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Nationaldemokratische Partei Deutschlands NPD

Torsten Oppelland

/ 15 Minuten zu lesen

Die NPD wurde 1964 gegründet. Ihre Programmatik weist ein rechtsextremes Welt- und Menschenbild auf. Auf ein Verbot verzichtete das Bundesverfassungsgericht 2017 wegen ihrer Erfolglosigkeit.

Der NPD-Bundesvorsitzender Frank Franz während eine Kundgebung. (© picture-alliance)

Geschichte: Entstehung und Entwicklung

Die "Nationaldemokratische Partei Deutschland" (NPD) wurde 1964 gegründet. Die meisten Parteigründer waren zuvor in der Deutschen Reichspartei (DRP) aktiv, die wiederum ein Zusammenschluss der Deutschen Konservativen Partei - Deutschen Rechtspartei (DKP-DRP) und der nur in Hessen aktiven Nationaldemokratischen Partei (NDP) war. Die DRP hatte in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg im rechten Lager eine gewisse Dominanz erlangt, konnte aber weder an die bescheidenen Wahlerfolge der DKP-DRP anknüpfen, noch vom 1952 erfolgten Verbot der Sozialistischen Reichspartei (SRP), einer NSDAP-Nachfolgepartei, profitieren. Die Gründung der NPD war eine Reaktion auf die zum Teil unter ein Prozent fallenden Wahlergebnisse der DRP und stellte einen neuen Versuch dar, noch vor der Bundestagswahl 1965 eine rechte Sammlungspartei auf den Weg zu bringen. Den Vorsitz übernahm der Bremer Beton-Fabrikant Friedrich Thielen, der sich einige Jahre zuvor von der CDU abgewandt hatte und mit der Deutschen Partei in Bremen Wahlerfolge erzielt hatte. Die CDU-Vergangenheit Thielens war für die NPD-Gründer wichtig, um das Image der DRP als Ewiggestrige und "Altnazis" überwinden zu können.

Im Bundestagswahlkampf 1965 inszenierte sich die NPD als neue Kraft, die mit einer Reihe prominenter Mitglieder werben konnte, beispielsweise dem Raumfahrtpionier Hermann Oberth. Das Wahlergebnis blieb mit zwei Prozent zwar hinter den Erwartungen zurück, bildete aber dennoch den Auftakt für eine Reihe von Erfolgen. So gelang es der Partei bei mehreren Landtagswahlen die Fünfprozenthürde zu überwinden (1966: Hessen 7,9 Prozent und Bayern 7,4 Prozent; 1967: Schleswig-Holstein 5,8 Prozent, Rheinland-Pfalz 6,9 Prozent, Niedersachsen 7,0 Prozent und Bremen 8,8 Prozent; 1968: Baden-Württemberg 9,8 Prozent). Es gab mehrere Gründe für diese Wahlerfolge: Der CDU fiel es unter den Bedingungen der Großen Koalition (1966-1969) schwerer als früher, anti-sozialistische Ressentiments anzusprechen und den rechten Rand einzubinden. Außerdem lösten die großen Demonstrationen der Außerparlamentarischen Opposition (APO) in den Jahren 1967 und 1968 eine breite Debatte über die innere Sicherheit in der Bundesrepublik aus, die für die Regierungsparteien nachteilig war.

Zur Bundestagswahl 1969 trat die Partei mit einer neuen Führung an. Der Vorsitzende Friedrich Thielen war 1967 gestürzt und durch Adolf von Thadden ersetzt worden, der bereits bei der DRP eine führende Rolle gespielt hatte. Die Bundestagswahl verlief für die NPD jedoch angesichts der durch die Landtagswahlerfolge geweckten Erwartungen enttäuschend. Mit 4,3 Prozent scheiterte die Partei an der Fünfprozenthürde. Das Hauptthema des Wahlkampfes war die Wirtschafts- und Finanzpolitik, in der die Wähler der NPD kaum Kompetenz zuschrieben. Außerdem war die NPD heftig in die Kritik geraten, als während einer Wahlveranstaltung in Kassel zwei Gegendemonstranten von Leibwächtern des Vorsitzenden angeschossen wurden, nachdem dieser heftig bedrängt worden war. Auch die NS-Vergangenheit vieler Parteifunktionäre wurde in der Presse breit thematisiert.

