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Zum Wiederaufbau Hamburgs | Wiederaufbaupläne der Städte | bpb.de

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Zum Wiederaufbau Hamburgs Rede von Fritz Schumacher im Hamburger Rathaus am 10. Oktober 1945 (Auszug)

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Am 10. Oktober 1945 hielt der Städtebauer und Architekt Fritz Schumacher im Hamburger Rathaus seine viel beachtete Rede zum Wiederaufbau der Stadt. Sie formuliert beispielhaft die Aufbauprogrammatik in den westdeutschen Großstädten: Aufgelockert, in klar gegliederter Form sollten sie neu gestaltet werden.

Die folgende Rede Schumachers basiert auf einem Text vom Dezember 1945 und erscheint in vielerlei Hinsicht exemplarisch – in ihrer Gültigkeit weit über den "Zusammenbruch" hinaus, und in der zum Ausdruck gebrachten Hoffnung auf die Neugestaltung der Großstadt in aufgelockerter und gegliederter Form. Fritz Schumacher (1869-1947) studierte in München und Berlin, lehrte 1901-1909 in Dresden und wirkte anschließend bis 1933 als Oberbaudirektor in Hamburg, 1920-1923 auch als Technischer Bürgermeister in Köln, und gilt als bedeutender Städtebauer, Architekt, Reformer und Schriftsteller.

"Das apokalyptische Geschehen, das über uns dahingebraust ist, hat den Blick in doppelter Weise geschärft: einmal für die unersetzlichen Werte und einmal für die bedenklichen Schwächen einer heutigen Großstadt wie Hamburg. Es gibt viele Großstadtmenschen, die heute erst die Schönheit ihrer Stadt begriffen haben. Nicht als ob ihnen die widerwärtigen Gebiete, die keiner großen Stadt im Lauf der letzten hundert Jahre erspart geblieben sind, plötzlich schön erschienen wären, sondern wie merkten, dass diese oft gelästerte Stadt trotz allen Fehlleistungen eine Seele hatte [...]. Nach dieser undefinierbaren Seele sehnte man sich so sehr, dass man in rührender Anhänglichkeit lieber in Trümmer zurückkehrte, als sie aufzugeben.

Das bedrückende Wesen der Großstadt lag nicht nur an der Lieblosigkeit und Unnatürlichkeit ihrer Wohnmaschinen, es lag auch an dem wuchernden Charakter ihres Wachstums, der sich nur selten bannen ließ [...]. Das eine Ziel ist es, dies Wachstum vor sich gehen zu lassen in Form klarer in sich geschlossener Einheiten – das andere ist, diese Einheiten soviel wie möglich in die gegebene Landschaft einzubetten und doch untereinander eine lebendig durchpulste Verkehrsverbindung zu bringen. Man könnte sagen, dass sich die Großstadt auflöst in "Knollengebilde" von Mittelstädten, die ihrerseits wieder in kleinstädtische Gemeinden zerfallen, wenn nicht das weitere Ziel bestände, durch die besondere Kunst der städtebaulichen Anordnung, trotz der Gliederung in solche lebendige Zellen mit eigenen Lebenskräften, das Ganze schließlich doch zusammenzuhalten zu einem Gebilde, das seine spezifische Eigenart als großer Kulturbewahrer behält.

Es wäre völlig falsch, in dem neuen Idealbild für große Menschenanhäufungen nur das Zerschlagen der großen Formen und das Zurückführen zu primitiven und deshalb überschaubaren Verhältnissen zu sehen, – es wäre ganz äußerlich, nur in dem engen Aneinanderrücken von Mittelstädten zu einem großen Klumpen schon ein Ziel zu sehen, nein, in dieser Verbindung der scheinbar feindlichen Gegensätze von großstädtischem Geist und beschaulichen Lebensverhältnissen des Alltags liegt das Besondere des Problems. Wir wollen nicht die Großstadt ausmerzen, wir wollen sie nur so umgestaltet wissen, dass wir, auch wenn wir nur ein Stück von ihr betrachten, etwas Lebendiges und Lebensfähiges vor uns sehen, und nicht ein ungestaltetes Etwas, das als Brocken keinen Sinn hat."

Quelle: Fritz Schumacher: Zum Wiederaufbau Hamburgs. Rede im Hamburger Rathaus am 10. Oktober 1945. Hamburg 1945.

Fussnoten