Nach Hitlers Machtübernahme 1933 gelang es den Nationalsozialisten mit brutalen Methoden sehr bald, die politischen Gegner in Deutschland "auszuschalten". Andersdenkende wurden auf verschiedene Weise mundtot gemacht. Gleichzeitig bescherten Erfolge in der Wirtschafts- und Außenpolitik dem NS-Regime breiten Rückhalt in der deutschen Bevölkerung. Auch die konservativen Eliten sahen im Nationalsozialismus eher einen Bundesgenossen im Kampf gegen Sozialismus und Kommunismus. Die Gewalttätigkeit des Regimes, die staatliche Verfolgung der deutschen Juden der anderen Minderheiten sowie und die Drangsalierung der christlichen Kirchen erregten deshalb selten offenen Widerspruch.
Anfänge einer Militäropposition
Auch aus der Wehrmacht kam wenig Kritik am Nationalsozialismus. Das Militär profitierte enorm von Hitlers Aufrüstungspolitik und trug dessen aggressive Außenpolitik jahrelang bereitwillig mit. Diese Eintracht wurde Anfang 1938 gestört, als Hitler den Reichskriegsminister sowie den Oberbefehlshaber des Heeres unter fragwürdigen Umständen entließ, nachdem sie vorsichtig Einwände gegen seine Außenpolitik erhoben hatten. Aber erst der gefährliche Kriegskurs, den Hitler fast gleichzeitig mit der Annexion Österreichs und gegenüber der Tschechoslowakei einschlug, führte zu ernsthaftem Widerspruch, wenigstens in Teilen der Militärführung. Vergebens versuchte der Generalstabschef des Heeres, Ludwig Beck, Hitler zum Einlenken und die Generalität zum gemeinsamen Protest zu bewegen.
Oberst Hans Oster (1887-1945) (© Bundesarchiv)
Oberst Hans Oster (1887-1945) (© Bundesarchiv)
Als Beck deshalb im August 1938 zurücktrat, hinterließ er in Berlin einen kleinen Kreis gleichgesinnter Offiziere aus dem Generalstab des Heeres und dem militärischen Nachrichtendienst, der "Abwehr". Diese Keimzelle einer Militäropposition knüpfte bald Verbindung zu Regimekritikern in anderen Teilen des Staatsapparates, vor allem im Auswärtigen Amt. Als sich im September 1938 die Sudetenkrise verschärfte, entstand hieraus eine erste Verschwörung zum Sturz des NS-Regimes. Ihr Motor war Oberstleutnant Hans Oster aus der "Abwehr". Er hatte die Unterstützung von Becks Nachfolger, Franz Halder, sowie des Befehlshabers im Berliner Wehrkreis, Erwin von Witzleben. Zum Staatsstreich kam es dennoch nicht; den Verschwörern fehlte ein Auslöser, als Hitler seine Ziele in der Sudetenkrise ohne Krieg erreichte.
Nach Hitlers neuem außenpolitischem Triumph gaben die Verschwörer ihre Pläne vorerst auf. Ein Regime zu stürzen, das mehr Rückhalt denn je in der Bevölkerung besaß, erschien aussichtslos. Diese Einschätzung lähmte die Militäropposition bis weit in den Krieg hinein. Die anfangs erfolgreiche deutsche Kriegführung ließ Gefolgschaft für einen Staatsstreich gerade in der Wehrmacht nicht erwarten. Eine neue Initiative, die im Herbst 1939 eine Ausweitung des Krieges verhindern wollte, scheiterte daher bereits im Ansatz. Oster ging deshalb so weit, die deutschen Angriffsabsichten im Westen an das Ausland zu verraten.
QuellentextEntwurf für eine Regierungserklärung der Regierung Beck/Goerdeler aus dem Sommer 1944
"Nachdem uns die Geschäfte der Reichsregierung übertragen sind, ist es unsere Pflicht, die Grundsätze bekanntzugeben, nach denen wir die Regierung führen werden, und die Ziele mitzuteilen, die wir erstreben.
1. Erste Aufgabe ist die Wiederherstellung der vollkommenen Majestät des Rechts. Die Regierung selbst muß darauf bedacht sein, jede Willkür zu vermeiden, sie muß sich daher einer geordneten Kontrolle durch das Volk unterstellen. Während des Krieges kann diese Kontrolle nur vorläufig geordnet werden. Einstweilen werden lautere, sachkundige Männer aus allen Ständen berufen werden; ihnen werden wir Rede und Antwort stehen, ihren Rat wollen wir einholen. Vor allem aber werden wir sie beauftragen, auf allen Gebieten genau die Erbschaft festzustellen, die wir übernommen haben. Jeder Deutsche wird mit uns mehr oder minder bewußt empfinden, wie schwer sie ist. Wir lehnen es ab, die Verantwortung Hitlers mit der von ihm eingeführten Beschimpfung des Gegners einzuleiten. Wir erachten es vielmehr für geboten, mit Anstand und Gewissenhaftigkeit die Tatsachen festzustellen, aus denen sich die Verantwortung ergeben wird. Soweit es der Krieg gestattet, wird der Bericht, den jene Männer verfassen werden, sofort bekanntgegeben werden; soweit das einstweilen möglich ist, wird die restlose Bekanntgabe erfolgen, sobald die Lage es gestattet. Wir waren einst stolz auf die Rechtlichkeit und Redlichkeit unseres Volkes, auf die Sicherheit und Güte der deutschen Rechtspflege. Umso größer muß unser aller Schmerz sein, sie fast vernichtet zu sehen.
