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Die Organisation der LINKEN

Frank Decker

/ 4 Minuten zu lesen

Eine organisatorische Besonderheit der LINKEN ist die Bedeutung der verschiedenen ideologischen Strömungen in der Partei.

Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch. Auch die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag bilden ein Machtzentrum innerhalb der Partei. (© picture-alliance/dpa)

Stärker als bei den anderen Parteien ist die Organisation der Partei die Linke durch ein Nebeneinander von formellen und informellen Strukturen geprägt. Zugleich ergeben sich Besonderheiten durch den unterschiedlichen Stand des Parteiaufbaus in den alten und neuen Ländern.

Formale Gliederung

Die formale Gliederung der Partei in Landes-, Kreis- und Ortsverbände folgt dem vom Parteiengesetz vorgegebenen territorialen Organisationsprinzip. Aufgrund der im Vergleich zum Osten geringeren Mitgliederdichte im Westen lässt sich eine annähernd flächendeckende Präsenz hier nur in den Hochburgen gewährleisten (insbesondere den Stadtstaaten Hamburg und Bremen). Das formal höchste Organ ist der Bundesparteitag, der den Vorstand wählt und über grundsätzliche politische und organisatorische Fragen beschließt. Neben dem zurzeit aus 26 Mitgliedern bestehenden Vorstand unterhält die Partei einen kleineren geschäftsführenden Vorstand, der das eigentliche Führungszentrum bildet; ihm gehören zehn Personen an. Die Bedeutung des 80-köpfigen Bundesausschusses ist demgegenüber geringer.

In der Partei dominiert das Delegiertenprinzip, das allerdings in jüngster Zeit vermehrt durch Urwahlen und Mitgliederentscheide angereichert wird. Um ihr Zusammenwachsen nach der Fusion mit der WASG zu erleichtern, wurden die westdeutschen Verbände im Delegiertenschlüssel zunächst stark bevorzugt, was den von Lafontaine angeführten fundamentaloppositionellen Kräften in die Hände spielte. Diese Sonderregelungen liefen mit dem 4. Parteitag 2014 aus (Oppelland / Träger 2014: 101 ff.). Die in der Satzung vorgesehenen basisdemokratischen Verfahren kamen unter anderem bei der Entscheidung über den Fortbestand der Doppelspitze (mit mindestens einer Frau) im Vorfeld des Rostocker Parteitages 2010 und der Bestätigung des 2011 auf dem Erfurter Parteitag beschlossenen Grundsatzprogramms zum Tragen. Auch der Zusammenschluss von PDS und WASG wurde durch eine Urabstimmung in beiden Verbänden besiegelt.

Ideologische Strömungen in der Partei

Eine Besonderheit der Linken, die sie von der PDS übernommen hat, ist die Bedeutung der verschiedenen ideologischen Strömungen in der Partei. Deren Bandbreite reicht von reformorientiert-pragmatischen über klassisch-sozialistische bis hin zu orthodox-kommunistischen Positionen, die untereinander nochmals verschiedene Richtungen und Querverbindungen aufweisen. Die Linke gewinnt dadurch den Charakter einer sozialistischen Sammlungspartei. Organisatorisch schlägt sich das in der großen Zahl von förmlichen und informellen Zusammenschlüssen nieder, die laut Satzung frei gegründet werden können und - ab einer bestimmten Mindestgröße - berechtigt sind, Delegierte zu den Parteitagen zu entsenden. Als wichtigste Gruppierungen zu nennen sind im Lager der Reformer das Netzwerk Reformlinke und das Forum Demokratischer Sozialismus, im Lager der Orthodoxen die Kommunistische Plattform, die Antikapitalistische Linke und die Sozialistische Linke. Eine Mittelstellung zwischen beiden Lagern nimmt die Emanzipatorische Linke ein. Mitglieder des linken Flügels haben im Januar 2018 eine neue Internet-Plattform ins Leben gerufen, die sich "Bewegungslinke" nennt. Darüber hinaus verfügt die Bundespartei über rund 40 Arbeitsgemeinschaften (Jesse / Lang 2012: 246 ff.).