Die unerwartete Wahlniederlage war für die NPD vor allem deshalb eine Katastrophe, weil die Unionsparteien durch den Regierungswechsel zur sozialliberalen Koalition in die Opposition kamen. Durch einen polarisierenden Stil in der politischen Auseinandersetzung gelang es der Union, viele Wähler von der NPD zurückzugewinnen und die Partei zu verdrängen. In den folgenden Jahren war die NPD einem Zerfallsprozess ausgesetzt, der sich in Wähler- und Mitgliederverlusten ausdrückte. Dies führte auch dazu, dass interne Flügelkämpfe zwischen denen, die in der NPD im Grunde nur einen (sehr) rechten Flügel der Union sahen, und anderen, die das bundesdeutsche politische System radikal ablehnten und politische Kampfaktionen sehen wollten, wieder auflebten. Der Parteivorsitzende von Thadden stand für das erste Lager, das 1970 im Wertheimer Manifest durchgesetzt hatte, die NPD als "konservativ" zu definieren. Schon 1971 warf er entnervt das Handtuch, weil er die Partei als nicht mehr "führbar" ansah.

Er wurde durch Martin Mußgnug abgelöst, der die NPD in eine fast zwanzig Jahre dauernde Phase der Stagnation führte. Ihre Wahlergebnisse lagen in dieser Zeit nur bei wenigen Wahlen zu Landtagen über einem Prozent der Stimmen. Die schwierige Lage der Partei hatte nicht nur mit den internen Konflikten, sondern auch mit der prekären Finanzlage zu tun. Denn bei aller Kritik an der staatlichen Parteienfinanzierung hatte die NPD vor allem von dieser gelebt und mit dem Ausbleiben von Wahlerfolgen sank auch die staatliche Wahlkampfkostenerstattung.

Anfang der 1990er-Jahre kam es deswegen zu einer Spaltung. Der Parteivorsitzende Mußgnug schlug vor, die Partei wegen der hohen Schulden (1,5 Mio. DM) aufzulösen und in die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" zu überführen. Ein Teil der Partei folgte ihm nicht und wählte 1991 Günter Deckert zum neuen Vorsitzenden. Dieser hatte bereits in dem 1970er-Jahren als Bundesvorsitzender der "Jungen Nationalen" zum nationalrevolutionären Flügel gehört, hatte zwischenzeitlich die NPD verlassen und in verschiedenen rechtsradikalen Organisationen mitgewirkt. Wegen seiner rechtsextremen Umtriebe war er 1988 aus dem Schuldienst in Baden-Württemberg entlassen worden und erst Anfang 1991 in die NPD zurückgekehrt. Als NPD-Vorsitzender konzentrierte er die Parteipropaganda auf einen aggressiven Geschichts-Revisionismus. Dies führte dazu, dass er 1995 eine mehrjährige Gefängnisstrafe antreten musste, nachdem er in mehreren Strafverfahren wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass wegen seiner Übersetzung und positiven Kommentierung des bekannten Holocaust-Leugners Fred Leuchter verurteilt worden war. Daraufhin wurde er als Parteivorsitzender abgesetzt. Als Nachfolger wurde im März 1996 Udo Voigt gewählt, der zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine lange Parteikarriere zurückblicken konnte.

Unter der Führung des neuen Bundesvorsitzenden kam es zu einer programmatischen und strategischen Neuausrichtung der Partei. Neu war vor allem, dass die Partei den traditionellen Anti-Kommunismus aufgab und für einen nationalen Sozialismus einzutreten begann. Diese neue ideologische Orientierung war nicht nur für das neonazistische Milieu der Freien Kameradschaften attraktiv, es wandte sich auch explizit an Ostdeutsche. Die Betonung sozial- bzw. wirtschaftspolitischer Themen und die massive Kapitalismus- und Globalisierungskritik dienten vor allem dazu, von einer gewissen Unzufriedenheit früherer DDR-Bürger mit den sozioökonomischen Entwicklungen seit der Wiedervereinigung zu profitieren und zugleich an deren Sozialisierung in der DDR anzuknüpfen.