Keine menschliche Gemeinschaft kann ohne Recht bestehen; keiner, auch derjenige, der glaubt, es verachten zu können, kann es entbehren. Für jeden kommt die Stunde, da er nach dem Recht ruft. Gott hat uns in seiner Ordnung des Weltalls, in seiner Schöpfung der Menschen und in seinen Geboten die Notwendigkeiten des Rechts, seiner gerechten und unparteiischen Anwendung gesetzt. Er hat uns Einsicht und Kraft verliehen, die irdischen Einrichtungen zu seiner Sicherung zu schaffen. Es ist ein Verbrechen, dieser Ordnung nicht zu folgen. Dazu ist es notwendig, Unabhängigkeit, Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit der Richter wiederherzustellen. Wir wissen wohl, daß viele von ihnen nur unter dem Druck des äußersten Terrors gehandelt haben, aber es wird mit unbeugsamer Strenge nachgeprüft werden, ob darüber hinaus Richter das Verbrechen begangen haben, gegen Gesetz und Gewissen Recht zu sprechen. Sie werden entfernt werden; um das Vertrauen des Volkes in die Rechtspflege wiederherzustellen, werden Laien bei der Urteilsfindung in allen Strafsachen mitwirken. Das gilt auch für die vorläufig eingesetzten Standgerichte.
Das Recht wird gereinigt werden. Es ist nicht Sache des Richters, neues Recht zu schaffen; er hat das Gesetz anzuwenden und dies auf das peinlichste zu tun. Es ist nicht Sache des Richters, einer Weltanschauung Rechnung zu tragen, die selbst nicht weiß, was sie will und ihr Programm durch ihre Führer auf das schwerste verunstaltet sieht. Es ist unerträglich, daß Menschen verurteilt werden, die nicht wissen konnten, daß ihr Tun strafbar war. Soweit etwa der Staat etwa durch Gesetz Handlungen seiner Organe nachträglich für straffrei erklärt hat, die in Wahrheit strafwürdig sind, werden diese Befreiungsbestimmungen als mit der Natur des Rechts unvereinbar aufgehoben und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Das Recht wird jedem gegenüber, der es verletzt hat, durchgesetzt. Alle Rechtsbrecher werden der verdienten Strafe zugeführt. Die Sicherheit der Person und des Eigentums werden wieder gegen Willkür geschützt sein. Nur der Richter darf nach dem Gesetz in diese persönlichen Rechte des einzelnen, die für den Bestand des Staates und für das Glück der Menschen unerläßlich sind, eingreifen.
Die Konzentrationslager werden aufgelöst, die Unschuldigen entlassen, Schuldige dem ordentlichen gerichtlichen Verfahren zugeführt werden.
Aber ebenso erwarten wir, daß niemand Lynchjustiz vollzieht. Wenn wir die Majestät des Rechts wiederherstellen wollen, müssen wir alle Energie gegen persönliche Vergeltung aufwenden, die aus der Leidenschaft über verletztes Recht, die aus der Verwundung der Seele menschlich nur zu begreiflich wäre. Wer irgendetwas auf dem Herzen hat, erstatte Anzeige, an welcher öffentlichen Stelle er will. Seine Anzeige wird an die richtige Stelle weitergeleitet werden. Aber die Anzeige muß wahr sein. Wahrheitswidrige Anzeigen werden bestraft, anonyme Anzeigen wandern in den Papierkorb.
2. Wir wollen die Moral wiederherstellen, und zwar auf allen Gebieten des privaten wie öffentlichen Lebens.
Die Korruption ist in unserem früher so reinen Volk von hohen und höchsten Würdenträgern in einem bisher in der Welt nicht dagewesenen Umfang großgezogen. Während draußen unsere Soldaten kämpfen, bluten und fallen, ihre Glieder verlieren, führen Männer wie Göring und andere Größen ein Luxusleben, rauben Edelsteine, Gemälde und sonstige Wertstücke, füllen ihre Keller und Böden mit Vorräten, fordern das Volk zum Durchhalten auf und drücken sich und ihren Anhang feige vor dem Opfer dort draußen. Alle Übeltäter werden mit der ganzen Strenge des Gesetzes zur Rechenschaft gezogen, unredlich erworbenes Gut wird eingezogen und den Geschädigten wiedergegeben werden. Die Uk-Stellungen aus politischen Gründen sind aufgehoben. Jeder wehrfähige Mann kann an der Front beweisen, was er ist und wie es mit seinem Willen zum Durchhalten steht. Das Mauldurchhalten wollen wir nicht mehr dulden.
Zur Sicherung des Rechts und des Anstandes gehört die anständige Behandlung aller Menschen. Die Judenverfolgung, die sich in den unmenschlichsten und unbarmherzigsten, tief beschämenden und gar nicht wiedergutzumachenden Formen vollzogen hat, ist sofort eingestellt. Wer geglaubt hat, sich am jüdischen Vermögen bereichern zu können, wird erfahren, daß es eine Schande für jeden Deutschen ist, nach einem unredlichen Besitz zu streben. Mit solchen Marodeuren und Hyänen unter den von Gott geschaffenen Geschöpfen will das deutsche Volk in Wahrheit auch gar nichts zu tun haben.
Wir empfinden es als eine tiefe Entehrung des deutschen Namens, daß in den besetzten Gebieten hinter dem Rücken der kämpfenden Truppe und ihren Schutz mißbrauchend, Verbrechen aller Art begangen worden sind. Die Ehre unserer Gefallenen ist damit besudelt.
