Der Kalte Krieg und das Wettrüsten
Das Zeitalter der Supermächte
Bernd Stöver
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Zwei Weltanschauungen und auf beiden Seiten bedrohliche Waffenarsenale. Der Kalten Krieg prägte die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich. Die Sowjetunion und die USA spalteten die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg in zwei sich feindlich gegenüberstehende Blöcke und lieferten sich über Jahrzehnte ein beispielloses Wettrüsten.
Der Begriff des Kalten Krieges, der sich rasch weltweit durchsetzte, stammt aus dem Jahr 1946 und war von Beginn an Ausdruck der Überzeugung, dass dies ein Konflikt sei, der sich nur darin von einem heißen Krieg unterscheide, dass noch nicht mit regulären Truppen aufeinander geschossen werde. Man kann sich wohl am ehesten darauf einigen, dass er in erster Linie eine Auseinandersetzung zwischen zwei unvereinbar erscheinenden Weltanschauungen mit jeweils konkurrierenden Gesellschaftsentwürfen war.
Er war ein Systemkonflikt zwischen dem kommunistischen Modell der staatssozialistischen "Volksdemokratie" auf der einen und dem westlichen Modell der liberalkapitalistischen, parlamentarischen Demokratie auf der anderen Seite. Prinzipiell beharrten beide Seiten auf universale Anwendung und globale Gültigkeit. Den Unterschied zum 1917 begonnenen Ost-West-Konflikt schuf die Atombombe. Ihr folgte etwas, was bisher gänzlich unbekannt war: Dieser "Nicht-Frieden" konnte binnen Stunden zu einem unbegrenzten atomaren Krieg werden und einen Großteil der Menschheit vernichten.
Blockbildung nach Zweitem Weltkrieg
Unbestrittene Führer der beiden Hauptlager waren die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, die USA und die Sowjetunion, die sich mit dem Erreichen ihres wichtigsten gemeinsamen Ziels entfremdeten, der Zerstörung des Nationalsozialismus. In der bipolaren Konfrontation der Führungsmächte Sowjetunion und USA ordnete sich ein Großteil der anderen Staaten den jeweiligen Blöcken zu. Die Ausnahme bildeten China sowie die Gruppe der "Blockfreien", die ohne (Vertrags-)Bindung an den Westen und den Osten größtmögliche politisch-wirtschaftliche Unabhängigkeit bewahren wollten.
Nachdem bereits mehrfach verfrüht das Ende des Kalten Krieges in Entspannungsphasen (1955, 1963, 1969, 1972) erklärt wurde, ist nach dem Untergang der Sowjetunion nun erkennbar, dass damit die "Schlacht der Ideen" zwischen Sowjetsystem und westlicher Demokratie, als die der Kalte Krieg 1947 offiziell erklärt wurde, beendet ist. Die Auflösung der Sowjetunion 1991 markiert das Ende der fast genau 45 Jahre dauernden Auseinandersetzung, die von Entspannungs- und Eskalationsphasen bestimmt wurde.
Kampf um Sieg und Niederlage
Rasch entwickelte sich der Kalte Krieg damals zu einem "totalen Konflikt", in dem mit Ausnahme der atomaren Waffen, die sich aufgrund ihres langfristigen Zerstörungspotentials als nicht einsetzbar erwiesen, alles Verfügbare zur Anwendung kam, um ihn zu gewinnen. Der Kalte Krieg war eine politisch-ideologische, ökonomische, technologisch-wissenschaftliche und kulturell-soziale Auseinandersetzung, die ihre Auswirkungen bis in den Alltag zeigte. Nur in der Dritten Welt wurde der Kalte Krieg schließlich auch als konventionelle militärische Auseinandersetzung geführt.
