Die Regierungszeit von Präsident
Ein geeinter Beginn
Der Vorwahlkampf in der Demokratischen Partei verlief 2020 entlang von zwei unterschiedlichen Parteiflügeln. So war der moderatere Establishment-Flügel überzeugt, dass ein Kandidat der Mitte die größten Chancen auf einen Wahlsieg habe. Der progressive Flügel um Bernie Sanders und Elizabeth Warren setzte zwar starke inhaltliche Akzente im Vorwahlkampf, unterlag am Ende jedoch dem moderaten Flügel, der sich deutlich für Joe Biden aussprach. Bemerkenswert ist, dass die Partei zügig eine einheitliche Front präsentierte und mögliche Richtungskämpfe zu vermeiden wusste. Dies war insbesondere der Tatsache geschuldet, dass Joe Biden den progressiven Flügel früh in die inhaltliche und personelle Ausgestaltung seiner Administration einbezog. Eine Unity Task Force, bestehend aus Vertreter*innen der zwei Parteiflügel, entwickelte ein ambitioniertes und progressives Parteiprogramm, welches als Vorlage für die Biden-Regierung deutliche Veränderungen in der Sozial- und Umweltpolitik forderte. Ebenso wurden wichtige Stellen in den Sektoren Finanz- und Bildungspolitik mit Anhänger*innen und ehemaligen Mitarbeiter*innen der progressiven Senatorin Elizabeth Warren besetzt. Die Verzahnung von politischen Inhalten und dem entsprechenden Personal legten den Grundstein für die ambitionierte Agenda der Biden-Harris Regierung.
Das Ziel der Einheit, unity, bezog sich für Joe Biden jedoch nicht nur auf die eigene Partei. In seiner Antrittsrede am 20. Januar 2021 sprach der neue Präsident über die Notwendigkeit, das Land zu einen und die Demokratie in den USA zu verteidigen. Unter dem Einfluss der Pandemie, den andauernden Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt im Zuge der Ermordung von George Floyd, der Polarisierung sowie der gewaltsamen Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 forderte Präsident Biden: „This is our historic moment of crisis and challenge, and unity is the path forward.”
Die Innenpolitik
Der Weg nach vorne und die erste Hälfte der Amtszeit von Joe Biden war durch den 117. Kongress und das dort herrschende Machtverhältnis geprägt. Die Demokraten konnten im Anschluss an
Doch die ersten zwei Amtsjahre der Biden-Harris Regierung waren auch dank dieser machtpolitischen Ausgangslage von enormer Produktivität und Erfolgen geprägt. In einem ersten Schritt war Präsident Biden fokussiert auf eine zügige Zurücknahme vieler Exekutivanordnungen seines Vorgängers
American Rescue Plan Act
Die wirtschaftlichen, sozialpolitischen und gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie auf die US-amerikanische Bevölkerung und die Pandemiebekämpfung prägten die Arbeit von Joe Biden maßgeblich. Der American Rescue Plan Act umfasste 1,9 Billionen US-Dollar, war das dritte Pandemie-Rettungspaket in den USA und wurde am 10. März 2021 vom US-Kongress verabschiedet. Ziel des Pakets war es, die direkten Auswirkungen der Pandemie abzufedern durch ein Konjunkturpaket, welches unter anderem Direktzahlungen an Einzelpersonen, die finanzielle Unterstützung von Schulen, Kommunen und Einzelstaaten, eine Ausweitung und Aufstockung des Arbeitslosengeldes, sowie Investitionen in Test- und Impfkapazitäten und den Transportsektor vorsah. Das Paket wurde ohne Unterstützung der Republikanischen Partei verabschiedet, nur aufgrund der vorherigen Intervention von Vize-Präsidentin Harris als tie breaker konnte der Gesetzesentwurf überhaupt im Senat debattiert werden. Gemeinsam mit seiner Vize-Präsidentin, der First Lady Dr. Jill Biden, und Kabinettsmitgliedern begab sich Präsident Biden im Anschluss auf eine Reise durch wichtige Swing States, um im Rahmen der Help is Here-Tour für das Hilfsprogramm zu werben.
