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Die Präsidentschaft von Joe Biden | USA | bpb.de

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Die Präsidentschaft von Joe Biden Ein Rückblick

Sarah Wagner

/ 13 Minuten zu lesen

US-Präsident Biden beim Parteitag der Demokraten nach seinem Rückzug aus dem Präsidentschaftswahlkampf 2024. (© Stephanie Scarbrough/Associated Press/picture alliance)

Die Regierungszeit von Präsident Interner Link: Joe Biden und Vize-Präsidentin Interner Link: Kamala Harris war geprägt von außen- und innenpolitischen Herausforderungen, wechselnden Machtverhältnissen im Kongress und von einem Wahlkampf, dessen überraschende Wendung durch den Rückzug von Joe Biden eine neue Ausgangssituation für die Demokratische Partei geschaffen hat. Die Verabschiedung großer Gesetzespakete, der Einsatz für die Verteidigung der Demokratie in der Innen- wie Außenpolitik und der erfolgreiche Zusammenhalt der Demokratischen Partei können als Erfolge der Biden-Harris Administration verbucht werden. Doch die größte von Joe Biden verfolgte Hoffnung, die tiefen gesellschaftlichen und politischen Gräben in den USA im Sinne der Einheit zu überwinden, bleibt angesichts der fortschreitenden Radikalisierung der Republikanischen Partei in weiter Entfernung.

Ein geeinter Beginn

Der Vorwahlkampf in der Demokratischen Partei verlief 2020 entlang von zwei unterschiedlichen Parteiflügeln. So war der moderatere Establishment-Flügel überzeugt, dass ein Kandidat der Mitte die größten Chancen auf einen Wahlsieg habe. Der progressive Flügel um Bernie Sanders und Elizabeth Warren setzte zwar starke inhaltliche Akzente im Vorwahlkampf, unterlag am Ende jedoch dem moderaten Flügel, der sich deutlich für Joe Biden aussprach. Bemerkenswert ist, dass die Partei zügig eine einheitliche Front präsentierte und mögliche Richtungskämpfe zu vermeiden wusste. Dies war insbesondere der Tatsache geschuldet, dass Joe Biden den progressiven Flügel früh in die inhaltliche und personelle Ausgestaltung seiner Administration einbezog. Eine Unity Task Force, bestehend aus Vertreter*innen der zwei Parteiflügel, entwickelte ein ambitioniertes und progressives Parteiprogramm, welches als Vorlage für die Biden-Regierung deutliche Veränderungen in der Sozial- und Umweltpolitik forderte. Ebenso wurden wichtige Stellen in den Sektoren Finanz- und Bildungspolitik mit Anhänger*innen und ehemaligen Mitarbeiter*innen der progressiven Senatorin Elizabeth Warren besetzt. Die Verzahnung von politischen Inhalten und dem entsprechenden Personal legten den Grundstein für die ambitionierte Agenda der Biden-Harris Regierung.

Das Ziel der Einheit, unity, bezog sich für Joe Biden jedoch nicht nur auf die eigene Partei. In seiner Antrittsrede am 20. Januar 2021 sprach der neue Präsident über die Notwendigkeit, das Land zu einen und die Demokratie in den USA zu verteidigen. Unter dem Einfluss der Pandemie, den andauernden Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt im Zuge der Ermordung von George Floyd, der Polarisierung sowie der gewaltsamen Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 forderte Präsident Biden: „This is our historic moment of crisis and challenge, and unity is the path forward.” [„Dies ist unser historischer Moment der Krise und Herausforderung, und Einheit ist der Weg vorwärts.“]

Die Innenpolitik

Der Weg nach vorne und die erste Hälfte der Amtszeit von Joe Biden war durch den 117. Kongress und das dort herrschende Machtverhältnis geprägt. Die Demokraten konnten im Anschluss an Interner Link: die Wahl 2020 ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus trotz Verlusten halten und dank der erfolgreichen Senatswahlen in Georgia im Januar 2021 auch ein Kräftegleichgewicht im Senat erzielen. Vize-Präsidentin Harris entwickelte sich hier zu einer zentralen und wichtigen Figur, da sie in ihrer Funktion als Senatspräsidentin im Falle eines Patts die entscheidende Stimme abgeben konnte und diese Kompetenz auch mehrfach in den ersten zwei Jahren nutzte. Dies führte dazu, dass die Vize-Präsidentin als 101. Senatorin in bislang 33 Abstimmungen die entscheidende Stimme abgab, 26 davon in der ersten Amtshälfte. Ein historischer Wert, der nicht nur die fragile Mehrheit der Demokratischen Partei im Senat, sondern auch die polarisierte politische Landschaft in den USA illustriert. Gleichzeitig führte diese Situation laut Medienberichten auch zu Frustration bei Vize-Präsidentin Harris und ihrem Team, da sie in ihrer Reisetätigkeit eingeschränkt und stark an Washington D.C. gebunden war.