Wer die Kriegszeit dort draußen benutzt hat, um sich die Taschen zu füllen oder sonst irgendwie einen Millimeter von der Linie der Ehre abgewichen ist, wird zur Rechenschaft gezogen werden. Die Strafe wird besonders hart sein für diejenigen, die von dieser Stunde ab noch bei irgendeinem Vergehen gegen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts und gegen die Gesetze der Menschlichkeit angetroffen werden. Die ersten Regeln der Menschlichkeit lernt der einzelne in der Familie. Sie als die Urzelle völkischer Gemeinschaft wieder zu gesunden, ist eine der vornehmsten Aufgaben des Staates. Dazu braucht er die Hilfe der Eltern, die Kraft der Religion, die Mitarbeit aller Kirchen. Nur auf einer ernsten, verantwortungsbewußten Vorstellung von der Lebensgemeinschaft der Ehe kann sich ein sauberes und gesundes Familienleben aufbauen. Der Doppelmoral muß der Kampf angesagt werden, wenn nicht unsere Kinder verkommen sollen; denn wie können Eltern Sauberkeit von den Kindern verlangen, die nicht selbst sich in Zucht halten und den Kindern das beste Beispiel geben. Das Leben unseres Volkes wird nur gesunden, wenn die Familien wieder gesund werden.
Wir wollen keine Spaltung unseres Volkes. Wir wissen, daß viele aus Idealismus, in Verbitterung über das Diktat von Versailles und seine Auswirkungen über manche nationale Unwürde in die Reihe der Partei eingetreten sind, andere unter einem äußersten Zwang wirtschaftlicher und sonstiger Druckmittel. Das Volk darf sich nicht hiernach scheiden. Wir hoffen, daß wir uns alle darüber einig sind, daß die einzige Scheidung, die zu vollziehen ist, die zwischen Verbrechen und Gewissenlosigkeit auf der einen, zwischen Anstand und Sauberkeit auf der anderen Seite ist. Auf dieser Grundlage wollen wir die innere Aussöhnung des Volkes mit allen unseren Kräften betreiben. Denn nur wenn wir einig bleiben, allerdings auf der Grundlage von Recht und Anstand, können wir den Schicksalskampf, vor den Gott unser Volk zwingt, bestehen.
3. Der Lüge sagen wir Kampf an, die Sonne der Wahrheit soll ihre dicken Nebel auflösen. Unser Volk ist in der schamlosesten Weise über seine wirtschaftlichen, finanziellen und politischen sowie über die militärischen Ereignisse belogen worden. Die wahren Tatsachen werden festgestellt und bekanntgegeben werden, so daß sie jeder einzelne nachprüfen kann. Es ist ein grober Irrtum, anzunehmen, daß es einer Regierung gestattet sei, das Volk durch Lüge für ihre Ziele zu gewinnen. Gott kennt in seiner Ordnung keine doppelte Moral. Auch die Lügen der Regierungen haben kurze Beine und sind immer aus Feigheit oder Machtsucht geboren. Erfolg in der Behauptung der nationalen Stellung, Glück des Volkes und Seelenfrieden des einzelnen können nur auf Wahrhaftigkeit aufgebaut werden. Wir werden daher das übrige dazu tun, um ihr in jeder Unterrichtung des Volkes zu dienen. Wahrheiten sind häufig hart; aber das Volk, das sie überhaupt nicht mehr verträgt, ist ohnehin verloren. Der einzelne kann die rechte Kraft nur aufbringen, wenn er die Lage so sieht, wie sie ist. Der Bergsteiger, der die Höhe des zu erklimmenden Gipfels unterschätzt, der Schwimmer, der die zurückzulegende Strecke nicht richtig bemißt, wird seine Kraft vorzeitig verbraucht sehen. Alles, war mit künstlicher Propaganda zu tun hat, ist daher aufgelöst; das gilt von dem Reichspropagandaministerium ebenso wie von den zur Schauspielerei, ja zur Gewissenlosigkeit mißbrauchten Propagandaformationen der Wehrmacht. Das Leben und Sterben unserer Soldaten bedarf keiner Propaganda; es ist in das Herz jeder deutschen Frau und Mutter, ja jedes Deutschen in der Heimat tief eingeprägt.
4. Die zerbrochene Freiheit des Geistes, des Gewissens, des Glaubens und der Meinung wird wiederhergestellt.
Die Kirchen erhalten wieder das Recht, frei für ihr Bekenntnis zu wirken. Sie werden in Zukunft vom Staate getrennt leben, weil sie nur in Selbständigkeit und unter Fernhaltung von aller aktiven politischen Betätigung ihrer Aufgabe gerecht werden können. Das Wirken des Staates wird von christlicher Gesinnung in Wort und Tat erfüllt sein; denn dem Christentum verdanken wir den Aufstieg der weißen Völker, verdanken wir die Fähigkeit, die schlechten Triebe in uns zu bekämpfen. Auf diese Bekämpfung kann keine völkische und staatliche Gemeinschaft verzichten. Aber echtes Christentum verlangt auch Duldsamkeit gegenüber den Andersgläubigen, ja gegenüber jedem Freidenker. Der Staat wird der Kirche wieder Gelegenheit geben, zudem sich im Sinne wahren Christentums lebendig zu betätigen, in Sonderheit auf den Gebieten der Wohlfahrtspflege und der Erziehung.