Die Nichtvereinbarkeit der beiden Lager führte zudem in den einzelnen Gesellschaften zu Polarisierungen. Annäherungen an die jeweils andere Seite oder Neutralität blieben bis zum Schluss verdächtig. Gerade darin wird deutlich, dass der Kalte Krieg eigentlich nur Kombattanten kannte – Teilnehmer auf dieser oder jener Seite. Anschauungsunterricht bot im Osten etwa die Behandlung von Dissidenten, im Westen zum Beispiel das Verhalten gegenüber der Friedensbewegung. In den USA wurde insbesondere die McCarthy-Ära zum Inbegriff der an Hysterie grenzenden Furcht vor kommunistischer Unterwanderung. Dass die Öffentlichkeit ebenso wie die wissenschaftliche Literatur im Anschluss an den Kollaps des sowjetischen Systems und seiner Satellitenstaaten die Frage nach dem Gewinner der Auseinandersetzung stellte, zeigt, dass selbst noch in der Retrospektive der Kalte Krieg als Kampf um Sieg oder Niederlage verstanden wurde.
Im Rückblick erscheint manches auf dem Weg zur damaligen Teilung der Welt wie vorgezeichnet. Doch gibt es keinen Beleg, dass irgendeine Seite dies von Anfang an planmäßig verfolgte. Deutlich erkennbar sind jedoch die einzelnen Stationen. Weltweit erwiesen sich vor allem zwei Krisen als die entscheidenden Beschleuniger der Blockbildung: Die erste Berlin-Krise (1948/1949) sowie der Krieg im geteilten Korea (1950-1953). Die Vertragsabschlüsse zur Blockbildung zogen sich allerdings noch bis 1955 hin.
Die große Zäsur des Kalten Krieges brachte das Jahr 1961. Damals wurde der sowjetische Machtbereich in Europa mit einer Mauer abgeriegelt. Parallel dazu verlagerte sich der Kalten Krieg deutlicher in die Dritte Welt. Dies ermöglichte insbesondere für Europa wiederum den langfristigen Eintritt in eine Phase der Entspannungspolitik. Sie reichte mit Einschränkungen bis zum Ende der 1970er Jahre und mündete wieder in einer Verschärfung des Kalten Krieges in den 1980er Jahren.
Stellvertreterkonflikte in der Dritten Welt
In der sogenannten Dritten Welt – der Begriff hatte zunächst eine durchaus positive Bedeutung – hatten die Konflikte der Blöcke bereits vorher begonnen und dauerten bis zum Ende des Kalten Krieges 1991 an. Hier fanden die militärischen Konfrontationen statt, allerdings unterhalb der nuklearen Schwelle. Dass alles getan wurde, um den Übergang zum Atomkrieg auch hier zu vermeiden, zeigte bereits der Koreakrieg zwischen 1950 und 1953. Als der oberkommandierende US-General Douglas MacArthur 1951 angesichts der zunächst erfolgreichen chinesischen Intervention den Einsatz von Nuklearwaffen forderte, wurde er vom damaligen US-Präsidenten Harry S. Truman prompt abgesetzt.
Die weit über einhundert heißen Kriege des Kalten Krieges in der Dritten Welt wurden in der Regel als Stellvertreterkonflikte geführt. Die größte militärische Intervention der USA fand in Vietnam zwischen 1965 und 1973, die umfangreichste Aktion der Sowjetunion in Afghanistan zwischen 1979 und 1989. Auch die beiden deutschen Staaten lieferten sich in der Dritten Welt mit Hilfe der Entwicklungspolitik eine eigene, zuweilen bizarre Auseinandersetzung im Kalten Krieg. Der Konflikt um die vor der US-Küste liegende Insel Kuba, die seit 1959 von den Revolutionären um Fidel Castro regiert wurde, der sich unter dem Druck der USA immer weiter dem Ostblock angenähert hatte und schließlich der Stationierung von sowjetischen Mittelstreckenraketen zugestimmt hatte, entwickelte sich im Oktober 1962 zur gefährlichsten Konfrontation des Kalten Krieges, in der nur mit Glück ein Atomkrieg verhindert wurde.
