Einleitung
Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) war als kleiner Splitter der völkisch-rechtsradikalen Protestbewegung nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in München entstanden. Als Stoßtrupp einer "nationalen Revolution" wollte ihr Führer Adolf Hitler 1923 an der Spitze der NSDAP von München aus die demokratische Reichsregierung in Berlin beseitigen. Nach dem Scheitern des Putsches versank die Hitlerbewegung für einige Jahre in Bedeutungslosigkeit. Die Jahre 1924 bis 1928 benutzte Hitler, der in seiner kurzen Haft in Landsberg sein programmatisches Bekenntnisbuch "Mein Kampf" schrieb, zum Wiederaufbau der Parteiorganisation und zur Erprobung der Propagandatechnik und Massenregie.
Die Parlamentswahlen wurden von der NSDAP nur zu propagandistischen Zwecken und als Erfolgsbarometer benützt. Noch 1928 brachten die Reichstagswahlen der Partei nur 2,6 Prozent der Stimmen und 12 Mandate. Der Aufstieg von der radikalen politischen Sekte zur Massenpartei gelang erst nach dem Bruch der Großen Koalition von SPD, DDP, Zentrum und DVP unter Reichskanzler Hermann Müller im Frühjahr 1930. Mit dem Ende dieses Kabinetts war die Weimarer Republik kein parlamentarisch regierter Staat mehr. Die konservativen Regierungen unter Brüning, Papen und Schleicher stützten sich nur noch auf die Autorität des Reichspräsidenten Hindenburg. Die weltweite Wirtschaftskrise und das krasse Ansteigen der Arbeitslosigkeit bildeten den Hintergrund weiterer Radikalisierung des öffentlichen Lebens: In den Reichstagswahlen und im September 1930 errang die NSDAP mehr als 18 Prozent der Stimmen und war mit 107 Mandaten zweitstärkste Partei geworden. Im Juli 1932 verbesserte sie sich sogar auf 37,3 Prozent und 230 Mandate. Sie war damit stärkste Partei, aber ihre größte Zustimmung bei freien Wahlen hatte sie damit erreicht. Als im November 1932 abermals gewählt wurde, bekam die NSDAP noch 33,1 Prozent und 196 Mandate. Sie blieb aber die stärkste Fraktion im Reichstag.
Viele Wähler und Mitglieder der demokratischen bürgerlichen Parteien waren sich der durch den Nationalsozialismus drohenden Gefahr nicht bewußt. Sie sahen ihn lediglich als radikale Randerscheinung einer Krisenzeit. Im übersteigerten Nationalbewußtsein, in der Überzeugung, daß Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg Unrecht geschehen sei, in der Hoffnung auf die Überwindung des Versailler Friedensvertrages und in der Abneigung gegen das neue und ungewohnte parlamentarisch-demokratische System der 1918/19 errichteten Republik waren sich viele konservative Bürger mit den antidemokratischen Extremisten einig. Während Nationalkonservative auf ein Zweckbündnis mit der NSDAP hofften, das sie nach der gemeinsamen Schaffung eines autoritären Staates wieder auflösen könnten, betrachteten die Nationalsozialisten ihre bürgerlich-deutschnationalen Partner nur als Gehilfen bei der Erringung der absoluten Macht im Staat, den sie dann ganz allein nach ihren Vorstellungen umgestalten wollten.
Eine verhängnisvolle und folgenschwere Vorleistung konservativer Gruppierungen zugunsten der Nationalsozialisten war die Entmachtung der preußischen Regierung am 20. Juli 1932 durch den Reichskanzler Franz von Papen, der damit zum "Steigbügelhalter" Hitlers wurde. In einer widerrechtlichen Aktion ("Papenstreich") erklärte Papen die sozialdemokratisch geführte preußische Regierung unter Ministerpräsident Otto Braun, die mit dem Innenminister Severing als Bollwerk der Demokratie und des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus gegolten hatte, für abgesetzt. Der Reichskanzler übernahm selbst als Staatskommissar die Regierungsgeschäfte Preußens und ebnete so im größten deutschen Land den Weg zur Machtübernahme der Nationalsozialisten.