Die Presse soll wieder frei sein. Im Krieg muß sie sich den Beschränkungen unterwerfen, die in jedem Kriege für ein Land unerläßlich sind. Jeder, der eine Zeitung liest, soll erfahren, wer hinter dieser Zeitung steht. Der Presse wird es nicht wieder gestattet sein, bewußt oder fahrlässig die Unwahrheit zu sagen. Die Schriftleiter werden durch eine straffe Ehrengerichtsbarkeit dafür sorgen, daß die Gesetze des Anstandes gegen jeden und die Pflicht gegenüber dem Wohle des Vaterlandes auch in der Presse beachtet werden.
5. Es ist vor allem die deutsche Jugend, die nach der Wahrhaftigkeit ruft. Wenn es eines Beweises für die göttliche Natur des Menschen bedürfte, hier haben wir ihn. Selbst die Kinder wenden sich in natürlicher Erkenntnis dessen, was wahr und gelogen ist, beschämt und empört von der ihnen zugemuteten Unwahrhaftigkeit der Gesinnung und Rede ab. Es war wohl das größte Verbrechen, diesen Wahrhaftigkeitssinn und mit ihm den Idealismus unserer Jugend zu mißachten und zu mißbrauchen. Wir wollen ihn daher schützen und stärken – der Jugend und ihrer Erziehung gilt eine unserer Hauptsorgen. Diese Erziehung soll in erster Linie den Eltern überantwortet werden. In allen Schulen müssen die elementaren Grundkenntnisse einfach, lauter und sicher in das Kind eingepflanzt werden. Die Bildung muß wieder eine möglichst allgemeine, Herz und Verstand erfassende sein. Die vorzeitige Spezialisierung der Bildung, die an so vielem schuld ist, wird beseitigt werden. Sie ist unverantwortlich, da niemand voraussehen kann, wohin sich die besten Fähigkeiten des heranwachsenden Kindes entwickeln werden.
Die Erziehung muß wieder bewußt auf die christlich-religiöse Grundlage gestellt werden, ohne daß die christlichen Gesetze der äußersten Duldsamkeit gegenüber Andersgläubigen verletzt werden sollen. Auf dieser Grundlage muß das Erziehungsund Bildungswesen wieder ruhig und stetig geleitet und von dauernden Änderungen und Unruhen bewahrt bleiben.
6. Die Verwaltung muß neu geordnet werden. Es wird nicht umgestoßen werden, was sich bewährt hat. Aber es ist notwendig, sofort klare Verantwortung und die Freiheit zu selbständigen Entschlüssen wiederherzustellen. Unsere einst so stolze Verwaltung ist zu einem Haufen von sinnlos ausführenden Maschinen und Maschinchen geworden. Keiner wagt mehr, einen selbständigen und richtigen Entschluß zu fassen. Das Gegenteil werden wir von den Beamten verlangen. Mit wenig Schreibwerk sollen sie in größter Einfachheit das Rechte tun.
Der Beamte muß wieder in seiner ganzen Amtsund Lebensführung ein Beispiel werden; denn ihm hat das Volk öffentliche Hoheitsgewalt anvertraut. Diese darf nur ausüben, wer lauter ist, Sachkunde sich erworben, seinen Charakter gestählt und Leistungsfähigkeit bewiesen hat. Mit dem Parteibuchbeamten wird Schluß gemacht. Der Beamte soll wieder allein dem Gesetz und seinem Gewissen folgen. Er muß sich der Auszeichnung bewußt und würdig zeigen, daß die Volksgemeinschaft ihm ein sicheres Leben gewährt, während andere um das Allernotwendigste ringen müssen. Er soll, gesichert in seinem Ansehen und in seinen Rechten, aufgehen in dem idealen Streben, seiner besonderen Stellung durch besondere Pflichterfüllung gerecht zu werden.
Um den Beamten wieder dies einwandfreie Wirken zu ermöglichen und dem Volk eine Ausübung der öffentlichen Hoheitsgewalt durch Unwürdige zu ersparen, sind alle seit dem 1.1.1933 vollzogenen Ernennungen und Beförderungen für vorläufig erklärt. Jeder einzelne Beamte wird daraufhin durchgeprüft werden, ob er gegen Gesetz, gegen Disziplinarrecht oder gegen den von jedem Beamten geforderten Anstand verstoßen hat. Wird dies festgestellt, so werden die entsprechenden Folgerungen durch Bestrafung, Entlassung, Versetzung usw. vollzogen. Dabei werden Ehrengerichte der Beamten mitwirken. Vorläufige Beamte, deren Leistungen den Anforderungen ihres Amtes nicht entsprechen, werden in Stellungen, denen sie gewachsen sind, versetzt oder, wenn dies nicht möglich ist, entlassen werden. In die öffentlichen Büros gehört der Luxus nicht, sondern das Behagen gehört in die Wohnung des einzelnen. Die Behördenchefs sind angewiesen, sofort die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten.
7. Ordnung der Verwaltung, gerechte Verteilung und Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben sind nur möglich auf Grund einer Verfassung. Eine endgültige Verfassung kann erst nach Beendigung des Krieges mit Zustimmung des Volkes festgesetzt werden. Denn die Frontsoldaten haben einen Anspruch darauf, hierbei mit besonderem Gewicht mitzuwirken. So müssen wir uns alle vorläufig mit einer einstweiligen Verfassung begnügen, die gleichzeitig verkündet wird. An sie sind auch wir gebunden.
