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Deutschland sollte nur Zwischenstation sein | bpb.de

Deutschland sollte nur Zwischenstation sein Porträt: Bita Shahrokhi

Sonja Ernst

/ 5 Minuten zu lesen

Die Zahnärztin Bita Shahrokhi begreift sich als kulturelle Melange, Probleme der Identitätsfindung sind ihr fremd. Während ihrer Jugend hat sich die heute 32-Jährige aus dem persischen Alltag zu Hause und dem deutschen in der Schule jeweils das Beste herausgepickt.

"Ich wurde in Teheran geboren", sagt Bita Shahrokhi und seufzt. "Das steht auch so in meinem deutschen Pass und bringt mich immer wieder in Schwierigkeiten." Zuletzt während einer gemeinsamen Reise mit ihrem Ehemann in den USA, als die beiden bei einer Zwischenlandung ihren Weiterflug verpassten. Denn "Geburtsort Teheran" kann stundenlanges Warten am Flughafen mit sich bringen, nicht nur in den USA: Man wird befragt, überprüft und noch einmal befragt. Bis Argwohn und Terrorverdächtigungen aus dem Weg geräumt sind, ist der Anschlussflug längst weg.

Bita Shahrokhi hat schwarze schulterlange Haare und große braune Augen. Sie ist modisch gekleidet, in schwarz-weiß Tönen. Die Zahnärztin ist aufgeschlossen und erzählt lebhaft. Als die heute 32-Jährige neun Jahre alt war, herrschte Krieg zwischen ihrem Heimatland Iran und dem Nachbarn Irak. Damals verließen viele Menschen Iran, auch die Soratis, Bitas Familie. Doch in ihrem Fall war es nicht allein der Krieg, der sie zur Ausreise bewog, sondern die Krankheit der Mutter: Die Diagnose lautete Multiple Sklerose. Die Ärzte in Iran sagten, die beste Behandlung bekäme die Mutter in den USA. Die Soratis verkauften all ihre Habe und machten sich auf den Weg dorthin - über den Umweg Deutschland.

Das war im Jahr 1987. Zunächst kamen Bita und ihre Schwester allein nach Deutschland, nach wenigen Monaten folgten die Eltern. In Deutschland lebten bereits die Großmutter und eine Tante. Das machte den Anfang leichter. Dennoch sollte Deutschland nur Zwischenstation bleiben und die Soratis beantragten die Green Card für die USA. "Aber dann lief hier alles sehr gut", sagt Bita Shahrokhi. In Deutschland besuchten sie und ihre Schwester die Schule, sie schlossen Freundschaften und lebten sich ein. Als die Familie nach fünf Jahren endlich die Green Card erhielt, entschied sie sich gegen die Ausreise in die USA. "Vor allem meine Mutter wollte damals nicht, dass ich und meine Schwester noch einmal in einem neuen Land neu anfangen mussten", erzählt Bita Shahrokhi.

"Für Kinder ist ein Neuanfang viel einfacher"

Die Soratis lebten zunächst in Frankfurt am Main, später in einem kleinen Ort bei Krefeld. Bita war damals die einzige Ausländerin in ihrer Schulklasse. Sie lernte schnell Deutsch. "Ich musste die Sprache rasch lernen, denn jemand musste für meine Mutter übersetzen, bei all den Arztterminen. Und ich rede sowieso viel und gerne", sagt Bita und lacht. Ihr Vater war in Iran Lehrer, hier in Deutschland nahm er ganz unterschiedliche Arbeiten an. Man versuchte, so gut wie möglich durchzukommen. "Für Kinder ist ein Neuanfang viel einfacher", sagt Bita. "In Iran gehörte meine Familie der Oberschicht an, hier mussten sie von Neuem beginnen. Meine Eltern haben das nie direkt gesagt, aber sie haben von uns erwartet, dass wir Karriere machen. Für meine Schwester und mich war klar, dass wir studieren werden und zwar ein Fach mit Aussicht auf Erfolg."

Bita Shahrokhi machte das Abitur, dann zog es sie in die USA - das alte Traumland der Familie. Sie wohnte bei einem Onkel und wollte Psychologie studieren. Doch ihr Onkel riet ihr davon ab; sie solle lieber in Deutschland studieren und zwar Medizin "Und wie das so ist bei uns Iranern, man hört auf die Älteren", sagt Bita und schmunzelt. Sie kam zurück und schrieb sich an der Universität in Mainz für Zahnmedizin ein. "Ich war immer ein Angsthase beim Zahnarzt", sagt Bita Shahrokhi. "Später habe ich mich dann auf Angstpatienten spezialisiert, auch auf Kinder. Das klappt sehr gut, weil ich mir vorstellen kann, wie man sich fühlt beim Zahnarzt." Nach dem Studium arbeitete sie drei Jahre als Zahnärztin und zwei Jahre als Weiterbildungsassistentin für Kieferorthopädie in einer Wuppertaler Praxis. Im Februar 2010 hat sie ihren Master in Kieferorthopädie erworben, nun steht ihr noch ihr klinisches Jahr an einer Universitätsklinik bevor bis sie 2011 ihren Facharzt in Kieferorthopädie abschließen kann.

Das Beste aus zwei Kulturen

Bita Shahrokhi verband lange Zeit nur wenig mit der iranischen Kultur und Tradition. Ihre Eltern erzogen sie und ihre Schwester sehr liberal. Beide hatten viele deutsche Freunde. Außerdem gab es noch Herrn und Frau Schürmann, die Nachbarn. "Die waren fast wie unsere Großeltern", sagt Bita. "Sie halfen uns bei den Hausaufgaben und an Weihnachten gab es Geschenke." Die Frage nach ihrer kulturellen Identität, beantwortet Bita unbeschwert. Sie sei einfach ein Mischmasch. "Zuhause haben wir relativ persisch gelebt, aber in der Schule war ich genau wie alle anderen auch. Ich habe mir die Rosinen aus beiden Kulturen herausgepickt." Für Bita Shahrokhi sind Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Optimismus ihre eher deutsche Seite und Warmherzigkeit, starke Familienorientierung und viel Temperament prägen die persische.

Den Wunsch sich stärker mit der Heimat der Familie auseinanderzusetzen, verspürte sie erst im Erwachsenenalter. Vor vier Jahren erzählte ein Cousin Bita von einer Internetplattform, auf der sich junge Iraner austauschen, über ihre Identität, die Geschichte Irans und vieles mehr. "Ich habe das dann mal ausprobiert und war sofort angetan von diesem Kosmos", sagt Bita. Sie fing an sich mehr zu interessieren, mehr zu lesen, sich mehr Fragen zu stellen. "Ich habe da erst einen Draht zu Iran und zu seiner Geschichte hergestellt."

Vor drei Jahren kehrte sie zum ersten Mal nach Iran zurück, gemeinsam mit ihrer Mutter. Sie besuchten Teheran, wo ein Großteil der Familie lebt, und die antike Stadt Persepolis im Süden Irans. Ein Muss, wie Bita sagt. In Persepolis hatten sie einen iranisch-deutschen Führer. "Diese ganzen speziellen Sachen hätte ich auf persisch gar nicht verstanden", erzählt Bita amüsiert. Die Zeit in Iran betrachtet sie mit gemischten Gefühlen. "Ich hatte so viel darüber gehört, wie warmherzig die Menschen in Iran sind. Und das stimmt. Auch die Familienbande sind sehr, sehr eng", sagt Bita. Aber wirklich zu Hause, habe sie sich nicht gefühlt. "Als Ausländerin kennt man gar nicht alle Regeln. Wie man zum Beispiel richtig das Kopftuch anzieht, wie man sich überhaupt angemessen kleidet. Das war wirklich stressig für mich."

Fussnoten