Frühe Warnungen
Einige Schriftsteller, Künstler, Intellektuelle und Wissenschaftler warnten frühzeitig vor dem Nationalsozialismus, aber ohne Erfolg. "Daß der Nazi dir einen Totenkranz flicht: Deutschland, siehst du das nicht?" fragte Kurt Tucholsky 1930 in seinem Gedicht "Deutschland, erwache". Zwei Jahre später schrieb er für die berühmte, aber damals nur von einem kleinen Kreis Intellektueller gelesene Zeitschrift "Die Weltbühne" die Satire "Hitler und Goethe", in der ein Schulaufsatz als Form diente, um rechtsradikale Einfalt und Großmäuligkeit vorzuführen. Der Vergleich ging zu Ungunsten Goethes aus ("Hitler dagegen ist Gegner der materialistischen Weltordnung und wird diese bei seiner Machtübergreifung abschaffen sowie auch den verlorenen Krieg, die Arbeitslosigkeit und das schlechte Wetter").
Carl von Ossietzky, der Herausgeber der Zeitschrift "Weltbühne", schrieb Ende 1931, als Hitler an der Schwelle zur Macht schien, ein vernichtendes Urteil über den Nationalsozialismus: "Die gleiche Not, die alle schwächt, ist Hitlers Stärke. Der Nationalsozialismus bringt wenigstens die letzte Hoffnung von Verhungernden: den Kannibalismus. Man kann sich schließlich noch gegenseitig fressen. Das ist die fürchterliche Anziehungskraft dieser Heilslehre. Sie entspricht nicht nur den wachsenden barbarischen Instinkten einer Verelendungszeit, sie entspricht vor allem der Geistessturheit und politischen Ahnungslosigkeit jener versackenden Kleinbürgerklasse, die hinter Hitler marschiert."
Wegen ihres künstlerischen Rangs sind die antifaschistischen Grafiken und Bilder von George Grosz legendär geworden, nicht minder die Fotomontagen von John Heartfield. Beide gehörten der KPD an und verstanden sich als Klassenkämpfer und Streiter gegen Reaktion und Faschismus in der Weimarer Republik. John Heartfields Ausdrucksmittel waren das politische Plakat und die Arbeiter-Illustrierten-Zeitung. Zusammen mit Grosz arbeitete Heartfield auch für den Malik-Verlag seines Bruders Wieland Herzfelde, dem bedeutendsten literarischen und künstlerischen Forum der revolutionären Linken bis 1933.
Der Schriftsteller Lion Feuchtwanger hat in seinem 1930 erschienenen Zeitroman "Erfolg - Drei Jahre Geschichte einer Provinz" ein scharfes Bild der damaligen politischen Landschaft Bayerns gezeichnet, in dem Hitler als "Rupert Kutzner", als Führer der "Wahrhaft Deutschen" nicht weniger lächerlich als gefährlich geschildert ist. Der Aufstieg Hitlers, der Putschversuch von 1923, Begeisterung und Zustimmung seiner Anhänger erscheinen als bemitleidenswertes wie verabscheuungswürdiges Gemisch aus nationalistischer Aufwallung, Desorientierung, Sehnsucht nach heiler Welt. Kutzner wird geschildert als ein Schmierenkomödiant, dessen Gesten einstudiert sind, ein feiger Maulheld, getrieben von Ehrgeiz und Sendungsbewußtsein: "Reden war der Sinn seiner Existenz".
Mit rechtsradikalen Mördern beschäftigte sich seit Beginn der Weimarer Republik der Wissenschaftler Emil Julius Gumbel, seit 1923 Privatdozent für Statistik an der Universität Heidelberg, bekannt als Anhänger der Friedensbewegung und streitbarer Redner. Als Mitglied der "Deutschen Liga für Menschenrechte", als entschiedener Verteidiger der Republik und Verfechter der Aussöhnung mit Frankreich schrieb er über die Umtriebe der Rechtsextremisten, über den Terror der Hitleranhänger und immer wieder über die Zahl der "Fememorde", die feigen Morde aus dem Hinterhalt gegen politisch Andersdenkende. 1931 stellte er, im Auftrag der "Liga für Menschenrechte", eine Schrift zusammen "Laßt Köpfe rollen - Faschistische Morde 1924-1931". Der Titel war ein Zitat aus der NS-Propaganda. Auf 23 Seiten waren 63 Morde, die Nationalsozialisten bis 1931 verübt hatten, aufgelistet und beschrieben. Gumbels Schlußfolgerung lautete: "Diese Zahlen verlaufen ungefähr parallel dem Anwachsen der nationalsozialistischen Bewegung, von 1924 bis 1929 sehr langsam, dann sprunghaft rasch. In diesen Bluttaten offenbart der Faschismus sein wahres Gesicht. Er zeigt dem deutschen Volk die Methoden, deren er sich bedienen wird, wenn er zur Macht kommen sollte."