Preußen geht im Reich auf. Die preußischen Provinzen werden ebenso wie die übrigen deutschen Länder, teilweise zusammengefaßt, Reichsgaue. Der Selbstverwaltung dieser Reichsgaue, der Kreise und Gemeinden wird an öffentlichen Aufgaben übertragen, was irgendwie mit Reichseinheit und zielbewußter Führung des Reichs vereinbar ist. Echte Selbstverwaltung wird, sobald irgendwelche Wahlen möglich sind, wieder in Verbundenheit mit dem Volk hergestellt. Einstweilen wird durch vorläufige Anordnung dafür gesorgt, daß sie in ihre Verwaltungsund Beratungskörper lautere Männer beruft und selbstverantwortlich arbeiten kann.
In allen Reichsgauen wird die Aufsicht namens des Reichs durch Reichsstatthalter ausgeübt werden, deren Ernennung unmittelbar bevorsteht. Sie werden sich gegenüber den Organen der Selbstverwaltung so weit wie möglich zurückhalten, aber ebenso tatkräftig für die Reichseinheit sorgen.
8. Die Wirtschaft kann im Kriege nur in der bisherigen Verfassung der Zwangswirtschaft und der überwachten Kreise fortgeführt werden. Solange ein Mangel an lebenswichtigen Gütern besteht, ist, wie jeder einsehen wird, eine freiere Wirtschaft nicht möglich, es sei denn, daß man über die Lebensinteressen der Minderbemittelten kaltherzig zur Tagesordnung übergehen wollte. Wir wissen sehr wohl, wie widerlich diese Wirtschaft ist, daß sie nicht, wie so häufig behauptet, den wahren Interessen des letzten Verbrauchers dient. Einstweilen können wir sie nur vereinfachen und von Unklarheiten, dem Durcheinander von Zuständigkeiten und dem Mangel an Verantwortungsbewußtsein befreien. Wir werden auch alle Maßnahmen aufheben, die zu tief in die Freiheiten des einzelnen eingegriffen haben und die ohne Überlegung und zwingende Notwendigkeit die wirtschaftlichen Existenzen in Handel, Handwerk, Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft vernichtet haben.
Ist dies während des Krieges, wie übrigens in allen anderen kriegführenden Staaten unvermeidbar, so verfolgen wir doch ebenso klar das Ziel der Wiederherstellung voller wirtschaftlicher Freiheit und den Weg zu den Gütern der Welt. Dieser darf nicht durch staatliche Eingriffe gestört werden, die Schöpfungsfreude und Schöpfungsmöglichkeit ersticken, sondern die wirtschaftliche Freiheit soll nur gebändigt werden durch das Recht, durch die Sicherung der Lauterkeit des Wettbewerbs und durch anständige Gesinnung. Autarkie ist angesichts der Rohstoffarmut unseres Vaterlandes und der Tatsache, daß wir uns aus unserem Boden allein nicht ernähren können, feiger Verzicht auf die Möglichkeit, an den Gütern und Leistungen der ganzen Welt durch Leistungstausch teilzunehmen.
Es ist das Ziel der gerechten Wirtschaftsordnung, daß jedem der seiner Leistung entsprechende Anteil an den Wirtschaftsgütern zuteil wird. Es handelt sich nicht nur darum, die freie Initiative des Kapitalbesitzes herzustellen und ihn zum Leistungskampf im Wettbewerb zu zwingen. Nein, auch der deutsche Arbeiter muß und wird Gelegenheit erhalten, an der Verantwortung schöpferisch teilzunehmen. Nur können auch wir ihn nicht von der Wirkung der in der Wirtschaft herrschenden natürlichen Gesetze entbinden. Das Eigentum ist Grundlage jeden wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritts; oder es sinkt der Mensch allmählich zum Tier herab. Es wird daher geschützt, nicht nur in der Hand des großen, sondern auch in der Hand des kleinsten Eigentümers, der nur Hausrat sein eigen nennt. Der Mißbrauch des Eigentums wird ebenso bekämpft werden wie die entbehrliche und die Unselbständigkeit der Menschen nur vermehrende Zusammenballung des Kapitals.
Die Ordnung des Wirtschaftens wird auf Selbstverwaltung aufgebaut werden. Das bisher geübte System der Gängelung von oben her wird aufgehoben. Es gilt, die Selbständigkeit des Entschlusses und damit die Verantwortung wieder zu wohltätiger Wirkung zu bringen; es gilt, das Vertrauen aller, auch der Arbeiter, in die Gerechtigkeit der wirtschaftlichen Ordnung in weitestem Umfange wiederherzustellen. Auch hier müssen Ehrengerichte den Anstand sichern.
9. Daraus ergibt sich der Inhalt der auf Ausgleich gerichteten Staatspolitik, Sozialpolitik. Sie soll unverschuldete Schwäche schützen und die Möglichkeit geben, sich solidarisch gegen die Widrigkeiten dieses Lebens zu sichern. Sie soll ferner da eintreten, wo das Interesse, Ersparnisse (Kapital) zu erhalten, in Widerspruch gerät mit dem Interesse, die Arbeitskraft der jetzt Lebenden zu sichern. Solche Interessengegensätze können in Zeiten großer politischer und wirtschaftlicher Spannung auftreten. Es wäre sehr leichtfertig, sie so zu lösen, daß dabei einfach das Kapital, d.h. die Ersparnisse, vernichtet werden. Das würde dem kleinen Sparer ebensowenig gefallen, wie es den Interessen des Volksganzen dient, wenn etwa plötzlich alle Bauernhöfe und alle Industriebetriebe ohne Maschinen wären. Auf der anderen Seite haben diese Kapitalgüter alle keinen Wert, wenn sie nicht der Erhaltung der jetzt lebenden Menschen mehr nutzbar gemacht werden können. Also gilt es, mit Verantwortungsbewußtsein und Gewissenhaftigkeit einen gerechten Ausgleich zu finden, bei dem jeder einzelne sich von vornherein bewußt sein kann, daß von ihm wie von jedem anderen Opfer gebracht werden müssen.
