamischen Anstrich zu geben, der sich zugleich in der Kreativität der Wahlkampagne ausdrückte. Zweitens spielte die FDP ihre Oppositionsrolle nicht nur gegen ihre ideologischen Hauptgegner SPD und Grüne wirksam aus, sondern auch gegen die Unionsparteien, indem sie in die Kritik an der "liberalen" Flüchtlingspolitik Angela Merkels einstimmte. Und drittens profitierte sie von der Radikalisierung der AfD, die eine klare Abgrenzung von den Rechtspopulisten ermöglichte.
Nachdem die SPD noch am Wahlabend erklärte, in die Opposition zu gehen, verhandelten die Unionsparteien mit Grünen und FDP über die Bildung einer Jamaika-Koalition. Dass die Gespräche nach sechs Wochen ausgerechnet an der FDP scheiterten, kam unerwartet. Auch wenn sie es nicht offen aussprachen, hatte den Liberalen die Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung scheinbar von Beginn an nicht behagt. Aus der außerparlamentarischen Opposition kommend, fiel es ihnen einerseits schwer, mit den anderen Parteien - und hier vor allem den Grünen - auf Augenhöhe zu verhandeln. Andererseits weckte das wenig vertrauensvolle Verhältnis zu den Unionsparteien und Kanzlerin Merkel ungute Erinnerungen an die gemeinsame Regierungszeit von 2009 bis 2013, in der das Verhalten von CDU und CSU zu ihrem Untergang mit beigetragen hatte.
Der Ausstieg stieß an der Basis der Partei und bei ihren Wählern zum Teil auf Kritik. Das dahinter stehende Kalkül der Führung - vom Oppositionseffekt unter einer weiteren Großen Koalition profitieren zu können - erwies sich als falsch. Den Liberalen fehlte es an Themen, um im Wettbewerb zu punkten. Die ohne neue Schulden auskommende Finanz- und Wirtschaftspolitik der Großen Koalition bot kaum Angriffsflächen und das Flüchtlingsproblem spielte in der öffentlichen Wahrnehmung keine große Rolle mehr. Gleichzeitig erwischten die aufkommenden Klimaproteste, auf die sie wenig sensibel reagierte, die FDP auf dem falschen Fuß.
Die Kritik verstärkte sich nach dem Desaster von Thüringen, wo sich der FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich im Februar 2020 - bewusst oder versehentlich - mit den Stimmen der Union und AfD zum Ministerpräsidenten hatte wählen lassen und damit bundesweit einen Sturm der Entrüstung auslöste. Obwohl Kemmerich schon nach drei Tagen seinen Rücktritt erklärte, sorgte das unentschlossene Auftreten der Parteispitze in der Affäre mit dafür, dass die FDP kurz darauf den Wiedereinzug in die Hamburgische Bürgerschaft knapp verpasste und sich auch die bundesweiten Umfragewerte der FDP noch vor der Corona-Krise der bedrohlichen Fünfprozentmarke annäherten.
Eine Wende zeichnete sich erst ab Mitte 2020 ab, als es der FDP gelang, die zunehmende Unzufriedenheit mit dem Covid-19-Management der Regierung zum Teil auf ihre Mühlen zu lenken. Dabei kam die ihr die Doppelkompetenz als wirtschaftsfreundliche Partei und Anwältin der Bürgerrechte zugute, die sie stärker als alle anderen Parteien (außer der AfD) auf eine Lockerung der Corona-Beschränkungen drängen ließ. Mit besseren Umfragewerten im Rücken, strebte die FDP bei der anstehenden Bundestagswahl einen Neuanlauf in Richtung Jamaika an, um das Versäumnis von 2017 wettzumachen. Der angekündigte Abtritt von Angela Merkel und der stabile Vorsprung der Union in den Umfragen schienen dafür zunächst ein gutes Omen, doch wurde das Kalkül durch den Absturz von CDU und CSU nach einer desaströsen Wahlkampagne durchkreuzt. Da SPD und Grünen auch zusammen mit der Linken keine eigene Mehrheit hatten, war die FDP bereit, ein Ampelbündnis mit beiden Parteien zu bilden - diese Option hatte sie sich als Rückfallposition bereits 2017 offengehalten.
Die Koalitionsverhandlungen verliefen aus FDP-Sicht günstig. Lindner schaffte es, ein Vertrauensverhältnis zum grünen Führungsduo Robert Habeck und Annalena Baerbock und vor allem zum designierten Bundeskanzler Olaf Scholz aufzubauen, das sich bei der Durchsetzung der eigenen Forderungen bewährte. Diese sahen insbesondere die Absage an Steuererhöhungen, die Einhaltung der Schuldenbremse und den Verzicht auf ein Tempolimit auf Autobahnen vor. Bei gesellschaftspolitischen Themen wie der Liberalisierung des Abtreibungs- oder Drogenrechts, wo die Positionen von vornherein nahe beieinander lagen, war eine Einigung ohnehin gewiss. Als weiteren Erfolg konnte die FDP die - trotz erneut steigender Infektionszahlen - durchgesetzte Beendigung der nationalen Corona-Notlage für sich verbuchen. Und last but not least setzte sie bei der Ressortverteilung ihren Anspruch auf das Finanzministerium durch, den Christian Lindner bereits im Wahlkampf selbstbewusst für sich und die Partei erhoben hatte.
Mit den Mühen der alltäglichen Regierungsebene sollte sich die anfängliche Euphorie über die selbsternannte Fortschrittskoalition schon vor Beginn des Ukraine-Krieges legen. Dieser machte den Koalitionsvertrag in weiten Teilen zur Makulatur. Die Notwendigkeit, unter Umgehung der Schuldenbremse staatliche Mittel in einer bis dahin nicht gekannten Größenordnung zu mobilisieren, um Bürger und Unternehmen vor den explodierenden Energiepreisen zu schützen, brachte SPD und Grüne naturgemäß weniger in die Zwickmühle als die FDP, für die ein schlanker Staat und eine restriktive Schuldenpolitik zu den marktwirtschaftlichen Glaubenssätzen gehörten. Die sich verschärfenden Konflikte in der Koalition zogen die Partei in den Umfragen und Landtagswahlergebnissen nun erneut in den Keller und schienen die von manchen Skeptikern gehegte Befürchtung zu bestätigen, dass auf einem Bündnis der FDP mit zwei ihnen ideologisch fernstehenden linken Parteien kein Segen liegen würde.
Prof. Dr. Frank Decker lehrt und forscht am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Parteien, westliche Regierungssysteme und Rechtspopulismus im internationalen Vergleich.
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