Doch die ersten zwei Amtsjahre der Biden-Harris Regierung waren auch dank dieser machtpolitischen Ausgangslage von enormer Produktivität und Erfolgen geprägt. In einem ersten Schritt war Präsident Biden fokussiert auf eine zügige Zurücknahme vieler Exekutivanordnungen seines Vorgängers Interner Link: Donald Trump und die schnelle Umsetzung eigener Vorhaben und erließ 2021 ganze 77 executive orders. So sollte ein deutlicher Bruch mit der Vorgängerregierung symbolisiert und eigene politische Prioritäten verdeutlicht werden, zum Beispiel im Bereich der Pandemiebekämpfung oder der Klima- und Einwanderungspolitik.

  • American Rescue Plan Act

Die wirtschaftlichen, sozialpolitischen und gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie auf die US-amerikanische Bevölkerung und die Pandemiebekämpfung prägten die Arbeit von Joe Biden maßgeblich. Der American Rescue Plan Act umfasste 1,9 Billionen US-Dollar, war das dritte Pandemie-Rettungspaket in den USA und wurde am 10. März 2021 vom US-Kongress verabschiedet. Ziel des Pakets war es, die direkten Auswirkungen der Pandemie abzufedern durch ein Konjunkturpaket, welches unter anderem Direktzahlungen an Einzelpersonen, die finanzielle Unterstützung von Schulen, Kommunen und Einzelstaaten, eine Ausweitung und Aufstockung des Arbeitslosengeldes, sowie Investitionen in Test- und Impfkapazitäten und den Transportsektor vorsah. Das Paket wurde ohne Unterstützung der Republikanischen Partei verabschiedet, nur aufgrund der vorherigen Intervention von Vize-Präsidentin Harris als tie breaker konnte der Gesetzesentwurf überhaupt im Senat debattiert werden. Gemeinsam mit seiner Vize-Präsidentin, der First Lady Dr. Jill Biden, und Kabinettsmitgliedern begab sich Präsident Biden im Anschluss auf eine Reise durch wichtige Swing States, um im Rahmen der Help is Here-Tour für das Hilfsprogramm zu werben.

  • Infrastructure Investment and Jobs Act

Schon im November folgte das nächste große legislative Paket der Biden-Regierung, die Verabschiedung des Infrastructure Investment and Jobs Act, auch bekannt als Bipartisan Infrastructure Law. Im Repräsentantenhaus verlief die Abstimmung über das Gesetz mit einigen Ausnahmen entlang parteipolitischer Linien, im Senat allerdings passierte das Gesetz mit 69 zu 30 Stimmen, es erhielt die Zustimmung von 19 Republikaner*innen, und wurde am 15. November 2021 von Joe Biden unterzeichnet. Das umfangreiche Gesetzespaket umfasst eine Gesamtfinanzierung von 1,2 Billionen US-Dollar und ist fokussiert auf die Modernisierung der US-Infrastruktur. Im Detail beinhaltet das Paket Ausgaben für den Bau von Straßen und Brücken, für die Modernisierung der Energieversorgung und des schienengebundenen Fernverkehrs, die Wasserversorgung und sauberes Trinkwasser oder auch für den verbesserten Zugang zu Hochgeschwindigkeits-Internet. Zwei Jahre nach der Verabschiedung profitieren über 40.000 Projekte von einer Unterstützung von insgesamt 400 Milliarden US-Dollar in über 4.500 Gemeinden in allen US-Bundesstaaten. Trotz der hohen Investitionen und der Finanzierung vieler Projekte und Programme befinden sich diese teils in Anfangsphasen und benötigen eine lange Zeit zur Vervollständigung, noch bis 2026 kann die Regierung hierfür veranschlagte Gelder ausgeben. Bisher ist die Wahrnehmung bei Teilen der Bevölkerung somit größtenteils von Baustellen oder der alten maroden Infrastruktur geprägt, auch wenn die Biden-Regierung in den geförderten Regionen verstärkt Werbung für die neuen und geplanten Projekte schaltet und sich die Bürger*innen auf einer interaktiven Karte des Weißen Hauses über diverse Maßnahmen informieren können.