Voigt hat für die Partei ein völlig neues Strategiekonzept erarbeiten lassen. Angelehnt an den ab 1832 veröffentlichten Klassiker "Vom Kriege" von Carl von Clausewitz geht die NPD-Führung von drei bzw. vier zu kämpfenden Schlachten aus, die dem anfänglichen "Drei-Säulen-Konzept" entsprechen, das 2004 um einen weiteren Pfeiler ergänzt wurde. Demnach führt die Partei nunmehr den "Kampf um die Straße", den "Kampf um die Köpfe", den "Kampf um die Parlamente" und den "Kampf um den organisierten Willen". Der "Kampf um die Straße" meint eine Massenmobilisierung, durch welche die Partei eine Massenwirkung entfalten will. Hierbei liegt das Augenmerk auf der Besetzung öffentlicher Räume durch Veranstaltungen und Demonstrationen, die zugleich das Feld für die nächste "Schlacht" bereiten soll. Die Verbreitung des völkisch-nationalen Programms, aber auch die Schulung der eigenen Anhänger beschreibt der "Kampf um die Köpfe". Ziel ist es, einer möglichst breiten Masse die Ideologie nahe zu bringen und eine Identifizierung mit den Zukunftsvisionen der Partei zu erzeugen. Auf diese Weise möchte die NPD die geistige Basis für den angestrebten revolutionären Umsturz schaffen. Im Rahmen des "Kampfes um die Parlamente" soll um Wählerstimmen geworben werden. Die erst 2004 hinzugefügte vierte Säule, der "Kampf um den organisierten Willen", umfasst die Bemühungen, eine breite Sammlungsbewegung zu formieren, um das innerhalb wie auch außerhalb von Parteien organisierte rechtsextreme Lager zu vereinigen. Ergebnis dieser Bemühungen ist der "doppelte Schulterschluss" (Jesse 2005: 74) mit der DVU einerseits und den überwiegend neonazistischen Freien Kameradschaften andererseits. 2005 schloss die NPD mit der DVU sogar einen "Deutschlandpakt", in dem vereinbart wurde, nicht gegeneinander zu kandidieren und bei Wahlen jeweils auch Kandidaten der anderen Partei auf die Listen zu setzen. Diese Vereinbarung wurde jedoch nach vier Jahren wieder aufgekündigt, als zur Landtagswahl 2009 in Brandenburg beide Parteien antraten. Nach dem Rückzug des DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey 2009 wurde die Zusammenarbeit jedoch intensiviert und 2010 eine Fusion der beiden Parteien beschlossen. Da einzelne DVU-Landesverbände gegen diese Fusion juristisch vorgingen, wurde sie jedoch rechtlich nie wirksam. Dennoch stellte die DVU ihre Parteiarbeit ein und gab ihre Auflösung bekannt; die NPD nannte sich zeitweise im Untertitel ihres Logos "Die Volksunion".

