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Paul Steiner - Ein 25-Jähriger beobachtet den Anschluss Österreichs | Schicksalsjahr 1938 | bpb.de

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Paul Steiner - Ein 25-Jähriger beobachtet den Anschluss Österreichs "Nun, was heute geschehen ist, kommt einem Tode gleich."

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Legitimation der Universität Wien für Paul Steiner, ausgestellt am 14. November 1936 (gestempelt 16. November 1936). (Leo Baeck Institute New York | Berlin - Externer Link: Marianne Steiner Collection AR 10443) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Paul Steiners Tagebuch

(Leo Baeck Institute New York | Berlin - Externer Link: Paul Steiner Collection AR 25208) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/ (Leo Baeck Institute New York | Berlin - Externer Link: Paul Steiner Collection AR 25208) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/ (Leo Baeck Institute New York | Berlin - Externer Link: Paul Steiner Collection AR 25208) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/ (Leo Baeck Institute New York | Berlin - Externer Link: Paul Steiner Collection AR 25208) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/ (Leo Baeck Institute New York | Berlin - Externer Link: Paul Steiner Collection AR 25208) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Paul Steiner

Paul Steiner wird 1913 in Wien geboren. Bereits mit 13 Jahren beginnt er Tagebuch zu schreiben und strebt als junger Mann danach, Schriftsteller und Philosoph zu werden, worin ihn wohl auch die Bekanntschaft mit dem berühmten österreichischen Philosophen und Journalisten Egon Friedell bestärkt (1878-1938). Dennoch entscheidet er sich, nach Erlangen der Matura im Jahre 1936, einen anderen Weg einzuschlagen und stattdessen Jura zu studieren. Im Januar 1938 schließt er sein Studium ab, während er sein dichterisches Schreiben nebenher fortführt. Zudem hat er als Jurastudent für das Verlagshaus Moderne Welt in Wien gearbeitet, um seine Mutter und sich finanziell zu unterstützen.

Auf Grund der zunehmenden Gefahr für Juden in Österreich, ist Paul Steiner bestrebt auszuwandern. Im November 1938 gelingt es ihm, ein Visum für die USA zu erhalten. Vor seiner Ausreise besucht er im Januar 1939 seine Mutter in Brüssel und nach einem kurzen Aufenthalt in London immigriert er im März 1939 über New York City nach Akron, Ohio. Kaum angekommen, bemüht er sich um Visa für seine Mutter in Belgien und seinen Bruder Franz, der in Frankreich bereits im Lager interniert worden ist. Im Dezember 1941 erhält er ein amerikanisches Visum für seinen Bruder Franz. Jedoch kann er seine Mutter nicht retten. Vor ihrer Deportation in ein Konzentrationslager begeht sie Selbstmord.

Online-Kalender "1938Projekt"

Online-Kalender 1938 - Posts from the Past

Das Externer Link: Leo Baeck Institut New York | Berlin zeigt in einem Externer Link: Online-Kalender anhand authentischer Dokumente das breite Spektrum an Reaktionen und Emotionen, das deutschsprachige jüdische Einzelpersonen und Familien durchlebten. Zusätzlich werden bedeutsame Weltereignisse beschrieben und betten die individuellen Geschichten in ihren historischen Kontext ein. So lässt sich 80 Jahre nach den Ereignissen von 1938 das Wechselbad der Gefühle aus Schrecken und Überrumpelung begreifen, das die Betroffenen unter dem NS-Regime erlebten.

