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Kongresswahlen 2022 – mehr als ein Votum zu Bidens Agenda | USA | bpb.de

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Kongresswahlen 2022 – mehr als ein Votum zu Bidens Agenda

Philipp Adorf

/ 13 Minuten zu lesen

Die Midterm Elections zur Halbzeit einer präsidialen Amtsperiode schaffen oftmals neue Verhältnisse im Kongress – meist zum Nachteil der Regierungspartei. 2022 bestimmen jedoch etliche Themen den Wahlkampf. Die Abstimmung gilt als wegweisend für die Zukunft der US-Demokratie.

Ein Wähler stellt einem Wahlhelfer eine Frage zum Abstimmungsprozess bei den Vorwahlen der Demokratischen Partei in New Yorks 12. Kongress-Distrikt im August 2022. (© picture-alliance, EPA | JUSTIN LANE)

Alle zwei Jahre werden in den Vereinigten Staaten die 435 Sitze des Repräsentantenhauses sowie gut ein Drittel aller Senatssitze (2022: 35 von 100 Sitzen) neu gewählt. Das Interner Link: Staatsoberhaupt im Weißen Haus sieht sich somit nach weniger als 24 Monaten im Amt einem Votum hinsichtlich seiner Agenda ausgesetzt – oftmals mit negativen Folgen für die weitere Umsetzung der geplanten legislativen Projekte. Die letzten drei Präsidenten, die nach Amtsantritt in den Genuss eigener Mehrheiten in Interner Link: beiden Kammern des Kongresses kamen, mussten in den ersten Halbzeitwahlen (Midterm Elections) ihrer Präsidentschaft starke Einbußen ihres Handlungsspielraums hinnehmen, da die Mehrheiten ihrer Interner Link: Partei zumindest im Repräsentantenhaus verloren gingen (im Fall von Bill Clinton 1994, Barack Obama 2010 und Donald Trump 2018 ).

Die Halbzeitwahlen aus historischer Perspektive

Wird Joe Biden ein ähnliches Schicksal erfahren? Ein Blick auf die Historie der Kongresswahlen auf der einen sowie auf die jüngsten politischen Entwicklungen auf der anderen Seite, liefert eine leicht widersprüchliche Antwort. Aus historischer Perspektive erscheint ein republikanischer Erfolg höchstwahrscheinlich: Seit dem Ende des US-amerikanischen Bürgerkriegs konnte die Partei des Präsidenten in den Halbzeitwahlen nur drei Mal Sitze im Repräsentantenhaus hinzugewinnen. Betrachtet man nur die vier letzten dieser Wahlen, so hat die Partei des Präsidenten durchschnittlich über 35 Sitze in der unteren Kongresskammer verloren (siehe auch Abbildung). In Anbetracht der knappen demokratischen Mehrheit, die bei einem Verlust von fünf Sitzen fallen würde, war bereits zu Beginn der Biden-Präsidentschaft zu erwarten, dass seine Partei nach zwei Jahren zumindest das Repräsentantenhaus verlieren würde.

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor bei knappen Wahlausgängen ist das Wahlsystem. Bei der Interner Link: relativen Mehrheitswahl in den USA gewinnt die Person mit dem größten Stimmenanteil den jeweiligen Wahlkreis und repräsentiert diesen im Kongress. Deshalb gibt es zumeist Divergenzen zwischen dem nationalen Stimmen- und Sitzanteil im Parlament. Im US-amerikanischen Fall heißt dies, dass die Demokraten wahrscheinlich einen Vorsprung von ungefähr anderthalb Prozentpunkten erreichen müssen, um ebenso eine Mehrheit der Sitze im Repräsentantenhaus zu erhalten (sollten beide Parteien gleichauf sein, würden die Republikaner 225, die Demokraten 210 Sitze gewinnen ). Der Grund dafür lässt sich insbesondere in der effizienteren Verteilung der republikanischen Wählerschaft finden, die im Gegensatz zur demokratischen Seite weniger in urbanen Hochburgen konzentriert lebt. Tendenziell "vergeuden" die Demokraten dort mehr Stimmen, wenn sie ihre Wahlkreise mit komfortablen Mehrheiten von 20 oder 30 Prozentpunkten gewinnen, während die republikanischen Siege in ländlichen Regionen knapper ausfallen. Dies ist ein Trend, der durch die regelmäßige Anpassung der Wahlkreisgrenzen durch die Parteien auf Landesebene noch verschärft wird. Allerdings versuchen auch die Demokraten sich das sogenannte Interner Link: Gerrymandering zunutze zu machen.