Nicht zuletzt aufgrund der neuen ideologischen und strategischen Ausrichtung stabilisierte sich die NPD. Am Ende der kurzen Ära Deckert ging der Verfassungsschutz von einer Zahl von etwa 3.500 Mitgliedern aus; 2007 - gut zehn Jahre, nachdem Voigt die Führung übernommen hatte - hatte sich diese Zahl mit 7.200 mehr als verdoppelt. Auch bei Wahlen war die Partei erfolgreich, allerdings nur in ostdeutschen Bundesländern. So erzielte die NPD mit 9,2 Prozent bei der sächsischen Landtagswahl 2004 einen ersten spektakulären Erfolg, der in der Form aber nicht wiederholt werden konnte. 2009 schaffte sie mit 5,6 Prozent erneut den Einzug in den Landtag, scheiterte aber 2014 knapp mit 4,9 Prozent an der Fünfprozenthürde. In Mecklenburg-Vorpommern dagegen gelang der Partei in zwei aufeinander folgenden Landtagswahlen der Sprung über die Fünfprozenthürde (2007: 7,3 Prozent, 2011: 6,0 Prozent). Bei den anderen ostdeutschen Landtagswahlen scheiterte sie zum Teil recht knapp (Sachsen-Anhalt 2011 4,6 Prozent); in den westlichen Bundesländern reichte sie an ihre Erfolge aus den 1960er- und 1970er-Jahren sowie an die Fünfprozenthürde nicht mehr heran. Damit war die Phase relativer Wahlerfolge jedoch schon wieder beendet. Seit der Gründung der "Alternative für Deutschland", die im Zuge ihrer wachsenden Radikalisierung immer mehr populistisches Protestpotential absorbiert, ist die NPD auch in Ostdeutschland in keinen Landtag mehr eingezogen. War sie 2014 in Sachsen mit 4,9 Prozent der Zweitstimmen noch denkbar knapp gescheitert, so war die Niederlage 2019 mit 0,6 Prozent mehr als deutlich.

Selbst die kurzlebigen Wahlerfolge in Ostdeutschland bargen bereits den Keim neuer Konflikte und eines neuerlichen Abstiegs in sich. Denn die Auseinandersetzungen der unterschiedlichen Flügel, die die Partei von Anfang an begleitet hatten, lebten wieder auf. Auch wenn Holger Apfel, Fraktionsvorsitzender in Sachsen und von 2011 bis 2013 auch NPD-Bundesvorsitzender, im Sächsischen Landtag immer wieder Eklats provozierte, stand der von ihm angeführte Parteiflügel für einen Kurs des vergleichsweise gemäßigten Auftretens. So sollten Wähler auch in der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft gewonnen werden. Damit war der nationalrevolutionäre Flügel der Partei, der gewaltbereite Gruppierungen wie "Hooligans gegen Salafisten" offen unterstützt, nie einverstanden. Aufgrund der heftigen Konflikte gab Apfel 2013 resigniert auf und verließ die Partei. Kurzzeitig wurde diese vom mecklenburgischen Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs geführt; seit November 2014 ist Frank Franz, der zuvor drei Jahre Pressesprecher der Partei gewesen war, NPD-Bundesvorsitzender. Er versucht, an den Kurs der relativen Mäßigung anzuknüpfen. Den von internen Konflikten ausgelösten und vom 2013 auf den Weg gebrachten erneuten Parteiverbotsantrag des Bundesrates zusätzlich beförderten Niedergang der Partei hat er jedoch noch nicht aufhalten oder gar beenden können. Als Ausdruck des Abstiegs kann die niedrige Mitgliederzahl der NPD gewertet werden, die aktuell (Verfassungsschutzbericht 2021, S. 52) bei nur noch etwa 3.150 Mitglieder liegt (1969 lag sie bei etwa 28.000, 2008 waren es noch ca. 7.000).

Wählerschaft, Mitglieder- und Organisationsstruktur

In seiner mittlerweile klassischen Studie "Wer wählt rechts?" von 1994 hat der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen W. Falter drei Wellen von Wahlerfolgen rechter Parteien in der Bundesrepublik Deutschland untersucht (frühe 1950er-Jahre, späte 1960er-Jahre und späte 1980er-Jahre). Dabei hat er drei wesentliche Motive herausgearbeitet, die seitdem von allen Studien bestätigt worden sind und die zusammenkommen müssen, um Wähler zur Wahl rechter Parteien zu bringen:

  • Politikverdrossenheit: Damit ist eine mehr oder weniger diffuse Unzufriedenheit mit dem Handeln etablierter politischer Eliten gemeint. Dies ist der NPD durchaus bewusst, die in der Propaganda ihrer Wahlkämpfe derartige Ressentiments bedient, indem sie die "Systemparteien" kritisiert und verunglimpft.

