Die Rolle der USA als Weltordnungsmacht hat sich am Ende der Präsidentschaft von George W. Bush drastisch verschlechtert. Zwar gab es keine weiteren Anschläge nach dem 11. September 2001 auf die USA. Doch hat der Terror weltweit zugenommen. Auch hat sich die Lage in Afghanistan nicht stabilisiert – im Gegenteil: Taliban und Al-Qaida sind wieder auf dem Vormarsch und zwingen den gesamten Westen zu verstärktem militärischen Engagement. Dass Osama bin Laden nach sieben Jahren Krieg unbesiegt und frei die ungebrochene Macht des Terrors verkörpert, versinnbildlicht Amerikas weltpolitisches Dilemma.
Es hat sich in einen Krieg verstrickt, den es nach falscher Lageanalyse und problematischen Schlussfolgerungen kaum gewinnen kann. Parallelen zum Vietnam-Krieg drängen sich geradezu auf. Es fehlte von Anfang an ein überzeugendes politisches Ziel, eine kraftvolle Unterstützung der Partner und vor allem eine entsprechende Strategie, die die militärischen und zivilen Komponenten klug mischt.
Negative Bilanz des Irak-Krieges
Wenn Präsident Bush Amerikas heutige Rolle vergleicht mit der im Krieg gegen den Faschismus im Zweiten Weltkrieg und den Kommunismus im Kalten Krieg, dann sind diese historischen Bezüge problematisch. Im Ursprung kann der so genannte Krieg gegen den Terror nach dem 11. September 2001 vielmehr mit der amerikanischen Reaktion auf den japanischen Angriff auf Pearl Harbor verglichen werden. Präsident Bush brach jedoch Mitte 2001 einen Konflikt vom Zaun, den man seit dem Irak-Krieg kaum mehr als Verteidigungsfall bezeichnen kann.
Abgesehen von den massiven Fehlern und menschlichen Opfern dieses Krieges fällt auch eine sachliche Kosten-Nutzen-Analyse derzeit negativ aus. In den Irak zogen die USA ohne internationale Billigung ein, ohne eine echte internationale Koalition, ohne regionale Zustimmung und gegen alle Regeln eines konstruktiven "Nation Building". Deshalb hat dieser von den USA angezettelte Krieg einen profunden negativen Effekt auf den "Krieg gegen den Terror": Er hat ihn ausgeweitet, vertieft, beschleunigt und die radikalen anti-westlichen Kräfte gestärkt, statt sie zu schwächen. Auch Bushs ambitionierte Demokratie-Strategie für den Nahen Osten wirkte letztlich kontraproduktiv.
Tiefe Spaltung des Westens
Seine Tragödie war, dass er die grundlegend richtige Idee entwickelte, um dem radikalen Islam den Nährboden zu entziehen: Nicht länger repressive Diktaturen im Nahen Osten zu stützen, weil diese eine ebenso repressive islamistische Opposition heranzüchten, sondern stattdessen auf Reformen und Öffnung zu setzen. Aber die US-Regierung hat dieses Problem falsch beantwortet. Sie wollte den Nahen Osten per Diktat, durch Fernbedienung und Bomben verändern. Hinzu kamen Arroganz, Inkompetenz und Mangel an Sensibilität. Deshalb werden die USA heute nicht als Freund und Partner gesehen. Vielmehr war Anti-Amerikanismus die Reaktion. Bushs Patriotismus war selbstgerecht: Nie hat er berücksichtigt, dass auch Menschen in anderen Ländern stolze Patrioten sein können.
Hinzu kommt, dass Präsident Bush im Zuge seiner Außenpolitik - nicht nur mit Blick auf den Irak – den Westen tief gespalten hat. Dieser Riss veranlasst kritische Beobachter, wie beispielsweise den französischen Politologen Dominique Moisi, zu der Feststellung, dass von nun an eine Unterscheidung zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Westen notwendig werde. Zwar werden noch fundamentale Werte geteilt. Aber die Unterschiede der Interessen zwischen den USA und Europa, der Machtverteilung, der Positionierung im internationalen System sowie der unterschiedlichen Erfahrungen in der Geschichte, der Gegenwart und divergierende Zukunftserwartungen wie vor allem auch gegensätzliche Einschätzungen bei Krisen und Herausforderungen machen zunehmend das zur Chimäre, was bislang als geschlossener Westen oder als atlantische Zivilisation umschrieben werden konnte.
Machtverlust der USA
Haben also die USA bereits ihren Führungsanspruch im westlichen Bündnis verspielt, seitdem sie unter Präsident Bush recht rigoros, auch mit zu wenig Rücksicht auf die Partner, ihre Interessen definieren und bisweilen mit neo-imperialer Attitüde durchzusetzen suchen? Die Außenpolitik der Regierung Bush hatte zwar auch positive Seiten, wie beispielsweise die kooperative Einbindung Russlands und Chinas in die Anti-Terror-Strategie. Doch die negativen Aspekte überwiegen deutlich. Vor diesem Entwicklungshintergrund verwundert es nicht, dass der europäische Westen sich von den USA abkehrt und als Europäische Union trotz aller innerer Unzulänglichkeiten und Gegensätze forciert um ein eigenständiges weltpolitisches Profil bemüht, das auch aufgrund historischer Erfahrung anti-imperial ausgerichtet ist. Daraus folgt, dass die Europäer die Herausforderung des Terrorismus nicht als Krieg verstehen, auch wenn sie den Einsatz von militärischen Mitteln berücksichtigen. Sie bevorzugen den polizeilichen Einsatz und setzen auf eine breite Vielfalt nicht-militärischer und möglichst präventiver Mittel.
