In einem föderal strukturierten politischen System sind die Kompetenzen zwischen dem Zentralstaat und einer mehr oder minder großen Zahl von Teilstaaten aufgrund verfassungsrechtlicher oder gesetzlicher Regelungen oder aufgrund von Tradition aufgeteilt. Häufig kommt eine dritte Ebene neben der des Bundes und der Teilstaaten hinzu, nämlich die der Kommunen. Im Föderalismus ist also der Grundsatz der Machtaufteilung, ja der Machtdiffusion institutionell verankert.
Trennung von Bund und Einzelstaaten
In den Vereinigten Staaten ist die Aufteilung der Zuständigkeiten in der Verfassung geregelt. In Artikel I, Absatz 8 werden die dem bundesstaatlichen Gesetzgeber zugewiesenen Kompetenzen aufgezählt (enumerated powers). Der zehnte Zusatzartikel formuliert dann ausdrücklich, dass jene Zuständigkeiten, die nicht dem Bund zugewiesen sind, den Einzelstaaten oder den Bürgerinnen und Bürgern zufallen. Aus Sicht der Verfassungsväter sollten Bund und Einzelstaaten sorgfältig voneinander getrennten Sphären angehören. Dies zeigt sich bis heute an der Finanzverfassung. So ist es denkbar, dass ein Bürger an einem bestimmten Ort dreimal zur Einkommenssteuer veranlagt wird, zu der des Bundes, zu der des Einzelstaates und zu der der Kommune.
In den 50 Einzelstaaten der USA wiederholt sich - allerdings auf höchst unterschiedliche Art und Weise - jene Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative, die auch den Bund charakterisiert. Mit Ausnahme des Staates Nebraska bestehen in allen Einzelstaaten zwei Kammern nebeneinander. Der Gouverneur ist der Chef der Exekutive, der direkt vom Volk gewählt wird. Generell gilt, dass in den Einzelstaaten Elemente direkter Demokratie ausgeprägt sind. So werden neben dem Gouverneur häufig die wichtigsten Positionen in der Exekutive, in einigen Staaten aber auch die Mitglieder des Obersten Gerichts durch direkte Wahl bestimmt. Es gibt Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksentscheide, aber auch den recall, nämlich die Abwahl von gewählten Politikern oder Richtern. In Kalifornien beispielsweise wurde im Herbst 2003 der knapp ein Jahr zuvor in seinem Amt bestätigte Gouverneur Gray Davis vom Volk abgewählt und durch den ehemaligen Schauspieler Arnold Schwarzenegger ersetzt.
Am Anfang der US-amerikanischen Geschichte und mehr als ein Jahrhundert lang war das in der Verfassung verankerte Prinzip des dualen Föderalismus stark ausgeprägt: Die Sphären von Bund und Einzelstaaten waren klar getrennt. Die Einzelstaaten regelten die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse jeweils vor Ort. Die Tätigkeit des Bundes blieb im Wesentlichen auf die Außen- und die Verteidigungspolitik beschränkt sowie auf ein Minimum interner Aufgaben, so auf den Handel mit den Indianerstämmen. Zunächst dominierten also die Einzelstaaten, deren Zahl von ursprünglich 13 bis 1860 auf 33 gewachsen war, die föderale Ordnung. Dieser duale Föderalismus entsprach den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen einer Agrargesellschaft. Er herrschte bis zum Ende der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts vor.
Zunehmende Kooperation
Erst unter den extremen sozialen und ökonomischen Bedingungen der Weltwirtschaftskrise setzte sich der Sozialstaat, also ein in Wirtschaft und Gesellschaft systematisch eingreifender Bundesstaat, durch. Damit begann eine neue Phase, die des kooperativen Föderalismus. Er war durch bestimmte Entwicklungen schon lange vorbereitet worden. Zu diesen zählten die Industrialisierung, die Kapitalkonzentration, die Besiedlung des bis dahin im Westen noch freien Landes (das so genannte Schließen der Frontier) und die Entfaltung von modernen Kommunikations- und Verkehrstechnologien. Dadurch vollzog sich eine Art wirtschaftlicher, sozialer und politischer "Nationalisierung" der USA.