Soweit zu solchen Ausgleichen Kraft und Verantwortung der einzelnen Berufs und Wirtschaftszweige nicht ausreichen, müssen alle wirtschaftenden Bürger eintreten, und äußerstenfalls muß ein gerechter Ausgleich auf den Schultern des ganzen Volkes durch den Staat gesichert werden. Soweit soziale Einrichtungen den Arbeiter betreffen, erhalten sie das Recht voller Selbstverwaltung.
Aber wir alle müssen wissen, daß der Staat keine unerschöpflichen Mittel hat. Auch er lebt nur von dem, was seine Bürger leisten und an ihn abgeben. Mehr, als er aus dieser Leistungskraft seiner Bürger zur Verfügung hat, kann auch er nicht an einzelne Bürger vergeben. Wir lehnen daher mit aller Klarheit und Entschiedenheit ab, Versprechungen auf wirtschaftliches Wohlleben zu geben. Jeder von uns weiß, daß derjenige, der seine Ersparnisse verwirtschaftet hat, besonders viel leisten muß, wenn er seinen gewohnten Lebensstand wiedergewinnen will. So ist es in der Familie, so in jedem Verein, und so auch im Staat. Alle anderen Vorstellungen sind sinnlos. Billige Verheißungen, der Staat könne alles, sind gewissenlose Demagogie. Der Staat seid Ihr mit Euren Kräften. Wir und die Organe des Staates sind nur Eure Treuhänder. Jeder muß seine Kräfte regen. Es liegt auf der Hand, daß nach den ungeheuren Vernichtungen dieses Krieges unser aller Arbeitsleistung besonders groß sein muß, um Ersatz für Kleidung, für zerstörte Wohnungen und Arbeitsstätten sowie für vernichteten Hausrat zu schaffen. Und endlich wollen wir doch unseren Kindern wieder ein besseres Leben ermöglichen. Aber wir sind überzeugt, daß wir alle dazu fähig sind, wenn wir nur wieder in Recht, Anstand und Freiheit schaffen können.
10. Grundvoraussetzung gesunder Wirtschaft ist die Ordnung der öffentlichen Haushalte. Die Ausgaben müssen sich im Rahmen der echten Einnahmen halten, die Staat, Gaue, Kreise und Gemeinden von ihren Bürgern beziehen können. Es erfordert Anstrengung, Charakter, Verzicht und Kampf, um diese Ordnung wiederzuerrichten; aber sie ist die wichtigste und unerläßliche Grundlage gesicherter Währung und allen wirtschaftlichen Lebens. Von ihr hängt der Wert aller Ersparnisse ab. Ohne sie ist auch der Außenhandel nicht möglich, auf den wir seit mehr als hundert Jahren angewiesen sind.
Die Steuern werden erhebliche sein; aber umso unbeugsamer werden wir für ihre sparsame Verwendung Sorge tragen. Es ist wichtiger, daß dem Bürger das zum Leben Notwendige gelassen wird, als daß die Verwaltungen sich mit prächtigen Einrichtungen versehen und Aufgaben in Angriff nehmen, die zu der einfachen Lebenshaltung der einzelnen in Widerspruch stehen. Solche Einsicht verlangen wir auch von der Wirtschaft, die sich wieder bewußt werden muß, daß Aufwendigkeit in der Verwaltung nur dem Behagen oder dem Geltungsbedürfnis einzelner dient, aber von allen in höheren Preisen oder von den Arbeitern in niedrigeren Löhnen getragen werden muß. Der Fortfall des ungeheuren Aufwandes der Partei ist schon ein Anfang der Heilung.
Die Grundlage geordneter Staatshaushalte ist seit 1933 durch unablässige und gewissenlose Vergeudung der Mittel durch Schuldenvermehrung verlassen. Es war bequem, dem Volke vorzugaukeln, daß es gelungen sei, den allgemeinen Wohlstand durch Verschwendung zu heben. In Wahrheit war dies Mittel erbärmlich, denn es bestand in hemmungslosem Schuldenmachen. Wir werden daher gerade im Kriege, in dem jeder Staat gezwungen ist, ungeheure Ausgaben zu machen, die äußerste Einfachheit und Sparsamkeit in allen öffentlichen Diensten herstellen. An einen echten Ausgleich kann überall erst nach Abschluß dieses Krieges gegangen werden.
Wir sehen in den wachsenden Schuldenlasten aller kriegführenden und neutralen Staaten eine ungeheuer große Gefahr. Sie bedrohen die Währungen. Jeder Staat wird sich nach diesem Kriege vor eine ganz außerordentlich schwierige Aufgabe gestellt sehen. Wir hoffen, für die Schuldentilgung Lösungen finden zu können, wenn es gelingt, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Völker wiederherzustellen.