Noch schlimmer als Gumbel, dem 1932 die Lehrbefugnis entzogen wurde, erging es dem Philosophen Theodor Lessing, der bereits 1926 wegen Kritik an Reichspräsident Hindenburg als exponierter Linker, Pazifist und Kämpfer gegen Rechtsradikalismus seine außerordentliche Professur an der Technischen Hochschule Hannover verloren hatte. Lessing floh im Frühjahr 1933 ins Exil nach Prag, wo er Ende August von Nationalsozialisten ermordet wurde. Anhänger der Friedensbewegung wurden von den Nationalsozialisten von vornherein als Gegner klassifiziert, sie fanden sich daher zahlreich auf den Ausbürgerungslisten des zur Macht gekommenen nationalsozialistischen Regimes.
Kritik am Antisemitismus
Heftige Kritik an der nationalsozialistischen Ideologie und ihrer Vorkämpfer gab es in vielfacher Form auch von bürgerlich-linksliberaler Seite. Der prominenteste Vertreter war wohl der spätere Bundespräsident Theodor Heuss, der wie sein Parteifreund Reinhold Maier (1957-1960 Vorsitzender der FDP) nach der "Machtergreifung" und der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz im März 1933 in der "inneren Emigration" verharrte. Gegen den Antisemitismus der NSDAP hatte Heuss ganz früh Partei ergriffen. Anfang 1932 erschien sein Buch "Hitlers Weg. Eine historisch-politische Studie über den Nationalsozialismus". Es war die erste von acht Auflagen. Übersetzt wurde das Buch in mehrere Sprachen. Heuss wollte einen bewußt distanziert-kühlen Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus leisten. Er wollte lieber argumentativ als polemisch die historischen und psychologischen Voraussetzungen der Hitler-Bewegung diskutieren. Es fehlte dem liberalen politischen Schriftsteller Heuss die Phantasie sich vorzustellen, mit welcher Brutalität und Mordlust das NSDAP-Programm dann ab 1933 in die Wirklichkeit umgesetzt wurde. Immerhin finden sich in seiner Schrift folgende Sätze: "Die Zerstörung jüdischer Friedhöfe muß eine Gemeinschaft tief treffen, in der, im Widerspruch zu allem Geschwätz von der individualistischen Auflösungskraft des Jüdischen, die Familie lebensvolle Bindung auch in die Vergangenheit bedeutet, sie beschmutzt uns alle. Wir tragen einen Fleck an uns herum, seit in Deutschland solches, feig und ehrfurchtslos, möglich wurde."
Über einen anderen Gegner, den Schriftsteller Konrad Heiden, ärgerten sich die Nationalsozialisten noch mehr als über Heuss. Heiden veröffentlichte 1932 ein Buch "Geschichte des Nationalsozialismus, die Karriere einer Idee", die als gut recherchierte Kampfschrift Wirkung hatte. Der Autor, ehemals Korrespondent und Redakteur der Frankfurter Zeitung und Mitarbeiter der Vossischen Zeitung, emigrierte im April 1933. Vom Saarland aus setzte er den Widerstand gegen den Nationalsozialismus fort, mit dem Buch "Geburt des Dritten Reiches" (1934) und den unter dem Pseudonym Klaus Bredow publizierten Schriften "Hitler rast" (1934) und "Sind die Nazis Sozialisten?" (1934). Heiden war auch der Verfasser der ersten großen und kritischen Biographie Hitlers, die 1936/37 in zwei Bänden in Zürich erschien (zugleich mit englischen, amerikanischen und französischen Ausgaben), geschrieben aus dem Geist des Widerstandes.
