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The Winner takes it all? | USA | bpb.de

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The Winner takes it all? Das Wahl- und Parteiensystem der USA

Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte Karl-Rudolf Korte

/ 6 Minuten zu lesen

In kaum einem anderen Land der Welt wird das Rennen um das Präsidentenamt so aufwändig inszeniert und öffentlich zelebriert wie in den Vereinigten Staaten. Auch das Wahl- und Parteiensystem unterscheidet sich wesentlich von dem der Bundesrepublik Deutschland.

Obama und Romney auf Wahlkampftour. (© dapd)

Die Verfassung der Vereinigten Staaten ist eine der ältesten demokratischen Verfassungen der Welt. Sie ist seit 1787 - mit einigen Änderungen - noch heute in Kraft. Sie definiert die USA als präsidiale und föderale Republik, in der die Wählerinnen und Wähler den Präsidenten indirekt für jeweils vier Jahre wählen. Der Präsident wird im Gegensatz zu parlamentarischen Systemen also nicht aus der Mitte des Parlaments gewählt und kann von diesem auch nicht abgewählt werden. Eine Ausnahme bildet das so genannte "Impeachment-Verfahren", das nur im Fall eines Verstoßes des Präsidenten gegen die Verfassung eingeleitet werden kann. Der Präsident besitzt kein Recht, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen.

Er ist sowohl Staatsoberhaupt als auch Regierungschef und vereint damit die formal ähnlichen, aber nicht vergleichbaren Ämter des deutschen Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten. Anders als in Deutschland darf der US-Präsident nur einmal wiedergewählt werden. Die Trennung der Exekutive (Präsident/Regierung) von der Legislative (Kongress) ist ein Kernelement US-amerikanischen Demokratieverständnisses und Grundprämisse der Verfassung.

Ähnlich der Bundesrepublik Deutschland sind auch die Vereinigten Staaten föderal organisiert. Es werden demnach nicht alle politischen Entscheidungen auf Bundesebene getroffen, sondern manche Politikbereiche ebenfalls in den einzelnen Staaten geregelt. Dies hat insofern Bedeutung, als dass sich der Präsident nicht nur gegenüber den Abgeordneten aus den einzelnen Wahlkreisen, sondern auch gegenüber den Senatoren behaupten muss, da diese die Interessen der Bundesstaaten vertreten. Das Parlament in den USA, auch Kongress genannt, besteht aus zwei Kammern, dem Repräsentantenhaus und dem Senat, in den jeder Bundesstaat zwei Senatoren entsendet.

Öffentliche Wahlinszenierungen in den USA

Die Analogien zum deutschen Wahl- und Parteiensystem sind allerdings augenfällig: Kanzlerkandidatinnen und Kanzlerkandidaten werden in Deutschland ebenso gekürt wie Präsidentschaftskandidatinnen und Präsidentschaftskandidaten in den USA. Die Nominierung der Amtsanwärterinnen und Amtsanwärter in den USA ist aber ein öffentliches und innerparteiliches Mobilisierungsfest. Ihm sind offizielle und parteiöffentliche Vorwahlen vorausgegangen. In parlamentarischen Demokratien laufen solche Prozesse ganz anders ab. In Parteiendemokratien folgen die Auswahlprozesse der Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten einer anderen Rationalität. Zwar favorisieren auch die Parteien in Deutschland öffentliche Inszenierungen. Doch die vorausgehenden Auswahlprozesse des Personals sind viel weniger öffentlich als in Präsidialdemokratien wie in den USA.

Für die Wählerinnen und Wähler sind der oder die Parteivorsitzende und der Kanzlerkandidat bzw. die Kanzlerkandidatin besonders sichtbar. Idealerweise vereint eine Partei beide Positionen, was aber keineswegs der Regelfall sein muss. Erich Ollenhauer war der Parteivorsitzende der SPD, dem man als erster nach zwei verlorenen Wahlen gegen Konrad Adenauer klar machen musste, dass man ihn nicht ein drittes Mal als Spitzenkandidaten in den Bundestagswahlkampf schicken wollte.

