Tod und Verwundung im Krieg
Der Zweite Weltkrieg bedeutete in erster Linie eine menschliche Tragödie. Die Kriegshandlungen selbst sowie ihre unmittelbaren Folgen hatten weltweit etwa 60 bis 70 Millionen Menschen das Leben gekostet, in der Mehrzahl Zivilisten. Allein die Sowjetunion beklagte 27 Millionen Tote, knapp die Hälfte davon Angehörige der Roten Armee, von denen wiederum jeder Vierte nicht im Kampf fiel, sondern in
deutscher Kriegsgefangenschaft umkam. Dagegen hatte der Aggressor Deutschland mit 6,35 Millionen Toten – weit überwiegend Soldaten – sowohl absolut wie auch im Verhältnis zur Bevölkerungszahl deutlich weniger gelitten. Ein ähnliches Bild ergibt sich für den Fernen Osten. China verzeichnete als Hauptleidtragender der japanischen Aggression zwischen 1937 und 1945 etwa 13,5 Millionen Tote, Japan dagegen "nur" 3,76 Millionen. In Indien wiederum, das lediglich am Rande Kriegsschauplatz geworden war, waren allein zwei Millionen Menschen infolge kriegsbedingter Nahrungsmittelverknappung verhungert. Am stärksten gelitten hatte jedoch Polen mit sechs Millionen Toten. Jeder sechste Einwohner des Landes war ums Leben gekommen. Diese Schreckensbilanz verbindet sich mit derjenigen des Mordes an den europäischen Juden. Denn jeder zweite getötete Pole war jüdischen Glaubens. Insgesamt fielen während des Krieges etwa sechs Millionen europäische Juden dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer. In weiten Teilen Europas war jüdisches Leben so gut wie ausgelöscht.
Der Weltkrieg hatte überdies die Gesundheit von Millionen Menschen mehr
Ein Kriegsinvalider erhält auf einer Straße in Essen von Passanten Almosen, 1948. (© Bundesarchiv)
Ein Kriegsinvalider erhält auf einer Straße in Essen von Passanten Almosen, 1948. (© Bundesarchiv)
oder weniger schwer und dauerhaft geschädigt. Ihre Zahl lässt sich auch nicht annähernd genau schätzen. Noch lange Zeit nach Kriegsende prägten körperlich schwer geschädigte Opfer des Krieges das Straßenbild in den betroffenen Ländern. Sie stellten jedoch nur die "Spitze eines Eisbergs" dar. Vielen Kriegsinvaliden war ihre Versehrtheit nicht anzusehen. Weitgehend unsichtbar blieben die vom Krieg verursachten seelischen Schäden. Allein in Deutschland lebten unmittelbar nach dem Krieg eineinhalb Millionen körperlich und seelisch Versehrte beider Weltkriege, die staatliche Versorgungsleistungen erhielten. Auf solche hatten im Jahr 2000 nach Angaben der deutschen Bundesregierung immerhin noch 372.069 Menschen Anspruch. Jenseits dieser offiziell erfassten Zahl hinterließen Frontkämpfe, Kriegsgräuel, Holocaust, Bombenkrieg, Flucht und Vertreibung eine ganze traumatisierte Generation. Auch wenn an dem Sachverhalt selbst kein Zweifel besteht, gibt es über Ausmaß und Folgen dieser Traumatisierung nur wenig gesicherte Erkenntnisse.
Politische Folgen
Aufruf der alliierten Militärregierung an die befreiten Angehörigen der Vereinten Nationen ("Arbeiter, Gefangene, Deportierte") in Deutschland mit Verhaltensregeln, ca. 1945. (© Bundesarchiv)
Aufruf der alliierten Militärregierung an die befreiten Angehörigen der Vereinten Nationen ("Arbeiter, Gefangene, Deportierte") in Deutschland mit Verhaltensregeln, ca. 1945. (© Bundesarchiv)
Um es vorweg zu nehmen: Der Zweite Weltkrieg veränderte das politische Gesicht der Welt gründlich. Zunächst bekamen die Verursacher des Krieges die politischen Folgen ihrer Niederlage schmerzhaft zu spüren. Die alliierten Siegermächte hielten Deutschland wie Japan über Jahre besetzt und unterwarfen beide Länder ihrem politischen Willen. Deutschland war davon in besonderer Weise betroffen. Es verlor alle Gebiete, die es sich seit 1938 mehr oder weniger gewaltsam angeeignet hatte. Das ebenfalls von den Alliierten besetzte Österreich hatte sich bereits am 27. April 1945 für unabhängig erklärt. Doch blieb auch das Deutsche Reich in seinen Grenzen von 1937 nicht bestehen. Infolge des Potsdamer Abkommens vom 2. August 1945 musste es seine Gebiete östlich von Oder und Neiße an Polen und die Sowjetunion abtreten und büßte damit ein Viertel seines Territoriums ein. Das übrig gebliebene Deutschland wurde von einem Alliierten Kontrollrat regiert, in dem die vier Siegermächte (Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion, Vereinigte Staaten) durch ihre Militärgouverneure vertreten waren. Mit Proklamationen, Befehlen, Gesetzen, Direktiven und Verordnungen machte er sich an die innere