  • CHIPS and Science Act

Ein drittes großes Gesetzespaket, der CHIPS and Science Act, wurde am 9. August 2022 von Präsident Biden unterzeichnet. Der CHIPS Act hat zum Ziel, die heimische Produktion von und Forschung zu Halbleitern zu fördern und das Land somit unabhängiger von internationalen Lieferketten im Bereich wichtiger Technologien zu machen. Für dieses Vorhaben wurden 280 Milliarden US-Dollar vorgesehen und das Gesetz erhielt zum Teil auch Unterstützung durch die Republikanische Partei im Senat (63:33) und im Repräsentantenhaus (243:187).

  • Inflation Reduction Act

Der legislativ produktive Sommer der Biden-Regierung fand seinen Höhepunkt mit der Verabschiedung des Inflation Reduction Act am 16. August 2022. Das Gesetz zielt auf Interner Link: den Energiesektor ab und sieht Investitionen in nachhaltige Industrien und Infrastrukturen vor, ebenso soll es Medikamentenpreise und das Haushaltsdefizit senken. Das umfassende Gesetzespaket wurde strikt entlang der parteipolitischen Linien verabschiedet, Vize-Präsidentin Harris gab die entscheidende Stimme im Senat für ihre Partei ab.

Insgesamt jedoch gelang es der Administration, die Zustimmung der Republikanischen Partei im Senat für wichtige Gesetzesvorhaben zu sichern, vor allem aufgrund der einschneidenden Erfahrungen während der Pandemie und deren verheerender Auswirkungen sowie einer Konzentration auf parteiübergreifende Themen wie die Infrastruktur und den geopolitischen Wettbewerb im Technologiesektor mit China.

Interessanterweise waren es Stimmen aus der eigenen Partei, die das eigentliche große legislative Vorhaben von Präsident Biden, den Build Back Better Act, verhinderten, so dass lediglich Elemente des ursprünglichen Vorhabens dann zum Beispiel im Inflation Reduction Act mündeten. Der Build Back Better Act entstand im Rahmen des Build Back Better Plans der Regierung, der umfassende Reformen und Investitionen im Sozial- und Klimabereich vorsah. Der konservativ eingestellte Demokratische Senator aus West Virginia, Joe Manchin, entzog dem Build Back Better Act Ende Dezember 2021 seine Unterstützung und aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Senat somit auch jede realistische Chance auf eine Umsetzung. Die Zustimmungswerte von Joe Biden in der Bevölkerung sanken 2021 ebenfalls deutlich, zum Amtsantritt konnte der Präsident noch 57% Zustimmung verzeichnen, seit September 2021 bewegen sich die Interner Link: Umfragewerte laut dem Gallup Institute zwischen 36% und 43%.

  • Bipartisan Safer Communities Act

Erwähnenswert ist auch der mit Republikanischen Stimmen verabschiedete Bipartisan Safer Communities Act, der am 25. Juni 2022 von Joe Biden unterzeichnet wurde. Das Gesetz ist zwar weniger restriktiv als von den Demokraten gefordert, stellt jedoch den ersten wirklichen Ansatz einer Reform des Waffengesetzes in den letzten dreißig Jahren dar.

Als weiteren Erfolg konnte die Biden-Regierung die Ernennung von über 200 Bundesrichter*innen (Stand: Mai 2024) sowie die erfolgreiche Bestätigung von Ketanji Brown Jackson als erste Schwarze Richterin Interner Link: des Supreme Court verbuchen. Gleichzeitig entpuppten sich bestimmte wegweisende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs als herbe Rückschläge für Vorhaben der Demokratischen Partei, zum Beispiel die Entscheidungen in Bezug auf affirmative action, den Erlass von Schulden aus Studiengebühren sowie die Einwanderungspolitik. In der Einwanderungspolitik führte die Biden-Regierung Ansätze der Trump-Regierung fort, sehr zum Missfallen des progressiven Parteiflügels. Sie entschied sich im Sommer 2024 sogar für eine Verschärfung, motiviert durch die hohe Zahl an illegalen Grenzüberschreitungen und den fehlenden überparteilichen Spielraum, eine umfassende Einwanderungsreform zu verabschieden. Ein vorheriger Gesetzesentwurf, der parteiübergreifend von Demokraten und Republikanern im Senat erarbeitet und anschließend aus wahltaktischen Gründen von Donald Trump torpediert wurde, wurde somit durch ein executive order von Präsident Biden ersetzt.