Die Vielfalt der ideologischen Strömungen bildet sich in der Führungsstruktur ab. Seit der Fusion mit der WASG wird die Linke von einer Doppelspitze angeführt. In der Bundestagsfraktion galt das nur für die Übergangszeit von 2005 bis 2009, als Lafontaine und Gysi gleichberechtigte Vorsitzende waren. Die größer gewordene Bundestagsfraktion gewann seit dieser Zeit als zweites Machtzentrum der Partei an Gewicht, was die Parteiführung naturgemäß kritisch beäugte. Die Erwartung, dass mit dem ersten von der Linken gestellten Ministerpräsidenten Bodo Ramelow eine "Regierungslinke" im Osten als weiteres Machtzentrum hinzutreten könnte, erfüllte sich nicht.

Bei der Wahl der Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl 2017 setzten sich Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, die 2015 von Gysi den Fraktionsvorsitz übernommen hatten, gegen die Parteivorsitzende Katja Kipping durch. Die persönliche Rivalität zwischen Kipping und Wagenknecht belastete das Verhältnis zwischen Partei- und Fraktionsführung massiv und gefährdete den bis dahin mühsam erhaltenen Burgfrieden. Sorgte Wagenknechts Rückzug Ende 2019 zunächst für eine gewisse Entspannung, spitzte sich der Konflikt im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 weiter zu. Wagenknechts fortgesetzte Provokationen ließen keinerlei Bereitschaft erkennen, den Riss zu kitten und sich im Interesse des Gesamterfolgs der innerparteilichen Disziplin unterzuordnen. 2022 gingen die meisten Beobachter deshalb davon aus, dass es nur noch eine Frage des Wie (nicht des Ob) sei, dass sie und ihre Getreuen die Partei verlassen würden.

Mitglieder

Konsequente Durchsetzung erfährt innerhalb der Linken das Prinzip der Geschlechterdemokratie. Nach der Satzung sollen alle Gremien der Partei und ihre parlamentarischen Vertretungen mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt sein. 2020 bis 2022 hatte die Partei erstmals eine weibliche Doppelspitze. Im Bundestag sind die Frauen unter den Fraktionsmitgliedern mit 20 zu 19 heute knapp in der Überzahl. Unter den Mitgliedern ist ihr Anteil seit der Fusion mit der WASG auf 36,8 Prozent (2021) marginal zurückgegangen, das ist der zweithöchste Wert nach den Grünen. Von allen im Bundestag vertretenen Parteien weist die Linke in ihren Führungsgremien zudem den höchsten Anteil von Personen mit Migrationshintergrund auf.

Hatte die PDS 1990 170.000 Mitglieder von der SED geerbt, so sank deren Zahl im Osten bis 2005 auf 57.000. Nach dem Zusammengehen mit der WASG erreichte die Mitgliederzahl 2009 mit 78.000 ein Zwischenhoch, bevor sie erneut stark zurückging und auf 59.000 im Jahre 2016 absackte. Ende 2021 lag der Bestand bei 60.670 Mitgliedern, von denen jeweils die Hälfte (50 Prozent) auf die west- und ostdeutschen Landesverbände entfielen. Der Aufwärtstrend ist den zahlreichen Neueintritten junger Mitglieder seit Mitte der 2010er-Jahre zu verdanken, womit die Partei ihren Überalterungsprozess vorläufig stoppen konnte: Lag das Durchschnittsalter der Mitglieder 2014 noch bei 60 Jahren, ist es seither auf 52 Jahre gesunken.

Quellen / Literatur

  • Decker, Frank (2013), Das Verhältnis der SPD gegenüber der LINKEN - Die offene Zukunft, in: Gerhard Hirscher/Eckhard Jesse (Hg.), Extremismus in Deutschland. Schwerpunkte, Vergleiche, Perspektiven, Baden-Baden, S. 549-563.

  • Holzhauser, Thorsten (2019), Die "Nachfolgepartei". Die Integration der PDS in das politische System der Bundesrepublik Deutschland 1990 - 2005, Berlin / Boston.

  • Jesse, Eckhard (2015), Auf dem Weg ins Establishment? Das Abschneiden der PDS/Die Linke bei den Wahlen seit 1990, in: Recht und Politik 50 (2), S. 98-106.