Im Juli 1941 zieht Paul Steiner nach New York, wo er ein Zimmer bei Marianne Esbergs Familie mietet. Marianne Esberg teilt sein Interesse an Kunst, Kultur und Musik. Am 14. Februar 1942 heiraten beide und im Mai des darauffolgenden Jahres wird ihr Sohn Thomas geboren. 1945 erhält Paul Steiner die amerikanische Staatsbürgerschaft. Später wird er Leiter der Chanticleer Press, der amerikanischen Niederlassung des britischen Verlagshauses Adprint. Als Adprint 1952 diese Niederlassung veräußern will, kauft er sie und verwandelt Chanticleer Press in ein international erfolgreiches Unternehmen, das sich auf Sachbücher spezialisiert. Paul Steiners Betrieb wird für seine modernen Vierfarbdrucke bekannt, die er oftmals für andere Verlage und Museen weltweit produziert. Neben einer breiten Vielfalt an Lehrbüchern erweitert Paul Steiner das Portfolio, um reich illustrierte hochwertige Bildbände. Paul Steiner stirbt 1996 in New York. In seinem Nachruf würdigt die New York Times sein Lebenswerk mit den Worten, dass er geholfen habe, das amerikanische Verlagswesen umzugestalten und den Bildband zu einer festen Größe im Printgewerbe gemacht hat.

Der "Anschluss" Österreichs

Die von den Nationalsozialisten gewünschte Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich hat sich lange abgezeichnet. Im Berchtesgadener Abkommen am 12. Februar 1938 hat Adolf Hitler vom österreichischen Bundeskanzler Kurt Schuschnigg bereits eine Beteiligung der österreichischen Nationalsozialisten an der Regierung und die Ernennung Arthur Seyß-Inquarts zum Innen- und Sicherheitsminister gefordert, wodurch dieser die Polizeigewalt in Österreich erhalten würde. Kurt Schuschnigg kann zwar eine "Gnadenfrist" aushandeln, doch nach drei Tagen gibt er dem Druck nach und unterschreibt. Trotzdem spricht sich Kurt Schuschnigg in seiner mit dem Ausspruch "Rot-Weiß-Rot bis in den Tod" bekanntgewordenen Rede am 24. Februar 1938 vehement für die Unabhängigkeit Österreichs aus. Als er am 9. März 1938 eine Volksabstimmung für den darauffolgenden Sonntag anberaumt, bieten die zahlreichen im Vorfeld benannten Einschränkungen und Verfahrensfehler bei der Wahlvorbereitung seinen Gegnern den lang erwarteten Anlass einzuschreiten. Arthur Seyß-Inquart erklärt die geplante Abstimmung für verfassungswidrig. Von deutscher Seite wird unverzüglich die Absage der Volksabstimmung und der Rücktritt von Kurt Schuschnigg zugunsten von Arthur Seyß-Inquart verlangt, während Adolf Hitler die Mobilisierung der Truppen befiehlt. Am 11. März 1938 tritt Kurt Schuschnigg mit einer Ansprache im Radio öffentlich zurück. Zu dem Zeitpunkt werden bereits die ersten Hakenkreuzflaggen von österreichischen Nationalsozialisten an öffentlichen Gebäuden gehisst. In der Nacht zum 12. März 1938 marschieren deutsche Truppen in Österreich ein. Wie von Kurt Schuschnigg bei seinem Rücktritt gewünscht, erfolgt von Seiten des österreichischen Heeres keine Gegenwehr. Auch seitens der Bevölkerung trifft die deutsche Wehrmacht nicht auf Widerstand. Vielmehr berichten Zeitzeugen davon, dass die Soldaten größtenteils freudig und mit Jubel begrüßt werden. Am darauffolgenden Tag kommt Adolf Hitler nach Österreich, wo er zusammen mit nun zum Bundeskanzler ernannten Arthur Seyß-Inquart in Linz das "Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich" (RGBl. I 1938, S. 237) vereinbart, das noch am gleichen Tag beschlossen wird. Der Bundespräsident Wilhelm Miklas weigert sich das Gesetz zu beurkunden und tritt zurück, dadurch gehen seine Funktionen stattdessen auf Arthur Seyß-Inquart über. Mit seiner Unterschrift wird das Gesetz rechtskräftig und der "Anschluss" Österreichs vollzogen. Die letzte Reichstagwahl am 10. April 1938 wird auch zu einer Volksabstimmung hinsichtlich der Unabhängigkeit Österreichs. In dieser Abstimmung votieren 99,73 Prozent der Österreicher und 99,01 Prozent der Deutschen für eine Nazi-Einheitsliste und den "Anschluss".

Fussnoten

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