Infrastructure Investment and Jobs Act
Schon im November folgte das nächste große legislative Paket der Biden-Regierung, die Verabschiedung des Infrastructure Investment and Jobs Act, auch bekannt als Bipartisan Infrastructure Law. Im Repräsentantenhaus verlief die Abstimmung über das Gesetz mit einigen Ausnahmen entlang parteipolitischer Linien, im Senat allerdings passierte das Gesetz mit 69 zu 30 Stimmen, es erhielt die Zustimmung von 19 Republikaner*innen, und wurde am 15. November 2021 von Joe Biden unterzeichnet. Das umfangreiche Gesetzespaket umfasst eine Gesamtfinanzierung von 1,2 Billionen US-Dollar und ist fokussiert auf die Modernisierung der US-Infrastruktur. Im Detail beinhaltet das Paket Ausgaben für den Bau von Straßen und Brücken, für die Modernisierung der Energieversorgung und des schienengebundenen Fernverkehrs, die Wasserversorgung und sauberes Trinkwasser oder auch für den verbesserten Zugang zu Hochgeschwindigkeits-Internet. Zwei Jahre nach der Verabschiedung profitieren über 40.000 Projekte von einer Unterstützung von insgesamt 400 Milliarden US-Dollar in über 4.500 Gemeinden in allen US-Bundesstaaten. Trotz der hohen Investitionen und der Finanzierung vieler Projekte und Programme befinden sich diese teils in Anfangsphasen und benötigen eine lange Zeit zur Vervollständigung, noch bis 2026 kann die Regierung hierfür veranschlagte Gelder ausgeben. Bisher ist die Wahrnehmung bei Teilen der Bevölkerung somit größtenteils von Baustellen oder der alten maroden Infrastruktur geprägt, auch wenn die Biden-Regierung in den geförderten Regionen verstärkt Werbung für die neuen und geplanten Projekte schaltet und sich die Bürger*innen auf einer interaktiven Karte des Weißen Hauses über diverse Maßnahmen informieren können.
CHIPS and Science Act
Ein drittes großes Gesetzespaket, der CHIPS and Science Act, wurde am 9. August 2022 von Präsident Biden unterzeichnet. Der CHIPS Act hat zum Ziel, die heimische Produktion von und Forschung zu Halbleitern zu fördern und das Land somit unabhängiger von internationalen Lieferketten im Bereich wichtiger Technologien zu machen. Für dieses Vorhaben wurden 280 Milliarden US-Dollar vorgesehen und das Gesetz erhielt zum Teil auch Unterstützung durch die Republikanische Partei im Senat (63:33) und im Repräsentantenhaus (243:187).
Inflation Reduction Act
Der legislativ produktive Sommer der Biden-Regierung fand seinen Höhepunkt mit der Verabschiedung des Inflation Reduction Act am 16. August 2022. Das Gesetz zielt auf
Insgesamt jedoch gelang es der Administration, die Zustimmung der Republikanischen Partei im Senat für wichtige Gesetzesvorhaben zu sichern, vor allem aufgrund der einschneidenden Erfahrungen während der Pandemie und deren verheerender Auswirkungen sowie einer Konzentration auf parteiübergreifende Themen wie die Infrastruktur und den geopolitischen Wettbewerb im Technologiesektor mit China.
Interessanterweise waren es Stimmen aus der eigenen Partei, die das eigentliche große legislative Vorhaben von Präsident Biden, den Build Back Better Act, verhinderten, so dass lediglich Elemente des ursprünglichen Vorhabens dann zum Beispiel im Inflation Reduction Act mündeten. Der Build Back Better Act entstand im Rahmen des Build Back Better Plans der Regierung, der umfassende Reformen und Investitionen im Sozial- und Klimabereich vorsah. Der konservativ eingestellte Demokratische Senator aus West Virginia, Joe Manchin, entzog dem Build Back Better Act Ende Dezember 2021 seine Unterstützung und aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Senat somit auch jede realistische Chance auf eine Umsetzung. Die Zustimmungswerte von Joe Biden in der Bevölkerung sanken 2021 ebenfalls deutlich, zum Amtsantritt konnte der Präsident noch 57% Zustimmung verzeichnen, seit September 2021 bewegen sich die
Bipartisan Safer Communities Act
Erwähnenswert ist auch der mit Republikanischen Stimmen verabschiedete Bipartisan Safer Communities Act, der am 25. Juni 2022 von Joe Biden unterzeichnet wurde. Das Gesetz ist zwar weniger restriktiv als von den Demokraten gefordert, stellt jedoch den ersten wirklichen Ansatz einer Reform des Waffengesetzes in den letzten dreißig Jahren dar.
Als weiteren Erfolg konnte die Biden-Regierung die Ernennung von über 200 Bundesrichter*innen (Stand: Mai 2024)
Zwischenwahlen 2022 – Das Ausbleiben einer „roten Welle“
Die Zwischenwahlen am 8. November 2022 wurden von der Demokratischen Partei
Thematisch nahm für die Biden-Harris Regierung die Frage nach der Resilienz der US-amerikanischen Demokratie zunehmend Raum ein. Im September 2022 hielt Präsident Biden eine Rede, die unter dem Titel Battle for the Soul of the Nation die Gefahren für die Demokratie, ausgehend von der Republikanischen Partei und deren MAGA-Bewegung, diskutierte und die Bevölkerung zu mehr kollektivem Engagement für demokratische Werte aufrief.