"Kooperativer Föderalismus" bedeutet zunächst nichts anderes, als dass Bund und Einzelstaaten enger miteinander kooperieren, nicht mehr in getrennten Sphären agieren. Auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung dominierte der Bund - und eben nicht mehr die Einzelstaaten. Es entstand die US-amerikanische Form der Politikverflechtung, die intergovernmental relations.
Mit dem New Deal wuchsen die Bundeszuschüsse an Einzelstaaten und Gemeinden. Im Rahmen bestimmter Sozialprogramme erhielten einzelne anspruchsberechtigte Personen Transferzahlungen. Zu diesen gehörten Alters- und Invalidenrente, Arbeitslosengeld und - für einen bestimmten begrenzten Personenkreis - Krankenversicherung, aber auch landwirtschaftliche Subventionen.
Die ursprüngliche Trennung zwischen Bund und Einzelstaaten wurde durch Zuweisungsprogramme des Bundes an die unteren Gebietskörperschaften, durch so genannte grant-in-aids, überbrückt. Dies konnten Mittel für bestimmte, eng definierte Zwecke sein (categorical grants), Gelder für breiter definierte Ziele, so dass Länder und Kommunen bei ihrer Verwendung Spielraum hatten (block grants), oder Mittel, die nicht zweckgebunden waren und mit Hilfe eines Aufteilungsschlüssels an die unteren Gebietskörperschaften gelangten (revenue sharing).
Generell galt, dass der Bund den Einzelstaaten und Kommunen ein finanzielles und politisches Angebot machte, das diese - theoretisch - auch ablehnen konnten. Verbunden mit derartigen Angeboten waren aber auch Verpflichtungen, in der Regel in Form von Matching Funds: Der Empfänger von Bundesmitteln musste einen bestimmten Prozentsatz von Eigenmitteln aufbringen.
Im kooperativen Föderalismus drang der Bund in Politikbereiche ein, in denen er früher nicht tätig war: Er übernahm Aufgaben der Fürsorge für Kranke, Invalide, sozial Benachteiligte und alte Menschen, im Erziehungs- und Bildungswesen sowie im Bereich der Infrastruktur. Neue Behörden entstanden. Die Zahl der öffentlichen Bediensteten wuchs rapide, insbesondere bei den Einzelstaaten und Kommunen. Verantwortlichkeiten waren nicht mehr klar definiert, sondern wurden hin und her geschoben. Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die "Überlastung des Föderalismus" beklagt.
Entsprechend gab es Versuche, die Verantwortlichkeiten von Bund und Einzelstaaten wieder zu entzerren, Bundesprogramme zu kürzen und Aufgaben an die unteren Gebietskörperschaften zurückzugeben. Von Ronald Reagan ist ein rigides Dezentralisierungsprogramm unter dem Motto des New Federalism verfolgt worden. Es scheiterte jedoch an der Mehrheit der Demokraten in beiden Häusern des Kongresses.
Der US-amerikanische Föderalismus ist dennoch nach wie vor vital. Allein die territoriale Ausdehnung der Vereinigten Staaten, ihre Bevölkerungszahl und deren soziale, ethnische und kulturelle Vielfalt fördern die relative Autonomie der Einzelstaaten. Über 80.000 Regierungs- und Verwaltungseinheiten bestehen nebeneinander und konkurrieren gegeneinander. Ein Gebot wie im Grundgesetz, nämlich die "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" bzw. (mit der Vereinigung so modifiziert) die "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" zu wahren, ist in den USA undenkbar und auch nicht durchsetzbar. Der kulturelle Regionalismus ist in den letzten beiden Jahrzehnten aufgeblüht und hat den Föderalismus gestärkt.
Zentralisierende und dezentralisierende Entwicklungen vollziehen sich miteinander und gleichzeitig, zeichnen ein widersprüchliches Bild vom aktuellen Zustand des US-amerikanischen Föderalismus. So haben die Einzelstaaten durch die Kürzungen der bisherigen Sozialhilfe und durch die Umwandlung des Programms erheblich an Spielräumen für die Gestaltung der Sozialpolitik gewonnen. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 ist der Bund in das Zentrum der Terrorismusbekämpfung und der Inneren Sicherheit gerückt. Patriot Act und die Einrichtung des Department of Homeland Security haben entsprechend zentralisierend gewirkt und gehen auf Kosten einzelstaatlicher Kompetenzen.