Anklage und Aufklärung: Plakat in der amerikanischen Besatzungszone mit Fotos von der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau durch US-Truppen, ca. 1945. (© Bundesarchiv)
Anklage und Aufklärung: Plakat in der amerikanischen Besatzungszone mit Fotos von der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau durch US-Truppen, ca. 1945. (© Bundesarchiv)
Umgestaltung Deutschlands und die Umerziehung der Deutschen. Er tat dies auf der Grundlage der Beschlüsse von Potsdam, welche Deutschland die Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Demokratisierung, Dezentralisierung und Demontage verordneten. Allerdings ging die Gemeinsamkeit der Siegermächte bald verloren. Die vier Besatzungszonen, in die Deutschland eingeteilt worden war, entwickelten sich gemäß den politischen Vorgaben der jeweiligen Besatzungsmacht durchaus unterschiedlich. Die drei Westmächte richteten in ihren Zonen demokratische Systeme ein. Dies ermöglichte bis 1948 den wirtschaftlichen Zusammenschluss der drei westlichen Zonen und schließlich 1949 die Gründung der Bundesrepublik Deutschland, eines demokratischen westdeutschen Staates mit vorläufig noch eingeschränkter Souveränität. Dagegen verordneten die sowjetischen Besatzer ihrer Zone das pseudo-demokratische Modell einer "Volksdemokratie". Hieraus ging 1949 die Deutsche Demokratische Republik hervor.
Proklamation Nr. 1 des Alliierten Kontrollrates in Deutschland vom 30. August 1945. (© Bundesarchiv)
Proklamation Nr. 1 des Alliierten Kontrollrates in Deutschland vom 30. August 1945. (© Bundesarchiv)
Eine kommunistische Diktatur nach sowjetischem Vorbild stellte sicher, dass das östliche Deutschland in völliger Abhängigkeit von Moskau blieb. Vor allem im geteilten Berlin entwickelte sich deshalb ein gespanntes Verhältnis zwischen den Alliierten, bis hin zur Blockade der westalliierten Sektoren durch die Sowjetunion in den Jahren 1948/49.
Diese Teilung Deutschlands 1949 machte deutlich, dass sich die Alliierten des Weltkrieges endgültig auseinandergelebt hatten. Das hatte nicht nur für Deutschland einschneidende Folgen, sondern veränderte Europa und die Welt. Diese Entwicklung lag im fundamentalen politisch-ideologischen Gegensatz zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion begründet. Der Zwang zum gemeinsamen Kampf gegen Hitler hatte diesen Gegensatz für die Zeit des Krieges verdeckt. Danach brach er sehr schnell auf, als die Sowjetunion ihre Eroberungen in Mittelost- und Südosteuropa skrupellos nutzte, um ihren Machtbereich dorthin dauerhaft auszudehnen und dies mit dem Export ihres totalitären Systems verband. In allen eroberten Ländern brachte sie Regime an die Macht, die ihr willfährig waren und sich auf die sowjetischen Bajonette und Panzer stützten. Schnell kam es hierüber zum Zwist mit den ehemaligen Verbündeten im Westen. Dort verstand man unter der Schaffung eines demokratischen und freien Europa, wie es die "Großen Drei" im Januar 1945 in Jalta vereinbart hatten, etwas anderes. Schon kurz nach Kriegsende sprach Churchill deshalb von einem "eisernen Vorhang", der sich auf Europa herabgesenkt habe, und meinte damit die Abschottung des unfreien sowjetischen Machtbereichs. Als schließlich auch Griechenland, die Türkei und der Iran von sowjetischer Intervention bedroht waren, brach der Konflikt 1947 offen aus. US-Präsident Truman versprach allen Ländern Wirtschafts- und Militärhilfe zur Verteidigung ihrer Freiheit und drohte der Sowjetunion sogar mit der Atomwaffe. Kaum zwei Jahre nach Kriegsende war ein "kalter" Krieg zwischen den früheren Verbündeten ausgebrochen, der Jahrzehnte dauern und das Weltgeschehen prägen sollte. Die Lager in Ost und West formierten sich in zwei großen Bündnissystemen: auf der einen Seite entstand 1949 die Nordatlantische Allianz (NATO) unter Führung der USA. Ihr stand ab 1955 die von Moskau dominierte – im Sprachgebrauch als Warschauer Pakt bekannte – Warschauer Vertragsorganisation (WVO) gegenüber. An vorderster Front des Kalten Krieges fanden sich die beiden gerade gegründeten deutschen Staaten als Gegner wieder.