Ebenfalls im Krisenjahr 1932 veröffentlichte Ernst Niekisch eine Warnung "Hitler - ein deutsches Verhängnis". Er war geistiger Mittelpunkt einer elitären Oppositionsbewegung mit nationalkonservativen und nationalbolschewistischen Elementen. 1939 wurde er, nachdem seine Zeitschrift "Widerstand - Blätter für nationalrevolutionäre Politik" schon 1934 verboten war, wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt. Als Widerstandskämpfer wurde er u. a. angeklagt, weil er das Manuskript "Das Reich der niederen Dämonen" - eine vernichtende Kritik des "Dritten Reiches" - verfaßt hatte, das im Ausland erscheinen sollte. Im "Völkischen Beobachter", der wichtigsten Zeitung der NSDAP, war 1938 über den Niekisch-Prozeß zu lesen: "Schon lange vor 1933 trat er in Gegensatz zum Nationalsozialismus und bekämpfte auch nach der Machtübernahme bis zu seiner Festnahme die politischen und wirtschaftlichen Ziele des nationalsozialistischen Staates in hetzerischer Weise, wobei er die führenden Persönlichkeiten des Dritten Reiches in übelster Form beschimpfte." Die Rote Armee befreite Niekisch 1945 aus dem Zuchthaus Brandenburg.
Warnungen vor dem Krieg
Die NSDAP stieß auch auf Widerstand von konservativer Seite. Unter den Gegnern des Nationalsozialismus war der Münchner Publizist Fritz Michael Gerlich einer der profiliertesten. Im Ersten Weltkrieg gehörte er der extrem nationalistischen Gruppierung der Alldeutschen an, danach tat er sich als Streiter gegen Marxismus und Kommunismus hervor. Nach 1923 widmete sich der einflußreiche Journalist dem Kampf gegen Hitler und seine Anhänger. Mit Unterstützung katholischer Kreise gab er seit 1930 die Zeitschrift "Der Gerade Weg" heraus, die, gestützt auf einen eigenen Nachrichtendienst, Interna der NS-Bewegung veröffentlichte in der Absicht, deren kriminellen Charakter zu enthüllen. Gerlich wurde im März 1933 von der SA festgenommen, vielfach mißhandelt und schließlich ein Opfer der Mordaktion des 30. Juni 1934. Bereits im Juli 1932 umschrieb er die Ziele Hitlers mit dem Satz: "Nationalsozialismus [...] bedeutet: Feindschaft mit den benachbarten Nationen, Gewaltherrschaft im Innern, Bürgerkrieg, Völkerkrieg. Nationalsozialismus heißt: Lüge, Haß, Brudermord und grenzenlose Not!"
Außerhalb parteipolitischer Bindungen beschwor der Schriftsteller und Bühnenautor Erich Mühsam die Arbeiterparteien SPD und KPD zum gemeinsamen Kampf gegen Hitler. In seiner Zeitschrift "Fanal", die er 1926 als Forum des Kampfes gegen Politik und Justiz einer nach rechts driftenden Republik gegründet hatte, plädierte er für eine Einheitsfront aller antifaschistischen Kräfte: "Die einzige Kraft, die imstande wäre, Hitlers Machtergreifung zu verhindern, ist der verbundene Wille der vom Nationalsozialismus nicht verwirrten deutschen Arbeiterschaft."
Diesem ebenso frühen wie vergeblichen Appell ließ Mühsam 1929 als Warnung an SPD und KPD eine Prophezeiung folgen, die 1933 Realität wurde. Eine schreckliche Zeit werde kommen "wenn der Tanz des Dritten Reiches losgeht [...] wenn die standrechtlichen Erschießungen, die Pogrome, Plünderungen, Massenverhaftungen das Recht in Deutschland darstellen". Schon in der Nacht des Reichstagsbrandes am 28. Februar 1933 wurde Mühsam verhaftet und nach monatelangen Mißhandlungen im KZ Oranienburg ermordet.