Im Senat, der oberen Kammer des Kongresses, besteht momentan ein Patt mit jeweils 50 Stimmen zwischen den Parteien, wobei die US-Vizepräsidentin Kamala Harris in ihrer Rolle als Senatspräsidentin die entscheidende 51. Stimme für die Demokraten abgeben kann. Bei der bevorstehenden Senatswahl sieht die Situation für die Demokratische Partei aus zweierlei Gründen besser aus als im Repräsentantenhaus. Einerseits muss die Partei weniger Sitze verteidigen: Nur 14 der 35 Senatssitze, die zur Wiederwahl stehen, sind in demokratischer Hand. Auf republikanischer Seite hat die Wählerschaft in den parteiinternen Vorwahlen zudem in einigen umkämpften Bundesstaaten wie Arizona, Georgia oder Pennsylvania Kandidat:innen ausgewählt, die aufgrund extremer Positionen oder Unerfahrenheit nicht unbedingt als beste Option für den unentschlossenen Teil der Wahlbevölkerung gelten. In den meisten Halbzeitwahlen wären die Republikaner dort klar favorisiert. Die Vorhersagen in den drei besagten Staaten prognostizieren jedoch sehr enge Wettbewerbe . Bleibt der Senat in demokratischer Hand, wäre dies insbesondere für die Besetzung von Bundesgerichten wie dem Interner Link: Supreme Court relevant. Für den Obersten Gerichtshof nominierte Richterinnen und Richter müssen einzig und allein durch den Senat bestätigt werden.

Bidens Präsidentschaft als Wahlfaktor

Obwohl der Präsident selbst nicht zur Wahl steht, drehen sich viele Halbzeitwahlen um dessen politische Leistungen. Diesbezüglich setzte sich Joe Biden ehrgeizige Ziele. Präsentierte er sich während der Präsidentschaftskampagne zumeist noch als eine Art Übergangspräsident, der die Vereinigten Staaten nach den Trump-Jahren in ruhigeres Fahrwasser bringen würde, so fing Biden seine Amtszeit durchaus ambitioniert an und weckte den Eindruck, Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie als Vehikel für eine fundamentale Transformation des US-Sozialstaates nutzen zu wollen. Nach nur zwei Monaten im Amt wurde mit dem "American Rescue Plan" ein zwei Billionen US-Dollar schweres Hilfspaket verabschiedet, das eigentlich nur der erste Schritt einer umfassenden Agenda sein sollte. Innerparteiliche Streitigkeiten hinsichtlich des Ausmaßes staatlicher Programme und die schwierigen Mehrheitsverhältnisse im Senat, in der sich die Demokratische Partei keine einzige Gegenstimme in den eigenen Reihen leisten konnte, bremsten die ambitionierteren Initiativen des Weißen Hauses fortan aus.

Nach der Verabschiedung eines stark reduzierten Infrastrukturpakets im November 2021 sollte Joe Biden bis in den Sommer 2022 in innenpolitischen Fragen nur wenig Weiteres erreichen. Das Blatt wendete sich erst mit der Entscheidung des konservativen demokratischen Senators Joe Manchin, ein abgespecktes Reformpaket der "Build Back Better"-Agenda des Weißen Hauses zu unterstützen. Mit allen 50 demokratischen Senator:innen an Bord, konnte der "Inflation Reduction Act" (IRA) im August 2022 verabschiedet werden. Neben gesundheits- und steuerpolitischen Elementen stellt der Klimaschutz das zentrale Element des Gesetzes dar: So stellt der IRA 370 Milliarden US-Dollar für den Kampf gegen den Klimawandel zur Verfügung. Das Gesetz wurde vom Weißen Haus damit als größte klimapolitische Maßnahme in der Geschichte des Landes hochgehalten.

Auch wenn Joe Bidens bescheidene Popularitätswerte dies nicht widerspiegeln, lässt sich nach fast zwei Jahren konstatieren, dass er ein beträchtliches legislatives Vermächtnis geschaffen hat. Neben den ökonomischen Vorstößen kann Biden darauf verweisen, dass im Juni 2022 gemeinsam mit 15 Senator:innen der Republikanischen Partei zum ersten Mal seit fast drei Jahrzehnten ein verschärftes Waffengesetz auf Bundesebene verabschiedet wurde. Mit Blick auf die Kongresswahlen haben die verschiedenen Reformpakete jedoch nicht verhindern können, dass die Kompetenz von Biden und seinen Demokraten an den allgemeinen ökonomischen Entwicklungen gemessen werden. Jüngste Umfragen zeigen, dass die Republikaner beispielsweise bei der Frage, welcher Partei eher bezüglich der Wirtschaftspolitik und Interner Link: Inflationsbekämpfung vertraut wird, einen Vorsprung von fast 20 Prozentpunkten haben. Wird die Wirtschaft auch am Wahltag das entscheidende Thema sein? In diesem Fall hätten die Demokraten wahrscheinlich kaum Chancen, ihre Mehrheiten im Kongress zu halten. Als überraschende Wendung im Wahlkampf könnte sich jedoch eine historische Entscheidung des Obersten Gerichts herausstellen.

Abtreibungsrecht: Ein Supreme-Court-Urteil verändert den Wahlkampf

Am 24. Juni 2022 besaßen die Republikaner in den Umfragen zur Wahl des Repräsentantenhauses einen durchschnittlichen Vorsprung von 2,3 Prozentpunkten. Am selben Tag hob der Supreme Court mit seinem Urteil Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization das verfassungsmäßige Recht von Frauen auf Schwangerschaftsabbrüche auf. Dieses Recht hatte in allen US-Bundesstaaten seit dem Präzedenzfall Roe v. Wade aus dem Jahr 1973 bestanden, das Oberste Gericht revidierte somit in einem seltenen Beispiel sein vorheriges Urteil. Etwas mehr als einen Monat später waren die Parteien in den Umfragewerten gleichauf. Drehten sich die Halbzeitwahlen der jüngeren Vergangenheit oftmals um die politischen Errungenschaften oder Verfehlungen des amtierenden Präsidenten, so überschattete während des Sommers 2022 mit dem Supreme-Court-Urteil ein konservativer Sieg fast alle anderen politischen Themen. Da 59 Prozent aller US-Amerikanerinnen und -Amerikaner und mehr als zwei Drittel aller Frauen das Urteil ablehnen, könnte es sich jedoch als Pyrrhussieg für die Republikaner herausstellen.

Eine Vielzahl von Daten beweist, dass die Entscheidung des Supreme Court im demokratischen Lager einen enormen Motivationsschub bezüglich der politischen Partizipation auslöste. In Kansas waren 70 Prozent aller neu registrierten Wähler:innen im Monat nach der Urteilsverkündung Frauen. War im März 2022 für 46 Prozent aller Wähler:innen der Demokratischen Partei das Thema Abtreibung mit Blick auf ihre Wahlentscheidung "sehr wichtig", so lag dieser Anteil fünf Monate später bei 71 Prozent. Gleichzeitig wuchs die demokratische Begeisterung hinsichtlich der Interner Link: Wahlteilnahme: Mitte April sagten 61 Prozent aller republikanisch registrierten und 48 Prozent aller demokratisch registrierten Wahlberechtigten, sie würden mit Enthusiasmus auf die Kongresswahlen blicken. Fünf Monate später lagen die jeweiligen Werte bei 57 und 60 Prozentpunkten. Allgemein galt bei den letzten Halbzeitwahlen der Grad der Begeisterung in der Anhängerschaft der Parteien als guter Prädiktor für den Wahlausgang.

Das Wachrütteln der demokratischen Wählerschaft ließ sich auch in bereits vorliegenden Wahlergebnissen erkennen. In Kongress-Sonderwahlen (die angesetzt werden, wenn ein Abgeordneter vor Ende der Amtszeit verstirbt oder den Kongress verlässt) der Biden-Ära vor dem Supreme-Court-Urteil schnitten republikanische Kandidat:innen durchschnittlich zwei Prozentpunkte besser als erwartet ab. In vier Sonderwahlen nach dem Urteil waren es die demokratischen Kandidierenden, deren Ergebnisse nunmehr neun Punkte besser als erwartet ausfielen. Im stark republikanisch geprägten Bundesstaat Kansas, den Trump 2020 mit 15 Prozentpunkten Vorsprung gewinnen konnte, fand ein Referendum zum Abtreibungsrecht statt, das dort auch in der Interner Link: Landesverfassung verankert ist. Fast 60 Prozent der Wähler:innen stimmten Anfang August gegen den konservativen Vorstoß, den Passus aus der Landesverfassung zu entfernen. Eine Analyse zeigte, dass ähnliche Vorhaben ebenso in 41 der 50 Bundesstaaten scheitern würden (ein Recht auf Schwangerschaftsabbrüche gewähren allerdings nur wenige Landesverfassungen in den USA). Die republikanische Forderung nach stärkeren Restriktionen bei Schwangerschaftsabbrüchen hat sich im Post-Roe-Zeitalter als eine elektoral äußerst riskante Strategie herausgestellt.

Trump und die Republikaner: Das Narrativ vom "Wahlbetrug" als Nachteil?

Nicht nur das Supreme-Court-Urteil legte den Fokus der nationalen Aufmerksamkeit auf die Republikanische Partei, auch parteiinterne Entwicklungen generierten oftmals negative Schlagzeilen. Die Vorwahlen zeigten auf, dass die Haltung zur Legitimität von Interner Link: Joe Bidens Sieg bei der Präsidentschaftswahl zu einer Art Lackmustest innerhalb der Republikanischen Partei geworden ist. Fast die Hälfte aller Kandidierenden für die Kongresswahlen und wichtige Exekutivämter auf Landesebene stellten das Wahlergebnis von 2020 in Frage. Des Weiteren forderte ungefähr ein Drittel aller republikanischen Anwärter:innen für Ämter, die für die Bestätigung der Wahlergebnisse auf Landesebene mitverantwortlich sind, die Annullierung der letzten Präsidentschaftswahl. Die meisten dieser Politiker:innen kandidieren für das Amt des Secretary of State, einer Art Innenminister:in und Landeswahlleiter:in in einem. Sollten Trump-treue Personen insbesondere in Staaten mit engen Wahlergebnissen dieses Amt gewinnen, könnte dies in zukünftigen Abstimmungen verheerende Folgen für die amerikanische Demokratie haben. Auch dieses Argument bietet den Demokraten Gelegenheit, um von den schlechten ökonomischen Daten abzulenken.

Ein weiterer Faktor, der dazu führen könnte, dass sich die diesjährigen Halbzeitwahlen von historischen Trends unterscheiden, ist die fortwährende Aufmerksamkeit, die der ehemalige Präsident medial erhält. Neben potenziellen Vorbereitungen zu einer erneuten Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2024 war Donald Trump ebenso in den Vorwahlen 2022 äußerst involviert und unterstützte insbesondere Kandidierende, die seine Behauptung von einem "Wahlbetrug" der Biden-Kampagne teilten. Dies trug dazu bei, dass nur zwei der zehn Republikaner:innen, die im Januar 2021 für die Amtsenthebung des Präsidenten im Repräsentantenhaus stimmten, weiterhin Chancen auf einen erneuten Einzug in den Kongress besitzen.

Donald Trump unterstützt den Republikaner Blake Masters, der in Arizona für den Senat kandidiert, bei einem Wahlkampfauftritt im Oktober 2022. Masters hat den Wahlsieg von Joe Biden 2020 wiederholt in Frage gestellt. (© picture-alliance, ZUMAPRESS.com | Christopher Brown)

Mag das Thema des vermeintlichen Wahlbetrugs innerparteilich populär wie eh und je sein, so spricht dies jedoch kaum die allgemeine Wählerschaft an, der aktuellere Themen wie die Inflation eher Sorgen bereiten. Des Weiteren könnte sich negativ auf die republikanischen Chancen auswirken, dass der ehemalige Präsident seit dem Ende des Frühjahres aufgrund externer Entwicklungen fast durchweg negative Schlagzeilen produziert hat, die selbst in Interner Link: Trumps skandalgeprägter politischer Biografie hervorstechen: Die Enthüllungen des Kongressausschusses zum Interner Link: Sturm auf das Kapitol, die Razzia des FBI in Trumps Sommerhaus in Mar-a-Lago – aufgrund des Verdachts eines indiskreten Umgangs mit Staatsgeheimnissen – sowie eine Betrugsanklage in New York. Schlussendlich hat dies dazu beigetragen, dass dem amtierenden Präsidenten und seinen Beliebtheitswerten eine geringere Relevanz als in vorherigen Halbzeitwahlen zugesprochen wird. Eine Analyse von Google-Suchen zeigte auf, dass Donald Trumps Name weiterhin häufiger als Joe Bidens gesucht wird – in den Kongresswahlen der Vergangenheit interessierte sich fast niemand für den Verlierer der vorherigen Präsidentschaftswahl. Weitere Daten unterstreichen diesen Eindruck: Im März 2022 gaben 60 Prozent aller Wähler:innen an, ihre Stimmabgabe im November sei ein Votum für oder gegen Joe Biden, im August lag dieser Wert nur noch bei 50 Prozent.

Fazit: Können die Demokraten den Verlauf der Debatte für sich nutzen?

Trump und das Supreme-Court-Urteil zum Abtreibungsrecht ließen Joe Biden im Sommer 2022 als Wahlfaktor in den Hintergrund treten. In Anbetracht der schlechten Popularitätswerte des Präsidenten ist dies für die Demokraten eine zweifelsfrei positive Entwicklung. Zudem rückte die Wahlkampagne somit nicht das Weiße Haus, sondern die Republikanische Partei und ihre politischen Ziele ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Will die Bevölkerung den unpopulären republikanischen Positionen, insbesondere beim Thema Schwangerschaftsabbrüche, entgegensteuern, wird die Demokratische Partei davon profitieren.

Slogans und Plakate im Wahlkampfbüro von Ammar Campa-Najjar, dem demokratischen Kandidaten für das Repräsentantenhaus in Kaliforniens 50. Kongress-Distrikt. Die Positionen der Partei – nicht die Prominenz des Präsidenten – stehen im Fokus der Kampagne. (© picture-alliance, EPA-EFE | DAVID MAUNG)

Fraglich ist jedoch, ob am Wahltag selbst die dominanten Themen des Sommers oder nicht doch die ökonomischen Sorgen in den Köpfen der Wähler:innen die entscheidende Rolle spielen. In den jüngsten Halbzeitwahlen konnte die Oppositionspartei zumeist in den finalen Wochen an Zustimmung gewinnen. Das Thema Wirtschaft scheint Umfragen zufolge die Frage der Abtreibungsrechte im öffentlichen Interesse wieder überholt zu haben – und 68 Prozent aller Amerikaner:innen finden, die Biden-Regierung tue nicht genug gegen die Inflation. Auch wenn einzelne republikanische Politiker:innen immer wieder isolationistische Töne anklingen lassen, spielten außenpolitische Themen wie der Krieg in der Ukraine sowie die diesbezügliche Unterstützung hingegen eine geringfügige Rolle während des Wahlkampfs, nicht zuletzt da auch bei den Wähler:innen beider Lager ein beträchtlicher Konsens hinsichtlich der finanziellen und militärischen Hilfsmittel besteht. Anfang August sprachen sich beispielsweise ungefähr zwei Drittel der republikanischen Wählerschaft für eine Fortführung der Lieferung von militärischen Gütern und weiterer ökonomischer Unterstützung für die Ukraine aus. Heimische Rezessionsängste und steigende Lebenshaltungskosten könnte aber auch hier zu einer Meinungsverschiebung beigetragen haben. Entsprechend einer neueren Studie waren 32 Prozent aller Republikaner:innen Mitte September der Ansicht, die Ukraine erhalte von den USA zu viel Unterstützung (im Vergleich zu einem Wert von 9 Prozent im März). Inwiefern dies Joe Bidens Kurs in Osteuropa im Falle eines republikanischen Erfolgs einschränken wird, könnte eines der wichtigeren Themen der neuen Legislaturperiode werden. Für die anstehende Wahl deutet sich jedoch an, dass auch in diesem Jahr der Grundsatz über das ewige Kernthema der US-Politik („It’s the economy, stupid“) gelten wird, so dass sich die Vorhersage eines komfortablen republikanischen Sieges doch noch bewahrheiten könnte.

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Philipp Adorf ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn. Seine Forschung beschäftigt sich mit der Republikanischen Partei, dem Thema der amerikanischen Race Relations sowie rechtspopulistischer Erfolge innerhalb der Arbeiterklasse.