  • Soziale Benachteiligung: Hier geht es um ein subjektives Gefühl zu kurz gekommen zu sein, das vorwiegend, aber nicht ausschließlich wirtschaftlich begründet sein kann. Dazu kann auch die Furcht vor einem drohenden sozialen Abstieg kommen. Dieser Faktor hat in der besonderen politischen Kultur Ostdeutschlands, wo viele Menschen das Gefühl hatten, "Bürger zweiter Klasse" zu sein, bei den NPD-Wahlerfolgen eine erhebliche Rolle gespielt. Die Bedeutung dieses Faktors erweist sich immer wieder darin, dass Arbeitslose überproportional häufig rechte Parteien, auch die NPD, wählen. Insofern hat auch die damals hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland zu den dortigen Wahlerfolgen der NPD beigetragen.

  • Eine rechtsextreme Einstellung: Diese ist daran zu erkennen, dass Befragte auf Fragen nach der Bewertung des Nationalsozialismus, nach der Befürwortung von autoritären Staats- und Gesellschaftsmodellen - das heißt gleichzeitig der Ablehnung von Demokratie und Pluralismus - zustimmend antworten und nationalistische, antisemitische und fremdenfeindliche Einstellungsmuster aufweisen.

Diese Kombination von Merkmalen kommt überdurchschnittlich häufig bei jüngeren Männern vor, die in der Wählerschaft der NPD überproportional stark vertreten sind. In manchen von Abwanderung geprägten Landstrichen Ostdeutschlands haben junge, sozial benachteiligte Männer einen deutlich größeren Anteil an der Bevölkerung als in wirtschaftlich prosperierenden Gegenden, was zu den NPD-Wahlerfolgen dort beigetragen hat.

In Ostdeutschland kommt ein weiteres Merkmal hinzu: Die affektive Bindung der Wählerinnen und Wähler an die etablierten, als westlich empfundenen Parteien ist geringer und der Antiparteienaffekt stärker ausgeprägt als in Westdeutschland, wenngleich es in den letzten Jahren zu einer Annäherung der Landesteile gekommen ist. Das und die Mitgliederschwäche der etablierten Parteien, die in ländlichen Regionen kaum noch präsent sind, haben dazu geführt, dass die NPD in einigen Gebieten, in der Regel dort, wo es aktive Parteikader gibt, zu einer wählbaren (Protest-) Alternative wurde. Der Aufstieg der AfD hat dies jedoch, wie bereits erwähnt, weitgehend beendet.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Fünfprozenthürde bei Wahlen zum Europäischen Parlament in einem Urteil von 2011 aufgehoben und 2014 auch eine Dreiprozenthürde für verfassungswidrig erklärt hat, gewann der frühere Vorsitzende Udo Voigt dort ein Mandat. Bereits 2019 erreichte die NPD nur etwa die Hälfte der dafür notwendigen etwa 0,5 Prozent der Stimmen, so dass sie keinen Sitz im Europäischen Parlament mehr besitzt. Jedoch saß seit Januar 2020, als das zuvor aus der AfD ausgeschlossene Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses Kay Nerstheimer in die NPD eintrat, bis zur nächsten Wahl im September 2021 wieder ein NPD-Vertreter in einem Landesparlament.