Kandidatur-Marathon schon in Vorwahlen

Kanzlerkandidaturen sind hohe Ehrenämter. Im Grundgesetz existiert dieses Amt nicht. Willy Brandt war 1961 der erste auch so titulierte Kanzlerkandidat einer Partei - in Analogie zu den US-Präsidentschaftskandidaten. In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gibt es jedoch kein zweites Amt, das so chancenlos war. Die unterstellte Attraktivität dieses Ehren-Spitzenamtes hatte zwar Mobilisierungspotential in Wahlkämpfen, allerdings von sehr begrenzter Wirkung. Da die Kanzlerkandidatur kein formelles Amt ist, kennen die Parteien auch kein formalisiertes Verfahren der Kür. Zumeist fällt die Entscheidung situationsabhängig in der Machtkonstellation zwischen Parteivorsitz und Bundestagsfraktion in einem ganz kleinen Kreis. Sicher ist dabei nur, dass diese Entscheidung hinter verschlossenen Türen fällt, bevor sie dann öffentlich inszeniert wird. In den USA muss man sich hingegen in öffentlichen Vorwahlen bereits dem Wählervotum stellen. Die Öffentlichkeit und die Parteien gestalten den Auswahlprozess.

Zwei Parteien bestimmen das Rennen

Viele Bestimmungen über die Wahl des Präsidenten und der Kongress-Abgeordneten sind in der knappen amerikanischen Verfassung nicht zu finden. Nur Mindesterfordernisse sind geregelt: Wer ins Repräsentantenhaus gewählt werden will, muss bei Amtsantritt mindestens 25 Jahre alt, seit sieben Jahren Bürger der USA sein und seinen Wohnsitz in dem Bundesstaat haben, in dem er gewählt wird. Für Senatoren gilt dies entsprechend. Allerdings müssen sie mindestens 30 Jahre alt sein. Der Präsident muss gebürtiger Amerikaner sein und mindestens 35 Jahre alt sein.

Die Bürger der USA wählen - mit Ausnahme der Vorwahlen - nach dem relativen Mehrheitswahlrecht. Bei diesem Verfahren wird derjenige gewählt, der die meisten Stimmen erhalten hat. Die anderen Stimmen verfallen. Dies ist von Bedeutung, da dieses System auch dazu geführt hat, das bislang nur zwei relevante Parteien existieren: die Demokraten und die Republikaner. Zwar sind noch andere Parteien aktiv, wie zum Beispiel die Grünen. Jedoch ist ihnen aufgrund des Wahlrechts ein Erfolg auf Bundes- oder Bundesstaatenebene bisher verwehrt geblieben.

Trotz Stimmenmehrheit nicht Präsident

Die Wahl des Präsidenten erfolgt indirekt. Aus jedem Staat werden Wahlmänner entsandt, die nach erfolgter Abstimmung mit einem bindenden Votum in Washington offiziell den Präsidenten wählen. Das Mehrheitswahlrecht ist bei den Präsidentschaftswahlen insofern erkennbar, da die Stimmen der Bevölkerung jedes Bundesstaates zunächst einzeln ausgezählt und die Wahlmänner anschließend beauftragt werden, die Kandidatin oder den Kandidaten, auf die oder den die meisten Stimmen entfallen sind, in der Wahlmännerversammlung zu wählen. Die Stimmen der restlichen Kandidaten spielen keine Rolle. Bei knappen Wahlausgängen in bevölkerungsreichen Staaten kann dies dazu führen, dass eine Kandidatin oder ein Kandidat zwar bundesweit die meisten Stimmen errungen hat, aber trotzdem nicht zum Präsidenten gewählt wird.

Die Mitglieder des Repräsentantenhauses werden im Verhältnis zur Bevölkerungszahl eines Bundesstaates nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt. Sie gelten als Willensvertreter aller Amerikanerinnen und Amerikaner. Der Senat dagegen stellt die Willensvertretung der Länder dar. Jeder Staat wird durch zwei Senatoren vertreten, von denen alle zwei Jahre ein Drittel zur Wahl steht.

Parteiinterne Abstimmungen in allen Bundesstaaten

Im Gegensatz zu Deutschland ist der Organisationsgrad der beiden großen Parteien in den USA gering ausgeprägt. Da der US-Präsident indirekt vom Volk und nicht von der Parlamentsmehrheit gewählt ist, verfügt er nicht automatisch, in der Mehrzahl der Fälle sogar überhaupt nicht über eine eigene Mehrheit im Kongress und muss ständig für seine Projekte werben.