11. Aber noch ist Krieg. In ihm gebührt unser aller Arbeit, Opfer und Liebe den Männern, die das Vaterland verteidigen. Ihnen haben wir alles an seelischen und materiellen Werten zuzuführen, was wir irgend schaffen können. Mit ihnen stehen wir in Reih und Glied, aber nunmehr alle wissen, daß nur die zur Verteidigung des Vaterlandes und zum Wohle des Volkes notwendigen, nicht aber die der Eroberungssucht und dem Prestigebedürfnis eines Wahnsinnigen dienenden Opfer verlangt, und daß wir diesen Krieg fernhin mit reinen Händen, in Anstand, mit der Ehrenhaftigkeit, die jeden braven Soldaten auszeichnet, führen werden. Den bisherigen Opfern dieses Krieges gehört unsere volle Fürsorge. Verzärtelungen erwarten sie nicht, aber Liebe und Möglichkeit, aus ihrem Leben noch etwas Nützliches zu machen.
In der Sorge für die Front müssen wir das Notwendige mit der größten Klarheit und Einfachheit vereinigen, mit dem Hin und Her bombastischer unausführbarer Befehle, die heute von der Wirtschaft nicht herstellbare Mengen von Panzerwagen, morgen von Flugzeugen und übermorgen von anderen Waffen und Geräten verlangt, ist Schluß gemacht. Es wird nur das Nötige und Zweckmäßige gefordert werden. Im Gegensatz zu der bisherigen despotischen Tyrannei erwarten wir von jedem zur Ausführung Berufenen, daß er von sich aus auf Irrtümer und Unstimmigkeiten rechtzeitig hinweist.
12. Wir haben vor diesem Kriege gewarnt, der so viel Leid über die ganze Menschheit gebracht hat, und können daher in Freimut sprechen.
Wir waren und sind der Ansicht, daß es andere Möglichkeiten gab, unsere Lebensinteressen sicherzustellen. Verlangt die nationale Würde von uns zur Zeit den Verzicht auf bittere Anklage, so werden wir doch dafür sorgen, daß auch hier die Verantwortlichkeiten vollkommen klargestellt und die Verantwortlichen, soweit es Deutsche sind, zur Rechenschaft gezogen werden. So notwendig dies ist, wichtiger ist, daß wir dem Frieden zustreben. Wir wissen, daß wir nicht allein Herren über Krieg und Frieden sind; wir sind auf die anderen angewiesen. Wir wissen dies zwar, aber es wäre unwürdig, nun deswegen wehleidig zu sein. Wir müssen durchstehen und dürfen uns nicht wundern, wenn es aus dem Walde so herausschallt, wie hineingerufen wurde. Aber wir wollen nun endlich die Stimme des wahren Deutschland erheben. Der Reichskanzler wird über den Rundfunk unsere Gedanken über den Frieden bekanntgeben.
Wir sind tief davon durchdrungen, daß die Welt vor einer der ernstesten Entscheidungen steht, vor die die Völker und ihre Führer je bewußt sich gestellt sahen. Gott selbst gibt uns die Frage auf, ob wir der von ihm gesetzten Ordnung der Gerechtigkeit entsprechen und seine Gebote, Freiheit und Menschenwürde zu achten sowie einander zu helfen, [be]folgen wollen oder nicht. Wir wissen, daß diese Ordnung und diese Gebote furchtbar verletzt sind, seitdem die Völker die Bahn gesegneten Friedens im Jahre 1914 verlassen haben. Nun stehen wir vor der Frage, ob wir die bitteren Erfahrungen, die wir machen mußten, benutzten und uns der Aussöhnung, dem gerechten Ausgleich der Interessen und der Heilung der furchtbaren Schäden durch Zusammenarbeit zuwenden wollen.
In dieser Stunde müssen wir Euch zurufen, daß es unsere vornehmste Aufgabe ist, tapfer und geduldig den vielfach entehrten deutschen Namen wieder reinzuwaschen. Wir Deutschen allein können und müssen sie erfüllen. Davon, daß wir dies unerbittlich ernsthaft und aufrichtig tun, hängt unsere Zukunft in erster Linie ab, gleichgültig, wie sie sich materiell gestaltet. Denn Gott ist nicht dazu da, bei jeder billigen Gelegenheit als Vorsehung angerufen zu werden, sondern er fordert auch und wacht darüber, daß seine Ordnung und seine Gebote nicht verletzt werden. Es war eine furchtbare Verirrung, deren Wurzeln auf das unselige Diktat von Versailles zurückgehen und die in der Zwischenzeit manche von Deutschen nicht zu verantwortende Nahrung erhalten hat, anzunehmen, daß unsere Zukunft auf dem Unglück anderer Völker, auf der Unterdrückung und der Verachtung der Menschenwürde aufgebaut werden könne. Wir haben dagegen gekämpft und beklagen, daß wir erst heute öffentlich dieser Verirrung zu Leibe gehen können. Wir alle wollen dem Ehrgefühl anderer Völker nicht zu nahe treten. Was wir für uns verlangen, müssen und wollen wir allen anderen zubilligen. Wir glauben, daß es im Interesse aller Völker liegt, daß der Friede ein dauerhafter wird. Das kann er nur, wenn er gerecht ist und der Zusammenarbeit der Arme, der Köpfe und der Herzen einen breiten Weg ebnet.
Vertrauen läßt sich nicht erzwingen und erreden. Aber was auch immer die Zukunft bringen möge: wir hassen die feige Beschimpfung des Gegners und sind davon überzeugt, daß alle Staatsführer nicht nur das Beste ihrer Völker, sondern ein fruchtbares Ende dieses Ringens wollen und mit uns bereit sind, alsbald die unmenschlichen und schließlich auf alle Völker zurückwirkenden Härten des leichtsinnig entfesselten totalen Krieges zu mildern. (Hier folgt eine aus der Lage sich ergebende Einschaltung.) In diesem Bewußtsein und im Vertrauen auf die innere Kraft unseres Volkes werden wir unbeirrt die Schritte tun, die wir ohne Schädigung unseres Volkes dem Frieden entgegen machen können. Wir wissen, daß das deutsche Volk es will.
Gehen wir wieder den Weg des Rechts, des Anstands und der gegenseitigen Achtung! In solchem Geist wollen wir alle unsere Pflicht erfüllen. Folgen wir ernsthaft und in allem den in unser Gewissen geschriebenen Geboten Gottes, auch dann, wenn sie uns hart ankommen, tun wir alles, um verwundete Seelen zu heilen und Leid zu mindern. Dann allein können wir die Grundlage für eine gesicherte Zukunft auch unseres Volkes in einer wieder von Vertrauen, von gesunder Arbeit und friedlichen Gefühlen erfüllten Völkerfamilie schaffen. Dies mit aller Kraft und mit heiligem Ernst zu tun, sind wir unseren Gefallenen schuldig, deren Vaterlandsliebe und Opfermut freventlich mißbraucht worden sind. Wie vielen von ihnen, die dies erkannt hatten, wurde die Pflichterfüllung zu bitterster Gewissensnot! Wieviel schönes menschliches Glück ist überall in der Welt zerstört!
So gebe uns Gott Einsicht und Kraft, dieser furchtbaren Opfer Sinn zum Segen von Generationen zu gestalten!"
Quelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin, 2008. Entwurf einer Regierungserklärung von Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler. Das Original ist verschollen; die vorliegende Fassung ist nach den Unterlagen der Sonderkommission zur Untersuchung des Attentats vom 20. Juli 1944 rekonstruiert worden. Redaktion: Petra Behrens, Prof. Dr. Johannes Tuchel.
Der Weg zum Attentat und Staatsstreich des 20. Juli 1944
Mit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 erhielt die Militäropposition neuen Auftrieb. Ihre Motivation bezog sie wesentlich aus der Erkenntnis vom verbrecherischen Charakter des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges in Osteuropa. Zudem wuchs die Einsicht, dass Deutschland den Krieg verlieren werde und mit Hitler zum Untergang verurteilt sei. Die immer noch kleine Militäropposition erhielt Zulauf. An der Ostfront bildete sich eine Widerstandsgruppe um Oberst Henning von Tresckow, eine weitere im besetzten Paris um den
dortigen Militärbefehlshaber, Carl-Heinrich von Stülpnagel. Das Zentrum der Verschwörung blieb Berlin. Hier entwarf ab 1942 ein Kreis um General Friedrich Olbricht in geheimer Zusammenarbeit mit Tresckow neue Staatsstreichpläne unter dem
Auf der neuen Grundlage wurden ab Frühjahr 1943 mehrmals Attentate auf Hitler vorbereitet. Sein Tod sollte die Voraussetzung für einen Staatsstreich, eine anschließende politische Neuordnung in Deutschland und die schnelle Beendigung des Krieges schaffen. Alle Attentatspläne scheiterten auf unglückliche Weise, wurden aber auch nicht entdeckt.
Neue Dynamik kam in die Verschwörung, als Oberstleutnant Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Oktober 1943 nach Berlin versetzt wurde. Seine Persönlichkeit und Funktion
Claus Graf Schenk von Stauffenberg und sein späterer Mitverschwörer Major Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim, Aufnahme von 1942. (© Bundesarchiv)
Claus Graf Schenk von Stauffenberg und sein späterer Mitverschwörer Major Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim, Aufnahme von 1942. (© Bundesarchiv)
machten ihn besonders geeignet dafür, die Umsturzplanungen zu vollenden. Stauffenbergs Bombenattentat am 20. Juli 1944 im "Führerhauptquartier" in Ostpreußen überlebte Hitler leicht verletzt. Der Staatsstreich fand daher nicht die nötige Unterstützung in der Wehrmacht und brach noch am selben Tag zusammen. Stauffenberg und seine engsten Mitverschwörer fielen einem sofortigen Willkürakt zum Opfer. Nur die wenigsten der anderen Beteiligten konnten sich der Gestapo (Geheime Staatspolizei) durch Flucht oder Selbstmord entziehen. Die meisten, etwa 200 Personen, wurden
durch den "Volksgerichtshof" zum Tod verurteilt und hingerichtet; unbeteiligte Familienangehörige verschwanden bis Kriegsende in "Sippenhaft".
Das NS-Regime wurde durch das Attentat nicht nachhaltig erschüttert. Es ging fortan nur noch brutaler gegen den Feind im Inneren vor. Hitlers Wille zur "totalen" Kriegsführung hielt unvermindert an und kostete mehr Menschenleben denn je. Erst nach dem Krieg konnte sich die große symbolische Wirkung des "20. Juli" entfalten: Die Gründerväter der Bundesrepublik Deutschland beriefen sich auf sein geistig-moralisches Vermächtnis und machten ihn dadurch zu einem Gründungsmythos des westdeutschen Staates. In der deutschen Bevölkerung fand der "20. Juli" dagegen erst sehr spät überwiegende Anerkennung.