Unterzeichnung der SALT I-Verträge
Die nur haarscharf am Nuklearkrieg vorbeischrammende Kubakrise war gleichzeitig der Beginn einer intensiven Suche nach Deeskalationen. Entspannungspolitik war allerdings niemals nur Selbstzweck, sondern in der Regel der Versuch, einen Ausweg aus einer politischen oder wirtschaftlichen Zwangslage zu finden, ohne die eigene Sicherheit aufs Spiel zu setzen. Dass sie den Kalten Krieg nicht unterbrachen, lässt sich bereits aus der Tatsache ableiten, dass mit den Abrüstungserfolgen bei verschiedenen Waffensystemen Aufrüstungen bei anderen einhergingen.
Die großen Verhandlungen fanden um die Begrenzung der strategischen Rüstungen (SALT) statt. Die Gespräche um Begrenzungen von Langstreckenwaffen waren 1968 zum ersten Mal zwischen US-Präsident Lyndon B. Johnson und dem sowjetischen Ministerpräsidenten Alexei Nikolajewitsch Kossygin verabredet, dann aber durch die Niederschlagung des "Prager Frühlings" zunächst durchkreuzt worden. SALT I konnte schließlich am 26. Mai 1972 unterzeichnet und in den folgenden Jahren auch verlängert werden. Es ging dabei niemals um die Abschaffung der atomaren Bedrohung, sondern im Gegenteil um die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts, das man als friedenssichernd verstand. Gewinnbar sollte der Atomkrieg für keine Seite werden. Erst durch die Ankündigung der Strategischen Verteidigungsinitiative (SDI) am 13. März 1983 durch den damaligen US-Präsident Ronald Reagan wurde diese Abmachung in Frage gestellt. SALT II geriet allerdings bereits zuvor durch den Einmarsch der Sowjets in Afghanistan 1979 in politische Schieflage und konnte nicht mehr im US-Kongress ratifiziert werden.
Empfindlicher Rückschlag durch SS-20-Raketen
Der Abschluss von SALT I, vor allem aber die von der Bundesrepublik Deutschland mit der DDR, Polen, der UdSSR und der Tschechoslowakei ausgehandelten Ostverträge hatten 1972 auch den Weg zu einer Serie von Treffen über europäische Sicherheitsfragen geöffnet. Die erste Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die noch auf den Vorschlag des Ostblocks aus dem Jahr 1967 zurückging, begann am 22. November 1972 und endete am 1. August 1975 mit der sogenannten Schlussakte von Helsinki.
Nach der ersten KSZE-Folgekonferenz 1977 wurden die Menschenrechte zu einem wirksamen Hebel der amerikanischen Politik, da die UdSSR sehr sensibel auf die Veröffentlichung von Menschenrechtsverletzungen reagierte. Für US-Präsident Jimmy Carter stand die Entspannungspolitik in der Verknüpfung mit der Menschenrechtsfrage im Mittelpunkt seiner Politik. Umso schwerwiegender war der Rückschlag, als nach westlicher Interpretation die Entspannungspolitik 1977 mit der Stationierung von sowjetischen Mittelstreckenraketen vom Typ SS-20 in Mitteleuropa in Frage gestellt wurde. Im Kreml wiederum betrachtete man die Einführung der SS-20 als legitime Modernisierung, aber auch als Gegengewicht gegen überlegene westliche Flugzeugtypen.
Ende der Entspannung durch Einmarsch in Afghanistan
Zur Zäsur wurde die so genannte Nachrüstungsdebatte und am 12. Dezember 1979 der NATO-Doppelbeschluss, nach dem die Nachrüstung durch Pershing-II-Raketen 1983 beginnen sollte, wenn es keine Verhandlungen zu den Mittelstreckenwaffen gäbe. Als kurz danach die Sowjetunion in Afghanistan einmarschierte, war dies gleichbedeutend mit dem einstweiligen Ende der Entspannung. Der Kalte Krieg ging in eine neue, diesmal wieder offensive Runde.