Ein Grund für den geringen Organisationsgrad der Parteien liegt im Modus der Auswahl der Kandidaten für Kongress, Senat und Präsidentenamt begründet. Die Auswahl wird nicht, wie in Deutschland, von den Parteien durch Aufstellung von Listen oder Kandidaten durchgeführt, sondern erfolgt öffentlich durch Vorwahlen, bei der die Parteimitglieder ihren Favoriten per Wahl bestimmen. Besonders die Vorwahlen zur Bestimmung der Präsidentschaftskandidaten erregen die öffentliche Aufmerksamkeit schon Monate vor dem eigentlichen Präsidentschaftswahlkampf. Wie im Vorwahlkampf der Demokraten 2008, bei denen Hillary Clinton und Barack Obama um ihre Kandidatur kämpften, bei den Republikanern waren das John McCain und Sarah Palin, traten 2012 bei den Republikanern mehrere Kandidaten gegeneinander an. Mitt Romney machte dann das Rennen in 2012. Bei diesen Vorwahlkämpfen kann die Beschäftigung mit dem eigentlichen politischen Gegner zeitweilig in den Hintergrund treten. Wie bei den tatsächlichen Präsidentschaftswahlen laufen diese Abstimmungen separat in jedem Bundesstaat ab. Die Kandidatin bzw. der Kandidat wird anschließend, wie bei den faktischen Wahlen, von einer Versammlung der Delegierten aus den Bundesstaaten gewählt.

Ohne Geld keine Aussicht auf Erfolg

Die Präsidentschaftswahlkämpfe werden in der Regel aus öffentlichen Geldern mitfinanziert, wobei die Kandidaten eine Höchstbegrenzung ihrer Wahlkampfmittel akzeptieren müssen. Wer diese staatlichen Mittel ablehnt, braucht sich allerdings nicht an eine Begrenzung zu halten. So steigen die Wahlkampfkosten trotz Reformgesetzgebung permanent und in astronomische Höhen. Republikaner und Demokraten müssen massiv um Wahlkampfspenden werben, wobei der größte Teil des Spendenaufkommens durch kleine oder mittlere Spenden erbracht wird. Gelingt es einem Kandidaten nicht, in ausreichendem Maße Finanzmittel für seinen Wahlkampf zu akquirieren, so sind seine Chancen auf eine Wahl äußerst gering.

Die Vormachtstellung der USA in der IT-Technologie schlägt sich auch erheblich in der Wahlkampfführung nieder. Ein beliebtes Mittel ist das sogenannte Negative-Campaigning geworden. Ziel ist es, in erste Linie über das Internet dem Image des Kontrahenten größtmöglichen Schaden zuzufügen. Wahlwerbung im Fernsehen wird nicht wie in der Bundesrepublik kostenlos vom Staat verteilt, sondern kann in beliebigem Umfang bei den Sendern erworben werden. Der laufende Präsidentschaftswahlkampf ist der erste echte Internet-Wahlkampf in der Geschichte der US-Wahlen. Denn er wird nicht nur weitgehend über Online-Spenden mitfinanziert, sondern auch über das Internet strategisch geführt. Professionelle virtuelle Netze und Blogger sorgen dafür, dass praktisch im Minutentakt Informationen für die Kampagnen weitergegeben bzw. die Gegner diffamiert werden. Alles ist öffentlich, auch sehr Privates, nichts über die Kandidaten kann verschwiegen, Unauthentisches sofort entlarvt werden. Zu den alten Rollenmustern der Kandidaten im Wahlkampf kommt nun eine weitere Herausforderung hinzu: Der Versuch, mit allen Mitteln Fehler zu vermeiden – noch ein Kampf, der schwer zu gewinnen ist.

Fussnoten

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Karl-Rudolf Korte ist Professor der Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen und Direktor der NRW School of Governance. Seit 2000 leitet er die "Forschungsgruppe Regieren". Gastprofessuren und Gastdozenturen führten ihn bereits in die USA, Schweiz und nach China.