In den Augen der Europäer war es vor allem der unsinnige Krieg gegen den Irak, der den transatlantischen Graben weiter vertiefte, aber auch neue Gegensätze zwischen dem "alten" und dem "neuen" Europa bewirkte. So verliert der transatlantisch zerrissene Westen auf Grund zusätzlicher innereuropäischer Spaltungstendenzen weiter an Gestaltungskraft. Dazu wird er durch neue Energieabhängigkeiten geschwächt, während Russland im Vollgefühl seiner neuen Rohstoffmächtigkeit und nach knapp zwei Jahrzehnten weltpolitischer Einbußen infolge des Zusammenbruchs des Sowjetimperiums und empfundener internationaler Demütigung jetzt vor neuem Patriotismus und Machtbewusstsein nur so strotzt. Dafür muss der Westen ein gewisses Verständnis entwickeln, will er mit Russland auf die Zukunft gerichtete Politik betreiben.
Massive Vertrauens- und Legitimationskrise
Der Krieg im Kaukasus hat jüngst gezeigt, dass die US-Regierung in der machtpolitischen Auseinandersetzung mit Russland erneut den Kürzeren gezogen hat .Statt eindrucksvoller Krisendiplomatie oder gar Staatskunst dominierte Ratlosigkeit, verhüllt in trotzig-verbaler Aggressivität gegenüber Russland, die allerdings auf ein neues Selbstbewusstsein und machtpolitische Raffinesse in Moskau stieß. Deshalb verschärfen sich die amerikanisch-russischen Beziehungen zur Zeit weiter, was nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch den Westen insgesamt weiter schwächt. Auch das selbstbewusste Auftreten weiterer autoritärer Regime wie Venezuela oder Iran, zudem reich an Rohstoffen, erfordert im Ringen um weltpolitische Selbstbehauptung der demokratischen Industrienationen alles andere als eine desorientierte Weltmacht USA und ein zerrissenes, dazu rohstoffabhängiges Europa. Da gibt es nur wenig Trost, wenn zwar weltweit abendländische Ideen wie Demokratie, Menschenrechte und freier Markt noch als erstrebenswert angesehen werden, aber dem Westen die politische Kraft abhanden gekommen ist, für diese kraftvoll und überzeugend einzustehen, seitdem die bisherige Führungsmacht USA ihr Ansehen, ihre zivilisatorische Ausstrahlung eingebüsst hat und in einer massiven Vertrauens- und Legitimationskrise steckt.
Nicht nur das Scheitern des Feldzugs nach Bagdad, sondern auch die Art der US-Kriegsführung, vor allem die Lager in Abu Ghraib und Guantanamo, haben die Welt gegen die USA aufgebracht. Die Menschen assoziieren seitdem mit den Vereinigten Staaten nicht mehr nur die Freiheitsstatue, sondern auch das Gefangenenlager von Guantanamo, erklärte jüngst der frühere Sicherheitsberater von Präsident Jimmy Carter, Zbigniew Brzezinski. Folter ist aber nicht nur menschenverachtend, sondern auch politisch unklug: Sie widerspricht nicht nur ureigenen amerikanischen Werten, sondern legt auch eine unheilvolle Saat für eine neue Generation fanatischer Islamisten, die auf Rache sinnt.
Auch ökonomische Führungsrolle gefährdet
Bis heute hat sich jedoch an den unrechtmäßigen Foltermethoden nichts geändert. Seit Eleanor Roosevelt, Ehefrau des früheren US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, für die Menschenrechte kämpfte, hatten die USA eine globale Führungsrolle in der Achtung der Menschenrechte und verstanden es als gottgewollte Pflicht, eine zivilisierte Welt zu schaffen. Im Kalten Krieg kämpften sie nach eigener Vorstellung als freie Vereinigte Staaten gegen das unfreie Sowjetimperium. Unter Führung von Präsident Bill Clinton wurden die USA zur ökonomischen Supermacht. Es war Amerikas neu erwachte Wirtschaftsmacht, die die Welt, vor allem die industriellen Demokratien, in der Triade USA-Europa-Asien dynamisierte.
Doch unter Präsident Bush hat sich auch die Lage der amerikanischen Wirtschaft drastisch verschlechtert: Die hohe Staatsverschuldung – nicht nur durch den Irak-Krieg verursacht –, die Immobilienskandale, die sinkenden Konjunkturerwartungen, die schwindende internationale Konkurrenzfähigkeit früherer Spitzenunternehmen, die zunehmende Schwäche des US-Dollar und vor allem eine von Bush begünstigte egoistische Wirtschaftsmentalität haben auch mentale Spuren hinterlassen. Unter Bush wurden die USA zunehmend zum Hort eines hedonistischen Weltmaterialismus. Die Konkurse amerikanischer Investmentbanken im September 2008 erschüttern nicht nur die USA, sondern erzeugen ein finanzpolitisches Beben, wie es die Welt seit dem Schwarzen Freitag 1929 nicht mehr erlebt hat. Die Wall Street liegt nicht nur real, sondern auch als Mythos amerikanischer Führung in Trümmern. Eine Neuordnung der globalen Finanzmärkte könnte auf Kosten der amerikanischen Vorherrschaft geschehen.