Seit ihrem Bestehen befindet sich die NPD unter dem Damoklesschwert des Parteienverbots, denn der Präzedenzfall des SRP-Verbots stand ihr stets vor Augen. Daraus ergibt sich eine Reihe von Konsequenzen. So hat die NPD immer darauf geachtet, dass ihr formaler Parteiaufbau mit Orts-, Kreis-, Landesverbänden und einem Bundesverband, mit Gliederungen wie den "Jungen Nationaldemokraten" und dem "Ring Nationaler Frauen" sowie mit demokratischen innerparteilichen Wahlen den Vorgaben des Grundgesetzes und des Parteiengesetzes entsprach. Sie hat sich äußerlich den demokratischen Parteien angeglichen, wodurch sie es den staatlichen Instanzen erschwert, ihr den Rechtsstatus einer Partei zu entziehen. Eine Besonderheit ist für die NPD, dass sie - ebenfalls seit ihren Anfängen - entsprechend dem Konzept der wehrhaften Demokratie der Bundesrepublik unter der Beobachtung von Geheimdiensten im Allgemeinen und des Verfassungsschutzes im Besonderen steht. Nach dem Tod ihres Gründers und zweiten Bundesvorsitzenden Adolf von Thadden wurde bekannt, dass dieser seit den 1940er-Jahren als Informant des britischen Geheimdienstes tätig war. Diese Art des Doppellebens war offenbar traditionsbildend, denn das Verbotsverfahren der Jahre 2001 bis 2003 scheiterte letztlich daran, dass eine Sperrminorität im zuständigen Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichtes der Ansicht war, aufgrund der zahlreichen V-Leute des Verfassungsschutzes sei nicht mehr zu klären, in welchem Umfang das Handeln der NPD durch den Staat beeinflusst worden sei. Als in den Jahren 2011 und 2012 das Ausmaß der Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" bekannt wurden, an denen zumindest ein thüringischer NPD-Funktionär beteiligt war, strengten die Bundesländern über den Bundesrat ein weiteres Verbotsverfahren an. Zwar scheiterte auch dieser Verbotsantrag, jedoch ließ das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom Januar 2017 keinen Zweifel an den verfassungsfeindlichen Zielen der NPD; auf ein Verbot wurde lediglich aufgrund der Bedeutungs- und Erfolglosigkeit der Partei verzichtet (Jesse 2018).

Mit der Gefahr des Parteienverbots hängt auch der fast permanente innerparteiliche Flügelstreit zusammen. Denn die Pragmatiker in der Partei versuchen, auch um den Behörden keine Begründungen für ein Verbotsverfahren zu liefern, das neonazistische Milieu programmatisch und personell zu meiden. Diese Nähe wird aber von den radikalen Teilen der Partei, die diesem Milieu angehören, entschieden befürwortet.

Ein anderes organisatorisches Problem der NPD hängt nur indirekt mit dem drohenden Parteiverbot zusammen: die chronische Finanznot der Partei. Diese ist meist eine Folge ausbleibender staatlicher Parteienfinanzierung, die die Partei trotz aller Kritik daran in Anspruch nehmen muss, weil Mitgliedsbeiträge und Spenden nicht ausreichen, um die Finanzierung der Partei sicherzustellen. Entweder aufgrund fehlender Wahlerfolge wie in den letzten Jahren, in denen die Partei bei Landtagwahlen häufig gar nicht mehr angetreten ist, oder wegen fehlerhafter Rechenschaftsberichte, die ihrerseits Rückzahlungsforderungen des Deutschen Bundestages auslösen, kommt es immer wieder - zuletzt aufgrund des Berichts aus dem Jahr 2007 - dazu, dass staatliche Gelder ausbleiben und dass die NPD ihre in der Parteizentrale angestellten hauptamtlichen Mitarbeiter entlassen muss. Das Verfassungsgerichtsurteil von 2017 eröffnete dem Gesetzgeber zudem einen Weg, die eindeutig verfassungsfeindliche Partei durch eine Grundgesetzänderung zukünftig von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Diese Änderung erfolgte noch 2017. Über den 2018 vom Bundestag beim Verfassungsgericht eingereichten Antrag, die NPD für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen, hat das Gericht bisher (Stand: September 2022) noch nicht entschieden. Ein völliger Ausschluss von der staatlichen Finanzierung würde die NPD aber zweifellos die letzten Reste ihrer Handlungsfähigkeit nehmen.

Obwohl die NPD ihre größten Wahlerfolge in den 2000er-Jahren in Ostdeutschland erzielt hat, ist festzuhalten, dass der Anteil der Führungskader, die aus Westdeutschland stammen, sehr viel höher ist als bei den sogenannten etablierten Parteien. Daher wäre es völlig verfehlt, die NPD aufgrund ihrer Wahlergebnisse in den neuen Bundesländern für ein rein ostdeutsches Phänomen zu halten.