Warum die UdSSR überhaupt das Risiko einging, eine Intervention zu beginnen, kann nur im Zusammenhang mit den sowjetischen Einkreisungsängsten und Sorgen vor innenpolitischer Destabilisierung erklärt werden. Viel war in den Begründungen von amerikanischer Infiltration die Rede, aber auch von den Sorgen vor dem Eindringen des Islamismus in die Sowjetunion. Man konnte den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan allerdings auch als Ausdruck amerikanischer Schwäche interpretieren. Trotz fünfmaliger Warnung aus den USA hatten die Sowjets ihre Militäraktion gestartet.
Ende des Kalten Krieges durch Untergang der Sowjetunion
Die USA reagierten in zweifacher Weise auf den Einmarsch in Afghanistan. Die offiziellen Proteste gipfelten 1980 im Boykott der Olympischen Spiele in Moskau durch den Westen. Die inoffizielle US-Reaktion bestand in einer geheimen, kontinuierlichen Unterstützung der antikommunistischen Widerstandsgruppen, die unter Reagan erhebliche Ausmaße annahm. Nicht nur in Afghanistan, sondern auch in anderen Ländern der Dritten Welt setzten die USA in seiner Amtszeit zur erfolgreichen Offensive an.
Ob die Offensive der USA und des Westens zum Untergang der Sowjetunion und zum Ende des Kalten Krieg führte, ob die UdSSR möglicherweise "totgerüstet" wurde, ist nach wie vor zu Recht heftig umstritten. Andere Erklärungen beziehen mehr die inneren Probleme der Sowjetunion ein. Man kann noch eine dritte Erklärung anbieten, die beide Auffassungen verknüpft, aber die Bedeutung einer zahmeren Version der Befreiungsidee stärker heraushebt, die John F. Kennedys "Strategy of Peace" oder Egon Bahrs "Wandel durch Annäherung" letztendlich waren.
Beide Ideen beruhten auf der Magnettheorie. Bahr hatte 1963 ausdrücklich die gezielte Erzeugung von Konsumwünschen im sowjetischen Machtbereich als Hebel zur Wiedervereinigung und letztendlich auch zur Auflösung des Ostblocks bezeichnet. Er sollte die Entwicklung kontrollierbar machen und weitere blutige Aufstände verhindern. Gezielte Informations- und Handelspolitik waren der Kern dieser Strategie. Man kann nicht bestreiten, dass sich dies zumindest für Europa als erfolgreich erwies.
Die Verknüpfung aller drei Thesen trifft wahrscheinlich am ehesten die historische Wahrheit: Die Sowjetunion stand in den 1980er Jahren innen- wie außenpolitisch vor enormen Herausforderungen. Gleichzeitig schien auf die bisherige Weise keine tragfähige Lösung mehr möglich. Zu den Verstärkern der Krise gehörten neben dem vom Westen angekündigten, immens teuren SDI-Programm, das die über die Jahre angehäuften und modernisierten Nuklearwaffen auf einen Schlag nutzlos gemacht hätte, insbesondere die intensiver geäußerten Konsumansprüche der Bevölkerung im gesamten sowjetischen Machtbereich. Sie waren durch die elektronischen Medien des Westens erheblich forciert wurden. Mit ihnen verband sich schließlich die Forderung nach mehr persönlicher Freiheit und politischer Selbstbestimmung.
Die Gemengelage der Krise und die Notwendigkeit komplexer Erklärungen für das Ende des Kalten Krieges hat auch der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger ausdrücklich betont. Sicher ist aber auch, dass der risikobehaftete Weg der Reformen von der Sowjetunion nicht zwangsläufig hätte beschritten werden müssen. Dass er nicht beendet wurde, ist dem letzten sowjetischen Generalsekretär und Staatoberhaupt der UdSSR, Michail Gorbatschow, zu verdanken. Ihm kommt damit wohl am ehesten der Verdienst zu, den das letzte Jahrhundert maßgeblich prägenden Kalten Krieg endgültig beendet zu haben.
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