  • Jesse, Eckhard/Jürgen P. Lang (2012), DIE LINKE - eine gescheiterte Partei?, München.

  • Meuche-Mäker, Meinhard (2005), Die PDS im Westen 1990-2005. Schlussfolgerungen für eine neue Linke, Berlin.

  • Neu, Viola (2018), Die Linke, in: Frank Decker/dies. (Hg.), Handbuch der deutschen Parteien,22. Aufl., Wiesbaden, S. 384-401.

  • Neugebauer, Gero/Richard Stöss (2015), Den Zenit überschritten. Die Linkspartei nach der Bundestagswahl 2013, in: Oskar Niedermayer (Hg.), Die Parteien nach der Bundestagswahl 2013, Wiesbaden, S. 159-173.

  • Niedermayer, Oskar (2006), Die Wählerschaft der Linkspartei.PDS 2005: sozialstruktureller Wandel bei gleichbleibender politischer Positionierung, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 37 (3), S. 523-538.

  • Olsen, Jonathan / Nichael A. Hansen (2022), The Party without Qualities? Explaining the Left Party's Electoral Disaster in the 2021 German Federal Election. In: German Politics and Society 40 (2), S. 1-22.

  • Oppelland, Torsten/Hendrik Träger (2014), Die Linke. Willensbildung in einer ideologisch zerstrittenen Partei, Baden-Baden.

  • Pfahl-Traughber, Armin (2013), Die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)/DIE LINKE, in: Oskar Niedermayer (Hg), Handbuch Parteienforschung, Wiesbaden, S. 541-562.

  • Spier, Tim u.a., Hg. (2007), Die Linkspartei. Zeitgemäße Idee oder Bündnis ohne Zukunft?, Wiesbaden.

  • Träger, Hendrik (2020), Die Linke zwischen internen Konflikten, der ersten Koalition im Westen, Niederlagen im Osten und dem Ramelow-Effekt, in: Uwe Jun / Oskar Niedermayer (Hg.), Die Parteien nach der Bundestagswahl 2017, Wiesbaden, S. 159-186.

  • Vollmer, Andreas M. (2013), Arbeit & soziale Gerechtigkeit - die Wahlalternative (WASG). Entstehung, Geschichte und Bilanz, Baden-Baden.

  • Zettl, Christian (2014), Die Wähler der Linkspartei.PDS von 1994 bis 2009, Wiesbaden.

Fussnoten

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 4.0 - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International" veröffentlicht. Autor/-in: Frank Decker für bpb.de

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Infografik

Mitgliederentwicklung

Nach Hochzeiten der Mitgliedergewinnung entwickelten sich die Mitgliederzahlen der Parteien unterschiedlich. Nach der Wiedervereinigung verloren viele Parteien mehr oder minder stark an Mitgliedern.

Infografik

Soziale Zusammensetzung

In allen Parteien sind Frauen, Jüngere und Personen mit niedriger Bildung unterrepräsentiert - im Gegensatz zu Personen mit höherer Bildung sowie Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst.

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Mitglieder nach Bundesländern

Im Westen haben alle Parteien außer der Linken weit mehr Parteimitglieder als im Osten. Daher unterscheidet sich zwischen den Bundesländern auch ihre Rekrutierungsfähigkeit beträchtlich.

Parteien in Deutschland

Rekrutierungsfähigkeit

Die Parteien beziehen sich bei der Mitgliederrekrutierung auf unterschiedliche Teile der Bevölkerung. Zwischen Parteien und Bundesländern unterscheidet sich die Rekrutierungsfähigkeit beträchtlich.

Infografik

Einnahmen und Ausgaben

Die acht Bundestagsparteien nahmen 2020 insgesamt fast 520 Mio. Euro ein. Die höchsten Einnahmen hatte die SPD. Das meiste Geld verwendeten die Parteien für Personalausgaben.

Parteien in Deutschland

Staatliche Parteienfinanzierung

Für das Jahr 2021 erhielten 20 Parteien Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Von den insgesamt festgesetzten 200 Mio. Euro entfielen 192,7 Mio. Euro auf die acht Bundestagsparteien

Prof. Dr. Frank Decker lehrt und forscht am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Parteien, westliche Regierungssysteme und Rechtspopulismus im internationalen Vergleich.