Auch mit juristischen Mitteln konnte das Aufkommen des Nationalsozialismus bekämpft werden. Hans Achim Litten, ein junger Rechtsanwalt in Berlin engagierte sich, ohne Mitglied einer Partei zu sein, als Rechtsbeistand im Rahmen der "Roten Hilfe Deutschland" für Arbeiter, die aus politischen Gründen vor Gericht gestellt wurden. Im "Felseneck-Fall" hatten 150 SA-Männer eine Kleingartenkolonie überfallen und dabei zwei Menschen erschlagen. Litten rekonstruierte den Tathergang und brachte wenigstens fünf Nationalsozialisten zur Anklage.
Im November 1930 hatte der berüchtigte Berliner "SA-Sturm 33" ein Arbeiterlokal, den "Edenpalast" überfallen und vier Männer schwer verletzt. Litten vertrat die Überfallenen als Nebenkläger, ließ Hitler als den verantwortlichen Chef der NSDAP in den Zeugenstand laden, wo er ihn in die Enge trieb. Litten beabsichtigte den Nachweis zu erbringen, daß die Gewaltakte der SA nicht Exzesse der unteren Ebene waren, sondern daß die Gewalt vielmehr als Mittel zur Durchsetzung der politischen Ziele von der Führung der NSDAP gebilligt und auch geplant war. Litten zwang Hitler zur öffentlichen Distanzierung vom Berliner Gauleiter Goebbels.
Es war der aufsehenerregendste, aber keineswegs der einzige derartige Fall in Littens Anwaltspraxis. Die Nationalsozialisten rächten sich grausam für das peinliche Kreuzverhör Hitlers. In der Nacht des 28. Februar 1933 wurde Litten verhaftet. Die folgenden fünf Jahre bis zu seinem Tode verbrachte er in Zuchthäusern und Konzentrationslagern.
Parteien - Organisationen
Die ideologische Gegenposition, aber auch parteipolitische Konkurrenz waren die treibenden Kräfte beim Kampf der Arbeiterbewegung gegen Hitlers NSDAP vor deren Machtübernahme. Allerdings waren viele Kräfte der Arbeiterbewegung im Kampf gegeneinander gebunden. Die KPD verunglimpfte die Sozialdemokraten als "Sozialfaschisten" und scheute auch nicht davor zurück, sich gelegentlich mit der NSDAP gegen die SPD und andere Parteien zu verbünden. Die SPD hingegen wollte absolut nichts mit den moskauhörigen Kommunisten zu tun haben. Die NSDAP als gemeinsamer Gegner war der Nutznießer. Die Feindschaft der KPD zum parlamentarisch-demokratischen System schloß die Sozialdemokraten zwangsläufig ein. Diese wiederum waren durch ihren strikten Legalitätskurs auch angesichts regierungsamtlicher Verfassungsbrüche wie dem "Papenstreich" gegen die Preußische Regierung am 20. Juli 1932 an wirksamen Widerstandsaktionen (einem Generalstreik etwa) gehindert. Die Führung der SPD war nicht bereit, den Boden des verfassungsmäßig Erlaubten zu verlassen oder auch nur den Anschein davon zu erwecken, bis es zu spät war, weil die Feinde der Verfassung Recht und Gesetz zerstört hatten.
Der erste nationalsozialistische Wahlerfolg im Herbst 1930 führte zur Wiederbelebung des 1924 als Selbstschutzorganisation der demokratischen Linken gegründeten politischen Kampfverbands "Reichsbanner Schwarz Rot Gold". Ziel des Verbandes war die Verteidigung von Republik und Verfassung durch Propaganda und entschiedenes, organisiertes Auftreten gegenüber rechten Extremisten. Aufmärsche und Kundgebungen bei denen Stärke gezeigt wurde, waren die Mittel, mit denen gekämpft wurde. Offiziell überparteilich war die Organisation fast ganz von der SPD getragen; sie stellte vier Fünftel der rund drei Millionen Mitglieder, die mit der SA, dem Bund der Frontsoldaten "Stahlhelm" und anderen "Parteiarmeen" um die Herrschaft auf der Straße rangen. Gründer und Bundesvorsitzender bis 1932 war der Magdeburger Oberbürgermeister Otto Hörsing, dem Karl Höltermann, ein sozialdemokratischer Journalist folgte. Die eigentliche "Truppe" des Reichsbanners bildeten die eine Woche nach der Reichstagswahl gegründeten "Schutzformationen (Schufo)" mit annähernd 400000 Mitgliedern, die sich aktiv an den bürgerkriegsartigen Kämpfen in der Endphase der Weimarer Republik beteiligten. Sie traten zur Verteidigung der Demokratie gegen Extremisten und Terroristen von rechts und links an.
