Rivalität gemäßigter und radikaler Strömungen
Die ideologische Einordnung der Linken ist umstritten. Manche wissenschaftlichen und journalistischen Beobachter halten die Partei nach wie vor für extremistisch und werten ihr Bekenntnis zu Verfassung und Demokratie als primär instrumentell. Andere betonen, dass es der Linken vor allem um die Überwindung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung gehe, die kein zwingender Bestandteil des demokratischen Verfassungsstaates und parlamentarischen Systems sei (Pfahl-Traughber 2013: 548 ff.). Die Unklarheit rührt aus der ideologischen Gemengelage der Partei, in der gemäßigte und radikale Strömungen miteinander rivalisieren. Erstere wollen nicht das kapitalistische System generell, sondern nur dessen "neoliberale" Auswüchse beseitigen. Eine solche Reform, die auf eine stärkere Regulierung der Marktkräfte und Umverteilung des erwirtschafteten Wohlstands ziele, sei im Rahmen der vorhandenen demokratischen Institutionen durchaus möglich. Radikale Strömungen in der Partei sehen dagegen in der liberalen Demokratie einen Garanten und Stabilisator des kapitalistischen Systems. Ihr Ziel ist die sozialrevolutionäre Überwindung der politischen und wirtschaftlichen Ordnung im Sinne einer umfassenden gesellschaftlichen Demokratisierung. Innerhalb dieser radikalen Strömungen werden einige Zusammenschlüsse in der Partei von den Verfassungsschutzbehörden als "offen extremistisch" angesehen und finden Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten.
Symptomatisch für den Ideologiestreit ist die rasche Abfolge der seit 1990 verabschiedeten Programme. Waren die in der Wendezeit aufgestellten Grundsätze noch vom Zutrauen in die gerade eingeführte Marktwirtschaft bestimmt, lebte die antikapitalistische Herrschaftskritik schon im Berliner Programm von 1993 wieder auf. Der Aufstieg der PDS zur Volkspartei, der sie in den ostdeutschen Ländern zur mitgestaltenden Kraft machte, gab den Reformern in der Folgezeit Rückenwind. Höhepunkt dieser Entwicklung war das 2003 verabschiedete Chemnitzer Programm, das sich zur Freiheit als "Bezugspunkt sozialistischer Politik" bekannte und die rigorosen Positionen der Partei in der Eigentumsfrage abschwächte. Landesverbände wie Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern gingen in der "Entdämonisierung" des Kapitalismus sogar noch weiter (Jesse / Lang 2012: 279 ff.).
Das aktuelle Grundsatzprogramm, das nach langem Ringen 2011 auf dem Erfurter Parteitag beschlossen wurde, spiegelt die seit der Fusion mit der West-Linken eingetretene Radikalisierung. In marxistischer Diktion wird die kapitalistische Ordnung nun erneut als "Ausbeutungssystem" angeprangert und für die "Krisen der Zivilisation" verantwortlich gemacht. Wirkliche Demokratie könne es nur unter sozialistischen Vorzeichen geben. Voraussetzung dafür sei die Überwindung der bestehenden Eigentumsverhältnisse und staatliche Steuerung der Wirtschaft. Daseinsvorsorge, gesellschaftliche Infrastruktur, Finanzinstitutionen und Energiewirtschaft gehörten in öffentliche Hand und müssten demokratisch kontrolliert werden (Neu 2018: 397 f.).
Sozial-, Steuer- und Umweltpolitik
Stehen die antikapitalistischen Positionen in der Kontinuität der früheren PDS, so tragen die Forderungen der Linken in der Sozial- und Steuerpolitik zugleich die Handschrift der gewerkschaftsnahen Vertreter aus den westdeutschen Landesverbänden. Sie umfassen unter anderem die schrittweise Verkürzung der Wochenarbeitszeit, die Rückgängigmachung der seit 2002 eingeleiteten "neoliberalen" Sozial- und Arbeitsmarktreformen, eine deutliche Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns sowie umfangreiche öffentliche Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Finanziert werden sollen diese Maßnahmen aus zusätzlichen Staatseinnahmen durch eine gerechtere Besteuerung (Wiedereinführung der Vermögensteuer, deutliche Anhebung der Erbschaftsteuer und des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer sowie höhere Körperschafts- und Kapitalsteuern).
Neben der sozialen nimmt die ökologische Frage in der Programmatik breiten Raum ein. Die Positionen der Linken muten hier mittlerweile entschiedener an als jene der Grünen, weil sie auf direkte staatliche Eingriffe setzen und mit dem Ziel einer umfassenden gesellschaftlichen Demokratisierung eng verknüpft sind. Der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen wird damit zu einem weiteren Feld ihrer Kapitalismuskritik. Einigkeit gibt es innerhalb der Partei, dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeitsziele nicht gegeneinandergestellt werden dürfen. Verbleibende Akzentunterschiede sind eher semantischer Art und reduzieren sich darauf, ob man ähnlich wie die Grünen von einem "New Green Deal" oder lieber von "Öko-Sozialismus" sprechen soll.
Bildeten die wirtschafts- und sozialpolitischen Positionen lange Zeit den "Markenkern" der Linken, mit der sich diese vor allem von der SPD abheben wollte, werden mit deren eigenen Kurskorrekturen die programmatischen Unterschiede zunehmend verwischt. Ähnliches gilt für die Ökologie. Weil Sozialdemokraten und Grüne mit ihren Reformbemühungen in dieselbe Richtung zielen, kann die Linke immer weniger deutlich machen, wozu es sie als dritte Kraft im linken Lager eigentlich noch braucht. Parteienforscher sehen hierin den Hauptgrund für die jüngsten Stimmenverluste (Olsen / Hansen 2022).