Programmatik

Die NPD weist in ihrer politischen Programmatik Kernelemente eines rechtsextremen Welt- und Menschenbilds auf. Charakteristisch dafür sind unter anderem ein deutlich ausgeprägter Nationalismus, meist verbunden mit einem auf den Nationalsozialismus bezogenen Geschichtsrevisionismus, ein völkisches, mitunter offen rassistisches Denken, die Diffamierung von Ausländern, antisemitische und antiamerikanische Propaganda sowie die systematische Abwertung sozial unliebsamer Gruppen. Einige dieser Elemente kommen im aktuellen Grundsatzprogramm der NPD "Arbeit. Familie. Vaterland" von 2010, das inzwischen als "2. Auflage" von 2013 auf der Homepage der Partei steht, schon in der einführenden Vorstellung der "Grundgedanken" zum Ausdruck. Dort spricht sich die Partei gegen alle "`multikulturellen´ Gesellschaftsmodelle" aus; der Grund dafür liegt aber gerade nicht in einem kulturellen Verständnis nationaler Identität, sondern in der Furcht vor der "ethnischen Überfremdung Deutschlands". Als "kulturelle Überfremdung" werden "Amerikanisierung und Islamisierung" dargestellt (alle Zitate S. 8f. des Programms).

Den Kern dieser Weltanschauung bildet die Vorstellung einer natürlichen Ungleichwertigkeit von Menschen. Diese wird zumeist nach nicht oder nur schwer veränderbaren Merkmalen wie der ethnischen Herkunft, der Hautfarbe oder der Nationalität klassifiziert. Mit der Aufwertung der Eigengruppe, üblicherweise "der Deutschen" oder "des deutschen Volks", die nach ethnischer Herkunft definiert wird und von der Menschen mit Migrationshintergrund ausgeschlossen sind, verbindet sich die Abwertung von wie auch immer definierten anderen Gruppen ("Ausländer", "Fremde", "Zuwanderer"). Auch dies ist bereits im Eingang des Grundsatzprogramms erkennbar, wo "nationale Solidarität" ausdrücklich als "soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen" definiert ist (S. 23). Da aber mit Deutschen nur ethnische Deutsche ohne Migrationshintergrund gemeint sind - denn die "Überfremdung Deutschlands, ob mit oder ohne Staatsbürgerschaft" (S. 11) wird strikt abgelehnt und die deutsche Familie "als Trägerin des biologischen Erbes" definiert (S. 12) -, werden alle Menschen, die nicht zur Gruppe der ethnisch-biologischen Deutschen gehören, aus der nationalen Solidarität ausgeschlossen. Ganz explizit wird im sozialpolitischen Teil des Programms die "Ausgliederung von Ausländern aus dem Sozialversicherungswesen" gefordert (S. 23). Insofern unterscheidet sich die sozialpolitische Programmatik der NPD und deren Globalisierungs- und Kapitalismuskritik trotz aller scheinbaren Übereinstimmung fundamental von derjenigen linker Parteien, die nicht für eine solche auf "Volksgenossen" beschränkte Solidarität eintreten.

Bei der NPD ist die Radikalität dieser Weltanschauung ausgeprägter als bei anderen Parteien aus dem rechten Spektrum. Während rechtsextreme Parteien meist geschichtsrevisionistische Anliegen und eine mehr oder minder deutliche Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen verbindet, sticht die verschiedentlich positive Referenz der NPD auf die NS-Zeit ins Auge. Nicht nur die Selbstdarstellung als "nationale Sozialisten" zeigt das. Auch die unbefangene Nutzung solcher durch den Nationalsozialismus belasteter Konzepte wie das der "Volksgemeinschaft", die als Voraussetzung von Volksherrschaft - also Demokratie - bezeichnet (Grundsatzprogramm, S. 11) und biologistisch verstanden wird, ist ein Beispiel für ideologische Anknüpfungen an den Nationalsozialismus. Die Verunglimpfung der Aufarbeitung deutscher Geschichte als einen "staatlich verordneten Schuldkult" (S. 34) und die historischen Anlässe, die für öffentliche Veranstaltungen gewählt werden, sind Beispiele für den Geschichtsrevisionismus. Die jährlichen Demonstrationen anlässlich der Bombardierung Dresdens am 13. Februar, bei denen die NPD das Andenken an die deutschen Kriegsopfer für ihre Zwecke zu instrumentalisieren versucht, sind ein Beispiel dafür.

