Alle zehn Jahre werden die Wahlkreise für das
In den USA schickt jeder
An welche Regeln müssen sich die Bundesstaaten halten?
Es gibt sehr wenige
Diesen Begriff müssen Sie erklären.
Das Ziehen von Wahlkreisgrenzen klingt zunächst nach einer einfachen administrativen Aufgabe. Aber es ist möglich, Menschen strategisch in Distrikte einzuteilen und so den Ausgang von Wahlen zu beeinflussen. Der Begriff Gerrymandering geht zurück auf das Jahr 1812, als der damalige Gouverneur von Massachusetts, Elbridge Gerry, eine Wahlkreiskarte in Kraft gesetzt hat, die einen höchst merkwürdig geformten Wahlbezirk enthielt. Dort hat das Wort seinen Ursprung.
Wer bestimmt über den Zuschnitt der Wahlkreise?
Auch hier gibt es große Unterschiede. In einigen Staaten übernehmen unabhängige oder überparteiliche Kommissionen die Aufgabe, in anderen werden die Wahlkreiskarten von der Politik in einem normalen Gesetzgebungsverfahren bestimmt. Das ist bis heute der häufigste Fall. Und daraus ergibt sich ein Problem. Denn die Politikerinnen und Politiker, die über die Distriktgrenzen bestimmen, sind dieselben, die in ihnen gewählt werden wollen. Da ist die Versuchung groß, die Linien so zu ziehen, dass es dem eigenen politischen Vorteil dient.
Politisches Gerrymandering ist aufgrund seiner Auswirkungen auf die Machtverhältnisse in Washington zunehmend umstritten. War das schon immer so?
Das Thema beschäftigt die Gerichte seit den 1960er-Jahren. Damals hat der
In dem Bundesstaat wurde die Neugestaltung der Wahlkreise gerade an eine überparteiliche Kommission ausgelagert.
Die Arbeit der Kommission wurde allerdings umgehend blockiert. Die politische Polarisierung sorgt dafür, dass sich beide Seiten schlicht nicht auf Zuschnitte einigen können. Deshalb mussten die Gerichte die Aufgabe übernehmen.
Also können auch überparteiliche Institutionen das Problem nicht lösen?
Sie können funktionieren, allerdings tun sie das in der Regel nur dann, wenn es um wenig geht. In dem Bundesstaat Idaho mit mehrheitlich republikanischer Wählerschaft etwa gibt es eine überparteiliche Kommission, die gut zusammenarbeitet. Aber die Bevölkerung dort ist so verlässlich konservativ, dass es nahezu unmöglich wäre eine Wahlkreiskarte zu erstellen, die den Demokraten dort die Mehrheit ermöglichen würde. In umkämpften Staaten mit vielen Abgeordneten wie eben Virginia oder Ohio ist der überparteiliche Prozess hingegen zuletzt immer wieder gescheitert. Es ist ein weiteres Symptom der
Trotzdem hat der Supreme Court 2019 abgelehnt, sich mit dem Problem des Gerrymandering zu befassen.
Das Gericht hat die Entscheidung damit begründet, dass es für den Supreme Court unmöglich sei, einen nationalen Standard dafür zu entwickeln, wie verfassungskonformes Gerrymandering aussehen müsste. Es handle sich um eine politische, nicht um eine rechtliche Frage. Damit hat der Supreme Court die Verantwortung zurück an die Bundesstaaten gegeben. Und dort gibt es wie gesagt teilweise durchaus Regeln. Damit bleiben allerdings die Regeln für Minderheitenwahlkreise fast die einzigen, die auch auf Bundesebene durchgesetzt werden können. Wir haben das zuletzt in Alabama gesehen, wo ein Bundesgericht entschieden hat, der Staat müsse einen zweiten aussichtsreichen Stimmdistrikt für Minderheiten schaffen. Bislang gibt es dort nur einen. Die Regierung von Alabama ist dagegen in Berufung gegangen. Vermutlich wird der Fall den Supreme Court erreichen. Ich denke, die Entscheidung steht rechtlich auf einem sehr soliden Fundament, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht hier anders entscheidet und die Regeln aus dem Voting Rights Act aufweicht.
Glossar
Redistricting: Der Prozess, mit dem die Wahlkreise in allen Bundesstaaten mit mehr als einem Sitz im Repräsentantenhaus neu zugeschnitten werden. Er findet alle zehn Jahre nach dem in der Verfassung vorgeschriebenen Zensus statt. Die konkrete Ausgestaltung bleibt bis auf wenige Einschränkungen den einzelnen Bundesstaaten vorbehalten. Ziel ist es, dass jeder Wahlkreis gleich viele Menschen beinhaltet.
Gerrymandering: Wird das Redistricting so gestaltet, dass eine Partei durch den neuen Zuschnitt der Wahlkreise ihre Chancen auf Sitze im Repräsentantenhaus über ihre politische Stärke in einem Bundesstaat hinaus erhöht, spricht man von einem Gerrymander. Der Begriff geht auf den ehemaligen Gouverneur von Massachusetts, Elbridge Gerry, zurück, der 1812 eine Karte mit teils grotesk verformten Wahlkreisen absegnete. Einer dieser Distrikte erinnerte Karikaturisten an einen Salamander. So entstand das Wort Gerrymander.
Voting Rights Act: Gesetz aus dem Jahr 1965, das die Benachteiligung von Minderheiten im Wahlprozess verbietet. Sektion 2 des Voting Rights Acts untersagt es, Karten so zu gestalten, dass Minderheiten-Communities (etwa der afroamerikanischen oder Latino-Bevölkerung) auf mehrere Wahlkreise verteilt werden, um ihren politischen Einfluss zu schwächen. So sind zahlreiche Wahlkreise entstanden, in denen Angehörige von Minderheiten die Mehrheit der Wählerinnen und Wählern stellen.
Minderheitenwahlkreise gelten als sichere Stimmbezirke für die Demokraten. Würde eine Schwächung des Voting Rights Acts in dieser Frage damit vor allem diese Partei treffen?
Das ist eine komplizierte Frage. Die effektivste Art zu gerrymandern ist es, so viele Wählerinnen und Wähler des Gegners wie möglich in wenigen Wahlbezirken zusammenzufassen.
Dennoch glauben viele Expertinnen und Experten, dass das Gerrymandering aktuell vor allem der Republikanischen Partei hilft…
Ich sehe das für die aktuelle Runde des Redistricting nicht so. Zum einen sind in den vergangenen Jahren in zahlreichen Bundesstaaten Regeln eingeführt worden, die es der Partei erschweren, ihre Vorteile maximal auszuspielen. Zum anderen haben die Republikaner bereits bei den Neuzuschnitten vor zehn Jahren so viel zu ihrem Vorteil verändert, dass es schwer wird, die Zahl ihrer Sitze allein mit diesem Instrument weiter zu erhöhen. In vielen Staaten haben sie sich dafür entschieden, ihre aktuellen Abgeordneten zu schützen. Wenn sie stattdessen viele zusätzliche Wahlkreise hätten gewinnen wollen, hätten sie mehr wettbewerbsfähige Distrikte schaffen müssen. Und das kann auch schiefgehen. Trotzdem sieht es so aus, als würde auch in diesem Jahr die Wahlkreiskarte insgesamt zu Gunsten der Republikaner ausfallen.
Vor den Midterm-Wahlen im Jahr 2018 gab es Schätzungen, dass die Demokraten die Wahl mit drei bis fünf Prozentpunkten Vorsprung gewinnen müssten, um den Vorteil der Republikaner auszugleichen und die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erobern. Kann man für die Wahlen in diesem Jahr bereits ähnliche Berechnungen anstellen?
Der Redistricting-Prozess ist noch nicht überall abgeschlossen. In großen Staaten wie Ohio hat der State Supreme Court die ursprünglich beschlossenen Karten bereits zurückgewiesen. In North Carolina und Pennsylvania laufen Klagen gegen die neuen Wahlkreise. Florida hat noch gar keine Distrikte festgelegt. Deshalb ist es schwer zu sagen, wie groß der Effekt diesmal ausfallen wird. Am Ende könnte es auch auf den neuen Karten insgesamt mehr Wahlkreise als zuvor geben, in denen bei der Präsidentschaftswahl Joe Biden gewonnen hätte – wenn man das Ergebnis von 2020 umrechnen würde.
Nutzen auch die Demokraten ihre Möglichkeiten, um ihre Sitzanzahl zu maximieren?
Die Demokraten haben angefangen, Feuer mit Feuer zu bekämpfen. In New York und Illinois haben sie gerade höchst aggressiv gegerrymanderte Karten beschlossen. Insgesamt scheinen die Demokraten aber gewillter zu sein, das System zu durchbrechen. In Virginia hatte die Partei für kurze Zeit die Kontrolle über Delegiertenhaus, Senat und das Gouverneursamt. Sie hat diese Chance genutzt und eine Volksabstimmung über die Einführung der überparteilichen Kommission durchgeführt. Sie hätten das Verfahren aber auch bei sich behalten können, um ihre Sitzanzahl zu maximieren. Das zeigt, dass die Partei mancherorts bereits ist, Reformen einzuleiten, die ihr womöglich selbst schaden. Bei den Republikanern sehe ich diese Offenheit weniger.
Was halten die Wählerinnen und Wähler vom parteipolitisch motivierten Gerrymandering?
Sie spüren, dass der Prozess problematisch ist und dass es sich um einen Interessenkonflikt handelt – und zwar über die Parteigrenzen hinweg. In Florida ist vor einigen Jahren ein Verfassungszusatz per Referendum verabschiedet worden, der faire Wahlkreiskarten verlangt. Diese Vorlage hat mehr als 60 Prozent der Stimmen erhalten. Das zeigt, dass Wählerinnen und Wählern beider Parteien das Thema wichtig ist. Derzeit gibt es Bemühungen in stark republikanisch geprägten Staaten wie Missouri und Utah, den Prozess zu reformieren.
Es gibt den Einwand, dass nicht die politische Neugestaltung der Wahlkreise für die ungleiche Verteilung der Macht im Kongress verantwortlich ist, sondern die "Selbstsortierung" der Wählerinnen und Wähler. Demokraten leben überwiegend in Städten, Republikaner zunehmend auf dem Land. Was halten Sie von dieser Theorie?
Nicht viel. Ein Wahlbezirk für das Repräsentantenhaus umfasst rund 750.000 Menschen. Wie wir beispielsweise in Illinois gesehen haben, kann man beim Ziehen der Distriktlinien sehr kreativ sein. Auch New York, ein großer Staat, in dem Millionen demokratische Wählerinnen und Wähler in New York City konzentriert sind, konnte eine Karte gestalten, die die Republikaner wohl vier Sitze kosten wird. Man kann Teile von Städten mit Vorstädten oder sogar ländlichen Gebieten zusammenfassen. Die US-Bevölkerung ist geographisch schlicht nicht so konzentriert, dass man Wahlkreise nicht um die Grenzen herumziehen könnte. Hinzu kommt, dass die vermeintliche Selbstsortierung zwischen 2016 und 2020 sogar abgenommen hat. Die Vorstädte, lange Zeit republikanische Bastionen, sind in Richtung Demokraten gewandert. Gleichzeitig konnten die Republikaner bei der Latino-Bevölkerung Boden gutmachen.
Dieses Interview wurde redaktionell bearbeitet und gekürzt.