Außen- und Sicherheitspolitik
Programmatische Alleinstellungsmerkmale kann die Partei dagegen in der Außen- und Sicherheitspolitik für sich reklamieren, wo sie als "internationalistische Friedenspartei" konsequent für das Prinzip der Gewaltfreiheit eintritt. Militäreinsätze der Bundeswehr, selbst unter UN-Mandat, lehnt die Partei ab. Die Linke fordert den Austritt der Bundesrepublik aus dem militärischen Teil der NATO. Diese soll langfristig aufgelöst und durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einschluss Russlands ersetzt werden. Das Verteidigungsbudget möchte die Partei in ein ziviles Hilfskorps für humanitäre Maßnahmen und Katastrophenschutz umwidmen. Auf internationaler Ebene mahnt sie eine Reform der UN-Institutionen und Verstärkung der Entwicklungszusammenarbeit an.
Migrationspolitik
In der Flüchtlingspolitik verficht die Linke einen noch liberaleren Öffnungskurs als die Grünen. Dieser verfängt bei der Anhängerschaft vor allem, wenn es um die kriegsbedingten Ursachen der Krise geht: Hier kann die Partei die anti-militaristischen, anti-kapitalistischen und anti-amerikanischen Positionen ihrer Ideologie ausspielen. Bei der Aufnahme und Integration der Zuwanderer besteht dagegen speziell in Ostdeutschland eine mentale und inhaltliche Distanz zu den eigenen Wählern, von denen seit 2014 viele zur AfD übergelaufen sind. Teile der Partei stellen den offiziellen Kurs deshalb in Frage. Als Kritiker exponierten sich insbesondere Wagenknecht und Lafontaine. Weil deren Forderung nach einer restriktiveren Zuwanderungspolitik nicht nur auf verteilungspolitische, sondern auch auf kulturelle Argumente zurückgreift, werfen ihnen die Vertreter der Mehrheitslinie eine Nähe zu rechtspopulistischen Positionen vor.
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
Wo die Linke für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintritt, stehen in der Regel Wirtschaft und Gesellschaft im Vordergrund. Mit einer vorbehaltlosen Anerkennung der Werteordnung des Grundgesetzes und der Institutionen des freiheitlich-demokratischen Staates tut sie sich schwer. Symptomatisch dafür ist ihre Abwertung der individuellen Freiheitsrechte als lediglich "formal" - im Gegensatz zur umfassender verstandenen, substanziellen Freiheit, die es nur in einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung geben könne. Dem oppositionellen Selbstverständnis der Partei ist es mitgeschuldet, dass sie sich im Rahmen des politischen Systems für eine Stärkung der Parlamentsrechte sowie die Einführung bzw. Ausweitung direktdemokratischer Verfahren stark macht. Darüber hinaus tritt sie für eine bessere demokratische Kontrolle des Justizwesens, der Sicherheitsdienste sowie der klassischen und digitalen Medien ein, um Machtanballungen in Staat und Gesellschaft zu verhindern.
Die Kritik der Linken am bestehenden demokratischen Verfassungsstaat findet in ihren vergangenheitspolitischen Positionen Niederschlag (Jesse / Lang 2012: 285 ff.). Hier grenzt sie sich zwar einerseits deutlich von der marxistisch-leninistischen Ideologie und diktatorischen Herrschaftspraxis der realsozialistischen Systeme ab. Andererseits vermeidet sie es jedoch, die DDR pauschal als "Unrechtsstaat" zu bezeichnen, und stellt sich bewusst in die sozialrevolutionäre Tradition Rosa Luxemburgs, für die Freiheit und Pluralismus nur innerhalb der sozialistischen Ordnung möglich waren. Kritiker sehen darin zugleich die Absicht, den Kommunismus moralisch zu entlasten, die durch den stark betonten Antifaschismus der Linken und ihre entschiedene Gegnerschaft zu den USA - als Vormacht des Kapitalismus - zusätzlich verstärkt werde. Auch die dezidierten Parteinahmen für Russland müssen vor diesem Hintergrund gesehen werden. Obwohl der Nachfolgestaat der Sowjetunion, was den autokratischen Charakter seines Herrschaftssystems angeht, der Ideologie der Linken fern steht, nahm diese bei den Russland gegenüber erhobenen Vorwürfen bis zuletzt stets eine beschwichtigende Haltung ein - von der Krim-Annexion und ersten Ukraine-Krise über die russische Kriegsbeteiligung in Syrien bis hin zur Verfolgung der regimekritischen Opposition -, während sie in Bezug auf andere Diktatoren oder autoritäre Regime (etwa der Türkei) mit deutlicher Kritik - auch am Kurs der Bundesregierung - nicht hinter dem Berg hält.
Mit einer Kurskorrektur und Aufarbeitung der eigenen Irrtümer tut sich die Partei auch nach dem russischen Überfall auf die Ukraine schwer. In ihrer auf dem Erfurter Parteitag 2022 verabschiedeten Erklärung verurteilt sie diesen zwar als verbrecherischen Angriffskrieg, der durch nichts zu rechtfertigen sei. Gleichzeitig erteilt sie jedoch Waffenlieferungen an die Ukraine und einer Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und der NATO eine Absage und plädiert stattdessen für eine Rückkehr zu Diplomatie und Verhandlungslösungen, um sich der militärischen Logik nicht zu beugen. Die Sanktionen gegenüber Moskau unterstützt sie, soweit sie die Oligarchen und den militärisch-industriellen Komplex betreffen, nicht aber dort, wo sie - wie bei einem Gasembargo - nachteilige Folgen für die einheimische Bevölkerung hätte.