Als Japan am 15. August 1945 seine Niederlage erklärte und damit den Zweiten Weltkrieg beendete, lagen 215 japanische Städte in Trümmern.
Der desolate Zustand der Städte spiegelte den allgemeinen Zustand der japanischen Gesellschaft wider. Das Land war besiegt und besetzt, und seine politische Zukunft war unklar. Die Wirtschaft lag am Boden, und die Menschen kämpften verzweifelt um ihr Überleben. Großartige Wiederaufbaupläne und Denkmale an die Zerstörung waren unter diesen Bedingungen nicht möglich. Der konkrete Wiederaufbau wurde weitgehend den privaten Landbesitzern überlassen, die ihre Häuser möglichst schnell wieder errichten wollten, aber nicht an besonderen architektonischen Gesten der Erinnerung interessiert waren. Die Neugestaltung japanischer Städte konzentrierte sich auf die Verbesserung der Infrastruktur, auf Straßenverbreiterung und -begradigung.
Heute, fünfzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, erinnert in den meisten japanischen Städten fast nichts mehr an ihre frühere Zerstörung. Nachkriegsbauten entstanden zwar mit neuen Baumaterialien an breiteren Straßen, bei diesen architektonischen und städtebaulichen Veränderungen handelt es sich jedoch nicht um eine Reaktion auf die Zerstörungen des Luftkrieges, sondern um das Ergebnis der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformationen der Nachkriegszeit, die auch vor den Toren historischer Städte, die von den Bomben des Zweiten Weltkriegs verschont geblieben waren, nicht Halt machten. Neubauten, Straßenverbreiterungen und Stadtwachstum bestimmen zum Beispiel auch das Stadtbild von Kioto, der im Krieg nicht bombardierten historischen und kulturellen Hauptstadt Japans. Die einzige japanische Stadt, die ihren Wiederaufbau zum Anlass für eine Neuformulierung ihrer Stadtfunktion und ihres Stadtbildes genommen hat, ist Hiroshima. Dort wurde in der Nachkriegszeit mit dem Friedensboulevard, dem Friedenszentrum und dem so genannten Atombombendom – eines der Backsteingebäude, das nicht durch den Druck der Explosion hinweggefegt und als Mahnmal bewahrt wurde – eine neue Stadtmitte geschaffen. Hiroshima ist zu einem internationalen Symbol geworden, da es bekanntlich dort das erste Mal geschah, dass eine Atombombe über einem dicht bevölkerten städtischen Gebiet explodierte.
Obwohl japanische Städte im Laufe der Jahrhunderte regelmäßig von Erdbeben, Taifunen, Flutwellen und Feuern zerstört wurden, sind großflächige, monumentale oder visionäre Wiederaufbauplanungen und Baudenkmale in Erinnerung an vorhergehende Zerstörung selten. Auch gewaltigen Zerstörungen, wie sie 1923 das Große Kanto Beben in Tokio und Yokohama hervorrief, folgten pragmatische Wiederaufbauplanungen. Dieses Ereignis und seine Konsequenzen unterscheiden sich jedoch in verschiedener Hinsicht von der Zerbombung von 1945. Die zuständigen Planenden in Tokio versuchten direkt nach dem Krieg in ihren Wiederaufbauplanungen nicht, die Rolle der japanischen Hauptstadt in den verlorenen Aggressionskriegen zu kommentieren oder der in Luftangriffen getöteten Zivilbevölkerung zu gedenken. Ihre Planungen waren auf die Verbesserung der städtebaulichen Form gerichtet, unabhängig von den politischen Ereignissen, die zur Zerstörung der Hauptstadt geführt hatten. Nach Meinung von Hideaki Ishikawa, dem langjährigen Leiter der Stadtplanungsabteilung der Tokioter Metropolitanen Regierung, waren die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs eine einzigartige Gelegenheit, neue Formen zu schaffen. So kommentierte Ishikawa die Zerstörung Hiroshimas mit den Worten: "Hiroshima hat eine Ressource, die in Hunderten von Jahren nur selten zur Verfügung steht. Es ist dieses weite, offene Land."
Erste Nachrichten nach dem Bombenabwurf nährten Befürchtungen, dass das Land für viele Generationen unbewohnbar sein würde. Die Annahme, dass die Stadt deshalb für einen Wiederaufbau ungeeignet sei, führte unter anderem zum Vorschlag, eine neue Stadt an einem anderen Ort zu bauen.
Der Bürgermeister und die Hälfte der Verwaltungsangestellten waren jedoch durch die Atombombe getötet worden, und der Stadtverwaltung fehlte es an MitarbeiterInnen, um so ein Projekt durchzuführen. Der Präfekturgouverneur übernahm die Verwaltung. 1946 lag der erste Wiederaufbauplan vor.
Für Tange war das Projekt der Friedensstadt Anlass, Hiroshima neu zu erfinden.
Das heutige Hiroshima zeigt dennoch nicht die Schönheit, Harmonie und Lebensqualität, die sich die Planenden wünschten. Der Friedenspark, das Museum und der Boulevard existieren zwar als Denkmale im Hinblick auf die Zerstörung, sie sind jedoch Teil einer gewöhnlichen japanischen Stadt ohne eine umfassende Vision und vielfältige architektonische Denkmale in der gesamten Stadt, wie Tange sie erhofft hatte.
Im Gegensatz zu Tokio, das sich als wesentlicher Akteur des Krieges auf einen pragmatischen Wiederaufbau konzentrierte, verlieh Hiroshima seinem Status als Opfer einer nie zuvor da gewesenen Zerstörung und dem qualvollen Massentod der zivilen Bevölkerung im Friedenszentrum Ausdruck. Daraus ergibt sich die Frage, ob Städte, deren Nation auf der Gewinnerseite stand, andere Wiederaufbaustrategien verfolgten, als jene, deren Länder zu den Verlierern gehörten, ob der Wiederaufbau vom Trauma des Krieges bestimmt wird, oder ob er weitgehend das Resultat von langjährigen Stadtplanungstraditionen ist.
Quelle: Der Text ist ein Auszug aus dem Beitrag "Trauma und Stadtplanung" in: Fraisl, Bettina/Monika Stromberger (Hg.): Stadt und Trauma/City and Trauma. Annäherungen – Konzepte – Analysen. Würzburg: Königshausen & Neumann 2004, S. 105-122.