Zwischenwahlen 2022 – Das Ausbleiben einer „roten Welle“

Die Zwischenwahlen am 8. November 2022 wurden von der Demokratischen Partei Interner Link: mit Anspannung verfolgt, erwartete man hier aufgrund von Umfragen und historischen Erfahrungswerten doch starke Einbußen für die eigene Partei im Kongress. Diese blieben jedoch aus, auch wenn die Republikanische Partei im Repräsentantenhaus von nun an eine knappe Mehrheit stellen würde. Im Senat konnten die Demokraten sogar einen Sitz in Pennsylvania hinzugewinnen, eine positive Entwicklung und Entlastung auch für Vize-Präsidentin Harris. Motivierend für die Wählerbasis der Demokratischen Partei waren die Sorge um die US-amerikanische Demokratie, das Abtreibungsrecht in den USA welches im Juni 2022 im Fall Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization vom Supreme Court gekippt wurde und somit nicht mehr verfassungsrechtlich verbrieft war, sowie weiterhin die starke Ablehnung von Kandidat*innen der von Donald Trump angeführten Make America Great Again (MAGA) Bewegung. Dennoch verschob sich das Kräfteverhältnis im 118. Kongress und der legislative Spielraum von Joe Biden verkleinerte sich deutlich. Präsident Biden sah sich und seine Politik durch Interner Link: die Ergebnisse der Zwischenwahlen bestätigt und mit Bekanntgabe seiner Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im April 2023 hielt auch der Wahlkampf verstärkt Einzug in die Innenpolitik.

Thematisch nahm für die Biden-Harris Regierung die Frage nach der Resilienz der US-amerikanischen Demokratie zunehmend Raum ein. Im September 2022 hielt Präsident Biden eine Rede, die unter dem Titel Battle for the Soul of the Nation die Gefahren für die Demokratie, ausgehend von der Republikanischen Partei und deren MAGA-Bewegung, diskutierte und die Bevölkerung zu mehr kollektivem Engagement für demokratische Werte aufrief. Die Verteidigung der Demokratie stellte nicht nur ein rhetorisches und innenpolitisches Ziel der Biden-Regierung dar, sondern war auch eine Verbindungslinie zur Außenpolitik. Diese war gekennzeichnet, wie so viele Aspekte der Regierungsarbeit von Joe Biden, durch eine Abgrenzung zur Politik der Trump-Regierung und einer Aufarbeitung dessen außenpolitischer Handlungen.

Rückkehr auf die internationale Bühne

„America is back. America is back.” [„Amerika ist zurück. Amerika ist zurück.“] Mit diesem klaren Bekenntnis zu einer aktiven Rolle in der internationalen Politik wandte sich Präsident Biden im Februar 2021 an den Diplomatischen Dienst im US-Außenministerium. In seiner Ansprache skizzierte er die außenpolitischen Prioritäten für seine Amtszeit: die Wiederbelebung internationaler Allianzen, den Kampf gegen den Autoritarismus und die Konfrontation von Rivalen wie China oder Russland. Deutlich unterstrich Biden auch die Verbindung von Diplomatie und Demokratie, da nur eine in Werten der Demokratie verankerte Diplomatie erfolgreich sein könne. Zeitgleich müsse die US-amerikanische Außenpolitik auch eine Politik für die Mittelschicht sein, so Biden, da sich die Grenzen zwischen Innen- und Außenpolitik zusehends überschneiden.

Die neu erstarkte internationale Rolle der USA zeigte sich an den außenpolitischen Handlungen des Präsidenten: internationale Verpflichtungen und Verträge wurden wiederaufgenommen oder fortgeführt (zum Beispiel das Pariser Klimaabkommen, der atomare Abrüstungsvertrag New Start) und die Arbeitsbeziehungen und der Tonfall gegenüber den Alliierten waren geprägt von einer Professionalisierung. Die multilateralen Bemühungen der Biden-Regierung verliefen jedoch nicht ohne Verstimmungen: der überraschende und schlecht koordinierte Abzug der US-Truppen aus Afghanistan sorgte unter Verbündeten für Irritationen und das trilaterale Militärbündnis AUKUS (Australia, United Kingdom und United States) führte zu Verstimmungen mit Frankreich. Und auch die möglichen außenpolitischen Auswirkungen des Inflation Reduction Act sorgten bei europäischen Partnern für Unruhe, da man das Gesetzespaket als Subventionierung Interner Link: der US-amerikanischen Industriepolitik und als Benachteiligung des europäischen Marktes bewertete.

