Das Archiv „Zwangsarbeit 1939-1945. Erinnerung und Geschichte“ bietet eine Sammlung von Zeitzeugen-Erinnerungen, die im Rahmen des Projektes "Dokumentation lebensgeschichtlicher Interviews mit ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern" entstand. Mit Hilfe der Oral History vermitteln die Audio- und Video-Interviews die Geschichte der Zwangsarbeit und die Erinnerung an sie.
Das digitale Interview-Archiv „Zwangsarbeit 1939-1945. Erinnerungen und Geschichte“ bewahrt die Erinnerung an die über zwanzig Millionen Menschen, die für das nationalsozialistische Deutschland Zwangsarbeit geleistet haben. Knapp 600 ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus 26 Ländern erzählen ihre Lebensgeschichte in Audio- und Video-Interviews.
Die Sammlung von Zeitzeugen-Erinnerungen entstand 2005 bis 2006 im Rahmen des Projekts „Dokumentation lebensgeschichtlicher Interviews mit ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern“. Das Archiv umfasst 32 Teilsammlungen, die unter Regie der Fernuniversität Hagen von Interview-Teams erarbeitet wurden. Die Koordination und methodische Anleitung des von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ finanzierten Kooperations-Projekts lag beim Institut für Geschichte und Biographie der Fern-Universität Hagen (PD Dr. Alexander von Plato, Dr. Almut Leh, Dr. Christoph Thonfeld).
Ende 2007 begann die Aufbereitung der Sammlung an der Freien Universität Berlin und am Deutschen Historischen Museum. Im Januar 2009 wurde das Online-Archiv präsentiert, das seit 2014 auch in einer russischen und englischen Version zur Verfügung steht. Ausgewählte Interview-Ausschnitte werden im Deutschen Historischen Museum und in weiteren Ausstellungen und Museen gezeigt. Die weitere wissenschaftliche Erschließung, didaktische Aufbereitung und öffentliche Verbreitung ist noch im Gang. Digitale Bildungsmaterialien machen die Interviews in Schulen und Gedenkstätten zugänglich. Eine Online-Lernumgebung steht auf Deutsch, Tschechisch und (ab 2017) Russisch zur Verfügung.
Im Online-Archiv können Sie die vollständig transkribierten und ins Deutsche übersetzten Interviews per Volltext durchsuchen und anhören bzw. ansehen. Die Webumgebung zeigt mitlaufende Untertitel in der Originalsprache und auf Deutsch. Dazu gibt es Kurzbiografien, Inhaltsverzeichnisse, Fotos und weitere Begleitmaterialien. Durch Kategorien wie Verfolgungsgruppe, Einsatzbereich oder Sprache können die Interviews gefiltert werden. Über eine Karte lassen sich biografische Stationen der Interviewten recherchieren. Für die Nutzung des Archivs müssen sich Nutzerinnen und Nutzer aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes anmelden und die Nutzungsbedingungen anerkennen.
Die Interviews vermitteln die Geschichte der Zwangsarbeit und die Erinnerung an die Zwangsarbeit mit Hilfe der Oral History. Der englische Begriff „Oral History“ („mündlich überlieferte Geschichte“) bezeichnet eine Methode, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu befragen, diese Interviews aufzuzeichnen und wissenschaftlich auszuwerten.
Interview: Das Projekt „Dokumentation lebensgeschichtlicher Interviews mit ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern“
Prof. Dr. Alexander von Plato (FU Berlin, CeDiS)
Prof. Dr. Alexander von Plato im Interview, (FU Berlin, CeDiS) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Prof. Dr. Alexander von Plato im Interview, (FU Berlin, CeDiS) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Prof. Dr. Alexander von Plato ist Historiker und langjähriger Leiter des Instituts für Geschichte und Biographie der Fernuniversität Hagen. Er war einer der Koordinatoren des Projekts "Dokumentation lebensgeschichtlicher Interviews mit ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern". Im Interview spricht er über die Entstehungsgeschichte des Projekts, die Herausforderungen bei der Umsetzung und die Bedeutung der geführten Interviews für Wissenschaft und Bildung. Was musste geschehen, damit eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik Zwangsarbeit möglich wurde? Wer wurde interviewt? Interner Link: Weiter...
Die mündliche Weitergabe von Erzählungen ist die älteste Form der geschichtlichen Überlieferung. Allerdings beruhen die Berichte in Interviews auf einem oft jahrzehntelangen Verarbeitungsprozess, der von der individuellen Biografie, von gesellschaftlichen Erinnerungskulturen und von der konkreten Interview-Situation beeinflusst wird. Daher sind mündliche Erinnerungen manchmal weniger verlässlich als schriftliche Dokumente.
Für die Alltags- und die Erinnerungsgeschichte sind Zeitzeugen-Berichte aber eine unverzichtbare Quelle. Auch über die nationalsozialistischen Lager wüssten wir ohne die Aussagen von Überlebenden nur wenig. Als wissenschaftliche Methode wurde die Oral History zunächst in den USA entwickelt. In den 1970er und 1980er Jahren verbreitete sie sich in Deutschland in der Bewegung der Geschichtswerkstätten, die unter dem Motto „Grabe, wo Du stehst“ die Lokalgeschichte und die „Geschichte von unten“ erforschten.
Interviewtechnik und der Interpretationsmethoden der Oral History wurden seit Mitte der 1980er Jahren verfeinert und auch auf Video-Interviews angewendet. In lebensgeschichtlichen Interviews sollen die Interviewten möglichst frei erzählen und selbst die Schwerpunkte ihrer Lebensgeschichte setzen. Bei der Analyse muss bewusst sein, dass diese Erzählung – wie jede Geschichte – immer eine deutende Konstruktion von Vergangenheit ist.
Hintergrundfilm Externer Link: Oral History mit Zusatzmaterialien in der Online-Anwendung "Lernen mit Interviews: Zwangsarbeit 1939-1945" (Registrierung notwendig)
Plato, Alexander von / Leh, Almut / Thonfeld, Christoph (Hrsg.), Hitlers Sklaven. Lebensgeschichtliche Analysen zur Zwangsarbeit im internationalen Vergleich, Wien 2008
Cord Pagenstecher, Doris Tausendfreund: Das Online-Archiv ‚Zwangsarbeit 1939-1945‘, in: Erinnern an Zwangsarbeit. Zeitzeugen-Interviews in der digitalen Welt, Berlin: Metropol 2013, S. 71-96
Historiker, geb. 1965, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin, Bereich Interview-Archive, Online-Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945".
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