Nach dem "Papenstreich" verfiel auch das Reichsbanner zunehmend in Resignation. Gegen die Koalition der bürgerlichen Rechten mit Hitler war im Dezember 1931 die "Eiserne Front" als "Wall von Menschenleibern gegen die faschistische Gefahr" gegründet worden. Geführt von Höltermann sollten sich die Kräfte von SPD, Freien Gewerkschaften, Reichsbanner und Arbeitersportlern in einem republikanischen Bündnis vereinigen. Es schlossen sich nur noch Organisationen der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (die sich seit 1930 Staatspartei nannte) an. Den Kern der "Eisernen Front" bildeten die Einheiten der Schufo. Entschlußlosigkeit der Führung verhinderten Aktionen des Reichsbanners bzw. der "Eisernen Front" gegen die Machtübernahme Hitlers. Solche Widerstandsaktionen waren bis ins Frühjahr 1933 hinein von vielen Mitgliedern gefordert worden, die kein Verständnis dafür hatten, daß sie nicht mit einem Generalstreik oder ähnlichen Aktionen für die Republik kämpfen durften. Ihre Führung scheute den Vorwurf ungesetzlicher Handlungen mehr als alles andere. Allerdings zögerte sie nicht nur aus Legalitätsdenken, sondern auch wegen des Blutvergießens, das unvermeidlich gewesen wäre beim Zusammenstoß mit der SA und anderen rechten Bürgerkriegstruppen.
In der SPD gab es eine Gruppe junger Reichstagsabgeordneter, die der Parteiführung kritisch gegenüberstanden und kämpferischer für die Verteidigung der Republik eintraten. Sie wurden "Militante Sozialisten" genannt; zu ihnen gehörten u. a. Carlo Mierendorff, Theodor Haubauch und Kurt Schumacher, der nach 1945 Vorsitzender der Partei wurde. Nach einer Attacke auf Goebbels und die NSDAP in einer Reichstagsrede am 23. Februar 1932 war Schumacher schlagartig bekannt geworden. Er vermehrte aber auch um ein beträchtliches den Zorn der Nationalsozialisten, den er sich schon als württembergischer Reichsbannerführer zugezogen hatte. Fast die ganze Zeit der NS-Herrschaft war er deshalb in KZ-Haft. Im Reichstag hatte er im Februar 1932 der NSDAP entgegengeschleudert, das deutsche Volk werde Jahrzehnte brauchen, "um wieder moralisch und intellektuell von den Wunden zu gesunden, die ihm diese Art Agitation geschlagen hat".
Seine vollkommene Verachtung faßte er in den Worten zusammen: "Wenn wir irgend etwas beim Nationalsozialismus anerkennen, dann ist es die Tatsache, daß ihm zum erstenmal in der deutschen Politik die restlose Mobilisierung der menschlichen Dummheit gelungen ist." Aber gleichweit entfernt war seine Position von den Kommunisten. Er hatte sie Ende März 1930 in einem Referat bei der Württembergischen Gaukonferenz des "Reichsbanners Schwarz Rot Gold" "rotlackierte Doppelausgaben der Nationalsozialisten" genannt und verkündet: "Beiden ist gemeinsam der Haß gegen die Demokratie und Vorliebe für die Gewalt."
QuellentextWiderstand: zur Definition eines schwierigen Begriffs
Die Bezeichnung Widerstand faßt als Oberbegriff verschiedenartige Einstellungen, Haltungen und Handlungen zusammen, die gegen den Nationalsozialismus als Ideologie und praktizierte Herrschaft gerichtet waren. Im weitesten Sinn sind darunter auch die ins Exil geflohenen Antifaschisten ebenso zu verstehen, die wenig oder keine Möglichkeit hatten, etwas ähnlich Entscheidendes gegen die Regierung Hitlers zu unternehmen, wie die Männer, die das Attentat des 20. Juli 1944 unternahmen. Zum Widerstand rechnet man damit auch diejenigen, die sich weder durch Lockung noch durch Zwang vom Nationalsozialismus vereinnahmen ließen; die ihre geistige Unabhängigkeit, ihre demokratische oder rechtsstaatliche Überzeugung, die Werte und Normen bzw. ihres Milieus - etwa im Rahmen der Arbeiterbewegung oder innerhalb kirchlicher und sonstiger religiöser und weltanschaulicher Bindungen - bewahrten.
Im engeren Sinne ist aber zwischen den kritischen bis abweisenden Haltungen der Verweigerung und Selbstbehauptung einerseits und den bewußten Anstrengungen zur Änderung der Verhältnisse andererseits zu unterscheiden. Opposition gegen das Unrechtsregime war noch nicht gleichbedeutend mit persönlichem Einsatz und den damit verbundenen Gefährdungen. Diesen setzte sich jeder aus, der mit Flugblättern, Wandparolen, als Kurier zu Regimegegnern im Ausland aktiv war oder einem Verschwörerkreis angehörte, in dem der Sturz der Diktatur und eine neue Staats- und Gesellschaftsordnung geplant wurden.
Verweigerung (als persönliche Abwehr von Herrschaftsanspruch und Selbstbehauptung von Gruppen), Opposition (als Haltung grundsätzlicher Gegnerschaft) und Widerstand als bewußtes Handeln waren Formen kritischer und gegnerischer Einstellung zum NS-Regime. Sie bauten aufeinander auf und steigerten sich von der passiven Abwehr zum aktiv verwirklichten Wunsch nach Veränderung des Regimes.
Auch die Historiker haben Probleme mit der Definition von Widerstand gegen den Nationalsozialismus. In der Bundesrepublik herrschte lange Zeit die Vorstellung, es sei ein -Widerstand ohne Volk- gewesen, den nur wenige Angehörige traditioneller Eliten geleistet hätten, während -das Volk- in Begeisterung zum Regime verharrte. In der DDR wurden hingegen die Aktionen der Kommunisten als alleingültiger Antifaschismus glorifiziert. Um die Verweigerung, die sich im Kampf um Kruzifixe in den Schulen, in der Vermeidung des -Heil-Hitler-Grußes- oder durch das Hören ausländischer Rundfunksender ausdrückte, um schließlich alle Haltungen von Opposition in den Widerstand einzubeziehen, wurde der Begriff -Resistenz- eingeführt. Ihm waren folgende Merkmale zugeordnet: -Wirksame Abwehr, Begrenzung, Eindämmung der NS-Herrschaft oder ihres Anspruchs, gleichgültig von welchen Motiven, Gründen und Kräften her- (Martin Broszat). Diese Begriffsbestimmung aus den frühen 80er Jahren hat sich nicht durchgesetzt. Der schwerstwiegende Einwand dagegen lautet, daß fast jedes nicht regime-konforme Alltagsverhalten, ohne Rücksicht auf die Motive, unter diesen -erweiterten Widerstandsbegriff- falle, daß somit jeder, der dem NS-Regime nicht ständig Beifall spendete, schon Widerstand geleistet hätte (Andreas Hillgruber).
Um der damaligen Wirklichkeit zu entsprechen und um den verschiedenen Formen von Opposition gerecht zu werden, ist Widerstand im eigentlichen Sinn nicht nur als Haltung zu definieren, sondern als Handeln, das auf grundsätzlicher Ablehnung des Nationalsozialismus beruhte, das aus ethischen, politischen, religiösen, sozialen oder individuellen Motiven darauf abzielte, zum Ende des Regimes beizutragen. Voraussetzung und Anlaß war eine Haltung von Dissens zum NS-Regime (Ian Kershaw) oder von -weltanschaulicher Dissidenz- (Richard Löwenthal). Widerstand wurde daraus, wenn diese Haltung sich zur Absicht verdichtete, eine Änderung der Verhältnisse herbeizuführen. Widerstand im eigentlichen Sinne war dann jeder -bewußte Versuch, dem NS-Regime entgegenzutreten- (Christoph Kleßmann) und die damit verbundenen Gefahren auf sich zu nehmen.
Wolfgang Benz