Die zentrale außenpolitische Herausforderung für Präsident Biden war die Ausweitung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022. Die resolute und umfangreiche finanzielle und materielle Unterstützung der Ukraine durch die USA und deren aktives Engagement innerhalb der NATO verdeutlichten erneut die transatlantische Ausrichtung und Prägung von Präsident Biden und waren existenzsichernd für die Ukraine. Trotz des intensiven US-amerikanischen Engagements in Europa verstärkte sich jedoch auch unter Joe Biden der Fokus der USA auf China und dessen Rolle innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Unter Präsident Obama als Pivot to Asia [„Neuausrichtung nach Asien“] bekannt und auch unter Präsident Trump fortgeführt, spielt China innerhalb beider Parteien eine immer größere Rolle für die Ausrichtung der US-Außenpolitik und deren globale Vormachtstellung. Unter Druck geriet die Biden-Regierung Ende 2023 durch den Gaza-Krieg und ihre Unterstützung der israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu, die stark durch den linken Parteiflügel kritisiert wurde und auch im Vorwahlkampf der Demokraten eine Rolle spielte.

Ausgangslage vor den Wahlen

Joe Biden und seiner Regierung gelang es, die erste Amtshälfte für große innenpolitische Vorhaben und Gesetzespakete zu nutzen und diese auch erfolgreich im Kongress zu verabschieden. Die Zwischenwahlen und die darauffolgende Republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus verkleinerten jedoch den legislativen Spielraum. Zu konstatieren ist für die vier Jahre der Biden-Regierung allerdings eine überraschend starke Parteiarbeit der Demokraten, die ihre Mehrheit im Kongress zu nutzen wussten und auch den Rückzug von Joe Biden aus dem Wahlkampf und die darauffolgende Nominierung von Kamala Harris in kürzester Zeit effektiv meisterten. Während der moderate Parteiflügel nach der desaströsen Fernseh-Debatte gegen seinen Republikanischen Herausforderer Donald Trump zügig Druck auf Joe Biden aufbaute, hielt der progressive Flügel der Partei zwar länger an einer Kandidatur von Joe Biden fest, reihte sich nach dessen Rücktritt jedoch geräuschlos in die Reihen der Unterstützer*innen von Kamala Harris ein.

Die Unterstützung von Vize-Präsidentin Harris ist auch mit der Hoffnung verbunden, dass sie die progressiven politischen Inhalte der Biden-Harris Regierung, beispielsweise mit Blick auf die Förderung von Gewerkschaften, weiterverfolgt. Als Herausforderung für die Wahlchancen der Demokraten und das Ticket Harris-Walz werden die weiterhin hohen Lebenshaltungskosten in den USA gewertet. Zwar zeugen Indikatoren wie die niedrige Arbeitslosigkeit oder das Wirtschaftswachstum bisher von einer starken wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere in Anbetracht der Auswirkungen der Covid-Pandemie, allerdings wird dies von vielen Wähler*innen teils anders wahrgenommen, teils sind sie von den positiven Entwicklungen nicht direkt betroffen.

Bedenkt man die Pandemie, die Folgen der hohen Inflation und Interner Link: die tiefe Polarisierung der US-Politik, kann Joe Biden eine starke innenpolitische Bilanz vorweisen. Auch außenpolitisch stärkte er den Führungsanspruch der USA und etablierte das Land wieder als verlässlichen Partner, wenn auch nicht ohne Fehltritte. Doch sein größtes politisches Vorhaben, die Einheit im Land wiederherzustellen, konnte er nicht erfüllen. Dies ist nicht überraschend, bedarf es hierfür auch einer Kraftanstrengung der Zivilgesellschaft und vor allem der Republikanischen Partei.

Schlussendlich steht auch die Frage im Raum, wie nachhaltig die politischen Erfolge von Joe Biden sein werden, sollte es zu einem Machtwechsel im Weißen Haus kommen und das Pendel außen- wie innenpolitisch wieder in die andere Richtung ausschlagen. Für eine historische Betrachtung der Amtszeit von Joe Biden mag es noch zu früh sein, doch wird solch eine Analyse seines politischen Erbes fraglos auch von den beispiellosen Interner Link: Entwicklungen des Wahlkampfes 2024 geprägt sein. Die Entscheidung von Joe Biden, kurz vor dem Parteitag auf die eigene Kandidatur zu verzichten sowie der Wahlausgang 2024 werden die Bewertung seiner Amtszeit und -führung möglicherweise deutlicher prägen als die politischen Inhalte und Erfolge.

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Sarah Wagner hat Politikwissenschaft, Englisch und Bildungswissenschaften an der Universität Trier und an der University of Nebraska-Omaha im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums studiert. Sie ist als stellvertretende Direktorin für die Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz tätig und ist Mitherausgeberin des Anfang 2020 erschienenen Sammelbands "Donald Trump und die Politik in den USA" im Nomos Verlag.