Die NPD tritt seit Ende der neunziger Jahre offen als Systemgegnerin auf und fordert eine grundlegend andere politische Ordnung in Deutschland. In ihrem Grundsatzprogramm fordert sie die Direktwahl des Bundespräsidenten, wobei dieser mit vergrößerten Kompetenzen ausgestattet werden müsse. Das ist keine undemokratische Forderung, denn auch Frankreich beispielsweise hat einen direkt gewählten Staatspräsidenten mit erheblichen Befugnissen. Es spricht jedoch viel dafür, dass hinter einer solchen gemäßigten Formulierung das tatsächliche Ziel eines autoritär regierten Staates verborgen werden soll. Es geht letztlich immer wieder darum, die politischen Ziele so zu fassen, dass sie zwar von den Anhängern so verstanden werden können, wie sie eigentlich gemeint sind, von den Behörden aber nicht als Rechtfertigung für ein Verbot der NPD genutzt werden können. Dies ist ein grundsätzliches Merkmal programmatischer Dokumente der NPD. Einerseits zielen sie darauf, die rechtsradikalen Anhänger zu halten, andererseits sollen aber auch politisch weniger informierte Bürger gewonnen werden, die kein geschlossenes rechtsradikales Weltbild besitzen, aber mit manchen Aspekten und Ergebnissen der "etablierten" Politik unzufrieden sind. Auf diese Gruppe zielen die scheinbar gemäßigten sozialen und politischen Forderungen ab.

Quellen / Literatur

  • Robert Ackermann, Warum die NPD keinen Erfolg haben kann - Organisation, Programm und Kommunikation einer rechtsextremen Partei, Opladen 2012.

  • Apfel, Holger, Irrtum NPD. Ansichten - Einsichten - Erkenntnisse. Ein Vierteljahrhundert in der Partei, Bad Schussenried 2017.

  • Botsch, Gideon, Wahre Demokratie und Volksgemeinschaft. Ideologie und Programmatik der NPD und ihres rechtsextremen Umfelds, Wiesbaden 2017.

  • Marc Brandstetter, Die NPD unter Udo Voigt. Organisation, Ideologie, Strategie, Baden-Baden 2012.

  • Marc Brandstetter, Zu bedeutungslos für ein Verbot. Die Entwicklung der NPD seit 2013, in: Parteienmonitor aktuell d. Konrad Adenauer Stiftung, Berlin 2017.

  • Eckhard Jesse, Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), in: Decker, Frank/Neu, Viola (Hrsg.): Handbuch der deutschen Parteien, 3., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden 2018, S. 407-417.

  • Eckhard Jesse, Die NPD und der gescheiterte Verbotsantrag gegen sie, in: Koschkar, Martin / Ruvituso, Clara (Hrsg.), Politische Führung im Spiegel regionaler politischer Kultur, Wiesbaden 2018, S. 349-369.

  • Miliopoulos, Lazaros, Sachsen - eine Hochburg der NPD? Entwicklung, Perspektiven und Einordnung des sächsischen Landesverbandes, in: Backes, Uwe/ Kailitz, Steffen (Hrsg.), Sachsen - eine Hochburg des Rechtsextremismus?, Göttingen 2020, S. 201-216.

  • Andrea Röpke/Andreas Speit (Hrsg.), Neonazis in Nadelstreifen. Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft?, Bonn 2009.

  • Toralf Staud, Moderne Nazis. Die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD, Köln 2005.

  • Udo Voigt, Der deutschen Zwietracht mitten ins Herz. Mein Weg mit der NPD, Fretterode 2013.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Gespräch mit Adolf von Thadden vom 3.12.1982, zitiert nach Jaschke, Hans-Gerd und Dudek, Peter: Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, Westdeutscher Verlag, Opladen 1984, S. 294.

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Prof. Dr. Torsten Oppelland ist außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Forschungsschwerpunkte sind Politische Kultur und Geschichtspolitik sowie Parteien und Fraktionen auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene.