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Widerstand gegen den Nationalsozialismus

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Das Bild vom Widerstand Deutscher gegen Hitler und sein Regime während des Krieges ist vielfältig. Einige tausend Menschen boten dem Regime mutig die Stirn. In der deutschen Bevölkerung bildeten sie freilich eine verschwindende Minderheit.

Helmuth James Graf von Moltke (1907-1945), führender Kopf des Kreisauer Kreises, vor dem Volksgerichtshof im Januar 1945.

Helmuth James Graf von Moltke (1907-1945), führender Kopf des "Kreisauer Kreises", vor dem "Volksgerichtshof" im Januar 1945. (© Bundesarchiv)

Nach Hitlers Machtübernahme 1933 gelang es den Nationalsozialisten mit brutalen Methoden sehr bald, die politischen Gegner in Deutschland "auszuschalten". Andersdenkende wurden auf verschiedene Weise mundtot gemacht. Gleichzeitig bescherten Erfolge in der Wirtschafts- und Außenpolitik dem NS-Regime breiten Rückhalt in der deutschen Bevölkerung. Auch die konservativen Eliten sahen im Nationalsozialismus eher einen Bundesgenossen im Kampf gegen Sozialismus und Kommunismus. Die Gewalttätigkeit des Regimes, die staatliche Verfolgung der deutschen Juden der anderen Minderheiten sowie und die Drangsalierung der christlichen Kirchen erregten deshalb selten offenen Widerspruch.

Anfänge einer Militäropposition

General Ludwig Beck (1880-1944).

General Ludwig Beck (1880-1944) (© Bundesarchiv)

Auch aus der Wehrmacht kam wenig Kritik am Nationalsozialismus. Das Militär profitierte enorm von Hitlers Aufrüstungspolitik und trug dessen aggressive Außenpolitik jahrelang bereitwillig mit. Diese Eintracht wurde Anfang 1938 gestört, als Hitler den Reichskriegsminister sowie den Oberbefehlshaber des Heeres unter fragwürdigen Umständen entließ, nachdem sie vorsichtig Einwände gegen seine Außenpolitik erhoben hatten. Aber erst der gefährliche Kriegskurs, den Hitler fast gleichzeitig mit der Annexion Österreichs und gegenüber der Tschechoslowakei einschlug, führte zu ernsthaftem Widerspruch, wenigstens in Teilen der Militärführung. Vergebens versuchte der Generalstabschef des Heeres, Ludwig Beck, Hitler zum Einlenken und die Generalität zum gemeinsamen Protest zu bewegen.

Oberst Hans Oster (1887-1945)

Oberst Hans Oster (1887-1945) (© Bundesarchiv)

Als Beck deshalb im August 1938 zurücktrat, hinterließ er in Berlin einen kleinen Kreis gleichgesinnter Offiziere aus dem Generalstab des Heeres und dem militärischen Nachrichtendienst, der "Abwehr". Diese Keimzelle einer Militäropposition knüpfte bald Verbindung zu Regimekritikern in anderen Teilen des Staatsapparates, vor allem im Auswärtigen Amt. Als sich im September 1938 die Sudetenkrise verschärfte, entstand hieraus eine erste Verschwörung zum Sturz des NS-Regimes. Ihr Motor war Oberstleutnant Hans Oster aus der "Abwehr". Er hatte die Unterstützung von Becks Nachfolger, Franz Halder, sowie des Befehlshabers im Berliner Wehrkreis, Erwin von Witzleben. Zum Staatsstreich kam es dennoch nicht; den Verschwörern fehlte ein Auslöser, als Hitler seine Ziele in der Sudetenkrise ohne Krieg erreichte.
Nach Hitlers neuem außenpolitischem Triumph gaben die Verschwörer ihre Pläne vorerst auf. Ein Regime zu stürzen, das mehr Rückhalt denn je in der Bevölkerung besaß, erschien aussichtslos. Diese Einschätzung lähmte die Militäropposition bis weit in den Krieg hinein. Die anfangs erfolgreiche deutsche Kriegführung ließ Gefolgschaft für einen Staatsstreich gerade in der Wehrmacht nicht erwarten. Eine neue Initiative, die im Herbst 1939 eine Ausweitung des Krieges verhindern wollte, scheiterte daher bereits im Ansatz. Oster ging deshalb so weit, die deutschen Angriffsabsichten im Westen an das Ausland zu verraten.

Der Weg zum Attentat und Staatsstreich des 20. Juli 1944

Mit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 erhielt die Militäropposition neuen Auftrieb. Ihre Motivation bezog sie wesentlich aus der Erkenntnis vom verbrecherischen Charakter des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges in Osteuropa. Zudem wuchs die Einsicht, dass Deutschland den Krieg verlieren werde und mit Hitler zum Untergang verurteilt sei. Die immer noch kleine Militäropposition erhielt Zulauf. An der Ostfront bildete sich eine Widerstandsgruppe um Oberst Henning von Tresckow, eine weitere im besetzten Paris um den

Walküre-Befehl der Verschwörer des 20. Juli 1944. (© Bundesarchiv)

dortigen Militärbefehlshaber, Carl-Heinrich von Stülpnagel. Das Zentrum der Verschwörung blieb Berlin. Hier entwarf ab 1942 ein Kreis um General Friedrich Olbricht in geheimer Zusammenarbeit mit Tresckow neue Staatsstreichpläne unter dem Interner Link: Decknamen "Walküre"

.

Auf der neuen Grundlage wurden ab Frühjahr 1943 mehrmals Attentate auf Hitler vorbereitet. Sein Tod sollte die Voraussetzung für einen Staatsstreich, eine anschließende politische Neuordnung in Deutschland und die schnelle Beendigung des Krieges schaffen. Alle Attentatspläne scheiterten auf unglückliche Weise, wurden aber auch nicht entdeckt.

Neue Dynamik kam in die Verschwörung, als Oberstleutnant Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Oktober 1943 nach Berlin versetzt wurde. Seine Persönlichkeit und Funktion

Claus Graf Schenk von Stauffenberg und sein späterer Mitverschwörer Major Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim in einer Aufnahme von 1942.

Claus Graf Schenk von Stauffenberg und sein späterer Mitverschwörer Major Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim, Aufnahme von 1942. (© Bundesarchiv)

machten ihn besonders geeignet dafür, die Umsturzplanungen zu vollenden. Stauffenbergs Bombenattentat am 20. Juli 1944 im "Führerhauptquartier" in Ostpreußen überlebte Hitler leicht verletzt. Der Staatsstreich fand daher nicht die nötige Unterstützung in der Wehrmacht und brach noch am selben Tag zusammen. Stauffenberg und seine engsten Mitverschwörer fielen einem sofortigen Willkürakt zum Opfer. Nur die wenigsten der anderen Beteiligten konnten sich der Gestapo (Geheime Staatspolizei) durch Flucht oder Selbstmord entziehen. Die meisten, etwa 200 Personen, wurden

durch den "Volksgerichtshof" zum Tod verurteilt und hingerichtet; unbeteiligte Familienangehörige verschwanden bis Kriegsende in "Sippenhaft".

Das NS-Regime wurde durch das Attentat nicht nachhaltig erschüttert. Es ging fortan nur noch brutaler gegen den Feind im Inneren vor. Hitlers Wille zur "totalen" Kriegsführung hielt unvermindert an und kostete mehr Menschenleben denn je. Erst nach dem Krieg konnte sich die große symbolische Wirkung des "20. Juli" entfalten: Die Gründerväter der Bundesrepublik Deutschland beriefen sich auf sein geistig-moralisches Vermächtnis und machten ihn dadurch zu einem Gründungsmythos des westdeutschen Staates. In der deutschen Bevölkerung fand der "20. Juli" dagegen erst sehr spät überwiegende Anerkennung.

Interner Link: Aus dem Ermittlungsbericht der Gestapo über die "Technik der Stauffenberg-Gespräche"

Technik der Stauffenberg-Gespräche

Widerstand gegen den Nationalsozialismus - Orte des Umsturzversuches am 20. Juli 1944

Widerstand gegen den Nationalsozialismus - Orte des Umsturzversuches am 20. Juli 1944 (Grafik öffnet als PDF) (© bpb)

Zivile Widerstandskreise innerhalb und außerhalb der Verschwörung

Attentat und Staatsstreich des 20. Juli 1944 wurden von Offizieren durchgeführt. Ihre Tat beruhte jedoch auf einem Netzwerk militärischer und ziviler Widerstandsgruppen. Ohnehin fällt, gerade mit Blick auf die an der Verschwörung beteiligten Reserveoffiziere, in einer Kriegsgesellschaft die Abgrenzung zwischen Zivil und Militär schwer. Insofern war der "20. Juli 1944" das Werk einer zivil-militärischen Verschwörung.

Allein die Überlegungen und Vorbereitungen für die politische Neuordnung nach Hitler bedurften der Mitwirkung ziviler Fachleute. Vor allem zwei Gruppierungen nahmen sich dieser Aufgabe an: zum einen der liberal-konservative "Kreisauer Kreis" um Helmuth James Graf von Moltke, der sich 1940 formierte, zum anderen national-konservative Honoratiorenzirkel, die sich schon vor dem Krieg um Carl Goerdeler gebildet hatten. Auch Sozialdemokraten und Gewerkschafter wie Julius Leber, Wilhelm Leuschner und Jakob Kaiser beteiligten sich. Die politische Vielfalt fand in unterschiedlichen Ideen und Entwürfen ihren Ausdruck;

Carl Friederich Goerdeler (1884-1945), hier während des Prozesses vor dem Volksgerichtshof im August 1944.

Carl Friederich Goerdeler (1884-1945), hier während des Prozesses vor dem "Volksgerichtshof" im August 1944. (© Bundesarchiv)

dabei konkurrierten moderne demokratische mit eher autoritären Vorstellungen von Politik und Gesellschaft. In ihrem Willen zum Sturz des NS-Regimes einten alle zwei Hauptziele: die schnelle Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Rechtsstaates.

Von den zivilen Verschwörern des "20. Juli" überlebten ebenfalls nur wenige die anschließende Verfolgungswelle. Nicht anders erging es den allermeisten Angehörigen von Widerstandsgruppen außerhalb der zivil-militärischen Verschwörung. Zahlenmäßig relativ stark und aktiv war der kommunistische Widerstand. Mitglieder der 1933 verbotenen KPD hatten eine relativ weit verzweigte Untergrundorganisation in Deutschland schaffen können, die vor allem im Arbeitermilieu wurzelte. Ihre Gruppen kämpften mit Propaganda und Sabotageaktionen gegen das NS-Regime. Die bekanntesten von Ihnen bildeten sich um Bernhard Bästlein in Hamburg, um Wilhelm Knöchel im Ruhrgebiet sowie um Robert Uhrig und Anton Saefkow in Berlin; fast alle wurden vor und während des Krieges von der Gestapo nach und nach zerschlagen, ihre Mitglieder in großer Zahl hingerichtet. Im Unterschied zu KPD und Sozialisten waren die Sozialdemokraten strukturell weniger gut auf Illegalität und konspirative Arbeit vorbereitet, in die sie von den NS-Machthabern 1933 gedrängt wurden. Einige führende Sozialdemokraten flüchteten ins Ausland und bauten dort eine neue Parteiorganisation auf, ohne jedoch nennenswerten Einfluss auf die Verhältnisse in Deutschland zu gewinnen. Andere blieben im Land und verschwanden – wie Kurt Schumacher – die längste Zeit im KZ oder schlossen sich – wie Leber oder Leuschner – nach zeitweiliger Inhaftierung der Verschwörung des 20. Juli an und bezahlten dafür mit ihrem Leben.

Ideologisch schwerer einzuordnen ist ein Berliner Widerstandskreis, die heute unter dem Namen "Rote Kapelle" bekannt ist. Sie umfasste Menschen verschiedenster sozialer Herkunft und politischer Prägung, die sich bereits während der 1930er Jahre fanden, weil sie das NS-Regime ablehnten. Ihr privater politischer Meinungsaustausch führte sie bald zu vielfältigen Widerstandsaktivitäten, von der Hilfe für politisch Verfolge über Flugblattaktionen bis hin zur Kontaktierung ausländischer Zwangsarbeiter. Erst Anfang der 1940er Jahre schlossen sich die etwa 150 Personen zählenden Kreise enger um ihre führenden Köpfe zusammen: den Oberleutnant im Reichsluftfahrtministerium Harro Schulze-Boysen und den Oberregierungsrat im Reichswirtschaftsministerium Arvid Harnack. Zum Verhängnis wurde der Gruppe schließlich ihr Kontakt mit dem sowjetischen Nachrichtendienst, dem sie kriegswichtige Informationen übermittelte. Die Gestapo fahndete deshalb nach ihr unter dem Sammel-Decknamen "Rote Kapelle" für alle sowjetischen Spionagegruppen in Westeuropa. Von der deutschen Spionageabwehr aufgeklärt, konnte die Gestapo 1942/43 die meisten Mitglieder des Kreises um Harnack und Schulze-Boysen verhaften; etwa die Hälfte von ihnen wurde hingerichtet.

Studenten der Universität München bildeten 1942 eine Interner Link: Widerstandsgruppe, die sich selbst "Weiße Rose" nannte

. Den Anstoß gaben Medizinstudenten, die den Schrecken des Krieges und deutsche Verbrechen an der Ostfront erlebt hatten. Die Gruppe um Hans und Sophie Scholl, der sich auch Professor

Kurt Huber anschloss, wendete sich mit Flugblättern hauptsächlich an gebildete Schichten. Eine solche Aktion führte 1943 zur Verhaftung der Hauptbeteiligten. Sie und andere wurden hingerichtet oder ermordet; etwa 60 Beteiligte überlebten den Krieg.

Daneben organisierte sich Widerstand zuweilen spontan. So demonstrierten Anfang 1943 mehrere hundert Menschen vor einem Sammellager in der Berliner Rosenstraße tagelang – und erfolgreich – gegen die Verhaftung und Deportation ihrer jüdischen Ehepartner und Angehörigen. In den letzten Kriegstagen sagten sich bayerische Patrioten um den Reserveoffizier Rupprecht Gerngroß vom NS-Regime los. Der Aufstand der "Freiheitsaktion Bayern" wurde nach Anfangserfolgen blutig niedergeschlagen.

D.Bonhoeffer im Gefaengnis Berlin-Tegel Bonhoeffer, Dietrich evang. Theologe, Widerstandskaempfer Breslau 4.2.1906 - (hingerichtet) KZ Flossenbuerg 9.4.1945. - Bonhoeffer im Hof des Wehrmachtunter- suchungsgefaengnis in Berlin-Tegel, Sommer 1944. - Foto.

Dietrich Bonhoeffer während der Haft (1943-1945) im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-Tegel. (© dpa)

Weitgehend regimetreu zeigten sich die beiden großen christlichen Kirchen. Nur vereinzelt protestierten hohe Amtsträger wie der evangelische Bischof Theophil Wurm oder der katholische Bischof Clemens August Graf von Galen öffentlich gegen NS-Unrecht. Um sich von den nationalsozialistischen "Deutschen Christen" abzugrenzen, solidarisierten sich evangelische Christen in der "Bekennenden Kirche" gegen Judenverfolgung, Euthanasie und Krieg. Einige Geistliche wie Pfarrer Dietrich Bonhoeffer und Pater Alfred Delp schlossen sich sogar dem zivil-militärischen Widerstand an; beide wurden kurz vor Kriegsende ermordet. Die "Zeugen Jehovas" wiederum verweigerten sich aus religiösen Gründen vielfach dem totalitären Staat und dabei speziell der Einziehung zum Kriegsdienst; Hunderte von ihnen wurden deshalb wegen "Wehrkraftzersetzung" mit dem Tode oder übermäßig hart bestraft.

Widerstand von Einzelpersonen und Sonderformen

Unabhängig von den mehr oder weniger organisierten Widerstandskreisen handelten nicht wenige Einzelpersonen ganz auf sich gestellt absichtsvoll gegen das NS-Regime oder bekämpften es sogar. Unter ihnen sticht der schwäbische Handwerker Georg Elser hervor. Seinem Bombenattentat am 8. November 1939 in München entging Hitler nur durch Zufall. Unmittelbar danach verhaftet, wurde Elser bei Kriegsende auf Befehl Himmlers ermordet.
Im Alltag des "Dritten Reichs" kam es immer wieder

zu Formen unangepassten Verhaltens, die das NS-Regime unnachsichtig bekämpfte. Vor allem Jugendliche aus dem Arbeitermilieu deutscher Industriegebiete rebellierten gegen den Zwang zur Anpassung, der für sie von nationalsozialistischen Jugendorganisationen wie der „Hitlerjugend“ ausging. Bekannt wurden etwa die so genannten "Edelweißpiraten" im Ruhrgebiet. Selten handelte es sich hierbei um Widerstand im Sinn politisch bewussten, aktiven Handelns. Eine solche Haltung zeigten dagegen oft jene Personen, die couragiert Verfolgten und Opfern des Regimes halfen, etwa jüdische Bürger bei sich versteckten.

Gerade an Orten größter NS-Verbrechen wie im besetzten Osteuropa bewiesen manche Deutsche besondere Humanität, meist unter Lebensgefahr.

Weithin bekannt ist der Fall des Fabrikanten Oskar Schindler, der in Polen über 1.000 jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung bewahrte. Auch in der Wehrmacht gab es einige solche Persönlichkeiten. So retteten Hauptmann Wilm Hosenfeld in Warschau und Feldwebel Anton Schmid in Wilna planvoll zahlreiche Menschenleben. Letzterer wurde entdeckt und 1942 hingerichtet; Ersterer kam dagegen 1952 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft elend ums Leben. Widerstand leisteten nicht zuletzt Personen, die sich durch Verweigerung, Selbstverstümmlung oder Fahnenflucht einem verbrecherischen Krieg entzogen und damit einem Unrechtsregime widersetzen wollten. Dieses Motiv wird man wenigstens einem Teil der weit über 100.000 Deserteure der Wehrmacht unterstellen können. Die deutsche Militärjustiz verhängte in solchen Fällen Tausende von Todesurteilen und andere harte Strafen. Je näher das Kriegende rückte, desto brutaler ging das Regime mit Widerstand um.

Standgerichte vollstreckten zahlreiche Todesurteile an Zivilisten und Soldaten, die vor dem nahen Feind kapitulieren wollten. Schließlich wurden Deutsche auch außerhalb des deutschen

Machtbereichs gegen das NS-Regime tätig. Das betrifft zum einen die vielen, teils prominenten Exilanten im freien westlichen Ausland, die im Dienst der alliierten Propaganda oder der alliierten Armeen standen. So etwa wandte sich der Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann während des Kriegs aus seinem amerikanischen Exil über Rundfunk regelmäßig an die deutsche Bevölkerung, um sie über den wahren Charakter des NS-Regimes aufzuklären. Sein Sohn Klaus trat Ende 1941 sogar in die US-Armee ein. Ein anderes Beispiel ist Willy Brandt, der spätere westdeutsche Bundeskanzler und Friedens-Nobelpreisträger. Als Mitglied einer von den NS-Machthabern verbotenen sozialistischen Partei emigrierte er 1933 zuerst nach Norwegen, von dort 1940 nach Schweden. Im Exil engagierte er sich weiter gegen das NS-Regime; unter falscher Identität kehrte er zweitweise sogar nach Deutschland zurück und war hier im politischen Untergrund für seine Partei aktiv.

Die sowjetische Seite baute ab 1941 zunächst auf die vor Hitler nach Moskau geflüchteten Führungsmitglieder der KPD, soweit sie den Terror der 1930er Jahre unter Stalin überlebt hatten. Schon bald zeigte sich, dass die alten kommunistischen Klassenkampfparolen in der deutschen Bevölkerung keinen breiten Widerstand gegen das NS-Regime entfachen konnten. Eine neue Chance sah man gekommen, als ab 1943 vermehrt deutsche Soldaten in sowjetische Kriegsgefangenschaft gerieten. Auf Betreiben Stalins schlossen sich im Juli 1943 führende kommunistische Emigranten, darunter Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck, mit deutschen Kriegsgefangenen, unter ihnen hohe Offiziere der in Stalingrad vernichteten 6. Armee, im „Nationalkomitee Freies Deutschland“ (NKFD) zusammen. Obwohl die Propaganda des NKFD stärker deutschnationale Töne anschlug, erreichte auch sie nicht die erhoffte Wirkung, weder unter den deutschen Soldaten an der Front noch in Deutschland selbst.

Insgesamt fand der Widerstand Deutscher "von außen" während des Krieges in der deutschen Bevölkerung kaum Resonanz. Größere politische Bedeutung erlangte das deutsche Exil erst nach dem Kriegsende durch die Mitwirkung von Rückkehrern beim politischen Neuaufbau Deutschlands bzw. beider deutscher Staaten. Die allermeisten Rückkehrer aus dem westlichen Exil – überwiegend Personen konservativer, liberaler oder sozialdemokratischer Prägung – engagierten sich in den drei westlichen Besatzungszonen und später für den Aufbau eines demokratischen Westdeutschland. Dagegen setzte sich im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands eine Gruppe von KPD-Funktionären aus dem Moskauer Exil durch. Unter der Leitung von Ulbricht errichteten sie im Auftrag Stalins eine kommunistische Diktatur nach sowjetischem Vorbild, die spätere DDR.

Die Gesamtschau ergibt ein äußerst vielfältiges Bild vom Widerstand Deutscher gegen Hitler und sein Regime während des Krieges. Es zeigt, dass einige tausend Menschen nicht nur anständig geblieben waren, sondern auch mutig dem Regime aktiv die Stirn boten. Freilich bildeten sie eine verschwindende Minderheit in der deutschen Bevölkerung. Sofern nicht ohnehin Parteinahme oder mindestens Sympathie für den Nationalsozialismus vorherrschten, bestimmten politische Resignation und Anpassung das Verhältnis der Deutschen zum nationalsozialistischen Regime.

Weiterführende Literatur:

  • Detlef Bald (Hrsg.), "Wider die Kriegsmaschinerie". Kriegserfahrungen und Motive des Widerstandes der "Weißen Rose", Essen 2005.

  • Dorothea Beck, Julius Leber. Sozialdemokrat zwischen Reform und Widerstand, Berlin 1983.

  • Günter Brakelmann, Helmuth James von Moltke 1907–1945. Eine Biographie, München 2007.

  • Wilfried Breyvogel (Hrsg.), Piraten, Swings und Junge Garde. Jugendwiderstand im Nationalsozialismus, Bonn 1991.

  • Hans Coppi jr., Jürgen Danyel, Johannes Tuchel (Hrsg.), Die Rote Kapelle im Widerstand gegen Hitler, Berlin 1992.

  • Joachim Fest, Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli, Berlin 1994.

  • Detlef Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium. Die Zeugen Jehovas im "Dritten Reich", München 1993.

  • Wolf Gruner, Widerstand in der Rosenstraße. Die Fabrik-Aktion und die Verfolgung der "Mischehen" 1943, Frankfurt am Main 2005.

  • Peter Hoffmann, Widerstand – Staatsstreich – Attentat, Stuttgart 1969 (31979).

  • Peter Hoffmann, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder, Stuttgart 1992.

  • Inge Jens (Hrsg.), Hans und Sophie Scholl: Briefe und Aufzeichnungen, Frankfurt am Main 1984.

  • Joachim Kuropka (Hrsg.), Bischof Clemens August Graf von Galen. Menschenrechte – Widerstand – Euthanasie – Neubeginn, Münster 1998.

  • Hartmut Mehringer, Widerstand und Emigration. Das NS-Regime und seine Gegner, München 1997.

  • Hans Schafranek, Johannes Tuchel (Hrsg.), Krieg im Äther. Widerstand und Spionage im Zweiten Weltkrieg, Wien 2004.

  • Peter Steinbach, Johannes Tuchel (Hrsg.), Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur 1933–1945, Berlin 2004.

  • Peter Steinbach, Johannes Tuchel, Georg Elser, Berlin 2008.

  • Christiane Tietz, Dietrich Bonhoeffer. Theologe im Widerstand, München 2013.

  • Gerd R. Ueberschär (Hrsg.), Das Nationalkomitee 'Freies Deutschland' und der Bund Deutscher Offiziere, Frankfurt 1996.

  • Thomas Vogel (Hrsg.), Aufstand des Gewissens. Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime 1933-1945, Hamburg u.a. 2000.

  • Wolfram Wette (Hrsg.), Retter in Uniform. Handlungsspielräume im Vernichtungskrieg der Wehrmacht, Frankfurt a. M. 2002.

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