Rückkehr auf die internationale Bühne
„America is back. America is back.”
Die neu erstarkte internationale Rolle der USA zeigte sich an den außenpolitischen Handlungen des Präsidenten: internationale Verpflichtungen und Verträge wurden wiederaufgenommen oder fortgeführt (zum Beispiel das Pariser Klimaabkommen, der atomare Abrüstungsvertrag New Start) und die Arbeitsbeziehungen und der Tonfall gegenüber den Alliierten waren geprägt von einer Professionalisierung. Die multilateralen Bemühungen der Biden-Regierung verliefen jedoch nicht ohne Verstimmungen: der überraschende und schlecht koordinierte Abzug der US-Truppen aus Afghanistan sorgte unter Verbündeten für Irritationen und das trilaterale Militärbündnis AUKUS (Australia, United Kingdom und United States) führte zu Verstimmungen mit Frankreich. Und auch die möglichen außenpolitischen Auswirkungen des Inflation Reduction Act sorgten bei europäischen Partnern für Unruhe, da man das Gesetzespaket als Subventionierung
Die zentrale außenpolitische Herausforderung für Präsident Biden war die Ausweitung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022. Die resolute und umfangreiche finanzielle und materielle Unterstützung der Ukraine durch die USA und deren aktives Engagement innerhalb der NATO verdeutlichten erneut die transatlantische Ausrichtung und Prägung von Präsident Biden und waren existenzsichernd für die Ukraine. Trotz des intensiven US-amerikanischen Engagements in Europa verstärkte sich jedoch auch unter Joe Biden der Fokus der USA auf China und dessen Rolle innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Unter Präsident Obama als Pivot to Asia [„Neuausrichtung nach Asien“] bekannt und auch unter Präsident Trump fortgeführt, spielt China innerhalb beider Parteien eine immer größere Rolle für die Ausrichtung der US-Außenpolitik und deren globale Vormachtstellung. Unter Druck geriet die Biden-Regierung Ende 2023 durch den Gaza-Krieg und ihre Unterstützung der israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu, die stark durch den linken Parteiflügel kritisiert wurde und auch im Vorwahlkampf der Demokraten eine Rolle spielte.
Ausgangslage vor den Wahlen
Joe Biden und seiner Regierung gelang es, die erste Amtshälfte für große innenpolitische Vorhaben und Gesetzespakete zu nutzen und diese auch erfolgreich im Kongress zu verabschieden. Die Zwischenwahlen und die darauffolgende Republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus verkleinerten jedoch den legislativen Spielraum. Zu konstatieren ist für die vier Jahre der Biden-Regierung allerdings eine überraschend starke Parteiarbeit der Demokraten, die ihre Mehrheit im Kongress zu nutzen wussten und auch den Rückzug von Joe Biden aus dem Wahlkampf und die darauffolgende Nominierung von Kamala Harris in kürzester Zeit effektiv meisterten. Während der moderate Parteiflügel nach der desaströsen Fernseh-Debatte gegen seinen Republikanischen Herausforderer Donald Trump zügig Druck auf Joe Biden aufbaute, hielt der progressive Flügel der Partei zwar länger an einer Kandidatur von Joe Biden fest, reihte sich nach dessen Rücktritt jedoch geräuschlos in die Reihen der Unterstützer*innen von Kamala Harris ein.
Die Unterstützung von Vize-Präsidentin Harris ist auch mit der Hoffnung verbunden, dass sie die progressiven politischen Inhalte der Biden-Harris Regierung, beispielsweise mit Blick auf die Förderung von Gewerkschaften, weiterverfolgt. Als Herausforderung für die Wahlchancen der Demokraten und das Ticket Harris-Walz werden die weiterhin hohen Lebenshaltungskosten in den USA gewertet. Zwar zeugen Indikatoren wie die niedrige Arbeitslosigkeit oder das Wirtschaftswachstum bisher von einer starken wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere in Anbetracht der Auswirkungen der Covid-Pandemie, allerdings wird dies von vielen Wähler*innen teils anders wahrgenommen, teils sind sie von den positiven Entwicklungen nicht direkt betroffen.
Bedenkt man die Pandemie, die Folgen der hohen Inflation und
Schlussendlich steht auch die Frage im Raum, wie nachhaltig die politischen Erfolge von Joe Biden sein werden, sollte es zu einem Machtwechsel im Weißen Haus kommen und das Pendel außen- wie innenpolitisch wieder in die andere Richtung ausschlagen. Für eine historische Betrachtung der Amtszeit von Joe Biden mag es noch zu früh sein, doch wird solch eine Analyse seines politischen Erbes fraglos auch von den beispiellosen